VIII Kurzer Aufschub

Bolithos Schätzung, wann die größte Insel der Levu-Gruppe in Sicht kommen würde, war zutreffender gewesen, als er selbst erwartet hatte. Die Überfahrt von Sydney hatte sechsundzwanzig Tage gedauert. Die ersten Stunden in der Bucht waren für jeden an Bord der Tempest sehr arbeitsreich, denn abgesehen von der Aufgabe, einen sicheren Ankerplatz zu wählen, wurde die Besatzung auch noch durch einen wachsenden Schwarm von Eingeborenenbooten behindert.

Die Eingeborenen unterschieden sich von den anderen, denen die Tempest bisher begegnet war. Ihre Haut war heller, ihre Nasen waren weniger platt, und die meisten wiesen nicht die reichen Tätowierungen oder Schmucknarben anderer Eingeborener auf. Die Mädchen in den Kanus oder im Wasser lösten viele beifällige Bemerkungen der Seeleute aus und waren sich offenkundig des Interesses, das sie erregten, wohl bewußt. Scollay, der Schiffsprofoß, stellte mürrisch fest:»Durch die werden wir noch viel Ärger kriegen, verlaßt euch drauf. «Aber er war genauso bereit, den Mädchen zuzuzwinken und zuzulächeln wie die anderen.

Sobald der Anker gefaßt hatte, kam Herrick nach achtern und machte Bolitho Meldung.

Bolitho richtete sein Glas an der jetzt ebenfalls verankerten Eurotas vorbei auf das Ufer und den weißen Strand. Eine flache Brandung, üppige grüne Bäume, die ihre Schatten bis auf die ersten Wellen warfen, und leuchtend blaues Wasser. Dahinter, durch Dunst oder tiefhängende Wolken teilweise verdeckt, glänzte die höchste Erhebung der Insel wie polierter Schiefer, überragte die anderen Berge und die Wälder wie eine vollkommene Pyramide. Es war paradiesisch.

Dies, und wahrscheinlich nichts anderes, mochte die Besatzung der Bounty zur Meuterei veranlaßt haben. Anders als in den Slums und Hafenstädten, aus denen so viele Matrosen kamen, gab es hier Wärme, freundliche, gastfreie Eingeborene und Nahrungsmittel in Fülle. Bolitho richtete sein Glas auf die Siedlung. Hier ging es weniger paradiesisch zu.

Auch Herrick hatte die wuchtigen Palisaden und soliden Blockhäuser im Blickfeld, das Hauptgebäude hinter dem äußeren Befestigungsring und die wehende Flagge darüber.

Anlagen wie diese befanden sich überall im Pazifik, in Ost-und Westindien und angeblich so weit nördlich wie China.»Gut gelegen. «Das war alles, womit Herrick seinen Eindruck beschrieb. Wahrscheinlich dachte er wie Bolitho an Viola, die nur mit ihrer Zofe, ohne Freundinnen, in diesem abgelegenen Handelsplatz allein gelassen werden sollte.

An einer gebrechlich wirkenden Pier lag ein kleiner Schoner, in dessen Nähe mehrere Langboote festgemacht hatten. Zweifellos wurde er für Besuche auf defr Nachbarinseln eingesetzt. Neben ihm mußten die Eurotas und die Tempest wie Giganten erscheinen. Keen kam nach achtern, er schien besorgt.»Was soll ich mit den Eingeborenen anfangen, Sir? Sie wollen an Bord. Aber sie werden uns überrennen.»

Herrick suchte mit einem Blick Bolithos Zustimmung und sagte ungerührt:»Lassen Sie sie in kontrollierbaren Gruppen herauf, Mr. Keen. Hindern Sie sie daran, sich unter Deck zu schleichen, und achten Sie darauf, daß keine einheimischen Getränke an Bord geschmuggelt werden. «Er grinste über Keens Verwirrung.»Und haben Sie auch ein wachsames Auge auf unsere eigenen Leute. Denken Sie daran, daß sie schon lange keine Mädchen mehr gesehen haben. «Die ersten Eingeborenen kamen bereitwillig, und innerhalb weniger Minuten füllten das Deck leuchtend bunte Kleidungsstücke, Berge von Früchten und Kokosnüssen und zu Keens Verwunderung sogar ein quiekendes Ferkel. Sie sind wie die Kinder, dachte Bolitho, als ein paar seiner Matrosen die Sprachbarriere zu überwinden versuchten; die kichernden Mädchen mit langem schwarzem Haar und kaum verhüllten Körpern deuteten auf die Messer und Tätowierungen der Matrosen, stießen sich gegenseitig an und kreischten in hemmungslosem Gelächter. Lakey sagte düster:»Wie lange wird es dauern, bis auch dieses Idyll verdorben ist?«Doch niemand beachtete ihn. Es war nicht leicht, die Besucher wieder loszuwerden und Platz für die nächste Gruppe zu schaffen; einige Matrosen unterstützten Keen in seinen Bemühungen, indem sie die Mädchen packten und über Bord ins Wasser fallen ließen, wo sie munter und vergnügt versanken und wieder auftauchten.

Schließlich sagte Bolitho:»Ich muß an Land, Thomas. Stellen Sie eine verläßliche Ankerwache ab und lassen Sie ein Wachtboot zu Wasser. Zwar sieht alles sehr friedlich aus, aber…»

Herrick nickte.»Jawohl, Sir. das Wort >aber< scheint immer alles zu verderben.»

Er folgte Bolitho nach achtern in den Salon, wo Noddall und Allday durch die schrägen Heckfenster spähten und einigen unsichtbaren Schwimmern unten zuwinkten.»Auch Mr. Bynoe wird zweifellos an Land wollen, um Früchte und andere frische Lebensmittel zu beschaffen«, sagte Bolitho.

Herrick verstand.»Ich werde auch den Zahlmeister bewachen lassen, Sir. Keine Sorge. «Im Stillen wunderte er sich darüber, daß Bolitho nie etwas zu vergessen schien, selbst wenn er mit seinem Herz woanders war.»Und Mr. Toby. Ich bin überzeugt, daß auch der Zimmermann sich so schnell wie möglich aufmachen will, um nach brauchbaren Holzvorräten zu suchen.«»Auch daran werde ich denken, Sir. «Herrick wartete, bis Bolitho ihn ansah.»Gehen Sie ruhig an Land und tun Sie, was Sie dort tun müssen. Wenn Sie wieder an Bord kommen, werden Sie ein sicheres Schiff vorfinden. «Bolitho griff nach seinem Hut und erwiderte einfach:»Ich habe nie daran gezweifelt, Thomas. «Dann, etwas schärfer:»Allday, falls Sie sich von der Betrachtung Ihrer Lustobjekte losreißen können, wäre ich Ihnen verbunden, wenn Sie mich an Land brächten. «Allday sprang zur Tür.»So schnell wie noch nie, Captain!«Als Bolitho mit Herrick allein war, sagte er leise:»Die Narval …»

«Ja, Sir?«Herrick wartete. Sie hatten das Schiff mehrmals ausgemacht, nicht mehr als ein winziger Fleck über dem Horizont. Der Franzose folgte ihnen. Lag auf der Lauer wie ein alter Jäger.

Bolitho sagte:»Sie wird nicht hier ankern. Aber sobald ich genau weiß, was von uns erwartet wird, möchte ich gern erfahren, wo sie steckt.»

Herrick hob die Schultern.»Manche würden sagen, es wäre nur gerecht, wenn dieser de Barras Tuke vor uns erwischte, Sir. Ich bin der Meinung, daß wir mit Piraten dieser Sorte zu sanft umgehen.»

Bolitho sah ihn ernst an. Nach de Barras' Vorstellung war Hängen für Tuke sicher zu sanft.

«Haben Sie je an die andere Seite der Medaille gedacht, Thomas? Tuke könnte die gleichen Absichten gegenüber der Narval haben. «Er ging auf den Niedergang zu.»Tuke hatte die Eurotas beinahe erobert und besitzt jetzt schwere Geschütze, die ihn zu einer Macht machen, mit der man rechnen muß.»

Herrick eilte ihm nach, von Bolithos Worten tief betroffen. Eine Meuterei auf einem Schiff des Königs war schon schlimm genug; aber daß ein gewöhnlicher Pirat ein Kriegsschiff angreifen und erobern könne, den Gedanken konnte er unmöglich hinnehmen.

Widerstrebend räumte er ein:»Nun ja, die Narval ist natürlich ein Franzose.»

Bolitho lächelte.»Macht das für Sie einen Unterschied?«»Ja. «Herrick grinste verlegen.»In gewisser Weise. «Auf dem Batteriedeck waren jetzt noch mehr Früchte ausgebreitet, die Netze und Laufgänge hingen voller Flechtmatten und fremdartiger Gewänder, voll langer, schmaler Wimpel in leuchtenden Farben.»Was würde der Admiral zu all dem sagen?«fragte Herrick. Bolitho trat zur Pforte. Die Aufmerksamkeit und das Interesse, das er erregte, entging ihm nicht. Mehrere Mädchen umdrängten ihn und versuchten, ihm eine Blumengirlande um den Hals zu hängen, während andere nach seinem goldbestickten Rock tasteten und ihn fröhlich anstrahlten.

Ein alter Mann nickte ständig und wiederholte mehrmals:»Ka-pi-tän Cook«, wie ein Papagei. Es war denkbar, daß Cook diese Inseln angelaufen hatte; vielleicht hatte der alte Mann aber auch nur von seinen Schiffen und bezopften, fluchenden Matrosen, von ihrem rauhen Humor und Rum gehört.

Bolitho hörte Allday seiner Bootsmannschaft zurufen:»Hier gibt's ein paar kleine Mädchen, die mir gefallen würden, Jungs!»

Bolitho ließ sich in das Boot hinab, während die Pfeifen schrillten, was weiteres Jubeln und Gelächter auslöste. So war es auf der ganzen Fahrt zu der kleinen Pier: Mädchen und junge Männer umschwammen das Boot, berührten die Riemen und brachten Alldays Schlagrhythmus durcheinander. Selbst seine Drohungen bewirkten nichts; Bolitho war seinetwegen erleichtert, als sie das Ufer sicher erreicht hatten.

Er blieb in der brennenden Sonne stehen, prüfte die verschiedenen Gerüche des dichten Unterholzes und der Palmen, der Holzfeuer und des trocknenden Fischs. Allday sagte:»Sieht reichlich primitiv aus, Captain. «Er deutete auf die Palisade aus unbehauenen Stämmen, welche die Siedlung umschloß.

«Ja. «Bolitho schob seinen Degen zurecht und schritt über die Pier auf eine Gruppe uniformierter Milizen zu, offenbar seine Eskorte. Aus der Nähe wirkten ihre gelb abgesetzten, roten Uniformen abgetragen und liederlich geflickt. Die Männer waren von der Sonne tief gebräunt und schienen hart wie Stahl. Wie die Männer des Corps in Neusüdwales waren sie Abenteurer. Nicht gewillt, sich der Disziplin und dem reglementierten Leben in der Armee oder an Bord eines Schiffes zu unterwerfen, aber auch ohne die Ausbildung oder die Intelligenz, sich ganz auf eigene Füße zu stellen. Einer, dem zottiges Haar unter seinem zerbeulten Tschako hervorragte, hob seinen Säbel zu einem Salut, bei dem Sergeant Quare in Ohnmacht gefallen wäre.»Willkommen, Captain. «Er zeigte grinsend die Zähne, was ihn nur noch wilder erscheinen ließ.»Ich soll Sie zu dem Residenten, Mr. Hardacre, geleiten. Wir haben Ihr Schiff den ganzen Tag beobachtet, ein schönes Bild, Sir. Das kann ich Ihnen versichern. «Er fiel neben Bolitho in Gleichschritt, während seine Gruppe hinterherschlenderte. Auf dem kurzen Marsch zur Siedlung entdeckte Bolitho, daß Hardacre die Anlage mit sehr wenig Unterstützung errichtet hatte, doch daß es ihm irgendwie gelungen war, sich im

Umkreis von einigen Meilen Respekt zu verschaffen. Unwahrscheinlich, daß Raymond ihm sehr willkommen sein kann, dachte Bolitho.

Die Milizen waren vorwiegend in Sydney angeworben worden, und ihre Zahl war im Lauf der vergangenen zwei Jahre auf dreißig Mann und zwei Offiziere geschrumpft. Die übrigen waren entweder desertiert, hatten die Inseln mit Eingeborenenbooten oder einem der gelegentlich aufkreuzenden Handelsschoner verlassen oder hatten sich einem Eingeborenenstamm angeschlossen, um das Leben mit Frauen, reichlicher Nahrung und ohne jede Arbeit zu genießen. Und einige waren verschwunden, ohne eine Spur zu hinterlassen.

Der redselige Leutnant, er hieß Finney, vertraute ihm an:»Ich bin gekommen, um hier mein Glück zu machen. «Er grinste.»Aber noch ist davon nichts zu entdecken, fürchte ich.»

Vor dem Tor der Siedlung, das durch kleine Wachthäuser oberhalb und zu beiden Seiten geschützt wurde, blieb Bolitho stehen und sah zu seinem Schiff zurück. Herrick hatte sich nicht getäuscht. Die Siedlung war gut gelegen, und eine Handvoll Männer mit Musketen, selbst diese Raufbolde, konnten sie gegen eine zwanzigfache Übermacht halten. Er runzelte die Stirn. Vorausgesetzt, der Angreifer war nicht mit schweren Waffen ausgerüstet. Hinter dem Tor blieb Bolitho wieder stehen und starrte auf einen rohgezimmerten Galgen. Ein Strick hing noch daran, war aber mit einem Messer sauber abgeschnitten worden. Finney saugte an seinen Zähnen und sagte:»Das war wirklich peinlich, Captain. Wir waren nicht vorgewarnt worden, verstehen Sie?«Er entschuldigte sich ehrlich.»Wir haben ihn auf der Stelle abgeschnitten, aber sie hat den armen Teufel trotzdem noch gesehen«. Bolitho beschleunigte seine Schritte, Haß gegen Raymond schüttelte ihn.»Was hatte er verbrochen?»

«Mr. Hardacre sagt, er war hinter der Tochter eines Häuptlings auf der anderen Seite der Insel her. Er verbietet jedem, dort hinzugehen, denn der Häuptling sei der wichtigste Freund, den wir bei den Stämmen haben.»

Sie hatten den Schatten des Haupteingangs erreicht.»Und dafür hat er den Mann hängen lassen?»

Finneys Antwort klang unterwürfig.»Sie können das nicht verstehen, Captain. Mr. Hardacre ist hier draußen wie ein

König.»

Bolitho nickte.»Aha. «Es wurde nur immer schlimmer statt besser.»Dann bin ich sehr gespannt darauf, ihn kennenzulernen.»

John Hardacre bot einen imponierenden Anblick. Weit über mittelgroß, war er wie eine menschliche Festung gebaut, breit und mit gewölbter Brust und entsprechend volltönender Stimme. Als ob das alles nicht genug wäre, um seine Besucher zu beeindrucken, war seine gesamte Erscheinung das Abbild eines selbsternannten Königs, wie sein Leutnant ihn bezeichnet hatte. Er hatte buschiges Haar und einen großen, spatenförmigen Bart, beides früher wohl dunkel, jetzt aber grau wie Holzasche. Irgendwo dazwischen blickten seine Augen unter pechschwarzen Brauen wie zwei Leuchtfeuer hervor.

Er trug eine weiße, lose hängende Kutte, die seine kräftigen Beine bloß ließ; die großen Füße staken nur in Sandalen. Er stand breitbeinig da, nickte Bolitho zu und betrachtete ihn nachdenklich.»Fregattenkapitän, wie? Gut, gut. Die Regierung seiner Majestät scheint also endlich zu denken, daß wir Schutz brauchen. «Sein verhaltenes Lachen klang wie das Rauschen eines unterirdischen Stroms.»Sie werden mit uns eine Erfrischung nehmen. «Es klang nicht wie ein Angebot, sondern wie ein Befehl.

Raymond, der neben einem offenen Fenster stand und sich das Gesicht mit einem durchnäßten Taschentuch abwischte, klagte:»Es ist heißer, als ich für möglich gehalten habe. «Hardacre grinste und entblößte zwei Reihen fleckiger Zahnstummel.

«Ihr werdet zu weich in England. Das hier ist ein Land für Männer. Reif zum Pflücken wie eine gute Frau, was?«Er lachte über Raymonds Pikiertheit.»Sie werden es erleben. «Zwei Eingeborenenmädchen kamen leise über die Binsenmatten und stellten Gläser und Krüge auf einen schweren Tisch.

Bolitho sah zu, wie Hardacre eine farblose Flüssigkeit in die Gläser schenkte. Wahrscheinlich etwas wie Feuerwasser, dachte er, obwohl Hardacre durchaus bereit schien, auch selbst davon zu trinken.

«Nun, also, Gentlemen, willkommen auf den Levu-Inseln. «Bolitho packte die Armlehne seines Sessels und blinzelte, damit seine Augen nicht tränten.

Hardacre stand mit dem Krug neben ihm und füllte sein Glas nach.»Verdammt gut, was?»

Bolitho mußte erst schlucken, ehe er antworten konnte.»Stark.»

Raymond stellte sein Glas ab.»Meine Anweisungen lauten, diese und andere naheliegende Inseln in Besitz zu nehmen, soweit sie von anderen Nationen noch nicht beansprucht worden sind. «Er sprach so schnell, als ob er fürchtete, daß Hardacre in einen Wutanfall ausbrechen könnte.»Ich habe detaillierte Anweisungen auch für Sie. Aus London.«»Aus London. «Hardacre beobachtete ihn, schwenkte den Schnaps in seinem Glas.»Und was, glaubt man in London, könnten Sie tun und ich nicht, bitte?«Raymond zögerte.»Verschiedene Aspekte sind etwas unbefriedigend, und außerdem haben Sie nicht die Streitkräfte zur Verfügung, um für Frieden zu sorgen.«»Quatsch!«Hardacre wandte sich dem Fenster zu.»Ich könnte eine Armee aufstellen, wenn ich wollte. Jeder Mann ist ein Krieger und bereit, mir zu gehorchen. Mir!«Bolitho beobachtete ihn, durchschaute seine Befürchtungen, die er zu verbergen suchte, und seinen offensichtlichen Stolz auf das, was er aus eigener Kraft geschaffen hatte. Hardacre wandte sich plötzlich ihm zu.»Bolitho! Selbstverständlich, jetzt erinnere ich mich. Ihr Bruder — während des Krieges. «Er seufzte.»Der Krieg hat für viele vieles verändert.»

Bolitho sagte nichts, bemerkte in Hardacres Augen die erwachenden Erinnerungen, wußte, daß Raymond zuhörte und hoffte, daß ihm nicht wohl in seiner Haut war. Die große, bärtige Gestalt wandte sich wieder dem Fenster zu.»Ja, damals war ich Farmer. Habe alles verloren, weil ich ein Anhänger des Königs war, als es darum ging, sich zu einer Seite zu bekennen. Darum habe ich meine Zelte abgebrochen und mich hier draußen an die Arbeit gemacht. «Bitter fügte er hinzu:»Diesmal scheint es also der König zu sein, der mich berauben will.»

«Unsinn!«Raymond schluckte seinen Drink und keuchte.»So ist es nicht gedacht. Vielleicht werden Sie noch gebraucht. Ich muß erst…»

Hardacre unterbrach.»Erst müssen Sie mir zuhören. «Heftig schob er die geflochtene Sonnenblende beiseite und deutete auf die dunkelgrünen Bäume.»Ich brauche geschulte Männer als Hilfe oder solche, die ich noch schulen kann, ehe ich zu alt werde. Ich will keine Beamten wie die in Sydney oder London, noch, mit allem Respekt, Captain, brauche ich Uniformen und die Disziplin der Marine. «Bolitho sagte ruhig:»Ihre Disziplin scheint mir um einiges härter zu sein als unsere.»

«Oh, das. «Hardacre zuckte mit den Schultern.»Gerechtigkeit muß der Umgebung angepaßt werden. So sind nun einmal die Bräuche hier.»

«Ihre Bräuche. «Bolitho behielt seinen gemäßigten Ton bei. Hardacre blickte ihn fest an. Dann lächelte er.»Wenn Sie so wollen, ja. «Barsch fuhr er fort:»Sie haben gesehen, was auf den Inseln passieren kann, Captain. Die Menschen sind primitiv, unberührt, den Pocken und jeder Krankheit ausgeliefert, die ein Schiff nur einschleppen mag. Wenn sie gedeihen und überleben wollen, müssen sie sich schützen und dürfen sich nicht auf andere verlassen.«»Unmöglich!«Raymond wurde wütend.»Die Eurotas ist gekapert worden und wurde erst durch die Tempest zurückgewonnen. Jeden Tag hören wir schlimmere Nachrichten von Marodeuren, Piraten und Mördern. Selbst die Franzosen sind schon so beunruhigt, daß sie eine Fregatte geschickt haben.»

«Die Narval.«Hardacre hob wieder die Schultern.»O ja, Mr. Raymond, auch ich habe mein Nachrichtensystem.«»Wirklich? Nun, jedenfalls werden Sie diese Piraten nicht mit einem Handelsschoner und einer Handvoll bemalter Wilder aufspüren und vernichten. «Raymond funkelte ihn wütend an.»Ich werde das zu meiner ersten Aufgabe machen. Danach können wir über Handel reden. Meine Leute werden morgen damit beginnen, die Sträflinge an Land zu bringen und weiteres Land in der Nähe der Siedlung zu roden, damit Hütten gebaut werden können. «Es klang triumphierend.»Vielleicht werden Sie also dafür gebraucht, Mr. Hardacre.»

Hardacre blickte ihn kühl an.»Nun gut. Aber Ihre Frau — ich nehme doch an, daß sie nur solange hierbleibt wie unbedingt notwendig?»

«Ihre Besorgnis rührt mich.»

Hardacre entgegnete leise:»Verschonen Sie mich bitte mit Sarkasmus. Und lassen Sie sich sagen, daß weiße Frauen, besonders solche gehobener Herkunft, dem Leben auf unseren Inseln nicht gewachsen sind.«»Haben Ihre Leute denn keine Frauen?«Hardacre blickte zur Seite.»Eingeborene Mädchen. «Raymond sah zu den beiden am Tisch hinüber: sehr jung, sehr zurückhaltend. Bolitho konnte seine Gedanken beinahe arbeiten sehen.

Hardacre erklärte unverblümt:»Zwei Mädchen aus guter Familie. Ihr Vater ist Häuptling, ein guter Mann.«»Hm. «Raymond zog seine Uhr, Schweiß lief ihm in Strömen über das Gesicht.»Lassen Sie mich in mein Quartier bringen. Ich brauche Zeit, um nachzudenken. «Später, als sie allein waren, sagte Hardacre zu Bolitho:»Ihr Mr. Raymond ist ein Narr. Er hat weder eine Ahnung von diesen Inseln, noch will er etwas über sie lernen.«»Was ist mit der französischen Fregatte?«fragte Bolitho.»Wo haben Sie die gesichtet?»

«Das wollen Sie also unbedingt wissen, wie? Die Frage ist Ihnen ständig im Kopf rumgegangen. «Hardacre lächelte.»Händler bringen mir Neuigkeiten mit. Tauschhandel und gegenseitiges Vertrauen sind unser bester Schutz. O ja, ich habe von der Narval und ihrem verrückten Kapitän gehört, genauso wie ich über den Piraten Tuke Bescheid weiß. Er liegt mit seinen verfluchten Schonern oft vor diesen Inseln. Bisher hat er es sich noch immer besser überlegt, als unsere Siedlung zu überfallen, der verdammte Schuft. «Er sah

Bolitho an.»Aber Ihre Fregatte wird er überlisten, mein Freund. Sie brauchen kleine Fahrzeuge, kräftige Beine und Führer, die Sie zu seinen Verstecken bringen können; er hat deren mehrere.»

«Könnten Sie die für mich ausfindig machen?»

«Lieber nicht, Captain. Bisher sind wir ohne offenen Kampf davongekommen.»

Bolitho dachte an die Eurotas, die überlegene Planung, die zu ihrer Eroberung geführt hatte. Das und die erbarmungslose Brutalität dahinter waren Leutnant Finneys Milizen mehr als überlegen.

Hardacre schien seine Gedanken zu lesen.»Ich habe auf den Inseln stabile Verhältnisse geschaffen. Ehe ich kam, haben die Häuptlinge sich seit Generationen bekriegt, Frauen geraubt, Kopfjagd betrieben, so barbarische Bräuche geübt, daß ich selbst jetzt noch ins Schwitzen komme, wenn ich daran denke. Sie sind Seemann, Sie kennen diese Dinge. Aber ich brachte die Inselbevölkerung dazu, sich nach mir zu richten, zwang sie, mir zu vertrauen, und schuf aus kleinen Anfängen den ersten Frieden, den sie je gekannt hatten. Wenn ihn also jemand bricht, muß ich ihn bestrafen. Auf der Stelle und unerbittlich. Das ist die einzige Möglichkeit. Und wenn ich ihr Vertrauen ausnutzen wollte, um Verwüstungen über sie zu bringen, indem ich zulasse, daß Ihre Kanonen oder die der Franzosen ihre primitive Welt zerschlagen, würden diese Inseln wieder in Blut und Haß versinken.»

Bolitho dachte an die lachenden, geschmeidigen Mädchen, das Gefühl der Freiheit und Einfachheit. Wie der Schatten eines Riffs verhüllte es, was dicht unter der Oberfläche lauerte.

Gedankenvoll bemerkte Hardacre:»Sie wissen selbstverständlich, daß dem Kapitän der Narval mehr daran gelegen ist, diesen französischen Gefangenen in seine Gewalt zu bekommen, als Tuke zu vernichten. «Er nickte.»Ich sehe Ihrem Gesicht an, daß auch Sie daran gedacht haben. Sie sollten sich einen Bart stehen lassen, um Ihre Gefühle zu verbergen, Captain.«»Was sagten Sie vorhin über weiße Frauen?»

Hardacre lachte vor sich hin.»Auch das können Sie nicht verbergen. Die Dame bedeutet Ihnen etwas, wie?«Er hob die Hand.»Sagen Sie nichts, mich berühren solche Probleme nicht. Aber wenn Sie wollen, daß sie gesund bleibt, schicken Sie sie bald nach England zurück. «Er lächelte.»Wohin sie gehört.»

Stimmengewirr und hastige Schritte waren im Hof unter dem Fenster zu hören, und Augenblicke später stürmte Herrick mit Leutnant Finney auf den Fersen in den Raum.»Das Wachtboot hat ein kleines Auslegerkanu aufgebracht, Sir«, begann er, ohne auf Hardacre und dessen Offiziere zu achten.»An Bord befand sich ein junger Eingeborener, er blutete stark. Der Arzt sagt, er hat Glück, daß er noch lebt. «Zum erstenmal sah er Hardacre an.»Es hat den Anschein, Sir, daß die Nordinsel der Gruppe von Tuke mit zwei Schonern angegriffen wurde und sich jetzt in seiner Hand befindet. Diesem jungen Mann ist die Flucht nur gelungen, weil er wußte, wo das Kanu versteckt lag. Tuke verbrannte alle anderen Boote, als er angriff.»

Hardacre schlug wie zum Gebet die Hände zusammen.

«Mein Gott, die Boote sind ihr Lebensunterhalt. «Er wandte sich an Herrick.»Und wer sind Sie?»

Herrick sah ihn kühl an.»Erster Offizier auf Seiner

Britannischen Majestät Fregatte Tempest.»

«Nun scheint es so, als ob Sie uns doch brauchen«, sagte

Bolitho gelassen.

«Die Nordinsel ist am schwersten zu verteidigen, ihr Häuptling am wenigsten bereit, aus früheren Fehlern zu lernen. «Hardacre dachte laut.»Aber ich weiß, wie ich an ihn herankomme. «Er sah Finney an.»Alarmieren Sie die Leute und bemannen Sie den Schoner. Wir segeln auf der Stelle.»

Bolitho widersprach behutsam:»Nein, Sie bleiben hier. Ich nehme den Schoner, zusammen mit meinem Schiff und einigen Ihrer Leute — mit Ihrer Erlaubnis — und ein paar zuverlässige Führer. «Er fügte hinzu:»Sie nützen Ihren Insulanern mehr, wenn Sie hierbleiben. «Er sah, daß seine Worte ankamen.

Hardacre nickte mit dem gewaltigen Kopf.»Sie meinen

Raymond. «Er runzelte die Stirn.»Macht nichts. Ich verstehe schon, auch wenn Sie es nicht aussprechen können.»

Zu Herrick sagte Bolitho:»Rufen Sie alle an Land gegangenen Leute zurück, Thomas. Neuigkeiten verbreiten sich auf diesen Inseln offenbar schnell. Wir müssen noch schneller sein. Der Wind steht günstig für uns, so daß wir die Riffe noch vor Einbruch der Dämmerung hinter uns haben können.»

Herrick eilte davon, und Bolitho hörte ihn nach seiner Bootsmannschaft rufen.

«Ein tüchtiger Offizier, Captain. «Hardacre sah ihn grimmig an.»Der wäre hier gut zu gebrauchen.»

«Thomas Herrick gebrauchen?«Bolitho griff nach seinem

Degen.»Ich habe noch niemanden gesehen, einschließlich seines Kapitäns, der das gekonnt hätte.»

Er ging und überließ den bärtigen Riesen und die beiden schweigsamen Mädchen ihren Gedanken.

Doch dann erstarrte er plötzlich, weil er ihre Stimme gehört hatte.»Richard!»

Er drehte sich um und sah sie die schmale Holztreppe herunterlaufen. Sie fühlte sich heiß an und zitterte unter ihrem Kleid. Verzweifelt fragte sie:»Gehst du schon wieder? Wann kommst du zurück?«Er hielt sie sanft umfangen, schob ihre drängenden Bitten und Fragen beiseite.

«Eine Insel ist überfallen worden, von Tuke. «Er spürte, wie ihre Schultern erstarrten.»Vielleicht kann ich ihn stellen. «Im Hof hörte er Finnley Befehle bellen, das Klappern von Stiefeln und Musketen.»Je schneller es mir gelingt, um so eher wirst du von diesem Ort befreit. «Sie studierte ihn, strich ihm mit der Hand über das Gesicht, als ob sie es für ihr Gedächtnis modellieren wollte.»Sei vorsichtig, Richard. Für mich. Für uns. «Er führte sie in den Schatten zurück und trat wieder in den Sonnenglast hinaus. Im Hof begegnete er Raymond. Er mußte aus seinem Zimmer gelaufen sein, um selbst herauszufinden, was geschehen war.

Er bellte:»Sie wollten mich hoffentlich informieren,

Captain?»

Bolitho blickte ihn ernst an.»Ja.»

Er berührte seinen Hut. Die Bewegung erforderte seine ganze Selbstbeherrschung.»Und jetzt erlauben Sie mir, an Bord meines Schiffes zu gehen. «Er drehte sich und sah flüchtig das Aufschimmern ihres Kleides auf der Treppe, von wo sie ihm nachsah.

Allday hatte die Gig schon bereit, die Matrosen saßen an den Riemen.

Während der Überfahrt versuchte Bolitho zu überlegen.

Tuke, de Barras, Raymond, sie schienen umeinander zu kreisen, zu einem einzigen Feind zu verschmelzen. Das letzte Hindernis zwischen ihm und Viola.

Borlase empfing ihn an der Einstiegspforte.

«Ich melde mich an Bord zurück, Sir.»

«Danke.»

Bolitho blickte an ihm vorbei auf das Gewühl der braunen Gestalten, auf die vertrauten Gesichter seiner Matrosen und Seesoldaten.

«Räumen Sie das Schiff, Mr. Borlase. Und lassen Sie mich dann wissen, wann der Schoner segelbereit ist. «Er bemerkte die Überraschung in Borlases Augen.»Machen Sie schon, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit. «Herrick kam auf ihn zugeeilt.»Entschuldigen Sie, daß ich nicht hier war, um Sie zu begrüßen, Sir. Ihre Gig muß Rückenwind gehabt haben.»

Bolitho nickte flüchtig.»Ich möchte, daß Sie das Kommando über den Schoner übernehmen. Thomas. Setzen Sie die einheimische Besatzung und Hardacres Milizen ein, aber nehmen Sie auch Prideaux und zwanzig Soldaten mit. «Er klopfte ihm auf die Schulter.»Aktion, Thomas. Die richtige Art, das neue Jahr anzufangen, wie?«Herrick starrte ihn an, als sei er verrückt geworden. Doch dann nickte er.»Richtig, Sir, morgen ist ja der 1. Januar 1790! Jeden Tag habe ich das Logbuch geführt und jetzt doch nicht darauf geachtet. «Er ging auf den Niedergang zu und rief nach dem Bootsmann.

Bei der Heckreling blieb Bolitho stehen, um ein Mindestmaß an Ordnung in seine Gedanken zu bringen. Ein neues Jahr… Er hatte gehofft, es würde anders beginnen. Die schöne Umgebung, der stille Strand, das alles machte es ihm nur noch schwerer, hinzunehmen, daß auch Viola hier war, aber ihm versagt blieb. Er seufzte tief auf. Und morgen mußten sie, wenn die Umstände es verlangten, schon wieder um ihr Leben kämpfen.

Er beobachtete die Boote, die aus verschiedenen Richtungen auf das Schiff zustrebten. Die Mannschaft des Zimmermanns und des Zahlmeisters, das Wachtboot und der Arzt, der wahrscheinlich an Land gegangen war, um die Flora zu studieren.

Einige seiner Leute hatten andere Ablenkungen im Sinn gehabt, und jeder hatte damit gerechnet, daß sie wenigstens ein paar Tage und Nächte vor Anker blieben. Er beschattete seine Augen mit der Hand und blickte zum Mast hinauf. Der Wimpel wehte unverändert im kräftigen

Wind.

Er ging auf den Niedergang zu. Als Kommandant eines Kriegsschiffs mußte man sich Respekt verschaffen. Aber beliebt zu sein und zu bleiben, war manchmal viel schwerer. Bolitho schritt gemächlich an der Luvseite des Achterdecks auf und ab. In Gedanken ging er noch einmal die Pläne durch, während sein Blick zu den nächsten Inseln wanderte, die querab langsam vorbeizogen. Ihre Gipfel und Klippen leuchteten in dem prachtvollen Sonnenuntergang wie von mattem Kupfer überzogen.

In Lee direkt voraus lag Hardacres kleiner Schoner, und dahinter kündigten dunkle Schatten den bevorstehenden Einbruch der Nacht an.

Auf der anderen Seite des Decks unterhielten sich seine Offiziere leise miteinander. Sie bewunderten den Anblick und diskutierten darüber, was ihnen wohl bevorstand. Es war ungewohnt, Herrick nicht an Deck zu sehen und seine vertraute Stimme nicht zu hören. Doch in gewisser Weise war seine Abwesenheit auch eine Wohltat, denn sie erlaubte Bolitho, für sich zu bleiben, sich stärker auf seine Überlegungen zu konzentrieren.

Er hörte Lakey mit seinen zwei Maaten murmeln und vermutete, daß er seine schon geäußerten Zweifel und

Sorgen wiederholte. Die hiesige Gegend, die verstreuten Inseln und Erhebungen der Levu-Gruppe waren auf Karten kaum erfaßt, Wassertiefen und Entfernungen nur ungenau angegeben und wahrscheinlich nur aufgrund von Vermutungen.

Aber die Besatzung des Schoners kannte sich gut aus, und Herrick würde sie zweifellos zu großer Vorsicht mahnen und an den viel größeren Tiefgang der Fregatte erinnern. Die Nordinsel war sehr klein, mit hohen Bergen und einer tief eingeschnittenen, engen Bucht im Nordosten, die wie mit der Axt herausgehackt wirkte. Die Bevölkerung lebte in einem einzigen Dorf und war laut Hardacre für ihren Lebensunterhalt völlig auf das Meer angewiesen. Vielleicht hatte Tuke sich dort eine neue Basis geschaffen oder suchte Vorräte und Wasser für seine Schiffe. Er verfügte also über mindestens zwei Schoner. Viola hatte sich darin nicht getäuscht.

Bolitho stellte fest, daß er schon wieder an Raymond dachte, sich fragte, welche Hoffnungen er wirklich hegen mochte. Vermutlich würde er auf den Inseln bleiben, bis mehr Unterstützung eintraf: die übliche Karawane von Sekretären und Aufsehern. Der größte Teil seiner ursprünglichen Mitarbeiter war entweder von Tukes Piraten ermordet worden oder in Sydney zurückgeblieben, um ihre Verletzungen auszuheilen oder die Angelegenheiten von Verwandten und Freunden zu ordnen, die ebenfalls ums Leben gekommen oder von Tuke verschleppt worden waren. Raymond hatte Glück gehabt — oder war dieser Tuke gerissener, als jeder ihm zugestehen wollte? Raymond als Geisel herauszugreifen, schon vor dem Angriff zu wissen, daß er an Bord sein würde, bewies einen weit schärferen Verstand, als er sonst bei Piraten üblich war. Borlase überquerte das Deck.»Haben wir Erlaubnis, Segel wegzunehmen, Sir? Wir sind kurz vor dem Wachwechsel. «Er wartete, ungewiß, in welcher Stimmung sein Kapitän sein mochte.»Sie hatten es befohlen, Sir.«»Ja. «Bolitho nickte.»Schicken Sie die Leute auf Station. «Es hatte keinen Sinn, die Schiffe in pechschwarzer Nacht zwischen den Inseln hindurchzuhetzen. Bolitho glaubte,

Lakey erleichtert aufatmen zu hören, als die Bootsmannsmaaten die Wache an Deck pfiffen, um die Obersegel zu bergen.

Der Angriff mußte schnell und zielstrebig erfolgen. Bolitho ging nach achtern, um den auf Station rennenden Matrosen auszuweichen. Die Tempest würde die Bucht überqueren, notfalls sogar einlaufen, während das Landekommando des Schoners das Dorf von hinten angriff. Tuke mußte sich sehr sicher fühlen Er würde nicht damit rechnen, daß ein Mann entkommen war und den Mut aufbrachte, allein ein Kanu zu nehmen und die Hauptinsel zu alarmieren. Hoch über Deck hörte Bolitho die Zurufe der Matrosen, die sich über die Rahen beugten, um die widerspenstige Leinwand zu bezwingen.

Zwei Leute waren nicht mit ihren Arbeitskommandos auf das Schiff zurückgekehrt.

Bolitho hatte Borlase befohlen, sie nicht im Logbuch als entlaufen einzutragen, denn auf Desertion stand nur eine Strafe: der Tod. Er hatte erfahren, daß Hardacres Dorf eine heiva — ein Fest — zur Begrüßung der beiden Schiffe geplant hatte, mit Tänzen und zweifellos Mengen von dem Getränk, das ihm den Atem benommen und wie Feuer in seiner Kehle gebrannt hatte.

Zwei Flüchtige unter der gesamten Besatzung, das war bei den verführerischen Verhältnissen kein schlechtes Ergebnis. Wenn die Leute freiwillig zurückkehrten, würde er noch einmal darüber nachdenken. Wenn nicht, endeten sie wahrscheinlich als unfreiwillige» Freiwillige «in Hardacres Miliz, sobald die Fregatte endgültig abgesegelt war. Er dachte über Hardacre nach und konnte nicht anders, als widerwillige Bewunderung für ihn zu empfinden. Seine Motive wurden zwar durch seine Machtgier etwas verschleiert, aber seine Zuneigung für die Eingeborenen und ihre Inselwelt war zweifellos aufrichtig. Doch er würde gegen Raymond verlieren. Das ging Idealisten gegenüber Leuten dieser Sorte immer so.

Bolitho trat zum Steuerrad und blickte auf den Kompaß: Nord zu West. Er nickte dem Rudergänger zu.»Recht so.»

«Aye aye, Sir. «Die Augen des Mannes schimmerten schwach in den letzten Strahlen des Sonnenuntergangs. Bolitho hörte Borlase mit seiner schrillen Stimme Befehle geben.

Als kommissarischer Erster Offizier würde er keinerlei Fehler durchgehen lassen. Nach seinen jüngsten Erfahrungen und dem sich anschließenden Verfahren vor dem Kriegsgericht konnte er sich das nicht erlauben. Bolitho wollte versuchen, ein paar Stunden Schlaf zu finden. Noch einmal ließ er den Blick über sein Schiff schweifen, spürte den leichten Druck von Wind und Ruder, lauschte auf die vertrauten Geräusche des Riggs und der Segel. Sie waren so sehr Bestandteil seines Daseins geworden, daß er bewußt hinhören mußte, um sie wahrzunehmen. Allday sah in der Kajüte Noddall zu, der einen Krug mit frischem Trinkwasser füllte und ihn neben zwei Zwiebacke stellte.

Bolitho dankte ihm und ließ sich von seinem Bootsführer Rock und Hut, die Wahrzeichen seiner Kommandogewalt, abnehmen. Er musterte die Mahlzeit auf seinem Tisch: Wasser und Zwieback. Genau die gleiche Kost wie im Gefängnis der Flotte, dachte er.

Allday fragte:»Soll ich Ihre Koje bereitmachen, Captain?«»Nein. Ich lege mich hier hin.»

Bolitho ließ sich auf der Heckbank nieder und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Durch die Heckfenster konnte er die ersten Sterne wahrnehmen. Ihr Licht wurde von dem dicken Glas gebrochen, so daß es wie winzige Lanzen herabstach.

Er dachte an Viola, stellte sich vor, wie sie in ihrem fremden Bett lag, auf das Grollen und Kreischen vom Wald her lauschte. Immerhin würde ihre Zofe bei ihr sein und ihre neue Herrin auf ihre stille, verstörte Weise beschützen. Sein Kopf sank zur Seite, und er war auf der Stelle eingeschlafen.

Allday streifte ihm die Schuhe ab und hob die Laterne vom Decksbalken.»Schlafen Sie gut, Captain. «Bedrückt schüttelte er den Kopf.»Sie machen sich genug Sorgen für ein ganzes Geschwader.»

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