Kapitel 7

»Das Dumme ist, daß es im Augenblick zu wenig Jockeis gibt«, klagte James Axminster. Wir waren unterwegs nach Sandown und besprachen die Frage, wen er in der kommenden Woche einsetzen sollte, wo er am selben Tag zwei verschiedene Rennplätze zu beschicken hatte. »Manchmal hat man beinahe das Gefühl, daß alles verhext ist«, sagte er, den großen Wagen geschickt zwischen einer wackligen Radlerin und einem großen Möbelwagen hindurchsteuernd. »Art hat sich erschossen, Pip das Bein gebrochen, Grant einen Nervenzusammenbruch erlitten. Zwei oder drei andere Jockeis haben durch alltäglichere Unfälle ausscheiden müssen; und mindestens vier ganz brauchbare Burschen haben Ballertons albernen Ratschlag befolgt und sind in die Fabrik gegangen. Da wär’ noch Peter Cloony ... aber ich habe gehört, daß er sehr unzuverlässig ist und selten pünktlich kommt, Danny Hicks wettet zuviel, heißt es, und Ingersoll gibt sich nicht immer die größte Mühe, wie man mir erzählt .«

Er bremste, als eine Frau mit einem Kinderwagen vor uns unvorsichtig die Straße überquerte, und meinte: »Jedesmal, wenn ich einen brauchbaren Jockei gefunden zu haben glaube, höre ich etwas Nachteiliges über ihn. Bei Ihnen war es der Film, den man in der Fernsehsendung gezeigt hat. Gräßlich, was? Ich hab’ ihn mir angesehen und dachte, du lieber Himmel, was hab’ ich getan, daß ich den Kerl gebeten habe, für mich zu reiten, wie erkläre ich das nur den Besitzern.« Er grinste. »Ich war nahe daran, sie alle anzurufen und ihnen zu versichern, daß ich Sie nicht an ihre Pferde heranlasse. Zum Glück für Sie ist mir

eingefallen, wie Sie für mich geritten sind, und ich habe mir die Sendung bis zu Ende angesehen, dann war ich anderer Meinung. Ich kam sogar auf den Gedanken, daß ich mehr Glück als Verstand gehabt hatte, als ich Sie einsetzte. Ich habe bisher keinen Grund gehabt, meine Meinung zu ändern«, sagte er lächelnd und sah mich von der Seite her an. Ich lächelte auch. In den Wochen, seit sich Pip das Bein gebrochen hatte, waren wir näher miteinander bekannt geworden, und ich konnte ihn von Tag zu Tag besser leiden. Er war nicht nur einer der ersten in seinem Fach, sondern auch in jeder anderen Beziehung zuverlässig. Er hatte keine Launen; man brauchte nicht jedesmal Angst zu haben, daß er in schlechter Stimmung sein würde, weil er immer in der gleichen Gemütsverfassung war, weder übermütig noch gereizt, einfach vernünftig und aufnahmebereit. Er sagte ohne Umschweife, was er dachte, so daß man nie nach versteckten Anzüglichkeiten fahnden mußte. Andererseits war er in vieler Beziehung durchaus egoistisch. Wenn es nicht ausdrücklich um geschäftliche Dinge ging, kamen an erster, zweiter und dritter Stelle seine Bequemlichkeit und sein Wohlbefinden; einem anderen erwies er nur dann eine Gefälligkeit, wenn sie nichts kostete. Selbst das war für seine Stallburschen oft günstig, weil er ihnen lieber aus der eigenen Tasche ein großzügiges Reisegeld zahlte, statt einen Umweg von zehn Kilometern zu machen und sie vor ihrer Wohnung abzusetzen.

Er schien von Anfang an mit meiner Gesellschaft ebenso zufrieden zu sein wie ich mit der seinen und hatte mich nach kurzer Zeit gebeten, das >Sir< wegzulassen und ihn >James< zu nennen.

In derselben Woche noch, als er uns von Birmingham nach Hause fuhr, kamen wir an grellen Plakaten vorbei, die ein dort stattfindendes Konzert ankündigten.

»Dirigent Sir Trelawny Finn«, las er laut vor, als ihm die riesigen Lettern ins Auge stachen. »Das ist wohl kein Verwandter von Ihnen«, meinte er scherzend.

»Doch, um ehrlich zu sein, ja, das ist mein Onkel«, sagte ich. Es wurde totenstill. Dann sagte er: »Und Caspar Finn?«

»Mein Vater.«

Eine Pause.

»Und weiter?«

»Dame Olivia Cottin ist meine Mutter«, sagte ich leichthin.

»Du guter Gott«, entfuhr es ihm.

Ich grinste.

»Sie halten das aber sehr geheim«, meinte er.

»In Wirklichkeit ist es umgekehrt«, erklärte ich fröhlich. »Sie ziehen es vor, mich geheimzuhalten. Ein Jockei in der Familie ist für sie eine Schande, wissen Sie. Sie lassen sich nicht gerne daran erinnern.«

»Trotzdem«, sagte er nachdenklich. »Das erklärt vieles, worüber ich mich bei Ihnen gewundert habe. Woher Sie das Selbstvertrauen haben . und warum Sie so wenig von sich selber sprechen.«

Ich sagte lächelnd: »Ich wäre sehr froh, James, wenn Sie meine Familie im Wiegeraum nicht erwähnen würden, aus Gefälligkeit meinen Eltern gegenüber.«

Er versprach mir, sich zurückzuhalten, und hielt sein Wort, aber von diesem Augenblick an verstanden wir uns noch besser als zuvor. Als er daher die angeblichen Beanstandungen bei Peter Cloony, Danny Hicks und Tick-Tock aufzählte, sagte ich mit einiger Zuversicht: »Sie scheinen da allerhand Gerüchte aufgeschnappt zu haben. Wissen Sie wirklich, ob das alles stimmt?« »Ob es stimmt?« wiederholte er überrascht. »Na, Peter Cloony hat doch vor ein paar Wochen eindeutig zwei Rennen verpaßt, weil er sich verspätet hatte, das steht fest.«

Ich erzählte ihm von Peters Pech, zweimal durch ein seine Straße blockierendes Fahrzeug aufgehalten worden zu sein.

»Soviel ich weiß, hat er sich seither nicht mehr verspätet«, meinte ich. »Die Behauptung, daß er unpünktlich ist, scheint sich nur auf diese beiden Gelegenheiten zu stützen.«

»Ich habe ein paarmal gehört, daß man sich auf ihn nicht verlassen kann«, meinte James hartnäckig.

»Von wem?« fragte ich neugierig.

»Oh, ich weiß nicht. Von Corin Kellar beispielsweise, und natürlich von Johnson, der ihn für sich arbeiten läßt. Auch von Ballerton, obwohl ich mich im allgemeinen nicht auf das verlasse, was er mir erzählt. Es ist einfach allgemein bekannt.«

»Und wie steht’s bei Danny Hicks?« fragte ich. Danny war ein unverwüstlicher Cockney, klein und schmächtig, aber von geradezu wilder Tapferkeit.

»Er wettet zuviel«, sagte James entschieden.

»Wer behauptet das?« wollte ich wissen. Mir war bekannt, daß Danny gegen die Regeln verstieß, indem er auf Pferde wettete, aber nach dem zu schließen, was er im Umkleideraum zu sagen pflegte, riskierte er nie mehr als fünf oder zehn Pfund, so daß kein Trainer Grund hatte, ihn schief anzusehen.

»Wer das behauptet? Ich ... äh ... Corin«, sagte er lahm.

»Corin hat mir das übrigens ein paarmal gesagt. Er setzte ihn deswegen nie ein.«

»Und Tick-Tock?« drängte ich. »Wer behauptet, daß sich Ingersoll nicht immer Mühe gibt?«

Er gab mir nicht sofort Antwort. Nach einer Weile sagte er: »Warum soll ich nicht glauben, was mir Corin erzählt? Er hat ja nichts davon. Er ist ein ausgezeichneter Trainer, hängt aber wie wir alle von guten Jockeis ab. Er würde nie auf Leute wie Cloony oder Hicks verzichten, wenn er nicht einen guten Grund dazu hätte.«

Ich überlegte kurze Zeit, dann meinte ich: »Ich weiß, daß mich das eigentlich nichts angeht, aber macht es Ihnen etwas aus, mir zu sagen, warum Sie Grant Oldfield gefeuert haben? Er erzählte mir, daß es etwas mit einer Nachricht zu tun habe, aber mehr brachte ich aus ihm nicht heraus.« Ich verzichtete darauf, ihm auseinanderzusetzen, in welchem Zustand ich Grant damals gefunden hatte.

»Eine Nachricht? O ja, er hat die Nachricht weitergegeben, das ging natürlich nicht.«

Ich sah ihn verständnislos an. Axminster brauste bei Gelblicht über eine Kreuzung und sah mich von der Seite an. »Na ja, Sie wissen schon, er hat weitergegeben, was er wußte«, sagte er ungeduldig. »Wenn wir einen Favoriten einsetzen, verständigte er häufig einen berufsmäßigen Wetter. Dem Besitzer des Pferdes wurden keine günstigen Gewinnchancen angeboten, weil der Professional vor ihm da war und ihm alles verdarb. Drei meiner Auftraggeber waren sehr wütend - es macht ihnen keinen Spaß, Drei-zu-Eins-Wetten nehmen zu müssen, wenn sie mit sechs oder sieben zu eins gerechnet hatten. Grant mußte Schluß machen. Sehr bedauerlich, er war außerordentlich tüchtig.«

»Wie sind Sie dahinter gekommen, daß Grant geplaudert hat?«

»Maurice Kemp-Lore erfuhr es, als er eine seiner Sendungen vorbereitete. Er wollte die Hintergründe von professionellen Wetten aufzeigen, soviel ich weiß, und kam Grant mehr oder weniger zufällig auf die Schliche. Er hat sich beinahe entschuldigt bei mir und meinte, es sei doch klüger, Grant nicht in alles einzuweihen. Aber man kann nicht ordentlich mit einem Jockei arbeiten, wenn man ihm etwas vorenthält, das geht einfach nicht.«

»Was hatte Grant zu sagen, als Sie ihn hinauswarfen?« fragte ich.

»Er stritt rundweg alles ab. Aber das war natürlich zu erwarten. Kein Jockei wird zugeben, daß er Informationen weitergibt, wenn er weiterhin beschäftigt sein will.«

»Haben Sie mit dem bewußten Wetter gesprochen?« fragte ich.

»Ja, allerdings«, sagte er. »Ich wollte es zuerst nämlich nicht glauben. Aber Zweifel waren nicht möglich. Ich mußte ihm ein bißchen zusetzen, weil er ja auch nicht in bestem Licht erschien, aber Lubbock, der Professional, gab zu, daß Grant ihn per Telefon verständigt habe und er ihm, seit er für mich ritt, laufend Beträge habe zukommen lassen.«

Das schien ziemlich eindeutig zu sein, aber ich hatte irgendwie das Gefühl, daß da noch etwas dahintersteckte.

Ich wechselte das Thema. »Um auf Art zurückzukommen«, sagte ich, »warum hatte er eigentlich dauernd Streit mit Corin?«

»Ich weiß nicht recht«, meinte James nachdenklich. »Ich habe Corin ein paarmal sagen hören, daß Art sich nicht an seine Anweisungen gehalten hätte. Vielleicht lag es daran.« Er überholte zwei Lastwagen und sah mich wieder an. »Worauf wollen Sie hinaus?«

»Manchmal sieht es so aus, als sei da nicht alles in Ordnung«, meinte ich. »Zu viele Jockeis werden durch Gerüchte belastet. Sie haben selbst gesagt, daß alles verhext zu sein scheint.«

»Aber doch nicht im Ernst«, wandte er ein. »Sie haben zuviel Phantasie. Und wenn wir schon von Gerüchten reden, welches Gerücht hat Art dazu gebracht, sich umzubringen, oder Pip, sich das Bein zu brechen, oder Grant, Informationen zu verkaufen? Gerüchte sind doch schließlich auch nicht dafür verantwortlich, daß Cloony unpünktlich ist.«

»Danny Hicks wettet nicht sehr viel«, sagte ich unsicher, »und Ingersoll reitet so ehrlich wie irgendein anderer.«

»Über Hicks wissen Sie nicht genau Bescheid«, setzte er mir auseinander, »und Ingersoll ist letzte Woche gerügt worden, weil er sein Pferd hat zurückfallen lassen. Es gehörte John Ballerton, und er war sehr aufgebracht. Das hat er mir selbst gesagt.«

Ich seufzte. Tick-Tocks Version lautet, daß Corin ihn gebeten habe, das Pferd nicht zu überanstrengen, weil es noch nicht völlig fit sei. Er habe deshalb beschlossen, nicht allzuviel Druck darunterzusetzen, nur um auf dem dritten Platz zu landen. Er hätte es für besser gehalten, die Energie des Pferdes für einen späteren Sieg zu schonen, meinte er, was der Ansicht vieler Jockeis und Trainer entsprach, aber die Pferdebesitzer und Zuschauer, die auf das Pferd gesetzt hatten, mochten da anderer Meinung sein. Nach der Untersuchung hatte Corin, Wetterfahne, die er war, Tick-Tock deswegen ausgeschimpft.

»Kann sein, daß ich mich gründlich irre«, sagte ich langsam, »ich hoffe es jedenfalls, aber .«

»Aber?« wiederholte er, als ich eine Pause machte.

»Aber wenn Sie einmal Gerüchte über mich hören, denken Sie dann vielleicht daran, was ich glaube ... und prüfen Sie gründlich nach, ob das auch alles stimmt, bevor Sie dran glauben!«

»Na gut«, meinte er großzügig. »Ich halte es ja für Unsinn, aber bitte, ich bin einverstanden.« Er schwieg eine

Weile, dann sagte er mit ungeduldigem Kopf schütteln: »Niemand hat etwas zu gewinnen, wenn er versucht, Jok-keis fertigzumachen. Das ist Unsinn. Völlig sinnlos.«

»Ich weiß«, sagte ich. »Sinnlos.«

Wir wechselten das Thema.

Weihnachten kam, und in der Woche davor, als keine Rennen stattfanden, blieb ich ein paar Tage in Kensington. Meine Eltern begrüßten mich mit der üblichen liebenswürdigen Geistesabwesenheit und überließen mich meinem Schicksal. Sie waren beide überbeschäftigt, und meine Mutter übte außerdem jeden Vormittag am Flügel ein neues Konzert, das am ersten Januar zum erstenmal gespielt werden sollte. Sie begann jeden Tag pünktlich um sieben und spielte - mit kurzen Unterbrechungen zum Kaffeetrinken und Nachdenken - bis halb eins.

Ich konnte sie mir genau vorstellen, in der Arbeitskleidung, Skihose und Wollpullover, aufrecht auf ihrem Hok-ker, den Kopf vorgebeugt, wie um aus dem Flügel mehr herauszuhören als die Noten.

Meine Mutter mochte in meiner Kindheit keine tröstende Zuflucht gewesen sein, noch gab sie sich jetzt allzuviel mit mir ab, seit ich erwachsen war, aber durch ihr Beispiel hatte sie mir viel gegeben. Zähe Durchsetzungskraft, die Weigerung, sich mit Einfachem zufrieden zu geben, wenn sich Höheres allein durch Arbeit erreichen ließ. Ich war mit jungen Jahren selbständig geworden, und weil ich die Mühe hinter dem Glanz ihres öffentlichen Auftretens sah, erwartete ich nicht, daß mir das Leben ohne Anstrengung auf meiner Seite alles in den Schoß warf. Welche Mutter konnte ihren Sohn mehr lehren?

Joanna hatte wenig Zeit, weil sie mehrmals in Aufführungen des Weihnachtsoratoriums auftreten mußte. Es gelang mir nur, sie zu einem Spaziergang im Hyde Park zu bewegen, von meinem Standpunkt aus kein Erfolg, weil Bach mich mühelos auf den zweiten Platz verwies, was Joannas Aufmerksamkeit anging. Vom Albert-Tor bis zur Serpentine und von der Serpentine bis zur Bayswater Road summte sie unaufhörlich Melodien aus dem Oratorium vor sich hin. Dort stiegen wir in ein Taxi, und ich lud sie zum Weihnachtsessen im Savoy ein, wo sie nur mit größter Mühe vom Singen zurückzuhalten war, da ihr die Akustik in der Eingangshalle zusagte. Ich vermochte nicht zu entscheiden, ob sie mich absichtlich ärgerte, und wenn ja, warum?

Sie war jedenfalls weit weniger gleichgültig als sonst und zeigte in ihrem Verhalten eine Sprödigkeit, die ich weder mochte noch verstand, bis mir während des Essens plötzlich einfiel, daß sie vielleicht unglücklich war. So etwas hatte ich bei ihr noch nie erlebt, weshalb ich mir nicht sicher sein konnte. Ich wartete bis zum Kaffee und sagte dann gleichmütig: »Was ist los, Joanna?«

Sie sah mich an, schaute sich im Lokal um, sah mich wieder an, dann ihre Tasse.

Schließlich sagte sie: »Brian will mich heiraten.«

Damit hatte ich nicht gerechnet. Es war ein schwerer Schlag für mich. Ich ertappte mich dabei, daß ich in meine Tasse starrte. Schwarz und bitter, sehr passend, dachte ich.

»Ich weiß nicht, was ich tun soll«, sagte sie. »So, wie es bisher gewesen ist, war es mir recht. Jetzt bin ich ganz durcheinander. Brian möchte so einfach nicht weitermachen. Er geht sehr viel in die Kirche und kann unser Verhältnis mit seiner Religion nicht vereinbaren. Ich habe es nie für besonders sündhaft gehalten, ganz einfach für erfreulich, fruchtbar und ... tröstlich. Er spricht davon, daß er sich ein Haus kaufen und sich niederlassen will, und er sieht mich als die ideale Hausfrau, beim Putzen, Nähen, Kochen und so weiter. Ich gehöre nicht zu diesem Typ. Der Gedanke allein erschreckt mich. Wenn ich ihn heirate, weiß ich, daß ich mich elend fühlen werde ...« Ihre Stimme wurde immer leiser.

»Und wenn du ihn nicht heiratest?« fragte ich.

»Dann ist mir auch elend, weil er sich weigert, so weiterzumachen wie bisher. Wir fühlen uns miteinander nicht mehr wohl. Wir streiten uns fast. Er meint, es ist unverantwortlich und kindisch, in meinem Alter nicht heiraten zu wollen, und ich sage, daß ich ihn gerne heiraten will, wenn wir so weiterleben wie bisher, daß er kommt und geht, wann es ihm paßt, daß ich arbeiten und gehen und kommen kann, wie es mir gefällt. Aber das will er nicht. Er möchte solid und konventionell sein und ... und fad.«

Das letzte Wort stieß sie explosiv, beinahe verächtlich hervor. Sie rührte angestrengt ihren Kaffee um. Zucker hatte sie noch keinen hineingetan. Ich beobachtete ihre nervösen Bewegungen, die langen, kräftigen Finger mit den lackierten Fingernägeln, die den Löffel zu fest umklammert hielten.

»Wie sehr liebst du ihn?« fragte ich gepreßt.

»Ich weiß es nicht«, sagte sie unglücklich. »Ich weiß überhaupt nicht mehr, was Liebe ist.« Sie sah mich an. »Wenn sie bedeutet, daß ich mein Leben damit zubringen will, ihm Bequemlichkeiten zu verschaffen, dann lieb’ ich ihn nicht. Wenn es darum geht, was zwischen Mann und Frau üblich ist, dann liebe ich ihn.«

Sie sah das Zucken in meinem Gesicht und sagte plötzlich: »Ach verdammt, Rob ... es tut mir leid. Es ist so lange her, seit du etwas gesagt hast ... ich hätte nicht gedacht, daß du noch .«

»Schon gut«, sagte ich. »Da läßt sich nichts machen.«

»Was ... was soll ich deiner Meinung nach tun?« fragte sie nach einer längeren Pause, immer noch mit dem Kaffeelöffel spielend.

»Es ist doch ganz klar«, sagte ich entschieden, »daß du Brian nicht heiraten darfst, wenn du das Leben nicht ertragen kannst, das ihm vorschwebt. Es wäre für euch beide nicht gut.«

»So?« sagte sie leise.

Aber ich schüttelte den Kopf. Mit allem anderen mußte sie allein fertig werden. Ich konnte ihr keinen neutralen Rat geben, und das muß sie auch gewußt haben.

Sie ging dann bald zu einer Probe, ich bezahlte und marschierte auf die festlich geschmückte Straße hinaus. Ich kaufte unterwegs ein paar Geschenke für meine Familie und wanderte langsam zur Wohnung zurück. Die Art von Ehe, die Joanna Brian angeboten hatte und die er nicht wollte, war genau das, was ich mir am meisten wünschte. Warum ging es im Leben nur so unfair zu, dachte ich bedrückt.

Am zweiten Weihnachtsfeiertag gewann Template das Königsrennen, eines der zehn wichtigsten Rennen des Jahres. Es machte ihn endgültig zu einem Star und schadete auch mir nicht.

Das Rennen war im Fernsehen übertragen worden, und Maurice Kemp-Lore interviewte mich nachher als Siegerjockei, wie es seine Gewohnheit war. Am Ende des kurzen Gesprächs bat er mich, Pip guten Tag zu sagen, der, wie er seinen Zuschauern erklärte, zu Hause die Sendung verfolgte. Ich hatte Pip erst vor acht oder vierzehn Tagen gesehen und mich über Renntaktik mit ihm unterhalten, aber ich begrüßte ihn trotzdem und sagte, hoffentlich heile der Bruch gut. Kemp-Lore fügte lächelnd hinzu: »Wir alle wünschen Ihnen gute Besserung, Pip«, und das Interview war zu Ende. Am folgenden Tag gab es in der Sportpresse lobende Erwähnungen des Rennens, und eine Anzahl von Trainern, für die ich noch nie geritten war, bot mir Pferde an. Endlich hatte ich das Gefühl, ohne Vorbehalt als Jok-kei anerkannt zu sein, nicht ausschließlich als Ersatzmann für Pip. Es erschien sogar möglich, daß ich nach Pips Rückkehr nicht der Vergessenheit anheimfallen würde, weil zwei von den neuen Trainern erklärten, sie würden mich so oft für ihre Pferde nehmen, wie ich Zeit hatte.

Es gab natürlich auch in dieser Zeit Stürze, weil ich trotz allem dem Gesetz der Wahrscheinlichkeit nicht entkommen konnte, aber abgesehen von ein paar Prellungen ging alles glimpflich ab.

Der schlimmste Sturz vom Standpunkt der Zuschauer aus passierte eines Samstagnachmittags im Januar, als mein Pferd vor der Haupttribüne stolperte und mich abwarf. Ich fiel direkt auf den Kopf. Als mich die Sanitäter auf einer Bahre in den Krankenwagen schoben, kam ich zu mir und wußte ein paar Augenblicke lang nicht, wo ich war.

James’ Gesicht, das ich vor mir sah, als man mich in den Sanitätsraum trug, brachte mich mit einem Schlag in die Wirklichkeit zurück, und ich fragte ihn, ob sein Pferd unverletzt sei.

»Ja«, sagte er. »Und Sie?«

»Nichts gebrochen«, versicherte ich ihm, nachdem ich während der kurzen Fahrt im Krankenwagen meine Glieder abgetastet hatte.

»Er ist über Sie hinweggerollt«, sagte er.

»Wundert mich nicht.« Ich grinste ihn an. »Ich komme mir auch ein bißchen zerquetscht vor.«

Ich lag eine Weile auf einem Bett im Sanitätsraum, aber was ich brauchte, war nur Schlaf, und nach dem Rennen fuhr ich mit James wie vorgesehen nach Berkshire zurück.

»Alles in Ordnung?« erkundigte er sich unterwegs.

»Ja«, sagte ich fröhlich. »Prima.« In Wirklichkeit wurde mir ab und zu schwindlig, ich fröstelte auch ein bißchen, aber es war üblich, den Trainern zu verbergen, wie man sich wirklich fühlte, und ich wußte, daß ich am nächsten Montag wieder würde reiten können.

Der einzige, der sich über meine Glückssträhne geärgert hatte, war John Ballerton, und ich hatte ihn ein paarmal im Paradezirkel gesehen, wie er mich mit zusammengepreßten Lippen feindselig anstarrte.

Seit dem Tag unseres gemeinsamen Auftretens im Fernsehen hatten wir höchstens ein paar Worte miteinander gewechselt, aber von Corin erfuhr ich, daß Ballerton in der Bar in Kempton zu ihm und Maurice Kemp-Lore laut gesagt habe: »Finn ist es gar nicht wert, daß man soviel Geschrei um ihn macht. Er wird ebenso schnell wieder unten sein, wie er hinaufgekommen ist, warten Sie’s nur ab. Und mir tut’s ganz bestimmt nicht leid.«

Angesichts dieser Tatsache war es erstaunlich, daß man mir am Tag nach dem Sturz einen Ritt auf einem seiner Pferde anbot. Zuerst glaubte ich Corin gar nicht. Sein Anruf weckte mich am Sonntag vormittag, und ich glaubte zunächst zu träumen.

»Wenn er zwischen mir und einem Sack Kartoffeln die Wahl hat, dann nimmt er die Kartoffeln«, sagte ich schläfrig.

»Nein, im Ernst, Rob, er möchte, daß Sie morgen in Dunstable Shantytown reiten.« Corins Stimme ließ jede Spur von Humor vermissen. »Ich muß sagen, daß ich nicht ganz begreife, warum, weil er immer gegen Sie eingestellt gewesen ist. Aber vor nicht ganz fünf Minuten hat er sich am Telefon ganz entschieden geäußert. Vielleicht ist das ein Ölzweig.«

»Vielleicht auch nicht«, dachte ich. Mein erster Impuls war, mich zu weigern, aber mir fiel keine passende Ausrede ein, weil Corin in Erfahrung gebracht hatte, daß ich für das Rennen frei war, bevor er mir sagte, um welches Pferd es sich handelte. Eine grundlose Ablehnung war zwar möglich, aber unsinnig. Ballerton hätte dann nicht zu Unrecht etwas gegen mich gehabt, und wenn er im Ernst die Feindseligkeit beenden wollte, was ich bezweifelte, würde ich sie durch eine Ablehnung seines Angebots nur anfachen.

Shantytown war kein Template. Weit, weit gefehlt. Sein ungewisses Temperament und die unzuverlässigen Sprungleistungen wurden mir auf bedrückende Weise von Tick-Tock geschildert, als wir am folgenden Morgen nach Dunstable unterwegs waren.

»Ein Mistvieh«, sagte er und drückte den Gashebel nach unten.

»Da hast du dir etwas eingehandelt.«

»Er ist nicht schlecht in Form«, protestierte ich gelassen.

»Hm. Jedesmal, wenn er gewonnen oder sich plaziert hat, dann nur, weil er durch einen Raketenstart seinem Jockei die Arme aus dem Gelenk riß und wie der Teufel weiterrannte. Man kann sich nur festhalten und das Beste hoffen, was anderes gibt es nicht, wenn er in einer solchen Stimmung ist. Er hat ein gußeisernes Gebiß. Ich wüßte im Augenblick tatsächlich kein Pferd«, schloß Tick-Tock mit satirischer Gespreiztheit, »das auf die Vorstellungen seines Jockeis weniger eingeht.«

Seine Stimme klang nicht bitter, aber wir wußten beide, daß noch vor ein paar Wochen der Ritt auf Shantytown ihm gehört hätte, nicht mir. Seit der Rüge durch die Rennleitung ignorierte ihn Corin Kellar. Das war typisch für Corin, einen Mann abzuhalftern, der in Schwierigkeiten gekommen war, weil er Kellars Interessen gewahrt hatte, und das unfaire Gerücht, Tick-Tock sei ein gewohnheitsmäßiger Faulpelz, erhielt dadurch nur neue Nahrung.

Abgesehen davon, daß er weit weniger Ritte als vorher bekam, zeigte sich Tick-Tock wenig beeindruckt. Er zuckte die Achseln und erklärte mit entschlossener Miene: »Sie werden es sich schon wieder einmal anders überlegen. Ich mache jedes Pferd zu Mus, das sie mir geben. Ab sofort wird mich keiner mehr auf dem achten Platz sehen, wenn ich sechster werden kann, obwohl das Pferd dabei draufgeht.«

Ich hatte lächeln müssen, als ich diese grimmigen Worte von einem Mann hörte, der für seine Gelassenheit bekannt war, fühlte aber Erleichterung darüber, daß er seelisch keinen Knacks davongetragen zu haben schien. Bei ihm gab es keinen Selbstmord oder einen Nervenzusammenbruch.

Shantytown war, als es ans Rennen ging, nicht, was man mir erzählt hatte. Der feuchte, kalte Januarnachmittag hatte nur eine kleine Zuschauermenge angelockt, und als ich den großen, dunklen Fuchs im Paradezirkel umhertrotten sah, dachte ich, wie gut er zu dieser Umgebung paßte.

Weit davon entfernt jedoch, mir die Arme aus dem Gelenk zu reißen, schien Shantytown in Gefahr zu sein, einzuschlafen. Der Start erwischte ihn beim Dösen, und ich mußte ihn über das erste Hindernis antreiben. Er sprang recht gut an, kam aber schlecht auf, und so war es an jedem Hindernis. Ich fand das merkwürdig, wenn ich an Tick-Tocks Worte dachte, aber auch Pferde haben manchmal ihren schlechten Tag, und ich konnte nur annehmen, daß es auch bei Shantytown so war.

Wir liefen die ganzen drei Meilen als letzte hinter dem Feld her, kamen auch als unrühmliche letzte durchs Ziel. Alle meine Bemühungen, ihn auf der Geraden zur schnelleren Gangart zu bewegen, erwiesen sich als fruchtlos. Shantytown hatte von Anfang an keine Energie gezeigt und am Schluß schien er total erschöpft zu sein. Man be-gegnete uns nach der Rückkehr äußerst feindselig. John Ballerton, den ich vor dem Rennen begrüßt hatte, starrte mich zornrot an. Corin, dessen Gesicht einen besorgten, flehenden Ausdruck trug, gedachte mich offenbar als Sündenbock für das Versagen des Pferdes hinzustellen, um sein Gesicht als Trainer zu wahren. Dieses Risiko ging man stets ein, wenn man Corins Pferde ritt.

»Was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht?« fauchte Ballerton, als ich abstieg und den Sattel abschnallte.

»Tut mir leid, Sir«, sagte ich. »Er ging einfach nicht schneller.«

»Reden Sie keinen solchen Quatsch«, sagte er. »Er ist bisher immer schneller gegangen. Ich habe noch nie etwas Dümmeres gesehen ... Sie wären ja für einen Ackergaul zu schlecht. Wenn Sie mich fragen, hatte das Pferd von Anfang an keine Chance. Sie haben beim Start nicht aufgepaßt und hatten keine Lust, das gutzumachen.«

»Ich habe Ihnen gesagt, daß Sie ihm nicht allzusehr die Zügel geben dürfen und die ersten beiden Meilen zurückbleiben müssen«, erklärte Corin mißbilligend. »Aber ich finde, daß Sie meine Anweisungen zu wörtlich genommen haben.«

»Was heißt zu wörtlich?« unterbrach ihn Ballerton wütend.

»Haben Sie Angst gehabt oder was? Wenn Sie auf einem Reißer nicht einmal ein anständiges Rennen reiten können, warum versuchen Sie es dann überhaupt? Warum sagen

Sie dann nicht gleich, daß Sie es nicht können? Dann hätten wir uns Zeit und Geld gespart.«

»Das Pferd hat nicht angezogen«, beharrte ich. »Es war einfach zu müde.«

»Kellar!« schrie Ballerton. »Ist mein Pferd ein Reißer oder nicht?«

»Allerdings«, sagte Corin, meinem Blick ausweichend.

»Und Sie haben mir gesagt, daß er fit ist?«

»Ja«, sagte Corin. »Ich dachte, daß Shantytown gewinnt.«

Sie sahen mich anklagend an. Corin mußte gewußt haben, daß das Pferd energielos gelaufen war, weil er das Rennen mit erfahrenem Blick verfolgt hatte, aber er gedachte es nicht zuzugeben. Wenn ich oft für Corin ritt, dachte ich besorgt, würde ich bald ebensoviel mit ihm streiten wie Art.

Ballertons Augen verengten sich und er sagte zu mir: »Ich habe Sie gegen besseres Wissen und nur, weil Maurice Kemp-Lore behauptete, ich hätte Sie falsch beurteilt, gebeten, Shantytown zu reiten. Ich werde ihm sagen, daß er sich irrt. Von mir reiten Sie bestimmt kein Pferd mehr, das kann ich Ihnen versprechen.« Er drehte sich auf dem Absatz um und stakte davon, gefolgt von Corin.

Als ich zum Wiegeraum zurückging, bedauerte ich nur, mich nicht auf meinen Instinkt verlassen und den Ritt für ihn abgelehnt zu haben.

Als die Rennveranstaltung zu Ende war, hatte sich meine Verwunderung über Shantytowns Versagen in eine vage Unsicherheit verwandelt, denn keines der beiden anderen Pferde, die ich an diesem Nachmittag ritt, leistete auch nur annähernd, was man erwartete. Auf beide war stark gewettet worden, und beide wurden beinahe letzte. Obwohl ihre

Besitzer sich nicht so flegelhaft aufführten wie Ballerton, sah man ihnen die Enttäuschung an. Tags darauf, immer noch auf der Rennbahn Dunstable, ging es mit den Fehlschlägen weiter. Ich war für drei Pferde gemeldet, alle drei versagten. Ich bemühte mich den ganzen deprimierenden Nachmittag hindurch, einem Pferdebesitzer nach dem anderen zu erklären, daß es mir nicht gelungen sei, ihre Pferde zu schnellerer Gangart zu bewegen. Das vierte Pferd erwies sich als so müde, daß ich auf halben Weg aufgeben mußte. Selbst an seinen besten Tagen sprang das Tier nur zögernd, aber bei diesem Rennen zeigte es sich so lustlos, daß wir nach einer Weile um ein ganzes Hindernis hinter dem Feld zurückblieben. Es war hoffnungslos. Als ich die Zügel anzog, verfiel das Pferd binnen weniger Schritte von einem widerstrebenden Galopp in langsames Dahintrotten, ein sicheres Anzeichen für Erschöpfung, Da es einem Farmer gehörte, dessen Erfahrung noch gering war, nahm ich an, daß man es tags zuvor überanstrengt hatte, aber der Farmer behauptete das Gegenteil.

Pechsträhnen sind beim Pferdesport häufiger als Erfolgsserien, und die Tatsache, daß sechs meiner Pferde hintereinander weit weniger geleistet hatten, als man von ihnen erwarten durfte, hätte ohne John Ballerton wenig Aufmerksamkeit erregt.

Nach dem fünften Rennen zog ich mich um und verließ den Wiegeraum, vor dem er mit einer kleinen Gruppe von Bekannten stand. Alle Gesichter wandten sich mir mit den verstohlenen, abschätzenden Blicken zu, die beweisen, daß man das Thema des Gesprächs war, und Ballerton sagte etwas Heftiges, wovon ich nur >Schande< verstand.

Da Jockeis an beleidigende Äußerungen ebenso gewohnt sind wie Politiker, ließ ich mir nicht anmerken, daß ich etwas gehört hatte, und ging gelassen zur Tribüne, um mir das letzte Rennen anzusehen, aber ich fragte mich, wie lange Ballerton mir Shantytowns Versagen anrechnen würde, und welche Wirkung seine Beschwerden auf die Anzahl der Pferde haben mochten, die man mir anbot. Er war nicht der Mann, seinen Groll für sich zu behalten; und als Mitglied des National Hunt Committee war sein Einfluß keineswegs gering.

Auf der Tribüne kam Maurice Kemp-Lore zu mir herüber. Wir hatten uns auf Rennbahnen schon öfter getroffen und kamen recht gut miteinander aus, aber trotz seines Charmes, oder vielleicht gerade, weil er manchmal zu freundlich wirkte, hatte ich das Gefühl, daß seine Freundschaft nur in die rein berufliche Kategorie fiel, also zu den möglicherweise nützlichen Bekanntschaften zu zählen war. Ich glaubte nicht daran, daß er mich als Privatmann mochte.

Er lächelte strahlend und brachte seinen Charme voll zur Geltung. Seine schlanke Gestalt strotzte von Gesundheit und Selbstvertrauen, und seinen blauen Augen gelang das beinahe Unmögliche, an einem grauen Januarnachmittag hell zu glitzern. Automatisch lächelte ich auch. Man konnte einfach nicht anders. Sein Erfolg beruhte nicht zuletzt darauf, daß er bei jedem Gesprächspartner ein spontanes Gefühl des absoluten Wohlbefindens hervorzurufen vermochte, und es gab niemand, der seine Gesellschaft nicht schätzte, selbst wenn man, wie ich, davon ausging, daß es ihm in erster Linie darauf ankam, Material für seine Sendungen zu sammeln.

»So ein Pech, Rob«, sagte er freundlich. »Meine Empfehlung bei John Ballerton hat Ihnen ja nicht gerade Glück gebracht.«

»Das kann man wohl sagen«, meinte ich. »Aber trotzdem vielen Dank.«

Die blauen Augen glitzerten. »Gern geschehen«, sagte er. Ich hörte deutlich ein leises, hohes Pfeifen, als er einatmete. Es war das erstemal, daß ich ihn bei einem Asthmaanfall sah. Er tat mir irgendwie leid.

Die Pferde für das sechste Rennen trabten vorbei auf dem Weg zum Startplatz.

»Hat sich James für den Winter-Cup schon entschieden?« fragte er beiläufig, den Blick auf die Pferde gerichtet. Ich lächelte. Aber er ist ja im Dienst, dachte ich mir, und was ist schon dabei, wenn du ihm Bescheid sagst?

»Template startet, wenn alles klappt«, sagte ich.

»Und Sie reiten ihn?«

»Ja.«

»Wie geht es Pip?« fragte er mit rasselndem Atem.

»Sein Bein heilt recht gut, aber er ist noch im Gips«, antwortete ich. »Er wird nächste Woche abgenommen, soviel ich weiß, und vielleicht kann er in Cheltenham schon wieder reiten, aber für den Winter-Cup scheidet er natürlich aus.«

Das Rennen, von dem die Rede war, sollte Mitte Februar in Ascot stattfinden, als eine Art Vorbereitung drei Wochen vor dem Cheltenham Gold Cup. Es lag noch fast einen Monat vor uns, an jenem Tag in Dunstable, und ich freute mich ganz besonders darauf, weil ich dann voraussichtlich das letztemal auf Template reiten würde. Pip wollte auf jeden Fall beim Gold Cup dabeisein, was ich sehr gut verstehen konnte.

»Welche Chance geben Sie Template im Winter-Cup?« fragte Maurice, das Rennen durchs Fernglas beobachtend.

»Oh, ich hoffe, daß er gewinnt«, sagte ich ruhig. »Sie können mich zitieren.«

»Das werd’ ich wahrscheinlich tun«, meinte er lächelnd. Wir verfolgten gemeinsam das Rennen, und seine Anwe-

senheit wirkte so wohltuend auf mich, daß ich Dunstable in recht guter Stimmung verließ, ohne weiter an die schlechten Ergebnisse der letzten beiden Tage zu denken.

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