Kapitel 16

Am Dienstagvormittag kaufte ich ein Exemplar von >Horse and Hound< und telefonierte geraume Zeit mit ein paar von den Leuten, die Jagdpferde zum Verkauf anboten. Mit dreien davon vereinbarte ich, daß ich das betreffende Tier zwei Tage später besichtigen würde.

Dann rief ich einen der Farmer an, für den ich geritten war, und überredete ihn, mir am Donnerstagnachmittag seinen Land Rover mit Anhänger zu leihen.

Anschließend fuhr ich, nachdem ich mir von Joanna, die bei einer Probe war, ein Maßband ausgeborgt hatte, mit dem Mietwagen zu James’ Rennstall. Er saß in seinem Büro und erledigte Schreibarbeiten. Das im Kamin gerade erst entzündete Feuer kam gegen die Kälte nicht auf, und die Pferdepfleger draußen im Hof rannten durchfroren hin und her.

»Heute ist es wieder nichts mit dem Rennen«, meinte James.

»Immerhin, diesen Winter haben wir ziemlich viel Glück gehabt.« Er stand auf, rieb sich die Hände und wärmte sie an dem mageren Feuerchen.

»Ein paar Besitzer haben angerufen«, sagte er. »Sie wollen Sie wieder nehmen. Ich habe ihnen erklärt ...«:, und seine Zähne blinkten, als er mich unter den Brauen hervor ansah, »... daß ich mit Ihren Leistungen zufrieden bin und Sie im Gold Cup auf Template starten lasse.« - »Was!« rief ich. »Im Ernst?«

»Ja.«

»Aber ... Pip ...«, sagte ich.

»Ich habe Pip erklärt, daß ich Sie nicht von dem Pferd nehmen kann, nachdem Sie auf ihm das Königsrennen und den Winter-Cup gewonnen haben. Pip ist einverstanden. Ich habe mit ihm vereinbart, daß er in der Woche nach Cheltenham wieder anfängt, so daß er vor dem Grand National noch ein paar Rennen absolvieren kann. Im Grand National reitet er mein Pferd - wie im letzten Jahr.«

»Es ist sechster geworden«, sagte ich.

»Ja, stimmt. Ich habe genug Pferde, um Pip und Sie fast die ganze Zeit zu beschäftigen, und außerdem bekommen Sie sicher auch noch andere Ritte. Es müßte für euch beide ganz gut klappen.«

»Ich weiß nicht, wie ich mich bedanken soll«, stammelte ich.

»Bedanken Sie sich bei sich selbst«, empfahl er ironisch. »Sie haben es verdient.« Er bückte sich und legte ein Stück Kohle aufs Feuer.

»James«, sagte ich, »wollen Sie für mich etwas schreiben?«

»Schreiben? Oh, Sie bekommen für die nächste Saison einen Vertrag, genau wie Pip.«

»Das hab’ ich nicht gemeint«, sagte ich verlegen. »Es dreht sich um etwas ganz anderes . Würden Sie schriftlich niederlegen, daß es Maurice Kemp-Lore war, der Ihnen gesagt hat, daß Oldfield Informationen über Ihre Pferde gibt, und daß er behauptete, das von Lubbock erfahren zu haben?«

»Schriftlich?«

»Ja. Bitte«, sagte ich.

»Ich sehe nicht ein ...« Er studierte mich scharf, dann hob er die Schultern. »Na ja, meinetwegen.« Er setzte sich an den Schreibtisch, nahm ein Blatt Papier und schrieb, was ich verlangt hatte. »Unterschrift und Datum?« sagte er.

»Ja, bitte.«

Er drückte den Löscher auf das Blatt. »Was soll das nützen?« fragte er, als er mir die Erklärung gab.

Ich nahm Mr. Lubbocks Blatt aus meiner Brieftasche und gab es ihm. Er las es dreimal.

»Mein Gott«, sagte er. »Unglaublich. Wenn ich mich nun genau bei Lubbock erkundigt hätte? Das war ein großes Risiko für Maurice!«

»Halb so schlimm«, erklärte ich. »Sie wären doch nie auf die Idee gekommen, etwas Verdächtiges an seiner freundlichen Warnung zu finden. Es hat ja geklappt. Grant ist gefeuert worden.«

»Das tut mir leid«, sagte James langsam. »Mir wäre es angenehm, wenn ich das gutmachen könnte.«

»Schreiben Sie Grant und erklären Sie ihm alles. Das ist ihm wichtiger als alles andere.«

»Das mach’ ich«, versicherte er und notierte es sich.

»Am Samstag vormittag«, sagte ich, die beiden Papiere wieder in meiner Brieftasche verstauend, »werden diese Dokumente beim National Hund Committee landen. Sie reichen natürlich für gerichtliche Schritte nicht aus, aber Kemp-Lore wird auf alle Fälle von seinem Postament kippen.«

»Da haben Sie recht.« Er sah mich an und überlegte: »Warum warten Sie bis Samstag?«

»Ich ... äh ... bin erst am Samstag soweit.«

Er beließ es dabei. Wir gingen gemeinsam hinaus und besuchten ein paar Pferde; James gab Anweisungen, verteilte Kritik und Lob an die Pfleger.

Wir gingen an den Boxen entlang, und James betrat die Sattelkammer, um Sid Bescheid zu sagen, daß auch morgen nicht geritten werden konnte. Ganz unerwartet konnte ich nicht über die Schwelle. Ich wollte nicht hineingehen. Ich wußte, daß das albern war, aber das änderte nichts.

Der Zaumzeughaken hing von der Decke herab, und ein paar Lederriemen schwangen harmlos hin und her. Ich drehte mich um, starrte auf den Hof hinaus und fragte mich, ob ich so etwas jemals wiedersehen konnte, ohne mich zu erinnern.

Eineinhalb Kilometer von seinen Stallungen entfernt, in hügeliger Gegend, gehörte James ein altes, verlassenes Verwalterhaus. Früher war es von dem Mann bewohnt worden, der sich um die Galopper kümmerte, hatte mir James einmal erzählt, aber da es weder Strom, Leitungswasser noch hygienische Einrichtungen gab, wohnte der neue Platzwart im Dorf und fuhr mit dem Motorrad zur Arbeit.

Das alte Haus war auf einem überwachsenen Weg zu erreichen, der von einer wenig benützten Landstraße abzweigte; diese Straße führte nirgends hin, als sechs Kilometer weiter zur Hauptstraße. Sie bediente nur zwei Bauernhöfe und ein Privatwohnhaus und wurde wegen des geringen Verkehrs mit für das Training der Axminster-pferde verwendet.

Nachdem ich mich von James verabschiedet hatte, fuhr ich zum Haus hinauf. Ich hatte es noch nie von der Nähe gesehen und stellte jetzt fest, daß es vier Zimmer hatte und in einem kleinen, umzäunten Garten stand, durch den ein schmaler Weg von der Garten- zur Eingangstür führte. Jeder Raum hatte ein Fenster, zwei vorne, zwei hinten.

Ohne Schlüssel hineinzukommen, erwies sich als leicht, da fast alle Fensterscheiben zerbrochen waren; ich entriegelte eines der Fenster und stieg hinein.

Es roch muffig und ein wenig verfault. Wände und Dielen waren noch in gutem Zustand. Und in einem der Räume nur entdeckte ich Feuchtigkeit. Ich sah, daß alle vier Zimmer auf eine kleine Diele hinausgingen, und dachte mir während der Besichtigung, daß sich für meine Zwecke nichts Günstigeres finden ließ.

Ich ging zur Haustür hinaus, schlenderte nach hinten, holte Joannas Maßband aus der Tasche und maß den Fensterrahmen; neunzig Zentimeter hoch, einszwanzig breit. Dann marschierte ich wieder nach vorn, zählte die zerbrochenen Scheiben und maß eine davon ab. Schließlich fuhr ich zu James zurück und bat ihn, mir das Haus ein paar Tage zu leihen, um ein paar Dinge unterbringen zu können, für die ich in meinem Zimmer keinen Platz hatte.

»So lange Sie wollen«, billigte er geistesabwesend.

»Darf ich ein paar Fenster einglasen und ein neues Schloß anbringen lassen, damit mir nichts gestohlen wird?« fragte ich.

»Gern«, sagte er.

Ich bedankte mich, fuhr nach Newbury und ließ mir bei einem Glaser zehn Fensterscheiben, Kitt, eine Anzahl nach meinen Angaben zugeschnittene Rohre, einen Eimer, Schrauben, ein großes Schloß, einen Sack Zement, einen Eimer grüne Farbe, ein Kittmesser, einen Schraubenzieher, einen Spachtel und einen Pinsel herrichten. Ich lud alles in den Wagen und fuhr zu dem Haus zurück. Ich strich die verwitterte Eingangstür an und ließ sie zum Trocknen offen, wobei ich mir dachte, daß man es keinem Menschen übelnehmen konnte, wenn er in dieser einsamen Gegend nicht wohnen wollte.

Ich betrat eines der Hinterzimmer und zertrümmerte alle noch vorhandenen Glasscheiben. Draußen im Garten rührte ich Zement mit Wasser aus der Regentonne an und stellte sechs neunzig Zentimeter lange Eisenrohre aufrecht in einer Reihe quer in das Fenster. Dann ging ich um das Haus herum in die Diele und schraubte am Türpfosten und an der Tür desselben Zimmers die Beschläge für das Schloß an. Die Klinke an der Innenseite der Tür montierte ich ab.

Schließlich mußte ich noch das Glas im Fenster an der Vorderseite ersetzen, was mich am meisten Zeit kostete, weil ich den alten Kitt herauskratzen und den neuen einstreichen mußte, aber endlich war ich fertig, und mit den ganzen Fenstern und der frisch gestrichenen grünen Tür wirkte das Häuschen doch wesentlich freundlicher.

Ich lächelte vor mich hin, holte den Wagen und fuhr nach London zurück.

Der schottische Arzt trank mit Joanna Gin, als ich aufsperrte.

»Ach nein«, sagte ich unfreundlich.

»Doch«, brummte er. »Sie hätten gestern zu mir kommen sollen, erinnern Sie sich?«

»Ich hatte zu tun«, erwiderte ich.

»Ich seh’ mir nur mal die Handgelenke an«, sagte er, stellte das Glas weg und stand entschlossen auf.

Ich seufzte, setzte mich an den Tisch und ließ mir die Verbände abnehmen. Sie waren wieder blutig.

»Hab’ ich Ihnen nicht gesagt, Sie sollen vorsichtig sein?« fragte er streng. »Wie soll denn das heilen? Was haben Sie gemacht?«

Ich hätte sagen können, > Schrauben eingeschraubt, Kitt herausgekratzt und zementiert<, aber statt dessen murmelte ich nur: »Nichts.«

Gereizt klatschte er mir einen frischen Verband auf die Wunde, und ich zuckte zusammen.

»Also«, sagte er, als er fertig war, »machen Sie mal ein bißchen Pause. Und kommen Sie am Freitag in die Sprechstunde.«

»Am Samstag«, korrigierte ich. »Am Freitag bin ich nicht in London.«

»Also gut, am Samstag vormittag. Aber bestimmt.« Er hob sein Glas, leerte es und verabschiedete sich freundlich, aber nur von Joanna. Sie kam lachend zurück, nachdem sie ihn hinausgeleitet hatte.

»Sonst ist er nicht so unfreundlich«, meinte sie. »Aber ich glaube, er argwöhnt, daß wir uns irgendeiner tollen Orgie hingegeben haben, weil du ihm nicht sagen wolltest, wo du dir das geholt hast.«

»Da hat er recht«, sagte ich mürrisch.

Zum dritten Mal legte ich mich aufs Sofa und lag in der Dunkelheit wach, Joannas leisen Atemzügen lauschend. Jeden Tag fragte sie zögernd, ob ich noch eine Nacht bleiben wolle, und da ich nicht die Absicht hatte zu verschwinden, solange noch die Chance bestand, ihren Widerstand wegzuschmelzen, nahm ich die Einladung jedesmal an, obwohl mir von Tag zu Tag klarer wurde, daß kein Brot besser gewesen wäre. Ein halber Laib, in Gestalt von Joanna, die fünf Meter von mir entfernt im Bett schlief und in einem hübschen Nachthemd ins Badezimmer zu laufen pflegte, war außerordentlich unbefriedigend.

Aber ich hätte ohne Schwierigkeiten entweichen und zu einem weniger quälenden Nachtschlaf in mein eigenes Ben zurückkehren können; wenn ich das nicht tat, war es meine eigene Schuld, und das machte ich ihr auch klar, wenn sie sich jeden Morgen dafür entschuldigte, unfair zu mir zu sein.

Am Mittwoch vormittag ging ich zu einer großen Fotoagentur und bat um ein Bild von Maurice Kemp-Lores Schwester Alice. Ich bekam einen ganzen Stoß Fotografien vorgelegt. Alice war ein auffallendes Mädchen mit dunklem Haar, vorstehenden Backenknochen, schmalen, brennenden Augen und strengem Mund. Nicht mein Geschmack. Ich kaufte ein Exemplar eines Bildes, auf dem sie Sportjacke und Kopftuch trug. Dann fuhr ich zum Büro der Steuerberater meiner Eltern und überredete Mr. Stewart dazu, mir zuerst eine Schreibmaschine und dann seinen Fotokopierapparat zu überlassen.

Auf einfaches Papier schrieb ich einen Bericht über Kemp-Lores Verhalten gegenüber Grant Oldfield und fügte hinzu, daß als Folge von Axminsters Vertrauen in Kemp-Lores Anschuldigung Oldfield seine Stellung verloren, einen Nervenzusammenbruch erlitten und Behandlung in der Nervenklinik durchgemacht hatte.

Ich fertigte von diesem Bericht zehn Abschriften an und stellte dann mit dem Fotokopierapparat je zehn Kopien der Erklärungen von Lubbock und James her.

Ich bedankte mich bei Mr. Stewart und fuhr zu Joanna zurück.

Ich zeigte ihr das Foto von Alice Kemp-Lore.

»Aber sie gleicht ihrem Bruder gar nicht«, sagte Joanna. »Der Bahnbeamte in Cheltenham kann sie nicht gesehen haben.«

»Nein«, gab ich zu. »Es war Kemp-Lore selbst. Kannst du ihn mit einem Kopftuch zeichnen?«

Sie holte ein Blatt Zeichenpapier und skizzierte mit Kohle das Gesicht, das ich jetzt mit Widerwillen in meinen Träumen zu sehen pflegte.

»Ich habe ihn nur im Fernsehen gesehen«, meinte sie. »Es ist nicht besonders gut.« Sie fügte ein Kopftuch hinzu und ließ mit ein paar Strichen die Andeutung einer Locke über der Stirn entstehen. Dann legte sie den Kopf zur Seite, betrachtete ihr Werk und betonte die Lippen, bis sie dunkel und voll wirkten. »Lippenstift«, sagte sie erklärend. »Kleidung?«

»Reithose und Sportsakko. Das einzige, was Männer und Frauen gleich gut tragen können.«

»Donnerwetter«, sagte sie und starrte mich an. »War doch einfach, nicht? Herr mit Lippenstift und Kopftuch, und schon war er nicht wiederzuerkennen.«

Ich nickte. »Aber er hat die Leute immer noch an Maurice Kemp-Lore erinnert.«

Sie zeichnete Kragen, Krawatte und die Schultern eines Sakkos mit Revers. Eine hübsche Reiterin schälte sich immer deutlicher heraus. Ich bekam eine Gänsehaut.

Joanna sah mich mitfühlend an.

»Du kannst es kaum ertragen, ihn anzusehen, nicht wahr?« sagte sie. »Und du sprichst im Schlaf.«

Ich rollte das Blatt zusammen, tippte ihr damit auf den Kopf und sagte: »Dann kauf ich dir Watte für die Ohren.«

»Das war aber ein großes Risiko, sich als Mädchen auszugeben«, meinte sie lächelnd.

»Ich glaube nicht, daß er es länger durchgehalten hat als unbedingt nötig. Nur so lange, um unerkannt vom Timber-ley nach Cheltenham zu kommen.«

Ich steckte die Unterlagen in große Umschläge und klebte sie zu. Einen adressierte ich an den Vorsitzenden und vier gewichtige Mitglieder des National Hunt Committee. Einen an den Generaldirektor der Universal Television, einen an Ballerton und einen an Corin Kellar, um ihnen die tönernen Füße ihres Idols zu zeigen. Einen an James. Und einen an Maurice Kemp-Lore.

»Kann er dich nicht wegen Verleumdung verklagen?« fragte Joanna, die mir über die Schulter sah.

»Ausgeschlossen«, sagte ich. »Bei Verleumdungsklagen gibt es die Begründung, daß man in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt hat. Man muß nur beweisen können, daß die Behauptungen stimmen, das ist alles.«

»Hoffentlich hast du recht«, sagte sie zweifelnd, während sie die Briefmarken aufklebte.

»Mach dir keine Sorgen. Er verklagt mich nicht«, bemerkte ich entschieden.

Ich legte neun Umschläge auf das Bücherregal und den zehnten, den Umschlag ohne Briefmarken für Kemp-Lore, quer.

»Wir geben die Briefe am Freitag auf«, sagte ich. »Und den einen stelle ich selber zu.«

Donnerstag morgen um halb neun führte Joanna das Telefongespräch, von dem so viel abhing.

Ich wählte die Nummer von Kemp-Lores Londoner Wohnung. Als das Freizeichen ertönte, hörten wir ein Knacken, dann bat uns ein automatischer Anrufbeantworter, mitzuteilen, was wir wünschten. Joanna hob die Brauen; ich schüttelte den Kopf, und sie legte auf, ohne etwas zu sagen.

»Nicht zu Hause«, sagte ich unnötigerweise. »Verflucht.«

Ich gab ihr die Nummer vom Haus seines Vaters in Essex, und kurze Zeit später war die Verbindung hergestellt. Sie sprach mit der Person, die sich meldete, nickte mir zu, legte die Hand auf die Muschel und sagte: »Er ist da. Sie holen ihn. Ich ... ich hoffe nur, daß ich nichts verpfusche.«

Ich schüttelte ermutigend den Kopf. Wir hatten genau geprobt, was sie sagen mußte. Sie befeuchtete die Lippen und sah mich ängstlich an.

»Oh? Mr. Kemp-Lore?« Sie konnte großartig den Cockney-Dialekt nachahmen, ohne zu übertreiben.

»Sie kennen mich nicht, aber ich hab’ mir überlegt, ob ich Ihnen was sagen soll, was Sie in Ihrer Sendung gebrauchen können. Ich bewundere Ihre Sendung, wirklich. Sie ist prima, ich hab’ mir immer gedacht ...«

Seine Stimme quakte aus dem Hörer und unterbrach ihren Redeschwall.

»Was für Informationen?« wiederholte Joanna. »Na ja, Sie wissen schon, was so über die Sportleute geredet wird, die Aufputschungsmittel und Spritzen und dergleichen bekommen, und da hab’ ich mir gedacht, ob es Sie interessieren würde, daß das auch Jockeis tun ... Ich weiß es nur von einem, aber dann tun es sicher alle, wenn man nur dahinter käme . Welcher Jockei? Oh . äh . Robby Finn, Sie wissen schon, mit dem Sie am Samstag im Fernsehen geredet haben, nachdem er gewonnen hat. Er war natürlich wieder aufgeputscht, haben Sie das nicht gemerkt? Sie sind so nah bei ihm gestanden, daß ich mir gedacht hab’ ... Woher ich das weiß? Na ja, ich weiß es ... Sie wollen wissen, woher ich’s weiß ... na ja, ich hab’ ihm mal ein paar Sachen besorgt, ich arbeite bei einem Arzt ... da putz’ ich, wissen Sie ... und er hat mir gesagt, was ich bringen soll. Hören Sie mal, ich will keine Schwierigkeiten, das wollt’ ich nicht ... ich glaub’, ich häng’ lieber auf ... ich soll nicht auflegen? Sie sagen es bestimmt nicht weiter, daß ich die Sachen genommen hab?

Warum ich Ihnen das sag’ ... er hat mich im Stich gelassen, der gemeine Kerl. Und ich hab’ so viel für ihn getan ... Ich wollte eigentlich einem Reporter Bescheid sagen, aber ich hab’ mir gedacht, vielleicht interessiert es Sie auch. Ich kann ja auch eine Zeitung anrufen, wenn Sie lieber ... nachprüfen, was heißt nachprüfen? ... Sie können mir das am Telefon nicht abnehmen. Na ja. Sie können zu mir kommen, wenn Sie wollen ... nein, heute nicht, ich bin den ganzen Tag in der Arbeit. Ja, gut, morgen vormittag. Wie Sie hinkommen? ... Sie fahren nach Newbury und dann Richtung Hungerford ...« Sie erklärte ihm genau den Weg, und er schrieb sich alles auf. »Das ist das einzige Haus dort, Sie können es nicht verfehlen. Ja, ich warte auf Sie, gegen elf. Gut. Wie ich heiße? ... Doris Jones. Ja. Stimmt. Mrs. Doris Jones ... Wiederhören.« Im Hörer knackte es, als er auflegte.

Sie legte langsam den Hörer auf die Gabel und sah mich ernsthaft an. »Er hat es geschluckt«, sagte sie.

Als die Banken öffneten, machte ich mich auf den Weg und hob hundertfünfzig Pfund ab. Joanna hatte recht; was ich tat, war kompliziert und teuer; aber Kemp-Lore hatte auch Geld ausgeben und Komplikationen in Kauf nehmen müssen, wenigstens erwies ich ihm das Kompliment, seine Methoden zu kopieren. Um das Geld tat es mir nicht leid; wozu ist es gut, wenn man damit nicht erreicht, was man will? Was ich wollte, ob bewundernswert oder nicht, war, ihm mit gleicher Münze heimzuzahlen.

Ich fuhr zu dem Farmer, der mir versprochen hatte, mir den Land Rover mit Anhänger zu leihen. Als ich gegen Mittag dort ankam, standen die Fahrzeuge bereit, und bevor ich wegfuhr, kaufte ich dem Farmer zwei Ballen Stroh und einen Ballen Heu ab, die wir hinten im Land Rover verstauten. Ich versprach ihm, am Abend zurück zu sein, und machte mich auf den Weg, um die erste Verabredung mit einem Pferdeverkäufer einzuhalten.

Das erste Jagdpferd, ein alter grauer Wallach in Northamptonshire, war so lahm, daß er kaum aus der Box konnte, und selbst die verlangten sechzig Pfund waren zu viel für ihn. Ich schüttelte den Kopf und fuhr nach Leicestershire.

Bei dem zweiten Besuch fand ich eine braune Stute vor, die zwar ganz gut ging, aber nicht viel Luft hatte, wie ich bei einem kurzen Proberitt herausfand. Sie war groß, ungefähr zwölf Jahre alt und schlacksig, aber ruhig und recht geduldig; sie stand nur zum Verkauf, weil sie nicht so schnell ging, wie es ihr Besitzer wünschte. Ich handelte ihn von hundert Pfund auf fünfundachtzig herunter und schloß das Geschäft ab; dann lud ich die Stute, die Buttonhook hieß, in den Anhänger und fuhr nach Süden, Richtung Berkshire.

Drei Stunden später, um halb sechs, steuerte ich den Land Rover auf den Weg zu dem kleinen Haus und hielt hinter dem Gebüsch in einiger Entfernung vom Garten. Buttonhook mußte im Anhänger warten, während ich das Stroh hineintrug und in dem Zimmer mit den Eisenrohren am Boden ausbreitete, ihr einen Eimer Wasser aus der Regentonne brachte und einen Arm voll Heu ins Zimmer trug und in die Ecke hinter der Tür warf.

Buttonhook kam brav aus dem Anhänger heraus und machte keine Schwierigkeiten, als ich sie durch den Garten ins Haus und durch die Diele in den für sie hergerichteten Raum führte. Ich gab ihr Zucker und kraulte sie hinter den Ohren. Da sie sich recht wohlzufühlen schien, ging ich nach einer Weile in die Diele hinaus, machte die Tür zu und brachte das schwere Schloß an. Dann ging ich um das Haus herum und rüttelte an den Gitterstäben, um zu sehen, ob sie auch hielten. Sie waren fest einzementiert. Die Stute kam ans Fenster und versuchte, den Kopf hinauszustecken, aber es ging nicht. Ich steckte die Hand hinein, streichelte ihre Nüstern, und sie blies mich zufrieden an. Dann drehte sie sich um, ging zu der Ecke, wo das Heu lag, und begann zu fressen.

Ich warf das restliche Heu und Stroh in eines der vorderen Zimmer, schloß die Eingangstür, manövrierte den

Anhänger mühsam auf den Weg zurück und fuhr nach Bedfordshire. Ich lieferte den Land Rover mit dem Anhänger beim Besitzer ab, bedankte mich und fuhr mit dem Leihwagen zu Joanna zurück.

Als ich eintrat, küßte sie mich. Sie sprang vom Sofa auf, wo sie gelesen hatte, und küßte mich auf den Mund. Das geschah ganz spontan, ohne Überlegung und überraschte uns beide. Ich legte ihr die Hände auf die Arme, lächelte sie ungläubig an und sah die Überraschung in ihren schwarzen Augen zu Verwirrung und schließlich zu Angst werden. Ich nahm die Hände weg und wandte mich ab, um ihr Zeit zu lassen, zog den Anorak aus und sagte gelassen über die Schulter: »Der Mieter ist im Haus. Eine große, braune Stute, sehr brav.«

Ich hängte den Anorak in den Schrank.

»Ich war nur so ... froh, dich wiederzusehen«, sagte sie mit hoher Stimme.

»Fein«, meinte ich. »Kann ich mir ein paar Eier machen.«

»Wir haben Pilze für ein Omelett«, sagte sie mit fast normaler Stimme.

»Großartig«, lobte ich, als ich in die Küche ging. »Aber noch nicht geputzt, was?«

»Ach du lieber Himmel, nein«, klagte sie, ging mir nach und begann zu lächeln. Sie machte mir das Omelett, ich erzählte ihr von Buttonhook, und der peinliche Augenblick war überwunden.

Später erklärte sie mir, daß sie mich am nächsten Morgen zu dem Haus begleiten wolle.

»Nein«, sagte ich.

»Doch«, erwiderte sie hartnäckig. »Er erwartet, daß Mrs. Doris Jones ihm die Tür öffnet.«

Ich konnte sie nicht davon abbringen. »Du hast doch sicher auch nicht daran gedacht, Vorhänge an die Fenster zu hängen?« meinte sie. »Wenn er nicht allzu argwöhnisch werden soll, muß alles ganz natürlich aussehen.«

Sie holte bedruckten Bauwollstoff aus einer Schublade und zeigte ihn mir. »Den hab’ ich noch nie verwendet ... Wir können ihn so anbringen, daß er aussieht wie ein Vorhang.« Sie holte Stecknadeln und eine Schere, dann rollte sie den alten Teppich zusammen, auf dem die Staffelei stand, und nahm ein Blumenbild von der Wand.

»Wozu soll denn das gut sein?« fragte ich.

»Für die Diele natürlich. Sie muß bewohnt aussehen.«

»Okay, du Genie«, sagte ich. »Du kannst mitkommen.«

Wir legten alle Sachen, die sie mitnehmen wollte, neben die Tür und ergänzten sie noch durch zwei Pakete Würfelzucker, die große Stablampe und einen Besen.

Nach dem Kuß war mir das Sofa noch unwillkommener als vorher.

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