DREIZEHN

Ich komme mir zwar ein bisschen blöd vor, mit der Leine im Maul vor Carolin auf und ab zu springen. Denn immerhin hasse ich es eigentlich, an der Leine zu laufen. Aber wenn Becks Theorie richtig ist, dann lassen sich die passenden Männer im Park einfacher identifizieren, wenn wir Carolin dabeihaben. Der Plan ist also, mit ihr spazieren zu gehen und zu schauen, wen sie sich so anguckt. Und dann ... ja, was dann passiert, ist noch ein wenig unklar. Die bisherige Nummer kann ich schlecht abziehen, wenn Carolin daneben steht. Aber irgendetwas wird mir schon einfallen, und außerdem werden wir von Herrn Beck beschattet, der sich, wie er es ausdrückt, ein Bild von der Lage machen wird. Von Vorteil wäre allerdings, wenn Carolin nun endlich kapieren würde, dass ich mit ihr spazieren gehen will.

Ich springe noch einmal so hoch ich kann und kratze mit meinen Vorderläufen an Carolins Hose. Sie guckt herunter und lacht.

»Herkules, nicht so stürmisch! Ich weiß, was du willst, aber lass mich doch noch eben meine Sachen hier fertig machen. Dann gehen wir auch raus, versprochen!«

Sie nimmt eines dieser kleinen Holzplättchen von ihrem Tisch und klemmt es zwischen den Boden und die Saiten einer Geige. Menno! Immer geht hier die Arbeit vor. Dabei ist meine Sache doch viel wichtiger. Ich knurre ein bisschen.

»Na, will Herkules raus?« Daniel steht auf einmal neben Carolin.

»Ja, das ist wohl eindeutig. Aber ich kann es ihm nicht verdenken. Das Wetter ist wirklich toll, eigentlich viel zu schön, um den ganzen Tag in der Werkstatt rumzuhängen. Ich werde gleich mal mit ihm in den Park gehen. Ist auch besser für die eigene Stimmung.«

Daniel nickt. »Du hast Recht. Was hältst du davon, wenn ich euch ein bisschen begleite?«

Och nö! Das passt mir gar nicht. Schließlich mache ich das hier alles nur, um einen neuen Mann zu finden. Mit Betonung auf neu. Da ist es doch eher hinderlich, wenn man schon einen Mann mitbringt.

Aber mich fragt sowieso keiner, und so kommt es, dass Carolin mir zwar endlich die Leine ans Halsband hakt, aber Daniel auch nach seiner Jacke greift und wir schließlich zu dritt die Werkstatt verlassen. Im Garten kommen wir an Herrn Beck vorbei, der sich für seine Beschattung bereits positioniert hatte.

»He, was soll das denn? Kommt der etwa mit? Man nimmt doch kein Bier mit in die Kneipe!«, raunt er mir zu.

»Meinst du etwa, das war meine Idee?«, flüstere ich zurück. »Aber sag mir mal, wie ich das hätte verhindern können?«

Beck zuckt mit den Schultern und scheint noch etwas sagen zu wollen, aber da sind wir schon an ihm vorbei.

Während wir Richtung Park laufen, überlege ich, ob sich mein Plan unter diesen Umständen überhaupt noch umsetzen lässt. Wird Carolin andere Menschen noch bemerken, wenn sie sich die ganze Zeit mit Daniel unterhält? Es ist doch zum Haare ausreißen - den kranken Hund kann ich nicht mimen, weil Carolin dabei ist, und auf Carolin achten bringt nichts, weil Daniel dabei ist. Grrr!

»Schon komisch - da arbeite ich direkt neben so einem schönen Park, und trotzdem bin ich fast nie hier.«

Genau, Daniel, möchte ich sagen, und warum dann ausgerechnet heute?

»Ja, man macht das eigentlich viel zu selten. Wobei ich mit Herkules natürlich viel mehr draußen bin als früher. Allerdings habe ich ihn in letzter Zeit sträflich vernachlässigt. Ich habe deswegen ein ganz schlechtes Gewissen, und eben kam er sogar schon mit seiner Leine an, um mich an meine Frauchen-Pflichten zu erinnern.« Sie beugt sich im Gehen zu mir herunter und streichelt meinen Kopf. »Gell, Herkules, du hast es in letzter Zeit auch nicht leicht mit deinem Frauchen. Aber das wird jetzt alles wieder besser, wirst schon sehen. Ich hoffe, du sehnst dich nicht nach dem Tierheim zurück!«

Ich? Sehnsucht nach dem Tierheim? Was für ein absurder Gedanke! Auch wenn die Herrchensuche gerade nicht wirklich rund läuft - Carolin scheint nicht klar zu sein, wie ungemütlich es auf zehn Quadratmeter mit Typen wie Bozo und Boxer sein kann.

Weil das Wetter wirklich schön ist und wir Daniel nun sowieso nicht loswerden, beschließe ich, diesen Spaziergang einfach so zu genießen, wie er ist. Tatsächlich war Carolin in letzter Zeit wenig mit mir unterwegs. Eigentlich gar nicht. Wir traben einen der verschlungenen Kieswege entlang, und ich schnuppere voller Genuss an jedem Baum, der am Wegesrand steht. Herrlich! Hier sind schon wichtige Hunde vorbeigekommen, ich rieche es genau. Und Dank meines Trainings im Garten kann ich nun gekonnt meine Duftmarke hinzufügen. Was ich auch ausgiebigst tue. Carolin und Daniel schlendern nämlich eher, als dass sie wirklich bestimmt gehen, ich habe also genug Zeit für die wichtigen Dinge im Dackelleben.

Nun allerdings werden sie selbst für meinen Geschmack zu langsam. Wahrscheinlich, weil sie so in ihr Gespräch vertieft sind. Nervig. Ständig müssen Menschen reden. Ich zerre ein bisschen an der Leine. He, weitergehen! Hier habe ich nun schon jeden Strauch angepinkelt!

Aber Carolin und Daniel beachten mich gar nicht. Stattdessen steuern sie die nächste Parkbank an und setzen sich. Tja, von wegen: Ich habe Herkules so vernachlässigt und muss das dringend ändern ... so wird das nichts! Aber dann könnte mir Carolin wenigstens mal die Leine abmachen, dann gehe ich eben allein ein bisschen weiterschnüffeln. Ich springe also zu den beiden hoch auf die Bank und lege meinen Kopf auf Carolins Schoß.

Hm, bilde ich mir das ein, oder liegt schon wieder diese seltsame Spannung in der Luft? Daniel scheint nervös zu sein, und auch Carolin riecht aufgeregt. Verwunderlich wäre es nicht, denn wenn ich so lange nicht draußen gewesen wäre wie die beiden, könnte ich mich kaum halten vor Unruhe. Irgendwie sind Menschen eben doch große Tiere. Sie wollen es nur nicht wahrhaben. Ich schnüffele nach Carolins Händen und will sie ein bisschen abschlecken. Vielleicht wirkt das beruhigend auf sie.

Bevor ich aber mit meiner Zunge einmal über Carolins Handrücken schlabbern kann, landet überraschend Daniels Hand auf meiner Nase. He - was soll das? Bei meiner Nase kenne ich keinen Spaß, da bin ich echt empfindlich. Ich knurre kurz, Daniel zieht seine Hand blitzschnell zurück. Offensichtlich habe ich ihn erschreckt. Er mich aber auch. Was will er denn mit meiner Nase? Ich blinzele hoch zu ihm, aber er tut so, als wäre nichts geschehen. Seltsam. Ein paar Minuten ist es jetzt ganz still, weder Carolin noch Daniel sagen ein Wort. Eigentlich sehr schön. Dann räuspert sich Daniel.

»Sag mal, was hältst du davon, wenn wir diese Woche mal etwas zusammen machen?«

Was redet der Mann da bloß für einen Unsinn? Die beiden machen doch jeden Tag etwas zusammen. Carolin sieht das offensichtlich genauso. Sie kichert.

»Und an was hattest du da so gedacht? An ein Cello oder eine Violine?«

»Ha, ha, sehr komisch.«

»Komm, kleine Revanche für deinen Cognac-Spruch von neulich.«

»Okay, dann sind wir jetzt quitt.« Weder Schweigen.

»Kochen«, sagt Carolin dann, »wir könnten doch zusammen etwas kochen. So wie früher in unserer WG in Mittenwald. Das haben wir schon ewig nicht mehr gemacht, und es war immer sehr lustig.«

Sie lächelt Daniel an. Es ist genau dieses Lächeln, das mir schon im Tierheim aufgefallen ist. Unverwechselbar und wunderschön. Mit einem Mal ist es viel wärmer auf unserer Bank. Herrlich! Ich kuschle mich eng an Carolin und genieße den Moment.

Diesmal sehe ich Daniels Hand rechtzeitig, bevor sie auf meiner Nase landen kann, und ducke mich weg. Der spinnt ja wohl! Wobei - offensichtlich hat er gar nicht mich im Visier, sondern Carolin. Denn über meinen Rücken hinweg greift er jetzt nach ihrer Hand und zieht sie zu sich herüber. Carolin guckt erstaunt, zieht ihre Hand aber nicht zurück. Was hat das schon wieder zu bedeuten? Wann hält ein Mann die Hand einer Frau? Schade, dass Beck nicht hier ist, der weiß das bestimmt. Ich beschließe, dass es eigentlich nur ein gutes Zeichen sein kann - so sparsam, wie Menschen sonst mit Körperkontakt sind. Ich bin gespannt, was nun passiert.

»Hey, Sie!«, poltert in diesem Moment eine laute Stimme unfreundlich los.

Carolin und Daniel zucken zusammen, er lässt ihre Hand wieder los.

»Ja, genau Sie meine ich!«, bellt die Stimme weiter.

Jetzt ist auch der Besitzer der unfreundlichen Stimme zu sehen: Er steht direkt vor unserer Bank. Ich belle kurz - merkt der Typ nicht, dass er gerade extrem stört? Aber er bleibt wie angewurzelt stehen und starrt Carolin und Daniel an. Oder starrt er doch eher mich an? Eine böse Vorahnung steigt in mir hoch.

»Entschuldigen Sie, dass ich Sie hier so angehe. Holger Diekamp mein Name. Aber der Hund, den Sie da auf dem Schoß haben, der hat sich hier gestern ausgesprochen seltsam benommen - ich fürchte, er hat irgendeine bösartige Krankheit. Offen gestanden halte ich selbst Tollwut nicht für ausgeschlossen, auch wenn die Polizei das gestern anders beurteilt hat.«

»Die Polizei?«, echoen Carolin und Daniel wie aus einem Mund.

»Ja, ich habe natürlich gleich die Polizei informiert. Aber bevor die kommen konnten, war der Hund schon verschwunden. Gemeinsam mit dem dicken Kater, der die ganze Zeit dabei war. Ich war aber alarmiert und habe mir dann vorgenommen, weiter nach dem Hund Ausschau zu halten. Schließlich ist die Tollwut eine tödliche Krankheit. Gut, das werden Sie vielleicht für übertriebene Sorge halten, aber der kleine Kerl da wand sich in Krämpfen und hatte Schaum vor dem Mund. Außerdem erschien er mir anhänglich bis distanzlos - alles ganz typische Zeichen. Waren Sie mit dem Tier in letzter Zeit vielleicht in Nordafrika?«

Ich merke, dass ich vor Schreck langsam ganz starr werde - was, wenn ich jetzt doch noch zur Polizei muss? Und die mich dann wirklich einschläfern wollen? O nein, und alles nur wegen unseres blödsinnigen Plans! Ich versuche, mich so klein wie möglich zu machen und drücke mich ganz fest zwischen Daniel und Carolin. Dicht gekauert an Daniels Hosenbein merke ich, wie dieser anfängt zu zittern. Wie furchtbar! Offenbar hat er große Angst vor mir - mein Schicksal ist besiegelt, gleich werden mich die beiden an die Polizei ausliefern. Ich senke meine Schnauze und beginne zu jaulen.

»Tollwut!«, stößt Daniel gepresst aus und zittert noch stärker. »Das ist ja der größte Unsinn, den ich jemals gehört habe.«

Uff! Daniel schlottert nicht vor Angst, sondern er schüttelt sich vor Lachen! Vor Erleichterung springe ich spontan auf seinen Schoß und schlecke ihm übers Gesicht.

»Hoppla, Herkules! Sie sehen, Herr Diekamp - dieses kleine Kerlchen ist ganz munter. Was auch immer er gestern hatte, Tollwut war es bestimmt nicht. Vielleicht haben Sie ihn auch mit einem anderen Hund verwechselt.«

Diekamp schaut mich böse an.

»Nein, eine Verwechslung war das mit Sicherheit nicht. Aber wenn Sie mit Ihrer Sorglosigkeit auch Ihre eigene Gesundheit gefährden wollen, bitte sehr!« Diekamp gibt noch ein wütendes Schnauben von sich, dann macht er auf dem Absatz kehrt und läuft Richtung Parkausgang.

Daniel schüttelt den Kopf. »Also wirklich, es sind doch ganz schöne Spinner unterwegs. Tollwut - so ein Schwachsinn.«

»Hm, ein bisschen Sorgen mache ich mir aber langsam schon.«

»Sorgen? Warum? Herkules ist mit Sicherheit pumperlgesund. Sieh ihn dir einfach an. Dem fehlt nichts.«

»Ja, aber erinnerst du dich noch an letzte Woche? Der Penner? Der hat doch auch gesagt, dass Herkules sich so seltsam aufgeführt hat. Vielleicht ist er ja doch krank.«

Carolins Stimme klingt ganz beunruhigt. Mist - was habe ich da bloß angezettelt!

»Ich meine, Krämpfe, Schaum vor dem Mund - ich habe mal irgendwo gelesen, dass Hunde auch epileptische Anfälle haben können. Und wenn man das weiß, kann man es auch behandeln, genau wie beim Menschen.«

Daniel seufzt. »Also gut, dann lass uns doch eben bei deinem Tierarzt vorbeischauen, wenn du dich dann besser fühlst. Ist von hier aus bei dem schönen Wetter auch ein netter Spaziergang - also so oder so eine gute Idee.«

Carolin nickt. »Ja, ich rufe gleich bei Dr. Wagner an.«


»Schon mal etwas Beruhigendes vorweg, Frau Neumann: Auf den ersten Blick ist Herkules in ausgezeichneter Verfassung. Klare Augen, eine kalte Nase, gute Körperspannung - also einen Infekt würde ich ausschließen wollen.«

Ich hocke mal wieder auf dem kalten Metalltisch des Wagner'schen Untersuchungszimmers und lasse Wagner gottergeben an mir herumhantieren. Ich fühle mich so mickrig, dass ich nicht mal die Gelegenheit nutze, Dr. Wagner auf seine blauen Augen zu überprüfen. Aber was soll ich sagen? Ich bin selbst schuld. Gerecht wäre es natürlich, wenn auch Herr Beck hier seine Portion abkriegen würde, aber so ist die Welt nun einmal nicht. Wagner streicht mir über den Kopf, dann dreht er sich wieder zu Carolin und Daniel, die neben dem Tisch stehen und das ganze Procedere aufmerksam beobachten.

»Was die Epilepsie anbelangt: Also tatsächlich gibt es das bei Hunden. Sie ist leider gar nicht so leicht zu diagnostizieren. Allerdings wird sie häufig vererbt. Wissen Sie, ob es in der Familie von Herkules Fälle von Epilepsie gibt?«

Carolin zuckt mit den Schultern. »Nein, tut mir leid. Ich habe Herkules aus dem Tierheim geholt. Ich weiß eigentlich gar nichts über seine Familie, aber er soll von einem sehr gewissenhaften Züchter stammen. Er ist halt nicht reinrassig, deswegen hat man ihn abgegeben.«

Dr. Wagner betrachtet mich nachdenklich. »Hm, gewissenhafter Züchter ... also, ich hatte gleich das Gefühl, dass ich Herkules schon einmal irgendwo gesehen habe. Muss ja eine Dackelzucht gewesen sein - und die kenne ich fast alle. Vielleicht beim alten von Eschersbach?«

VON ESCHERSBACH!!! Allein die bloße Erwähnung dieses Namens haut mich fast vom Tisch. Ich springe auf und belle laut los. Genau! Ich bin es! Ein echter von Eschersbach! Und was für einer!

»Hoppla!«, ruft Wagner, während er mich sanft wieder in die Mitte des Tisches schiebt. »Da freut sich aber einer! Den Namen kennst du offenbar gut, mein Kleiner. Ich würde mal sagen: Bingo!«

Welche Rolle Bingo in diesem Zusammenhang spielt, ist mir völlig unklar, aber zum ersten Mal seit unserer ersten Begegnung ist mir Dr. Wagner fast sympathisch. Endlich ein Mensch, der meine wahre Herkunft erkennt.

»Die von Eschersbach'sche Zucht hat schon mein Vater betreut. Ich selbst war allerdings erst ein paar Mal da, die Hunde sind ja Gott sei Dank sehr gesund. Aber ich kann von Eschersbach fragen, ob er schon jemals ein Problem mit Epilepsie bei seinen Hunden hatte. Die Diagnostik ist nämlich zum Teil sehr aufwendig und teuer, da sollten wir schon einen etwas handfesteren Verdacht haben. Vielleicht haben die Krämpfe ja eine ganz andere Ursache. Schildern Sie mir doch bitte möglichst genau, wie so ein Anfall abläuft.«

»Na ja, so genau kann ich das gar nicht sagen. Ich war selbst nämlich noch nie dabei.«

»Hm.« Dr. Wagner blickt fragend zu Daniel.

Der schüttelt den Kopf. »Ich leider auch nicht.«

»Aber woher wissen Sie dann, dass Herkules Krampfanfälle hat?«

»Es klingt jetzt wahrscheinlich ein bisschen seltsam, aber wir sind in den vergangenen fünf Tagen nun schon zweimal von Leuten auf diese Anfälle angesprochen worden. Das erste Mal brachte jemand Herkules vom Park zu uns nach Hause und berichtete uns davon. Na, und heute war es wieder das Gleiche: Ein Herr sprach uns im Park an und sagte, Herkules habe sich gestern vor ihm in Krämpfen gewunden und gejault, außerdem habe er Schaum vor der Schnauze gehabt. Der Herr fürchtete sogar, es könne Tollwut sein, weil Herkules auf einmal so anhänglich bei ihm war.«

Dr. Wagner lacht. »Also Tollwut ist es bestimmt nicht. In dem Stadium, in dem Krämpfe auftreten, ist das Tier schon so gut wie tot. Außerdem kann ich mich an keinen einzigen Tollwutfall bei Hunden in Deutschland erinnern, seit ich Tierarzt bin. Aber ich gebe Ihnen Recht, seltsam ist das natürlich schon.« Er dreht sich wieder zu mir um und krault mich unter dem Kinn. »Hm, anhänglich und sonderbar bist du also? Hat Herkules in letzter Zeit vielleicht irgendetwas Traumatisches erlebt, das ihn stark verunsichert haben könnte? Ich bin kein Tierpsychologe, aber so etwas kann ein Tier schon einmal im Verhalten beeinträchtigen. Sie sagten ja, er käme aus dem Tierheim. Vielleicht Verlustängste? Haben Sie ihn mal aus Versehen ausgesperrt oder so was?«

Carolin schaut betreten zu Boden. »Ich war vor kurzem ein bisschen krank.« Sie flüstert mehr, als sie spricht.

»Richtig, ich erinnere mich. Frau Bogner erwähnte es, als sie mit Herkules zur Nachuntersuchung kam.«

»Oh, hat sie das?« Carolin wird rot.

»Also, Sie meinen, dass Herkules möglicherweise darauf reagiert?«, will Daniel wissen. »Das ist echt interessant. Vielleicht macht er sich ja Sorgen um dich und will einen Beschützer für dich finden - immerhin hat er die Nummer bisher nur vor Männern abgezogen.«

Ertappt! Ich ziehe schuldbewusst den Schwanz ein.

Carolin funkelt Daniel böse an. »Ich glaube kaum, dass es da einen Zusammenhang gibt.«

»Mensch, Carolin, das war doch nur ein Scherz.«

Dann bin ich beruhigt! Es wäre mir doch sehr unangenehm, hier so aufzufliegen. Carolin fände das bestimmt nicht gut.

»Nun«, mischt sich Dr. Wagner ein, »so abwegig finde ich den Gedanken nicht. Hunde entwickeln für ihr soziales Rudel schon einen ziemlichen Beschützerinstinkt. Also wenn es einen Verdacht in die Richtung gibt, würde ich ihm auf alle Fälle mal nachgehen. Was genau ist denn bei Ihnen passiert?«

»Ich glaube nicht, dass uns das irgendwie weiterbringt«, kanzelt Carolin ihn schnippisch ab. »Bei mir ist alles in Ordnung. Aber fragen Sie mal diesen Züchter, das scheint mir erfolgversprechender zu sein.«


»Also wirklich, was für eine Frechheit, mich so auszufragen! Dieser Wagner ist echt unmöglich. Möchte mal wissen, was Nina an dem so toll findet«, regt sich Carolin auf, als wir wieder auf dem Weg nach Hause sind.

Ich trabe neben ihr und Daniel her und lausche dabei gespannt. Immerhin geht es auch um mich.

»Beruhige dich, er hat es doch nicht böse gemeint. Er wollte nur eine möglichst fundierte Diagnose stellen. Er kann ja nicht wissen, dass du so empfindlich in diesem Punkt bist.«

»Ich bin nicht empfindlich!«, ruft Carolin empört.

»Na ja, ein bisschen schon«, widerspricht Daniel.

»Und wenn schon - ist das ein Wunder? Das muss man sich mal vorstellen: Mein Tierarzt vermutet, dass Herkules sich psychopathisch benimmt, weil ich so ein schwerer Fall bin.«

»He, das hat nun wirklich niemand behauptet. Und abgesehen davon, ist es auch völlig abwegig.«

»Ach ja?« Carolin dreht den Kopf zu Daniel, der grinst.

»Ich hoffe doch sehr, dass Herkules erst einmal mich als deinen Retter in Erwägung zieht, bevor er irgendwelche wildfremden Kerle anschleppt.«

Nun muss auch Carolin lachen. »Stimmt, das hoffe ich doch auch!«

Aha, so ist das also. Vielleicht ist Daniel doch nicht zu nett für Carolin. Ich muss dringend mit Beck sprechen. Unser Plan braucht vielleicht eine grundlegende Korrektur. Ach was - unser Plan ist hoffentlich bald überflüssig.


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