Kapitel 8

In Stafford am zweiten Weihnachtsfeiertag warf eines der im ersten Lauf, dem Verkaufsrennen, startenden Pferde gleich nachdem es an vierter Stelle über das letzte Hindernis gekommen war, seinen Jockey ab, durchbrach die Rails und stob über das ungemähte Gras in der Platzmitte davon.

Ein Pfleger, der nicht weit von mir auf den zugigen Stufen hinter dem Waageraum stand, rannte fluchend los, um es einzufangen, doch da das Pferd wie durchgedreht von einem Ende der Bahn zum anderen galoppierte, brauchten der Pfleger, der Trainer und ungefähr zehn Helfer eine Viertelstunde, bis sie es am Zaum zu fassen bekamen. Ich sah zu, wie sie das Pferd, einen Braunen ohne Abzeichen, mit besorgten Gesichtern von der Bahn herunter und an mir vorbei zu den Stallungen führten.

Das arme Tier schäumte und triefte vor Schweiß und war offensichtlich in Panik; Schaum bedeckte Nüstern und Maul, und es verdrehte wild die Augen. Mit angelegten Ohren, zitternden Muskeln schlug es nach jedem aus, der in seine Nähe kam.

Dem Rennprogramm entnahm ich, daß es Superman hieß. Es gehörte nicht zu den elfen, über die ich ermittelte, doch sein hochgeputschtes Aussehen und sein panisches Verhalten, noch dazu ausgerechnet hier in Stafford beim Verkaufsrennen, überzeugten mich, daß es das zwölfte in der Reihe war. Das zwölfte; und bei ihm war es schiefgegangen. Wie Beckett gesagt hatte, waren die Anzeichen des Dopings unübersehbar. Ich hatte noch nie ein Pferd in einem solchen Zustand erlebt, für den mir die Bezeichnung» erregter Sieger «aus den Zeitungsausschnitten viel zu mild erschien, und ich kam zu dem Schluß, daß Superman entweder eine Überdosis erhalten oder die bei den anderen bewährte Dosis überaus schlecht vertragen hatte.

Weder October noch Macclesfield waren nach Stafford gekommen. Ich hoffte inständig, daß die von October versprochenen Vorbeugemaßnahmen wie etwa Speichelproben vor dem Start trotz Weihnachten auch hier durchgeführt worden waren, denn ohne meine Tarnung aufzugeben, konnte ich weder einen Funktionär danach fragen noch verlangen, daß man den Jockey nach seinen Eindrücken befragte, ungewöhnliche Wetten überprüfte und das Pferd genauestens auf Einstiche untersuchte.

Da Superman alle Sprünge sicher genommen hatte, neigte ich immer mehr zu der Ansicht, daß das Doping erst unmittelbar vor oder nach dem letzten Hindernis auf ihn gewirkt haben konnte. Da erst war er durchgedreht und hatte, statt zu siegen, seinen Jockey abgeworfen und das Weite gesucht. Da erst hatte er den Energieschub für die letzten vierhundert Meter bekommen, für die lange Zielgerade, die ihm Zeit und Raum ließ, an den Führenden vorbeizuziehen.

Der einzige auf der Rennbahn, mit dem ich unbesorgt reden konnte, war Supermans Pfleger, doch bei dem Zustand seines Pferdes würde es sicher einige Zeit dauern, bis er aus dem Stall kam. Inzwischen mußte ich mich weiter darum kümmern, bei Humber eine Stellung zu bekommen.

Ich war ungekämmt, mit hochgestelltem Lederkragen auf der Rennbahn erschienen, die spitzen Schuhe ungeputzt, die Hände in den Taschen, und zeigte ein mürrisches Gesicht. Ich blamierte die Innung und war mir dessen bewußt.

Es war kein Vergnügen gewesen, an diesem Morgen wieder in» Dannys «Klamotten zu schlüpfen. Die Pullover stanken nach Pferd, die enge, billige Freizeithose sah schmuddlig aus, das Unterzeug war grau gewaschen, und an den Arbeitsjeans klebte noch Dreck. Weil es schwierig gewesen wäre, die Sachen an Weihnachten zurückzubekommen, hatte ich darauf verzichtet, sie vor meiner Abreise in die Reinigung zu geben, und obwohl ich sie ungern so angezogen hatte, wie sie waren, bereute ich es nicht. Um so heruntergekommener sah ich aus.

Rasiert und umgezogen hatte ich mich in der Flughafengarderobe in West Kensington, die Skier und mein Reisegepäck hatte ich in der Gepäckaufbewahrung am Bahnhof Euston deponiert, dann eine Stunde ungemütlich dort auf einem Wartesitz geschlafen und mir Sandwiches und Kaffee an der Selbstbedienungstheke geholt, bevor ich in den Sonderzug nach Stafford gestiegen war. Wenn das so weiterging, dachte ich ironisch, würden meine Habseligkeiten bald quer über London verteilt sein, denn weder auf der Hin- noch auf der Rückreise hatte ich mich entschließen können, die bei Terence in Octobers Londoner Wohnung zurückgelassenen Sachen abzuholen. Ich wollte October nicht begegnen. Ich mochte ihn und war nicht geneigt, mich seinem bitteren Groll auszusetzen, wenn es nicht unbedingt sein mußte.

Humber hatte an Weihnachten nur einen Starter, ein schmächtiges Hürdenpferd im vierten Rennen. Ich hängte mich über die Abzäunung bei den Sattelboxen und schaute zu, wie der Hürdler vom Futtermeister aufgesattelt wurde, während Humber selbst, auf seinen knorrigen Gehstock gestützt, Anweisungen gab. Ihn hatte ich mir noch einmal gut ansehen wollen, und sein Anblick war ermutigend insofern, als man ihm durchaus Böses zutrauen konnte, und entmutigend insofern, als ich ihm würde gehorchen müssen.

Sein massiger Leib steckte in einem gutgeschnittenen kurzen Kamelhaarmantel, unter dem dunkle Hosen und blitzblanke Schuhe hervorschauten.

Auf dem Kopf trug er eine sehr korrekt aufgesetzte Melone, an den Händen makellose, helle Schweinslederhandschuhe. Sein Gesicht war großflächig, aber nicht fett, mit harten Zügen. Augen, die nicht lächelten, ein verbissener Mund und tiefe Furchen von den Nasenflügeln bis zum Kinn verliehen ihm einen Ausdruck kalten Eigenwillens.

Er stand ganz still und machte keine Bewegung zuviel, das genaue Gegenteil von Inskip, der dauernd um die Pferde herumturnte, Gurte und Schnallen kontrollierte, am Sattel schob, am Sattel zog, Beine abtastete und nervös immer noch mal nach dem Rechten sah.

Hier bei Humber war der Junge, der das Pferd hielt, nervös. Verängstigt, konnte man schon sagen. Immer wieder warf er verhuschte, erschreckte Blicke auf Humber, und so gut es ging, blieb er hinter dem Pferd in Deckung. Ein dünner, abgerissener Junge um die Sechzehn, und wie es mir vorkam, geistig nicht ganz auf der Höhe.

Der Futtermeister, ein gestandener Mann mit großer Nase und unfreundlicher Miene, paßte in Ruhe den Sattel an und bedeutete dem Pfleger nickend, das Pferd in den Führring zu bringen. Humber ging mit. Sein leichtes Hinken wurde durch den Gebrauch des Gehstocks mehr oder minder kaschiert, und er lief stur geradeaus wie ein Panzer, als müßten alle anderen selbstverständlich weichen.

Ich folgte ihm, hängte mich an die Führringrails und sah zu, wie er seinen Jockey instruierte, einen Erlaubnisreiter, der sein Pferd mit berechtigter Skepsis betrachtete. Nicht Humber, sondern der Futtermeister warf den Jockey rauf und nahm die Decke des Pferdes an sich. Wieder zurück auf der Tribüne fürs Stallpersonal, stellte ich mich direkt vor den Futtermeister, und in der Stille vor dem Start versuchte ich den unbekannten Pfleger, der neben mir stand, anzupumpen. Zu meiner Erleichterung, wenn auch nicht unerwartet, lehnte er das Ansinnen so empört und so laut ab, daß Humbers Futtermeister es mitbekommen mußte. Ich zog die Schultern hoch und widerstand der Versuchung, mich umzudrehen und zu schauen, ob es gewirkt hatte.

Humbers Pferd machte auf der Zielgeraden schlapp und wurde Zweitletzter. Niemand wunderte sich.

Danach postierte ich mich am Stalltor, um Supermans Pfleger abzupassen, aber der ließ noch eine halbe Stunde auf sich warten und kam erst nach dem fünften Rennen heraus. Ich ging wie durch Zufall neben ihm her und meinte:

«Du hast ja ganz schön was am Hals, Mann.«

Er fragte mich, für wen ich arbeitete; als ich Inskip sagte, taute er auf und meinte, eine Tasse Tee und was zu essen wäre nach dem ganzen Theater nicht schlecht.

«Kommt er immer so überdreht aus dem Rennen?«fragte ich, während wir unsere Käsesandwiches verzehrten.

«Nein, normalerweise ist er hundemüde. Aber heute war auch wirklich der Teufel los, Mann.«

«Wieso?«

«Na, erst mal haben sie allen Startern vor dem Rennen irgendwelche Proben abgenommen. Kannst du mir sagen, was das soll? Wieso vorher? Das bringt doch nichts. Hast du das schon mal erlebt?«

Ich schüttelte den Kopf.

«Dann ist Super so gelaufen, wie er immer läuft; man denkt, daß er locker ins Geld kommt, und am letzten Hindernis kann er nicht mehr. Will er nicht mehr, schätze ich. Dummer Sack. Sie haben sein Herz untersucht, aber das ist in Ordnung. Er hat einfach nicht den Mumm zu kämpfen. Und heute, genau am letzten Hindernis, schmeißt er die Bremse weg und dampft los wie vom Teufel gehetzt. Hast du das gesehen? Nervös ist er eigentlich immer, aber als wir ihn heute gefangen haben, ging er die Wände hoch. Dem Chef war angst und bang. Super sah aus wie gedopt, und da wollte er ihn von sich aus untersuchen lassen, bevor die Rennleitung sagt, er hat dem Pferd was gegeben, und ihm seine Lizenz wegnimmt. Ein paar Tierärzte sind um ihn herumgetanzt, um ihm die und die Proben abzunehmen… wirklich getanzt, weil Super sie zu gern über die Stallwand gekickt hätte… und schließlich haben sie ihm was zur Beruhigung gespritzt. Aber wie wir den nach Hause kriegen sollen, ist mir ein Rätsel.«

«Betreust du ihn schon lange?«fragte ich mitfühlend.

«Seit Saisonbeginn haben wir ihn. So ungefähr vier Monate. Er ist wie gesagt dünnhäutig, aber vor dem Ausfall hier hatte ich ihn gerade so an mich gewöhnt. Ich hoffe bloß, daß er wieder auf den Boden kommt, bis die Spritzen nachlassen.«

«Wer hat ihn denn vorher gehabt?«fragte ich beiläufig.

«Voriges Jahr war er in einem kleinen Stall in Devon, bei einem Privattrainer namens Beaney, glaube ich. Ja, Beaney, da hat er angefangen, nur gebracht hat er nichts.«

«Wahrscheinlich ist er da beim Anreiten nervös gemacht worden«, sagte ich.

«Nein, eben nicht, ich hab mit einem Pfleger von Beaney gesprochen, als wir im August bei den Rennen in Devon waren, und der meinte, ich würde von einem anderen

Pferd reden, denn Superman sei friedlich, brav und pflegeleicht. Oder aber in dem Sommer, nachdem sie ihn abgegeben hätten und bevor er zu uns kam, müsse ihm etwas aufs Gemüt geschlagen sein.«

«Wo war er denn da?«fragte ich, nach der Tasse orangefarbenen Tees greifend.

«Keine Ahnung. Der Chef hat ihn, glaube ich, in Ascot gekauft, und zwar billig. Jetzt schlägt er ihn bestimmt wieder los, wenn ihm einer mehr als der Abdecker zahlt. Armer Super. So ein Knallkopf. «Er starrte düster in seinen Tee.

«Du meinst also nicht, daß er heute verrückt gespielt hat, weil er gedopt war?«

«Ich glaube, er ist einfach ausgerastet«, sagte er.»Völlig ausgerastet. Es hatte doch keiner Gelegenheit, ihn zu dopen, außer mir, dem Chef und Chalky. Ich hab nichts gemacht, der Chef macht so was nicht, und auch Chalky wird sich hüten, wo er, sein ganzer Stolz, seit letzten Monat erst Futtermeister ist…«

Wir tranken aus und gingen, um uns das letzte Rennen anzuschauen, doch über Superman wußte sein Betreuer nichts mehr zu erzählen, was mir weitergeholfen hätte.

Nach dem Rennen ging ich in die Stadt und gab von einer Telefonzelle aus zwei gleichlautende Telegramme an October auf, eins nach London, eins nach Slaw, da ich nicht wußte, wo er sich aufhielt:»Brauche dringend Auskunft über Superman, besonders, wohin Besitzertrainer Beaney, Devon, ihn ca. Mai letzten Jahres abgegeben hat. Antwort postlagernd, Newcastle-upon-Tyne.«

Den Abend verbrachte ich, Welten entfernt von der Heiterkeit des Vortags, in einem dreiviertel leeren Kino, wo ein ödes Musical lief, und die Nacht in einem schmuddligen Hotel garni, wo man mich von oben herab musterte und im voraus zahlen ließ. Würde ich mich je daran gewöhnen, wie Dreck behandelt zu werden? Es war jedesmal wieder ein Schlag. Wahrscheinlich hatte ich die Achtung, die man einander in Australien entgegenbrachte, für viel zu selbstverständlich genommen. In Zukunft würde ich sie zu schätzen wissen, dachte ich kläglich, als die Wirtin mich in ein unfreundliches kleines Zimmer führte und mir einen argwöhnischen Vortrag hielt von wegen keine Selbstverpflegung, kein warmes Wasser und kein Damenbesuch.

Am folgenden Nachmittag lungerte ich mit bedrückter Armesündermiene auffällig vor Humbers Futtermeister herum, und nach den Rennen kehrte ich per Bus und Bahn nach Newcastle zurück. Am nächsten Morgen holte ich. mein aufgerüstetes Motorrad ab und fuhr bei der Post vorbei, um zu sehen, ob schon Antwort von October da war.

Der Mann am Schalter gab mir einen Umschlag. Er enthielt ein mit der Maschine beschriebenes Blatt ohne Anrede, ohne Unterschrift:»Superman wurde in Irland geboren und gezogen. Zweimaliger Besitzerwechsel, bevor er zu John Beaney nach Devon kam. Von Beaney wurde er am 3. Mai verkauft an H. Humber, Posset, County Durham. Humber brachte ihn zur Juliauktion nach Ascot, dort ging er für 260 Pfund an seinen jetzigen Trainer.

Die gestrigen Untersuchungen im Fall Superman in Stafford sind bislang fruchtlos; die Dopingproben sind noch nicht ausgewertet, werden aber kaum etwas bringen. Der Rennbahntierarzt war, wie Sie scheinbar auch, überzeugt, daß die Sache stank, und hat die Haut des Pferdes gründlich untersucht, aber keine Einstiche gefunden außer denen, die von seinen eigenen Beruhigungsspritzen stammten.

Superman war vor dem Rennen offenbar in normaler Verfassung. Sein Jockey fand bis zum letzten Hindernis alles normal, dann bekam das Pferd eine Art Krampf und warf ihn ab.

Weitere Ermittlungen über Rudyard ergaben, daß er im Winter vor vier Jahren von P. J. Adams, Tellbridge, Northumberland gekauft und nach kurzer Zeit in Ascot wieder verkauft wurde. Transistor wurde von Adams vor drei Jahren in Doncaster ersteigert und drei Monate später in Newcastle wieder verkauft.

Die fortlaufend numerierten dreißig Fünfpfundnoten wurden von der Barclays Bank in Birmingham, Zweigstelle New Street, an einen gewissen Lewis Greenfield ausgegeben, der genau Ihrer Beschreibung des Mannes, der Sie in Slaw angesprochen hat, entspricht. Wir werden gegen Greenfield und T. N. Tarleton vorgehen, jedoch damit warten, bis Ihre Hauptaufgabe zu Ende gebracht ist.

Ihren Bericht über Bimmo Bognor haben wir zur Kenntnis genommen, doch wie Sie ganz richtig sagen, ist der Erwerb von Rennstallinformationen nicht strafbar. Offizielle Schritte sind nicht vorgesehen, aber bestimmte Trainer können und sollen auf den Spionagering hingewiesen werden.«

Ich zerriß das Blatt und warf es stückchen weise in den Papierkorb, dann setzte ich mich auf mein Motorrad und rauschte die A1 hinunter nach Catterick. Es fuhr sich gut, schön schnell vor allem, und kam tatsächlich noch auf hundertsechzig Sachen.

In Catterick biß Humbers Futtermeister an diesem Samstag an wie eine hungrige Forelle.

Inskip hatte zwei Pferde geschickt, von denen Paddy eins betreute, und vor dem zweiten Rennen sah ich den cleveren kleinen Iren auf der Begleitertribüne ernst mit Humbers Futtermeister reden. Ich befürchtete, er könnte sich erweichen lassen, etwas Günstiges über mich zu sagen, aber die Sorge hätte ich mir sparen können. Er trieb sie mir persönlich aus.

«Du bist ein blöder Hund«, sagte er und maß mich vom Zottelkopf bis zu den staubigen Schuhspitzen.»Das hast du jetzt davon. Der Kerl von Humber hat sich nach dir erkundigt; weshalb du bei Inskip rausgeflogen bist, wollte er wissen, und ich hab ihm den wahren Grund gesagt, nicht den Quatsch von der gnädigen Tochter.«

«Was für einen wahren Grund denn?«fragte ich erstaunt.

Er verzog verächtlich den Mund.»Die Leute reden doch. Meinst du vielleicht, die behalten irgendeinen Klatsch für sich? Meinst du, Grits hat mir nicht erzählt, wie du dich in Cheltenham besoffen hast und über Inskip hergezogen bist? Und deine Sprüche in Bristol, daß du Leuten zeigen würdest, wo bestimmte Pferde stehen, sind auch zu mir gedrungen. Und mit dem schrägen Soupy verstehst du dich ja glänzend. Und als wir damals alle unseren Lohn auf Sparking Plug gesetzt haben und er stehengeblieben ist… jede Wette, daß das dein Werk war. Ich habe Humbers Typ gesagt, er wäre verrückt, dich zu nehmen. Du bist das Letzte, Dan, auf dich kann jeder Stall verzichten, und das hab ich ihm gesagt.«

«Danke.«

«Reiten kannst du«, stieß Paddy angewidert nach,»das muß man dir lassen. Vergeudetes Talent ist das. Du kommst in keinem ordentlichen Stall mehr unter, einen faulen Apfel muß man von den guten trennen.«

«Hast du das Humbers Stallmann auch gesagt?«

«Daß kein ordentlicher Stall dich nimmt, hab ich ihm gesagt«, nickte er.»Und wenn du mich fragst, das geschieht dir verdammt recht. «Er ließ mich abrupt stehen.

Ich seufzte und sagte mir, daß Paddys schlechte Meinung mir eigentlich schmeicheln müsse.

Humbers Futtermeister sprach mich zwischen den beiden letzten Rennen auf dem Sattelplatz an.

«He da«, sagte er und packte mich am Arm.»Ich hab gehört, Sie suchen Arbeit.«

«Stimmt.«

«Da hab ich vielleicht was für Sie. Wird gut bezahlt, weit überm Durchschnitt.«

«Bei wem denn?«fragte ich.»Und wieviel?«

«Sechzehn Pfund die Woche.«

«Läßt sich hören«, sagte ich.»Wo?«

«Bei mir. Für Mr. Humber. In Durham.«

«Humber«, wiederholte ich mürrisch.

«Sie brauchen doch Arbeit, oder nicht? Wenn Sie es natürlich nicht nötig haben, Geld zu verdienen, ist das was anderes. «Spöttisch betrachtete er meinen schäbigen Aufzug.

«Ich brauche schon Arbeit«, murmelte ich.

«Na und?«

«Vielleicht nimmt er mich nicht«, sagte ich grimmig.

«Mich haben schon einige abblitzen lassen.«

«Wenn ich ein gutes Wort einlege, nimmt er Sie; uns fehlt grad einer. Nächsten Mittwoch sind hier wieder Rennen. Ich fühle vor, und wenn das klargeht, können Sie am Mittwoch mit Mr. Humber sprechen. Er sagt Ihnen dann, ob er Sie nimmt oder nicht.«

«Fragen wir ihn doch gleich«, sagte ich.

«Nein. Warten Sie bis Mittwoch.«

«Na schön«, sagte ich widerwillig.»Wenn’s sein muß.«

Ihm war förmlich anzusehen, wie er dachte, ich würde bis Mittwoch noch mehr nach Arbeit lechzen, nach jedem Strohhalm greifen und mich von Gerüchten über schlechte Bedingungen nicht mehr abschrecken lassen.

Ich hatte die zweihundert Pfund des Buchmachers und die Hälfte des bei Inskip verdienten Geldes für meinen Italientrip ausgegeben (der jeden Penny wert war), und nachdem ich das Motorrad und die Übernachtung in einer Reihe billiger Absteigen bezahlt hatte, war von Octobers zweihundert Pfund Spesenvorschuß so gut wie nichts übrig. Von weiteren Vorschüssen hatte er nichts gesagt, und ich wollte ihn nicht darum bitten, aber da ich die andere Hälfte meines Lohns ausgeben konnte, wie es mir paßte, verbriet ich sie innerhalb von drei Tagen fast restlos auf einer Motorradtour nach Edinburgh, wo ich herumlief, die Schönheiten der Stadt bewunderte und mir unter den vielen Touristen recht merkwürdig vorkam.

Am Dienstag abend, zu Silvester, trat ich mutig dem Oberkellner des L'Aperitif gegenüber, dem die vollendete Höflichkeit, mit der er mich bediente, hoch anzurechnen war, wenn er sich auch, bevor er mir einen kleinen Ecktisch zuwies, mit gutem Recht vergewisserte, ob ich genug Geld dabeihatte. Ohne mich um die entrüsteten Blicke besser gekleideter Gäste zu kümmern, aß ich im Gedanken an kommende Humbersche Verhältnisse geruhsam ein erstklassiges, riesiges Diner — Hummer, Ente mit Orangensauce, Zitronensouffle, Brie — und trank fast eine ganze Flasche 1948er Chateau Leauville Lescases dazu.

Nachdem ich es so noch einmal ausgiebig genossen hatte, mein eigener Herr zu sein, brauste ich am Neujahrstag die A1 hinunter nach Catterick und heuerte guten Mutes in Englands schlimmstem Rennstall an.

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