Mit Speck fängt man Mäuse.


Und beim Menschen nimmt man einfach etwas anderes.


Komm schon, Kira, melde dich! Ich weiß nicht, wie oft ich das in der vergangenen Stunde gedacht habe. Aber leider keine Antwort. Überhaupt keine. Hoffentlich ist ihr nichts passiert. Vielleicht lag Tom richtig und als Katze kann man gar nicht U-Bahn fahren! Vielleicht wird man dann gleich eingefangen und ins Tierheim verfrachtet! Auweia – Kira, melde dich endlich!

»Alles in Ordnung bei dir?« Pauli streicht mir über den Arm. Ich hebe den Kopf und schaue sie an.

»Wieso? Alles gut hier. Ich sitze mit meinen Freunden eingesperrt in der Wohnung des Exfreundes meiner Mutter, niemand hilft uns und wahrscheinlich kommt der Typ gleich zurück und vermöbelt uns. Also, alles bestens.« Ich fange an zu weinen. Es fühlt sich gut an. Erleichternd.

Tom setzt sich neben mich auf den Boden und legt seinen Arm um meine Schultern.

»He, Kira, komm schon! Wir schaffen das! Und bestimmt hat dein Kater bereits Hilfe geholt. Alles wird gut, du wirst sehen.«

Klick, klick. Der Schlüssel wird in der Wohnungstür gedreht. Das bedeutet nichts Gutes, denn einen Schlüssel zur Wohnung hat jetzt nur noch Vadim. Kurz darauf steht er auch schon vor unserer Tür, schließt auf und öffnet sie einen Spalt.

»So, ich erreiche deine Mutter nicht. Da werdet ihr also noch ein bisschen hierbleiben müssen.«

In diesem Moment klingelt es.

»Hä?«, brummt Vadim, »Besuch?« Er zieht die Tür wieder zu und schließt ab. »Keinen Mucks da drinnen! Klar?«

Mein Herz fängt an zu rasen. Ob das Werner ist? Werden wir nun vor diesem Verrückten gerettet? Tom und Pauli tauschen Blicke.

»Na also«, flüstert Pauli. »Das wurde aber auch Zeit.« Tom nickt.

»Hoffentlich ist das wirklich Hilfe. Langsam habe ich keine Lust mehr auf diese Entführungsnummer!«

»Wer ist da?«, hören wir Vadim im Flur rufen.

»Hagedorn mein Name«, erklingt eine sehr bekannte Stimme. »Darf ich kurz reinkommen?«

Werner! Endlich! ENDLICH!

»Nein, das passt mir gerade nicht. Außerdem habe ich deinen Namen noch nie gehört.«

»Es dauert nur einen Moment. Ich habe eine wichtige Frage.«

»Hau ab!«

Nein, bitte, bitte, lieber Werner, lass dich nicht abwimmeln! Du musst uns helfen, unbedingt!

»Also dann gehört das ganze Geld hier draußen nicht Ihnen?«

»Welches Geld?«

»Na, hier vor Ihrer Tür. Bestimmt zweitausend Euro. Aber dann sammle ich es besser ein und bringe es mal zur Polizei.«

Kurz darauf hören wir die Wohnungstür klappen. Dann ein Stimmengewirr. Es poltert und die Tür wird wieder zugeschlagen. Schließlich hämmert es kräftig.

»He, lassen Sie mich rein!« Vadims Stimme. Er ist richtig wütend, das hört man. Aber er scheint nicht mehr im Wohnungsflur, sondern im Hausflur zu stehen. Was ist passiert?

»Kira, wo bist du?« Werners Stimme. Und er ist eindeutig in der Wohnung. Hurra! Mein Herz macht einen Sprung!

»Hier! Wir sind hier!«, rufe ich. »Vadim hat uns eingeschlossen. Gehen Sie geradeaus!«

Tom und Pauli beginnen, an die Tür zu hämmern. Der Schlüssel wird im Schloss gedreht, dann endlich öffnet sich die Tür und Werner steht davor. Ich falle ihm um den Hals.

»Danke, danke, danke!«, rufe ich und muss schon wieder ein bisschen weinen. Beim großen Katzengott – als Mensch bin ich echt eine Heulsuse!

Werner drückt mich kurz, dann lässt er mich wieder los.

»Mensch, Kira, was machst du für Sachen? Sind das deine Freunde?« Er deutet auf Tom und Pauli.

»Ja, meine besten Freunde – Tom und Pauli! Sie haben mir geholfen, Vadim eine Falle zu stellen. Hat nur leider nicht ganz geklappt.«

Tom und Pauli winken Werner zu. Der nickt knapp.

»Was für eine Falle? Und warum? Und wie habt ihr Winston dazu bekommen, mir diese Botschaft zu bringen? Na egal, das könnt ihr mir hinterher erklären. Jetzt müssen wir erst mal mit dem da draußen fertig werden.« Er deutet zur Wohnungstür, gegen die Vadim immer noch bollert und hämmert. »Ich konnte ihn zwar mit dem alten Geldtrick reinlegen, aber irgendwann müssen wir ja mal aus der Wohnung raus. Und er macht auf mich nicht den Eindruck, als würde er uns zum Abschied nur die Hand schütteln wollen. Am besten rufe ich die Polizei an.« Werner zückt sein Handy und tippt eine Nummer ein.

»Hallo? Hagedorn am Apparat. Ich habe hier einen Notfall …«

Im Nachhinein ging dann alles ganz schnell. Keine zehn Minuten nach Werners Anruf stürmten vier Polizisten den Hausflur und überwältigten den völlig verdutzten Vadim. Eine fünfte Polizistin kam danach zu uns in die Wohnung und ließ sich die ganze Geschichte von uns erzählen und auch das Zigarettenversteck zeigen. Danach fuhren wir gemeinsam auf die Polizeiwache. Tja, und hier sitzen wir nun und geben alles noch einmal der Reihe nach zu Protokoll.

Werner, der uns begleitet, schüttelt zwischendurch immer wieder den Kopf und murmelt etwas, das wie Ihr wart so leichtsinnig! klingt, sagt aber sonst nichts dazu.

»Kinder, Kinder, da habt ihr ja ganz schön was angezettelt!«, stellt die Polizistin am Ende unserer Aussage fest, lächelt aber milde. »Wenn ihr das nächste Mal denkt, dass ihr einem Verbrecher auf der Spur seid, dann ruft bitte gleich die Polizei an. Was da alles hätte passieren können!«

»Das stimmt schon«, räume ich ein, »aber wir mussten doch beweisen, dass Vadim gelogen hat, damit Sie meiner Mutter endlich glauben.«

Jetzt lächelt die Polizistin.

»Ich muss zugeben, dass euch das gelungen ist. Diesen Vadim haben wir nun endlich hinter Schloss und Riegel gebracht!«, sagt die Polizistin bestimmt. »Ihr könnt also ganz beruhigt nach Hause fahren und euch ausruhen.« Sie schaut den Professor an. »Die Kinder sehen sehr, sehr müde aus.«

Stimmt. Ich bin unglaublich müde. Und besorgt. Denn von Kira habe ich nichts mehr gehört, seitdem ich sie aus dem Fenster gesetzt habe. Klar, sie ist heil bei Werner angekommen. Aber warum meldet sie sich bloß nicht bei mir?

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