ELF
»Also los! Hier ist das ideale Revier!« Beck guckt mich zweifelnd an. »Wie kommst du denn auf die Idee?«
»Nina hat gesagt, dass es hier vor Prinzen nur so wimmelt.«
»Hat sie das?«
»Na ja, nicht so direkt. Aber so ähnlich. Also vielleicht hat sie nicht >wimmeln< gesagt, aber auf alle Fälle laufen hier einige rum.«
Wir stehen im Park und sehen uns nach Männern um. Was genau wir machen wollen, wenn wir einen gefunden haben, wissen wir noch nicht so recht, aber wir haben beschlossen, uns von der Situation inspirieren zu lassen und dann zu improvisieren. Allerdings nervt mich Becks pessimistische Haltung heute ganz gewaltig. Er findet, ein verregneter Tag sei kein guter Moment, um im Park einen Mann zu finden.
Aber langsam müssen wir damit mal anfangen, denn Carolin ist seit drei Tagen wieder zu Hause. Richtig glücklich sieht sie zwar immer noch nicht aus, aber immerhin arbeitet sie wieder jeden Tag in der Werkstatt. Ich werte das mal als Zeichen, dass es allmählich wieder bergauf geht.
»Da! Ich sehe einen! Da hinten!«
Aufgeregt renne ich in die Richtung, in der ich eben ein Paar Menschenbeine unter einem Regenschirm gesehen habe. Nach zwei Metern merke ich, dass Beck offensichtlich nicht vor hat, hinter mir her zu kommen. Ich bleibe stehen und drehe mich zu ihm um.
»He, was soll das? Wo bleibst du denn?«
»Herkules, du verrückter Dackel! Das ist doch eindeutig eine Frau!«
»Woher willst du das wissen? Man sieht doch nur die Beine. Und bei dem Regen kann ich nicht riechen, ob Mann oder Frau. Da müssen wir schon nachschauen. Los, gib dir doch wenigstens mal ein bisschen Mühe!«
Es ist heute wirklich furchtbar mit dem Kater. Der wirkt nicht im Geringsten schuldbewusst, sondern grient mich breit an.
»Du musst noch viel lernen, mein Lieber. Unter dem Schirm steckt eine Frau, garantiert. Da muss ich gar nicht erst durch den halben Park hechten.«
»Ach, und woher willst ausgerechnet du das wissen? Für jemanden, der einen Plastikkameraden nicht von einem echten Piepmatz unterscheiden kann, machst du dich ganz schön wichtig.«
Beck ignoriert meinen Seitenhieb komplett, stattdessen macht er mit seiner Pfote eine Bewegung Richtung Zielperson.
»Schau mal genau hin. Der Schirm hat ein ganz auffälliges Blumenmuster.«
Hm, stimmt, große und kleine Blumen bilden aparte Kreise.
»So, und hier wieder eine Lektion in Verstehe den Menschen: Blumen sind ein Frauenmuster. Da brauchst du gar nicht erst hinterher. Ich habe noch nie einen Mann getroffen, der mit einem Blümchen-Schirm losgezogen wäre. Sparen wir also unsere Energien für den Ernstfall.«
Interessantes Konzept, Muster für Frauen und Muster für Männer. Ich frage mich, wofür das gut sein soll. Ob sich Männer und Frauen sonst nicht gleich erkennen? Immerhin sind ihre Nasen so gut wie taub, da muss man vielleicht auf Hilfskriterien zurückgreifen.
Wir lungern weitere ereignislose zehn Minuten im Park herum. Er ist zwar sehr groß, aber auch ziemlich rund, so dass man von der Mitte aus einen sehr guten Überblick hat. Man sieht: nichts. Kein einziger Mensch ist unterwegs. Langsam beginne ich trotz meines dichten Fells durchzuweichen. Vielleicht hat Herr Beck Recht, und wir sollten wieder nach Hause traben. Gerade will ich Beck meine Niederlage eingestehen, als sich doch noch ein unerschrockener Zweibeiner blicken lässt. Und diesmal ist es eindeutig ein Mann - er hat keinen Schirm in der Hand, sondern joggt ziemlich locker von der rechten Ecke des Parks direkt auf uns zu.
»Nanu, will der zu uns?«, wundere ich mich.
»Scheint so zu sein. Wahrscheinlich will er abkürzen. Ist ja kein Vergnügen, bei dem Wetter durch die Gegend zu rennen«, stichelt Beck. »So, gleich ist er da. Du wolltest doch improvisieren. Dazu hast du jetzt reichlich Gelegenheit, ich habe nämlich überhaupt keinen Plan, wie wir uns den Kerl genauer anschauen können. Und wir wollen doch nicht einfach irgendwen für Carolin aufgabeln, oder?«
Also echt, der nervt. Warum ist er dann überhaupt mitgekommen, wenn er sowieso alles doof findet? Als Jagdhund wäre Beck wahrscheinlich schon längst wegen Defätismus von seinem Herrchen erschossen worden. Andererseits ist der Jogger wirklich gleich da. Und ja, ich habe noch keinen tollen Plan. Fieberhaft grüble ich nach.
Der Jogger hat uns schon fast passiert, da schmeiße ich mich kurzentschlossen und mit einem herzzerreißenden Jaulen direkt vor seine Füße. Es sieht mit Sicherheit so aus, als hätte ich furchtbare Schmerzen und brauchte dringend Hilfe. Wolln doch mal sehen, ob der Herr Tierfreund ist und sich um mich kümmert. Das mit dem Prinzen können wir dann immer noch herausfinden.
Zwei Sekunden später bin ich mir nicht mehr so sicher, dass meine Idee so gut war: Der Mann versucht, mir auszuweichen, stolpert und fällt direkt vor Herrn Beck auf die Nase. Er bleibt kurz liegen, dann rappelt er sich auf, schüttelt sich und reibt sich den rechten Arm. Als er wieder steht, geht er auf mich zu, guckt mich kurz an - und brüllt los: »Pass gefälligst auf, wo du hinspringst, du blöde Scheißtöle!«
Okay, ganz offenkundig kein Gentleman im engeren Sinne. Er holt mit dem rechten Bein zu einem Tritt aus, aber bevor er mir den verpassen kann, rennen Beck und ich auch schon los und verstecken uns hinter dem nächsten Busch. Auweia! Was für eine Pleite! Beck sagt erst einmal nichts, bis wir beide wieder Luft geholt haben, dann schüttelt er langsam den Kopf.
»Wirklich, was war das denn für eine Aktion? Das konnte ja nur in die Hose gehen.«
»Ich habe wenigstens etwas gemacht. Du stänkerst hier nur die ganze Zeit rum!«, verteidige ich meine unkonventionelle Vorgehensweise bei der Herrchensuche.
»Ha! Operative Hektik war das, nichts weiter! Ich frage mich, was du gemacht hättest, wenn dich der Typ eben gleich einkassiert hätte. Oder wenn er auf dir gelandet wäre. Dann wärst du jetzt aber platt wie ein Pfannkuchen. Mir ist das zu blöd, ich gehe jetzt.«
Ich lasse die Ohren hängen. Irgendwie ist an dem, was Beck sagt, schon was dran. Dabei hatte ich mir die ganze Sache gar nicht so schwer vorgestellt. Als Nina von der Prinzensuche im Park erzählte, klang es ganz einfach. Mist.
Offensichtlich sehe ich sehr niedergeschlagen aus, denn Beck stupst mich in die Seite und schlägt geradezu tröstende Töne an.
»Nu, nu - die Welt geht doch nicht unter, nur weil es am ersten Tag nicht klappt. Du unterschätzt auch die Wirkung von Regen auf Menschen. Die meisten mögen ihn eben nicht besonders und bleiben lieber zu Hause. Sieh sie dir doch an - von Bewegungsdrang keine Spur. Von den paar Joggern mal abgesehen, hält ein Mensch es mühelos mehrere Tage auf einem Sofa aus. Selbst mir als Kater wäre das zu langweilig! Aber du wirst sehen: Sobald die Sonne scheint, ist es hier im Park wieder knallvoll. Dann schlendern wir unauffällig von Bank zu Bank und suchen uns die besten Kandidaten aus. Und dann kannst du noch mal mit deiner >Ich bin ein armer, kranker Dackel-Nummer< ankommen. Die war im Grunde gar nicht so schlecht.«
Ich blicke Herrn Beck erstaunt an. »Ehrlich? Du fandst den Plan nicht so schlecht?«
»Nein. Annehmbar. Jedenfalls für einen, der von einem Hund ausgeheckt wurde.«
Die Luft scheint wieder rein zu sein, also verlassen wir unser Versteck und trotten Richtung Heimat. Mittlerweile hat es aufgehört zu regnen, und tatsächlich lassen sich nun ein paar Menschen mehr blicken. Gut, immer noch nicht umwerfend viele, aber es ist auch egal, denn momentan habe ich sowieso keine Lust mehr auf Kontaktanbahnung. Mit gesenktem Kopf schleiche ich über den Schotterweg - und falle fast über Herrn Beck, der sich direkt vor mir postiert hat.
»Hey, Kleiner, stopp mal! Da vorne sehe ich genau die Situation, auf die wir die ganze Zeit gewartet haben.«
Erstaunt blicke ich hoch. Tatsächlich: Auf der nächsten Parkbank sitzt ein Mann. Obwohl die Bank bestimmt noch ziemlich nass ist, hat er es sich dort gemütlich gemacht und bereitet offensichtlich ein kleines Picknick vor, eine Flasche hat er jedenfalls schon neben sich gestellt und gerade jetzt kramt er in einer mitgebrachten Tüte herum. Ich trabe näher an die Bank heran, um den Mann besser betrachten zu können. Wie ein Prinz sieht er nicht gerade aus. Irgendwie ein bisschen zerknittert. Seine Haare sind grau und etwas länger, wirr fallen ihm einzelne Strähnen immer wieder ins Gesicht. Außerdem hat er einen Bart, der fast ein wenig wie Rauhaardackelfell aussieht.
»Hm, meinst du, das ist der Richtige? Da habe ich doch arge Zweifel.«
Aber Beck lässt das nicht gelten. »Und wenn schon! Es ist zumindest eine Gelegenheit - sollten wir die nicht nutzen? Wenn's nicht funktioniert, sammeln wir wenigstens Erfahrung. Dann sind wir gut vorbereitet auf die wirklichen Top-Kandidaten.«
So habe ich es noch gar nicht gesehen. Katzen sind eben echte Strategen. Und Beck hat sich noch mehr Gedanken gemacht.
»Also, wir schleichen zu dem Typen rüber. Dann kommt deine Kranker-Hund-Nummer. Gib ruhig ein bisschen Gas, so mit rumwälzen, jaulen, das volle Programm. Wenn er sich um dich kümmert, versuche ich ihm begreiflich zu machen, dass er mit dir zu unserem Haus gehen soll.«
»Und wie willst du das machen?«
»So wie du. Improvisieren!«
Bei der Bank angekommen, suche ich ein strategisch gutes Plätzchen für meine Showeinlage. Noch hat der Mann mich nicht bemerkt, zu beschäftigt ist er mit seiner Tüte. Ab und zu streicht er sich seine halblangen grauen Haare aus dem Gesicht und steckt sie hinter die Ohren. Ich lege mich links neben seine Füße und drehe mich auf den Rücken. Dann fange ich an, laut zu winseln, mit meinen Beinen zu strampeln und mich hin und her zu winden. Ein Bild des Jammers und des Elends - wer darauf nicht reagiert, hat ein Herz aus Stein und verdient unsere Caro nicht!
Tatsächlich lässt der Mann von seiner Tüte ab und beugt sich zu mir herunter.
»Sag mal, was bist du denn für einer? Und was machst du da eigentlich?«
Ein strenger Geruch weht zu mir herüber, nach Schweiß und ... und ... ja, genau: und nach dem Zeug, das Carolin in dieser furchtbaren Nacht getrunken hat. Ungute Erinnerungen steigen in mir hoch, und ich würde die ganze Veranstaltung hier liebend gerne abblasen. Aber aus den Augenwinkeln kann ich genau sehen, dass Herr Beck nur einen Meter weiter rechts von uns sitzt und mich mit Argusaugen beobachtet. Scheint ein Riesenspaß für ihn zu sein. Wenn der meint, dass ich jetzt aufgebe, hat er sich geschnitten. Das ziehe ich durch, wuff!
Ich zappele noch ein bisschen hin und her und versuche, noch mehr Dramatik in die Angelegenheit zu bringen, indem ich die Augen verdrehe und mit der Schnauze zucke.
»Mönsch, du armes Vieh, dir geht's ja richtig schlecht! Komm, Willi hebt dich mal hoch.«
Mit diesen Worten fasst mich der Mann behutsam mit seinen großen Händen unter den Nacken und den Rücken und hebt mich dann vorsichtig auf seinen Schoß. Sofort höre ich auf zu zappeln. Nicht, dass ich hier noch runterfalle und mir wirklich etwas tue. Der Mann krault mich am Bauch, was eigentlich sehr angenehm ist. Allerdings riecht es hier oben noch stärker nach dem Zeug, das Carolin getrunken hat. Hrks, das muss ja was ganz Schlimmes sein. Hoffentlich übergibt sich der Mann nicht auch gleich, dafür befinde ich mich nämlich gerade in einer sehr ungünstigen Position.
»Na, Kleiner, zitterst ja gar nicht mehr. So geht's dir gleich besser, oder? Aber was macht Willi jetzt mit dir?«
In der Tat, eine sehr gut Frage. Das ist doch genau der richtige Zeitpunkt für Becks Einsatz. Ich hoffe, er verpennt ihn nicht und hat sich vor allem etwas überlegt, wie er den Mann zu Carolin lockt. Auch, wenn ich mittlerweile felsenfest davon überzeugt bin, dass es sich bei ihm mitnichten um einen Prinzen oder sonst wie akzeptablen Kandidaten handelt. Los, Beck, wo bleibst du?
»Hoppla, da ist ja noch ein kleiner Freund! Wo kommt ihr denn bloß auf einmal alle her?«
Na also, die Gedankenübertragung unter uns Vierbeinern funktioniert. Ich drehe mich schnell auf den Bauch und sehe Beck, wie er um Willis Beine streicht. Nun springt er auf die Bank und setzt sich direkt neben uns.
»Miau, miauuuu, miauuuuu!«
Okay, Katzen können einfach nicht richtig heulen. Genauer gesagt können sie es gar nicht. Beck klingt wie eine der Geigen, die Carolin jeden Tag bearbeitet. Eigentlich sogar schlimmer, ich frage mich, was er damit bewirken will.
»O je, dir geht es wohl auch gar nicht gut. Was ist denn heute los hier? Seid ihr beide krank oder habt ihr euch verlaufen?«
Willi streicht Beck mit einer Hand über den Kopf und schaut ihn nachdenklich an. Auch wenn er kein Prinz ist - ein lieber Mensch ist er allemal. Ob das vielleicht auch reicht? Beck legt eine Pfote auf Willis Arm und zieht ein bisschen an ihm.
»Autsch!«
Offenbar benutzt er dazu seine Krallen, jedenfalls zieht Willi erschrocken seinen Arm zurück. Beck hüpft wieder von der Bank und langt jetzt nach einem Bein von Willi. So gut es mit einer Pfote eben möglich ist, zieht er an dem Hosenbein und maunzt dabei immer wieder.
»Jetzt müsste man mit Tieren sprechen können. Ich wüsste zu gerne, was du von mir willst. Soll ich etwa mitkommen?«
Begeistert schlecke ich Willi sofort die Hände ab. Sie schmecken - nun ja - gewöhnungsbedürftig.
Er lacht. »He, mein Freundchen, du wirst ja ganz wild. War das die Antwort auf meine Frage? Ich soll wirklich mitkommen?«
Irre, wie einfach es ist, mit Menschen zu reden. Das hatte ich mir viel schwerer vorgestellt. Oder aber Willi ist besonders sensibel. Ist im Ergebnis aber egal. Ich springe von seinem Schoß herunter zu Herrn Beck, der Willi erwartungsvoll anschaut und dabei aufgeregt mit seinem Schwanz hin und her wedelt. Willi steht auf und schwankt dabei ein bisschen von links nach rechts. Als er sicher steht, rennt Beck zweimal um ihn herum, dann läuft er Richtung Carolins Haus. Weil mir nichts Besseres einfällt, mache ich es genauso.
»So, und da soll ich wohl hinterher? Ein Dackel und ein Kater wollen mit mir spazieren gehen. Wenn ich das der Dame von der Heilsarmee erzähle, wird sie es gleich wieder auf den Chantre schieben. Dann man los!«
Auf dieses Kommando traben Herr Beck und ich zu dem Parkausgang, der direkt vor unserem Garten liegt. Zwischendurch werfe ich immer wieder einen kurzen Blick über die Schulter - Willi folgt uns brav. Erst als wir am Gartentürchen ankommen, zögert er kurz.
»Also hier? Ist ja'n schönes Haus. Nicht, dass die mich hier für einen Einbrecher halten.«
Ha ha! Ein lustiger Gedanke! Ein Wachhund, der den Einbrecher selbst mitbringt! Ich frage mich, wie Willi darauf kommt. Einen Moment später stehen wir vor der Terrassentür der Werkstatt. Ich kratze an der Scheibe, Willi steht direkt hinter mir und linst neugierig durch das Fenster, dann klopft er schließlich. Daniel kommt und öffnet die Tür. Allerdings nur einen Spalt. »Ja bitte?«
Willi räuspert sich. »Ähm, ja, wie soll ich sagen - diese beiden hier unten haben mich quasi zu Ihnen gebracht.«
Daniel schaut runter, erst jetzt scheint er uns zu sehen.
»Oh, Herkules und Herr Beck - was macht ihr denn da?«
»Also, der kleine Dackel schien eben ziemliche Krämpfe zu haben, jedenfalls ist er vor der Parkbank, auf der ich saß, zusammengebrochen. Und dann kam sein Freund hier und wollte, dass ich mitkomme.«
Daniel schaut durch den Türspalt und hebt eine Augenbraue, was ziemlich lustig aussieht.
»Ah, ja. Der Kater wollte, dass Sie mitkommen. Verstehe.«
»Gut, ich weiß, das klingt seltsam. Vor allem aus dem Mund von so jemandem wie mir. Aber so war es, können Sie mir ruhig glauben. Und dann haben mich die beiden hierhin gebracht.«
In diesem Moment taucht Carolin hinter Daniel auf. »Was ist denn hier los?«
»Der ... äh ... Herr hier behauptet, Herkules und der Kater hätten ihn zu uns gebracht, nachdem Herkules im Park einen Schwächeanfall hatte.«
Carolin tritt neben Daniel und macht die Terrassentür jetzt weit auf.
»Na ihr beiden? Was habt ihr gemacht? Friedliche Parkbesucher angefallen?«
Sie lächelt Willi aufmunternd zu. Hm, vielleicht gefällt er ihr doch? Daniel hingegen rollt genervt die Augen, aber das kann Carolin ja nicht sehen. Willi allerdings schon. Unsicher streicht er sich durch die wirren Haare.
»Ja, also, wie ich Ihrem Mann schon sagte - die beiden haben mich tatsächlich hierhin geführt. Also, ich meine, erst sind sie auf meine Bank gesprungen, und dann hat der Kater mich am Hosenbein gezogen und dann ...«, Willi zögert, die ganze Angelegenheit scheint ihm auf einmal peinlich zu sein. »Ich will dann auch gar nicht weiter stören. Dem Hund scheint es wieder gutzugehen, ich werd dann mal.«
Er will sich gerade umdrehen, als Carolin einen Schritt auf ihn zu Richtung Garten macht.
»Vielen Dank, dass Sie die beiden gebracht haben. Irgendwas scheinen sie ja von Ihnen gewollt zu haben, leider können sie nicht sprechen. Vielleicht fahre ich nachher mal mit Herkules zum Tierarzt. Sicher ist sicher.«
»Ja, sicher ist sicher«, echot Willi. »Ist bestimmt eine gute Idee. Ihnen noch einen schönen Tag.« Dann geht er.
O nein! Was für ein Eigentor! Zum Tierarzt. Ich hätte wissen müssen, dass mich die ganze Nummer wieder zu Doktor Wagner bringt. Unglücklich lasse ich die Nase hängen, Beck steht feixend neben mir.
»So, Herkules, komm rein«, sagt Daniel schließlich und winkt mich durch die Tür. »Und du gehst schön außen herum, Beck. Mir scheint, dass ihr heute schon genug zusammen erlebt habt.«
Daniel scheint sauer zu sein. Ich sehe schnell zu, dass ich mich in meine Kiste verziehe.
»Glaubst du die Geschichte?«, will Carolin wissen. »Ich meine, haben die beiden den wirklich hier angeschleppt? Oder wollte der sich nur mal unseren Hintereingang genauer anschauen, um hier einzubrechen?«
»Der sah mir eigentlich nicht so aus, als ob Wohnhäuser für ihn interessant wären. Eher wie jemand, der im nächsten Kiosk einbricht, um sich seinen Fusel zu besorgen.«
»Aber warum sollte er sich dann so eine Geschichte ausdenken? Oder kannst du dir ernsthaft vorstellen, dass Herkules und Beck ihn hier angeschleppt haben? Und wenn ja, warum?«
Daniel hebt die Hände. »Ganz ehrlich? Keine Ahnung! Krank sieht mir Herkules jedenfalls nicht aus. Vielleicht hat der Alte auch halluziniert. Hat man ja mal, nach einer Flasche Cognac. Ist ja nicht gut für die Gesundheit, nicht wahr?«
Daniel grinst, Carolin wird rot. Sie dreht sich abrupt um und geht ohne ein weiteres Wort in ihr Zimmer. Daniel zögert einen Moment, dann läuft er ihr hinterher.
»Hey, tut mir leid, das war blöd von mir.«
Carolin antwortet nicht. Sie ist richtig böse auf ihn, das merkt selbst ein kurzsichtiger Vierbeiner wie ich. Warum, habe ich zwar nicht ganz verstanden. Aber Daniel hat es wohl sofort kapiert. Er steht jetzt ganz dicht neben ihr und scheint zu überlegen, was er machen soll. Schließlich entscheidet er sich für die Variante, die ich als Hund in so einer Situation auch gewählt hätte: Körperkontakt. Er nimmt Carolin in den Arm und drückt sie ganz fest an sich.
Und in der Luft liegt auf einmal eine Spannung, als hätte der alte von Eschersbach den Trafo am Zaun der Pferdekoppel richtig auf Anschlag gedreht.