25.

Die Stadt war ungewöhnlich ruhig für den vierten Juli. An diesem Nationalfeiertag kamen weniger als ein Drittel der Leute, die normalerweise am Picknick im Park teilnahmen, und selbst zu Jaycees Feuerwerk ließen sich nur wenige Besucher blicken. Doug bestand darauf, dass Trish und Billy sowohl bei den Feiern tagsüber als auch beim Feuerwerk dabei waren, obwohl keiner von beiden es wollte.

Doug bemerkte eine deutliche Veränderung im Verhalten der Nachbarn und Bekannten, die zu den Festlichkeiten gekommen waren, und das machte ihn nervöser, als er zugeben wollte. Leute, die er seit Jahren kannte, selbst andere Lehrer und ehemalige Schüler, erschienen kalt und distanziert, beinahe feindselig. Niemand schien sich zu vergnügen.

Er selbst fühlte sich auch nicht gut. Er war am Tag zuvor mit den neuen Informationen über den Postboten zur Polizei gegangen, aber dort hatte man ihn behandelt, als wäre er ein chronischer Querulant, der ständig mit falschen Informationen aufkreuzte, die seiner überdrehten Fantasie entsprangen. Auf dem Revier hatte er darum gebeten, mit Mike zu reden, aber man sagte ihm, dass Mike den ganzen Tag nicht da sei. Also erzählte Doug seine Geschichte Lieutenant Jack Shipley, der ihm mit jener herablassenden Nachsicht begegnete, die normalerweise für Betrunkene und Durchgedrehte reserviert war. So geduldig er konnte, legte Doug die Fakten dar und erklärte Shipley, dass es doch wohl eine Straftat sei, sich fälschlich als Postbediensteter auszugeben, und dass alles, was er gesagt hatte, durch einen Anruf beim Hauptpostamt in Phoenix bestätigt werden könne. Der Lieutenant hatte versprochen, der Information nachzugehen, die Doug ihm gegeben hatte, aber es war klar, dass er in Wahrheit gar nicht die Absicht hatte.

Was konnte er tun, wenn die ganze Stadt den Bach runterging und die verdammte Polizei zu blind war, das zu sehen? Wenn sie zu dumm war, etwas zu unternehmen, selbst wenn man mit dem Finger darauf zeigte?

Doug fragte sich, wie der Postbote wohl diesen Tag verbrachte. Was machte der Bursche am vierten Juli? Am Feiertag war keine Post auszutragen, aber Doug konnte sich einfach nicht vorstellen, dass John Smith Hotdogs und Apfelkuchen aß und an patriotischen Feierlichkeiten teilnahm.

Der Tag war heiß und die Stimmung beim Softballspiel am Nachmittag gedrückt. Es waren kaum genug Männer da, um zwei Mannschaften zu bilden, und es war offensichtlich, dass die meisten sich nur aus Pflichtgefühl gemeldet hatten. Das Spiel war hart und unsauber; die Bälle wurden mit Vorsatz auf die Körper der Schlagmänner geworfen, und es wurde absichtlich auf die Werfer gezielt. Den Zuschauern schien die Gemeinheit des Spieles zu gefallen, und bald riefen sie nach Blut. In der Vergangenheit war das Match immer freundschaftlich verlaufen. Freunde und Nachbarn hatten gutmütig ihre Teams angefeuert. Aber heute war die Menge gnadenlos und wollte Gewalt sehen. Ein Faustkampf entbrannte zwischen zwei Spielern, und unter den Zuschauern kam es zu Schlägereien, doch niemand machte Anstalten, die Prügeleien zu unterbinden.

Doug, Trish und Billy blieben nur eine Weile und gingen dann zum Barbecue. Das Essen war mies: die Hotdogs und Hamburger trocken und verbrannt, die Cola zu warm. Und der vertraute Anblick von Ben Stockley fehlte, der sich mit seiner Kamera in Familientreffen drängte und die Vertreter der Stadt mit Fragen bombardierte, die sie nicht beantworten konnten oder wollten. Das alles trug zu der mürrischen Stimmung an diesem vierten Juli bei.

Wie immer tauchte am späten Nachmittag Irene auf, und Trish winkte sie herüber. Wenigstens die alte Frau schien gute Laune zu haben; sie munterte Trish, Doug und Billy auf, indem sie Geschichten von früheren Feiertagen erzählte, als sie alle an einem Picknicktisch unter den Kiefern saßen.

An diesem Abend nach dem Feuerwerk gerieten auf dem Parkplatz Bill Simms und Ron Lazarus aneinander. Sie schrien sich an und prügelten dann aufeinander ein, während die Familien der beiden zuschauten. Die Männer wälzten sich auf dem Boden, traten und schlugen und brüllten Obszönitäten. Doug und zwei andere Männer waren nötig, um die beiden zu trennen.

»Du hast meinen Hund umgebracht!«, schrie Simms. »Du Scheißkerl!«

»Ich habe deinen verdammten Köter nie angefasst, du Arsch!« Lazarus versuchte, seinen Widersacher anzuspucken, doch der Speichel landete harmlos vor seinen Füßen. »Aber ich wünschte, ich hätte ihn abgemurkst!«

Doug hielt Simms fest, als dieser versuchte, sich loszureißen. Ein anderer Mann hielt Lazarus gepackt. Eine der Frauen lief los, um einen Polizisten zu holen, und kam mit Mike Trenton zurück, der die beiden Streithähne warnte, dass sie im Knast landen würden, wenn sie nicht sofort mit diesem Unsinn aufhörten.

Wütend stampften die beiden Männer zu ihren Autos. Die Menge zerstreute sich, und Doug und der junge Cop blieben stehen und sahen sich an. Mike konnte Doug nicht lange in die Augen sehen und blickte weg.

»Ich nehme an, man hat Ihnen gesagt, dass ich auf dem Revier gewesen bin.«

Mike nickte. »Ich habe heute Morgen versucht, Sie anzurufen, aber es hat sich niemand gemeldet.«

»Ich war zu Hause. Wir alle waren zu Hause.«

Der Polizist zuckte mit den Achseln. »Ich hab zweimal angerufen, aber keiner hat den Hörer abgenommen.«

»Warum haben Sie angerufen?«

»Ich wollte Ihnen sagen, dass ich Mister Smith befragt und in Phoenix angerufen habe.«

»Und?«

»Er hat alles geleugnet. Ich habe natürlich nicht Ihren Namen genannt. Ich ...«

»Was ist mit der Poststelle in Phoenix? Was haben die gesagt?«

»Sie konnten nichts nachprüfen. Die Computer waren ausgefallen. Sie rufen uns an, sobald sie wieder Zugang zu den Informationen haben.«

»Und was denken Sie?«

Mike zögerte nur kurz. »Ich glaube Ihnen.«

»Aber der Chief nicht.«

»Nein, der Chief nicht.«

Doug blickte zu Trish und Billy hinüber. »Geht schon mal zum Auto, okay? Ich komme gleich nach.«

»Die Schlüssel«, sagte Trish und streckte die Hand aus.

Doug grub die Schlüssel aus der Hosentasche und warf sie ihr zu. Trish fing sie aus der Luft, legte Billy den Arm um die Schulter und ging zum Bronco. Doug wandte sich wieder dem Polizisten zu. »Er ist kein Mensch, Mike.«

Unbehagliches Schweigen senkte sich herab.

»Gestern habe ich einen weiteren Brief von meiner Verlobten bekommen«, sagte Mike dann leise. »Sie schreibt, dass sie sich wieder von mir trennen will.«

»Der Brief ist gefälscht. Das wissen Sie.«

»Ich habe sie angerufen, aber sie hat gleich wieder aufgelegt. Sie wollte nicht mal mit mir reden.«

»Glauben Sie ...«

»Ich glaube, dass der Kerl ihr Briefe schreibt.« Mike holte tief Luft. Um sie herum gingen die Leute zu ihren Wagen, um nach Hause zu fahren. »Ich weiß selbst nicht, ob ich versuchen soll, diesem Kerl aus dem Weg zu gehen, oder ob ich ihn rankriegen und dafür bezahlen lassen soll.«

»Sie wissen schon, was richtig ist.«

»Was richtig ist? Wollen Sie die Wahrheit wissen? Ich mache mir Sorgen, Janine nicht zu verlieren. Nur darum geht es mir. Alles andere ist mir egal.«

»Das glaube ich nicht«, sagte Doug leise. »Und Sie auch nicht. Nur deshalb reden Sie jetzt überhaupt mit mir.«

»Aber wir können nichts unternehmen! Wir haben nichts, womit wir ihn festnageln können. Wir haben keine Beweise. Ich würde dem Kerl zu gerne ein Bein stellen und ihn in den Knast bringen, aber ich kann nicht.«

»Er macht sich an der Post zu schaffen. Kriegen Sie ihn dafür dran.«

»Keine Beweise.«

»Die wird es geben, wenn das Hauptpostamt Sie zurückruft.«

»Und was, wenn es keine Beweise gibt?«

»Hier sterben Leute, Mike. Wir müssen etwas tun!«

»Ja? Was erwarten Sie denn von mir? Dass ich meine Dienstmarke an den Nagel hänge? Dass ich den Burschen abknalle?«

»Natürlich nicht.« Doch eine kleine, Furcht erregende Stimme in Dougs Innerem sagte: Ja. Ja!

»Ich halte weiterhin die Augen offen, wie ich es versprochen habe. Aber dass ich noch mehr tue, kann ich nicht garantieren.«

Doug wusste, dass der junge Cop nach Bestätigung suchte, doch er konnte ihm keine geben. Älter zu sein bedeutete nicht notwendigerweise, auch klüger zu sein - nicht in einer Situation wie dieser. Doug hatte genauso viel Angst vor dem Postboten und tappte genauso sehr im Dunkeln, was zu tun war. Trotzdem nickte er. »Mehr verlange ich auch nicht.«

»Ich muss wieder an die Arbeit. Heute Abend geht es ziemlich rau zu.«

»Ja. Ich muss auch gehen.« Doug wollte sich umdrehen, schaute Mike dann aber noch einmal an. »Seien Sie vorsichtig, Mike. Wenn er Ihrer Verlobten Briefe schickt, weiß er über Sie Bescheid.«

Der Polizist erwiderte nichts, sondern ging zwischen den Wagen zur Tribüne zurück. Schweigend ging Doug zum Bronco, wo Trish und Billy auf ihn warteten.

Er fuhr langsam und vorsichtig nach Hause, auch wenn die Betrunkenen, mit denen er rechnete, nicht auftauchten. Tatsächlich waren sehr wenige Wagen auf der Straße, und die meisten Häuser, an denen sie auf ihrer Fahrt durch die Stadt vorbeikamen, waren dunkel. Doug blickte auf die Uhr am Armaturenbrett. Halb zehn. Das war seltsam. Die Leute waren selbst an einem gewöhnlichen Freitag später unterwegs, erst recht an einem Feiertag. Es war, als führen sie durch eine Geisterstadt. Obwohl Trish und Billy bei ihm im Wagen waren, verspürte Doug das leichte Prickeln von Angst.

Willis veränderte sich.

Weder am Samstag noch am Sonntag kam Post. Als Doug am Montag zum Einkaufen ging und den Postboten sah, der einen der Kästen leerte, stellte er mit Genugtuung fest, dass Smith blasser aussah als gewöhnlich. Außerdem schien er noch dünner geworden zu sein.

Vielleicht ist er krank, dachte Doug. Vielleicht ist er krank und stirbt.

Aber das war nur Wunschdenken. Das würde nicht passieren.

Wie immer lächelte der Postbote und winkte Doug zu, als er vorbeiging.

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