Um Punkt sieben bog Howard in die Auffahrt ein. Es war noch hell draußen, doch das Blau am östlichen Horizont wurde langsam vom Purpur erobert, und der blasse Himmel im Westen färbte sich orange. Billy saß auf der Couch und sah sich eine Wiederholung von M.A.S.H. an, bis Trish den Fernseher ausschaltete und ihn nach oben schickte. Billy beklagte sich zwar, stieg aber die Treppe hinauf, denn er fühlte sich in Gegenwart Erwachsener nicht wohl und zog sich normalerweise zurück, wenn seine Eltern Freunde zu Besuch hatten. Trish konnte es ihm nicht verübeln. Als sie in seinem Alter gewesen war, hatte sie genauso empfunden.
»Ich ruf dich, wenn das Essen fertig ist«, sagte sie. »Dann kommst du runter und holst dir was.«
»Ja, ja, okay.«
Doug stand auf und ging, um die Tür zu öffnen.
»Sag nichts über Bob, bis er das Thema selbst anspricht«, schlug Trish vor. »Wir sollen ihn aufmuntern und von seinem Kummer ablenken.«
Er drückte sich an ihr vorbei. »Na klar. Hältst du mich für blöd?«
Sie lächelte. »Ich versuche nur, dem Einfluss von Hobie Beecham entgegenzuwirken.«
»Danke sehr.« Während Trish in die Küche eilte, um nach dem Essen zu sehen, öffnete Doug die Tür, als Howard auf die Veranda kam. »Freut mich, dass Sie die Zeit gefunden haben«, begrüßte er ihn.
Der Postchef lächelte. »Freut mich, dass Sie mich eingeladen haben.« Er trug eine neue dunkelblaue Jeans, ein gestärktes weiß-rosa Cowboyhemd und ein Lederband mit einem Achat um den Hals. Seine Stiefel waren geputzt, und sein Haar war gegelt und nach hinten gekämmt und schimmerte feucht. In der Hand hielt er eine als Geschenk verpackte Flasche.
»Kommen Sie rein«, sagte Doug und hielt die Tür auf.
Trish nahm ihre Schürze ab und kam nach vorn, um ihren Gast zu begrüßen. Auch sie hatte sich für den Anlass zurechtgemacht und trug ein tief ausgeschnittenes schwarzes Kleid, eine Türkiskette mit dazu passendem Armband und antike Silberohrringe. Ihr brünettes Haar war zu einer raffinierten Rolle hochgesteckt. Freundlich nahm sie das angebotene Geschenk entgegen. »Vielen Dank«, sagte sie. »Aber Sie hätten wirklich nichts mitzubringen brauchen.«
»Ich wollte es aber gern.« Howard blickte sie an und hob die Augenbrauen. »Sie sehen toll aus, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf.« Er wandte sich an Doug. »Ich habe es schon früher gesagt, und ich sage es noch einmal: Sie sind ein glücklicher Mann.«
Trish errötete. Sie wickelte die Flasche aus, drehte sie um und las das Etikett. »Champagner!« Sie drückte Howard einen raschen Kuss auf die Wange. »Vielen Dank.« Sie ging in die Küche, stellte die Flasche auf die Theke und warf das Geschenkpapier in den Müllbeutel unter der Spüle. »Ihr beide beschäftigt euch jetzt mal eine Zeitlang allein, okay? Ich mache die Vorspeise fertig.«
Doug bedeutete Howard, sich in einen der Sessel gegenüber der Couch zu setzen, und nahm dann selbst Platz. Die Fenster waren geöffnet, der Ventilator eingeschaltet, aber die Luft war immer noch unangenehm warm. Von oben kamen die vertrauten Klänge der Titelmelodie von M.A. S.H. Doug lächelte Howard an.
»Entschuldigen Sie mich einen Moment.« Er ging zur Treppe. »Mach leiser, Billy«, rief er hinauf.
Der Lärm des Fernsehers verebbte erst und verstummte dann ganz. »Mein Sohn Billy«, sagte Doug, als er ins Wohnzimmer zurückging. Er machte es sich wieder im Sessel gemütlich. Es gab Fragen, die er gerne stellen, und Dinge, die er wissen wollte, aber er wusste nicht, wie er das Thema behutsam angehen sollte. Er räusperte sich, beschloss, direkt ins kalte Wasser zu springen, wobei er hoffte, dass er nicht allzu neugierig klang. »Wie kommen Sie mit dem neuen Postboten zurecht? Wohnt er noch bei Ihnen?«
»Ja«, erwiderte Howard, »aber ich sehe ihn nicht sehr oft. Sie wissen sicher, wie das ist. Ich bin kein junger Bursche mehr. Ich gehe eher zu Bett als er und wache später auf. Mein Lebensstil und seiner passen nicht gut zusammen.«
»Und wie ist er so?«
Trish kam ins Zimmer und stellte ein Tablett mit Käsecrêpes auf den kleinen Tisch zwischen ihnen. »Ich bin gleich mit dem Champagner wieder da«, sagte sie sanft. Sie fixierte Doug mit einem strengen, vielsagenden Blick, während sie sich vom Postchef abwandte, doch Doug tat so, als bemerkte er es nicht.
Sie nahmen beide einen Crêpe. »Mmm«, sagte Howard und genoss mit geschlossenen Augen den Geschmack. »Das ist eines der Dinge, die ich vermisse, seit Murial weg ist - gute Küche. Irgendwann hat man Tiefkühlkost und Hotdogs satt.«
»Kochen Sie denn nicht?«, fragte Trish, während sie den beiden Champagner servierte.
»Ich versuche es, aber erfolglos.«
Trish lachte auf und ging in die Küche zu ihrem eigenen Glas Champagner zurück.
»Wie ist er denn so?«, fragte Doug noch einmal. »Er stellt die Post jedenfalls ziemlich früh zu. Bob kam immer um Mittag herum. Jetzt ist die Post schon da, wenn wir gefrühstückt und ein bisschen aufgeräumt haben.«
»John fängt wirklich früh an. Wenn ich aufstehe, ist er normalerweise schon weg. Gegen elf ist er mit der ganzen Runde fertig, und er bleibt bis vier.« Howard nahm sich noch einen Crêpe und steckte ihn in den Mund. »Er hat noch keine Stechkarte abgegeben - die ist erst diese Woche fällig -, aber wenn er es tut, muss ich mir mal ansehen, wie viele Stunden er aufschreibt. Er soll eigentlich nicht mehr als acht Stunden arbeiten, aber ich glaube, es sind eher zehn oder elf.«
»Finden Sie nicht auch, dass er ein bisschen merkwürdig ist?«, fragte Doug. »Ich meine, warum trägt er die Post so wahnsinnig früh aus?«
Trish schoss einen weiteren wütenden Blick über Howards Kopf ab, bevor sie sich neben ihn setzte.
»Ja, stimmt, John kann einem ein bisschen seltsam erscheinen. Aber er macht seine Arbeit gut und erledigt alles, was anfällt. Und er ist immer bemüht, sogar noch mehr zu tun. So was sieht man heute nicht oft. Ich könnte mir keinen besseren Boten wünschen.«
Doug nickte. Howards Worte waren voll des Lobes, doch in seiner Stimme lag ein seltsamer Unterton. Es war, als ob er Worte wiederholte, die er eingeübt hatte; als ob er etwas sagte, was er sagen wollte, ohne tatsächlich so zu empfinden. Zum ersten Mal, seit sie Howard kannten, glaubte Doug, dass er heuchelte, dass er ihnen bloß etwas vormachte. Dougs Blick traf über den Tisch hinweg Trishs, und er sah, dass auch sie es bemerkt hatte.
Doch Trish weigerte sich, dieses Gesprächsthema weiter zu verfolgen, und geschickt lenkte sie die Unterhaltung auf etwas weniger Persönliches.
Das Abendessen war ausgezeichnet. Billy war heruntergekommen, hatte sich genommen, was er wollte, und sich wieder ins Obergeschoss verzogen. Die drei Erwachsenen aßen am Tisch und genossen das Essen in aller Ruhe: Cobb-Salat, gebratenes Roastbeef in Weinsauce, serviert mit Backkartoffeln mit einer Füllung aus saurer Sahne und Schnittlauch. Dazu hatte Trish ihr selbst gemachtes Brot gebacken, dick und warm und weich, das nach kurzer Zeit verschwunden war.
Howard lächelte. »Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so gut gegessen habe.«
»Ich auch nicht«, sagte Doug.
»Genieße es, solange du kannst«, warnte ihn Trish. »Das war alles an rotem Fleisch für diesen Monat.«
»Meine Frau steht auf gesunde Ernährung«, erklärte Doug. »Wir sind eine sehr gesundheitsbewusste Familie.«
»Du kannst auch jede Unterstützung gebrauchen, die du kriegen kannst. Wenn du ein bisschen mehr Sport treiben würdest, könnten wir es uns erlauben, ein wenig nachsichtiger zu sein. Aber du hast eine rein sitzende Lebensweise. Deshalb kann ich nur darauf achten, dass du wenigstens vernünftig isst.«
Howard kicherte.
Billy kam mit seinem Geschirr herunter, lächelte den Postchef scheu an und verschwand dann wieder nach oben. Sie tranken den Rest des Champagners, und Trish brachte Howard und Doug ein Bier. Sie selbst trank Eiswasser.
Im Verlauf der Mahlzeit wurde die Unterhaltung ernster und weniger oberflächlich, und es war Howard, der das Thema anschnitt. »Ich frage mich, warum Bob das getan hat«, sagte er, schaute dabei auf den Teller und schob die leere Kartoffelschale mit der Gabel hin und her. »Das ist das Einzige, was ich beim besten Willen nicht verstehe. Warum hat er das getan?« Er blickte auf und sah Trish mit roten Augen an, doch seine Stimme war ruhig. »Sie kannten Bob. Er war ein gelassener Busche, der nichts an sich herankommen ließ. Er mochte seine Arbeit, liebte seine Familie, hatte ein gutes Leben. Und nichts hatte sich geändert. Es gab keine große Katastrophe, keinen Todesfall, nichts, was ihn in den Abgrund getrieben hätte. Wenn ihn irgendwas bedrückt hätte, hätte er es mir erzählt.« Seine Stimme zitterte leicht, und er räusperte sich. »Ich war sein bester Freund.«
Trish legte ihre Hand auf seine. »Ich weiß«, sagte sie leise.
Howard wischte sich mit dem Handrücken über die Nase und zwang sich, nicht den Tränen nachzugeben. »Ellen wird nur schwer damit fertig. Es ist schlimmer, als ich gedacht hätte. Sie schien eine so starke Frau zu sein.« Er lächelte traurig. »Bob nannte sie immer ›den Felsen‹.« Ohne es zu merken, fummelte er an seiner Serviette herum. »Sie stand unter starken Medikamenten, als ich sie kürzlich besucht habe. Der Arzt gibt ihr ... ich weiß gar nicht was alles. Er sagt, es ist die einzige Möglichkeit, sie ruhig zu stellen. Die Jungs müssen sich um alles kümmern, aber man merkt, dass auch sie an ihre Grenzen gekommen sind. Sie haben Fragen, genauso wie ich, und es gibt einfach keine Antworten.«
Doug hatte plötzlich ein Bild von den beiden Jungen vor sich, wie sie jeden Morgen aufwachten und beide in derselben Badewanne duschten, in der ihr Vater sich den Schädel weggeblasen hatte, wie sie ihre Seife aus derselben Seifenschale nahmen, in der sein Blut gestanden und Teile seines zersplitterten Schädels gelegen hatten. Er fragte sich, wie Ellen badete, ohne daran zu denken, was sie in der Wanne gesehen hatte.
»Das wird schon wieder«, sagte Trish.
»Er fehlt mir«, platzte Howard heraus. »Bob fehlt mir.« Er atmete tief ein; dann sprudelten die Worte nur so aus ihm heraus. »Ich weiß nicht mehr, was ich mit meinen Samstagabenden anfangen soll. Ich weiß nicht, wen ich um Rat fragen oder wem ich einen Rat geben oder mit wem ich wo hingehen soll oder ... verdammt!«
Er brach in Tränen aus.
Nach dem Abendessen setzten sie sich auf die Veranda. Es war schwül; Regen lag in der Luft. Fledermäuse, flatternde Schatten in der Dunkelheit, flogen in den beleuchteten Kreis, den die Straßenlaterne erzeugte, und wieder hinaus. Von weiter unten an der Straße erklangen die knisternden, elektrischen Geräusche eines Insektenvernichters, der seine Opfer auf der Stelle grillte.
»Als wir klein waren, haben wir immer Fledermäuse geangelt«, sagte Doug geistesabwesend. »Wir haben ein Blatt oder etwas anderes auf einen Angelhaken gesteckt und die Schnur dann in der Nähe einer Straßenlampe in die Luft geworfen. Ihr ›Radar‹ sagt den Fledermäusen, dass es ein Insekt ist, also stürzen sie sich darauf. Wir haben nie eine gefangen, aber ein paar Mal waren wir dicht dran.« Er kicherte. »Ich weiß nicht, was wir gemacht hätten, hätten wir wirklich eine erwischt.«
»Man tut dummes Zeug, wenn man klein ist«, sagte Howard. »Ich erinnere mich, dass wir mit Schrotflinten auf Katzen geschossen haben. Nicht nur auf wilde oder streunende Katzen. Auf alle Katzen.« Er trank sein letztes Bier aus. »Jetzt fällt es mir schwer, mich daran zu erinnern, dass ich mal so grausam war.«
Eine Weile schwiegen sie, zu satt und zu müde, um sich zur Konversation aufzuraffen. Im Osten über der Hügelkette leuchteten Blitze auf und zeichneten die Umrisse dunkler Quellwolken nach. Wie die meisten Sommergewitter würde auch dieses wahrscheinlich in der Nacht kommen, am Morgen verschwunden sein und eine Schwüle und Feuchtigkeit hinterlassen, die dem klimatisierten Kino einen Besucheransturm verschaffen und die Leute an Flüsse und Seen treiben würden. Sie blickten nach oben. Die Nacht war mondlos, und obwohl sich offensichtlich ein Gewitter näherte, war der Himmel über ihnen der Traum jedes Astronomen: übersät mit Millionen von Sternen.
Dougs Stuhl knarrte, als er sein Gewicht verlagerte und sich vorbeugte. »Wo ist John Smith heute Abend?« Der Name klang lächerlich, wenn man ihn aussprach. »Ist er bei Ihnen zu Hause?«
»Weiß ich nicht.« Das Bier musste seine Zunge gelöst haben, denn Howard schüttelte den Kopf, eine undeutliche Bewegung in der Dunkelheit. »Normalerweise ist er nicht so früh da. Er geht abends aus, aber ich weiß nicht, wohin oder was er macht. An manchen Abenden kommt er überhaupt nicht nach Hause.«
»Woher wissen Sie das?«
»In letzter Zeit schlafe ich sehr schlecht ein. Ich bin todmüde, komme aber nicht in den Schlaf.«
»Das ist verständlich«, sagte Trish.
»Manchmal stehe ich auf und laufe herum, nur um etwas zu tun zu haben. Vor kurzem ging ich nachts in die Küche, um mir einen Orangensaft zu holen, und auf dem Weg dorthin merke ich, dass seine Tür offen steht. Ich schaue hinein, und das Bett ist gemacht, und Smith ist weg. Das war so um zwei oder drei Uhr morgens.«
»Vielleicht hat er eine Freundin«, meinte Trish.
»Vielleicht.« Doch Howard schien es zu bezweifeln.
»Haben Sie ihn je schlafen sehen?«, fragte Doug.
»Was für eine Frage ist das denn?«, fragte Trish stirnrunzelnd.
»Sagen Sie es nur.«
»Nein«, sagte der Postchef langsam. »Jetzt, da ich darüber nachdenke - nein, habe ich nicht.«
»Haben Sie sein Bett je ungemacht gesehen?«
Howard schüttelte den Kopf. »Aber an Sonntagen bleibt er in seinem Zimmer. Er macht nicht mal die Tür auf. Bleibt einfach da drin, als ob er dort überwintert oder so. Ich glaube, dann schläft er.«
»Den ganzen Tag?«
Howard zuckte mit den Schultern. »Weiß ich nicht. Vielleicht schläft er, vielleicht macht er was anderes. Am Montagmorgen scheint er immer müde zu sein.«
Doug spürte, wie Kälte in ihm hinaufkroch. Er wusste nicht, warum er solche Fragen stellte oder was er herauszufinden hoffte, aber dieser Smith hatte etwas an sich, was ihn beunruhigte. »Haben Sie viele Beschwerden über ihn bekommen?«
»Keine einzige.«
Doug war enttäuscht. Irgendwie hatte er zu hören gehofft, dass noch ein Rest an Gefühlen für Bob Ronda - oder die offensichtlich merkwürdige Art von John Smith - zu einem negativen Urteil über den neuen Postboten geführt hätte.
»Tatsächlich«, fuhr der Postchef fort, »scheinen die Leute sehr damit zufrieden zu sein, wie er seine Arbeit macht. Ich kann mich nicht erinnern, dass es im Postamt jemals so viel zu tun gab. Die Leute schicken mehr Briefe, kaufen mehr Briefmarken. Ich weiß nicht, woran es liegt, aber die Leute scheinen sogar zufriedener zu sein als vorher.« Seine Stimme bekam einen bitteren Unterton. »Das ist alles gut und schön, und ich will mich auch gar nicht beschweren, aber irgendwie kommt es mir so vor, als wäre das ein Schlag gegen Bob. Ich meine, niemand hat je etwas Schlechtes über ihn gesagt. Ganz im Gegenteil. Ich höre nichts als Lob und gute Worte über ihn. Aber auf professioneller Ebene scheinen die Leute mit John zufriedener zu sein.« Einen Augenblick lang war Howard still; als er wieder sprach, war seine Stimme voll ruhiger Überzeugung. »Bob war ein verdammt guter Postbote. Der beste, den ich je kennen gelernt oder mit dem ich je gearbeitet habe, und ich habe einfach das Gefühl, dass er betrogen wird!«
Doug und Trish waren still.
Howard stand auf, trat ans Geländer und starrte in den Grüngürtel. »John Smith ist ein guter Mann. Er ist höflich und arbeitet hart. Er macht einen hervorragenden Job.« Seine Stimme war so leise, dass man sie kaum hören konnte. »Aber ich mag ihn nicht. Ich weiß nicht warum, aber Gott helfe mir - ich mag ihn nicht. Ich mag ihn überhaupt nicht!«
Howard, der ziemlich viel getrunken hatte, ging nach zehn Uhr. Doug erbot sich, ihn nach Hause zu fahren, doch Howard sagte, dass er nicht betrunken sei, und zumindest schien er keine Schwierigkeiten zu haben, klar und deutlich zu sprechen. Trotzdem ließ Trish ihn eine Tasse Kaffee trinken, bevor er sich verabschiedete. Doug und sie sahen ihm von der Veranda aus nach, als er davonfuhr, bis die roten Rücklichter zwischen den Bäumen verschwanden.
Doug hatte Howard nach der Post gefragt, hatte ihm von seinem Verdacht erzählt, dass der neue Postbote Briefe unterschlagen würde, doch Howard - nun wieder verschlossen - sagte, dass normal sei, was geschah: Die Post habe Ebbe und Flut, wie die Gezeiten. Aber hier scheine es ein Muster zu geben, argumentierte Doug. Sie bekämen keine Rechnungen, keine Werbung, keine schlechten Neuigkeiten. Zufall, sagte Howard, und obwohl Doug ihm nicht glaubte, drängte er ihn nicht weiter. Er konnte es ohnehin nicht beweisen. In jedem Fall war er entschlossen, Schecks für die regelmäßigen monatlichen Zahlungen auszustellen und gleich morgen abzuschicken, anstatt darauf zu warten, dass die Rechnungen eintrafen.
Als Trish und Doug hineingingen und die Eingangstür hinter sich abschlossen, beschlossen sie, den Abwasch bis zum nächsten Tag stehen zu lassen. Von oben hörten sie Billys regelmäßiges Schnarchen. Doug lächelte. Der Junge zerlegte das Holz so rhythmisch wie eine Sägemühle, und sein Schnarchen war so laut und tief wie das eines alten Mannes. Trish machte das Licht in der Küche aus, und sie gingen über den kurzen Flur zum Schlafzimmer.
»Findest du nicht auch, dass Billy in letzter Zeit ziemlich ruhig ist?«, fragte Trish.
»Nicht mehr als sonst.«
»Irgendwas scheint ihn zu beschäftigen. Er war ... ich weiß nicht, irgendwie zerstreut. Wie heute, als er von Lane nach Hause kam. Da habe ich ihn gefragt, was er gemacht hat, und er hat nur den Kopf geschüttelt und wollte mir nicht antworten. Dann hat er sich hingesetzt und den Rest des Tages ferngesehen.«
Doug lachte auf. »Und was ist so neu daran?«
»Ich mache keine Witze. Könntest du ihn nicht mal fragen, was los ist? Immerhin bist du sein Vater.«
»Okay. Morgen rede ich mit ihm. Ich weiß nicht, was ich herausfinden soll, aber ...«
»Du sollst nur sehen, ob er irgendwelche Schwierigkeiten hat, ob etwas nicht in Ordnung ist. Wahrscheinlich bilde ich es mir nur ein, aber es schadet nicht, mal nachzusehen. Er ist schon fast ein Teenager.«
Doug wusste, worauf sie anspielte, ging aber nicht weiter darauf ein. »Okay, ich rede mit ihm.«
»Danke.«
Sie hatten das Schlafzimmer erreicht. Es war dunkel, und keiner von beiden machte das Licht an. »Jedenfalls schläft Billy jetzt«, sagte Doug.
Trish schwieg.
»Es hört sich jedenfalls so an«, schob er nach.
Er hörte, wie die Bettdecke zurückgeschlagen wurde. Das Zimmer war warm, aber bei weitem nicht so warm wie das Wohnzimmer im vorderen Teil des Hauses. In der Ferne grollte Donner. Doug knöpfte sein Hemd auf. »So ohne Licht ist es irgendwie romantisch«, sagte er. »Meinst du nicht auch? Ich ...«
In diesem Augenblick spürte er ihre Hand zwischen seinen Beinen. Er streckte den Arm aus, und seine Finger berührten glatte, warme Haut. Irgendwie hatte Trish leise ihre Kleider und die Unterwäsche ausgezogen. Ihre Lippen trafen sich, und Doug spürte, wie ihre warme, feuchte Zunge gierig in seinen Mund glitt. Ihre Hand öffnete langsam seinen Gürtel, zog den Reißverschluss herab, zog Hose und Shorts herunter. Er streifte seine Schuhe ab, stieg aus den Kleidern, die auf seine Knöchel gerutscht waren, und beide bewegten sich schweigend zum Bett hinüber. Trish drückte ihn wortlos auf den Rücken, und er streckte sich lang auf der Matratze aus. Ihre Finger, weich und sanft, ergriffen sein Glied und massierten es, bis er hart wurde. Das Bett knarrte, als sie ihre Position einnahm, und er konnte den moschusartigen Duft ihres Schamhaars riechen, während es über sein Gesicht streifte. Er hob den Kopf, und seine Zunge berührte Feuchtigkeit. Er konnte sie schmecken, süß und sauer, und während seine Zunge in ihre feuchte Öffnung glitt, spürte er, wie ihr heißer Mund sein Glied in sich aufnahm.
Es verging nahezu eine Stunde, ehe sie erschöpft nebeneinander lagen. Es war lange her, seitdem sie es so sehr genossen hatten - seitdem sie es sich erlaubt hatten, es so sehr zu genießen. Im vergangenen Jahr hatte ihr Sexualleben mehr aus Werbespots als aus Spielfilmen bestanden: hastige, schnelle Nummern, wenn sie sicher waren, dass Billy schlief oder längere Zeit nicht im Haus sein würde. Seitdem Doug seinen Sohn aufgeklärt hatte, hatten sie beide immer darauf geachtet, dass Doug keine Hinweise auf ihr Liebesleben entdeckte. Jedenfalls war es diesmal wie in den alten Zeiten gewesen, genüsslich, ohne Eile, voller Hingabe, einfach wunderbar.
Erschöpft schliefen sie in den Armen des anderen ein, noch immer nackt, noch immer den anderen umschlingend.