Kapitel 4

Der Montag war klar und windig und brachte noch ein wenig Sommerwärme. Ich fuhr mit dem Zug nach Worthing, mit dem Taxi zum Haus und stellte unter den interessierten Blicken der Nachbarn meine Staffelei dort auf, wo das Gartentor gewesen wäre, hätte die Feuerwehr es nicht ausgehängt. Das Törchen lag auf dem Rasen, und der eine Flügel trug noch ein handgemaltes Namensschild.

Treasure Holme.

Armer Archie. Arme Maisie.

Ich grundierte die Leinwand in einem unaufdringlichen Braunton aus Umbra natur, stark verdünnt mit Terpentin und Leinöl, und in die noch feuchte Grundierung zeichnete ich in einem dunkleren Ton der gleichen Farbe die Umrisse der Brandruine vor dem Hintergrund von Meer und Himmel, Strand und Hecken ein. In diesem Stadium konnte man Kompositionsfehler leicht mit dem Papiertuch entfernen und neu ansetzen, bis die Proportionen, die Perspektive und das Gleichgewicht der Flächen stimmten.

Während das angelegte Bild trocknete, schlenderte ich durch den Garten, sah mir das Haus aus verschiedenen Blickwinkeln an und schaute über die verkohlten Stümpfe der Tamariskenhecke, die den Rasen vom Kiesstrand getrennt hatte. Das Meer funkelte in der Morgensonne, und kleine, schnell treibende Kumuluswolken streuten schiefergraue Schatten. Die Wellen schäumten weiß in der Ferne, hinter einem verlassenen Streifen nassen, geriffelten Sandes, weil auch jetzt Ebbe war.

Der Seewind pfiff mir um die Ohren. Ich machte kehrt, um weiterzumalen, und sah zwei Männer in Mänteln aus einem großen Kombi steigen, die sichtlich Interesse für die Überreste von Treasure Holme zeigten.

Ich ging zu ihnen, und als ich hinkam, standen sie vor der Staffelei und begutachteten mein Werk.

Der eine massig und um die Fünfzig. Der andere hager, in den Zwanzigern. Beide ruhig, selbstbewußt und offenbar zu einem bestimmten Zweck hier.

Der ältere bemerkte mich zuerst.

«Dürfen Sie sich hier aufhalten?«sagte er. Nur eine Frage, keinerlei Angriffslust.

«Die Eigentümerin möchte ihr Haus gemalt haben«, antwortete ich freundlich.

«Verstehe. «Seine Mundwinkel zuckten ein wenig.

«Und Sie?«erkundigte ich mich.

Er zog leicht die Brauen hoch.»Versicherung«, sagte er, als wunderte es ihn, daß jemand danach fragte.

«Die Firma von Mr. Greene?«fragte ich.

«Von wem?«

«Mr. Greene. Mit >e<.«

«Ich weiß nicht, wen Sie meinen«, sagte er.»Wir sind hier mit Mrs. Matthews verabredet, um den Schaden an ihrem Haus zu begutachten, das bei uns versichert ist. «Er betrachtete ziemlich deprimiert das Ausmaß des sogenannten Schadens und blickte umher, als erwartete er, Maisie würde sich phönixgleich aus der Asche erheben.

«Kein Greene?«hakte ich nach.

«Weder mit noch ohne >e<.«

Schon war er mir sympathisch. Eine Prise Humor kam bei mir immer an, im Gegensatz zu Zwang und Gewalt.

«Nun… Mrs. Matthews rechnet nicht mehr mit Ihnen, weil dieser Mr. Greene, der angeblich von einer Versicherung kam, ihr gesagt hat, sie könne jederzeit die Abbrucharbeiter bestellen.«

Sofort wurde er hellhörig, war gespannt wie ein Regenschirm.

«Ist das Ihr Ernst?«»Ich war selbst dabei. Ich habe ihn gesehen und gehört, und das waren seine Worte.«

«Hat er Ihnen eine Karte gezeigt?«

«Nein. «Ich schwieg.»Aber, ehm… Sie auch nicht.«

Er griff in sein Jackett und zog mit der Geschwindigkeit eines Taschenspielers eine hervor. Karten zu zücken war für ihn zweifellos eine Reflexhandlung.

«Ist es nicht verboten, denselben Besitz bei zwei verschiedenen Firmen zu versichern?«fragte ich beiläufig und las die Karte.

Foundation Life and Surety D. J. Lagland Bezirksvertreter

«Betrug. «Er nickte.

«Es sei denn, Mr. Greene mit >e< hatte überhaupt nichts mit einer Versicherung zu tun.«

«Das ist sehr viel wahrscheinlicher.«

Ich steckte die Karte in meine Hosentasche, da Aranpullover nicht direkt auf geschäftliche Transaktionen zugeschnitten sind. Er betrachtete mich nachdenklich, mit aufmerksamen Blicken, aber unvoreingenommen. Ein Mann vom gleichen Schlag wie einst mein Vater, gemäßigt, mittleren Alters, Fachmann auf seinem Gebiet, aber kaum jemand, der Furore machte.

Oder Häuser in Brand steckte.

«Gary«, sagte er zu seinem jüngeren Ableger,»suchen Sie ein Telefon und rufen Sie im Beach Hotel an. Sagen Sie Mrs. Matthews, daß wir hier sind.«

«Mach ich«, sagte Gary. Er war der Typ dafür.

Als er unterwegs war, wandte D. J. Lagland seine Aufmerksamkeit der Ruine zu, und da er nichts dagegen zu haben schien, schloß ich mich ihm an.

«Wonach suchen Sie?«fragte ich.

Er warf mir einen schrägen Blick zu.»Anzeichen von Brandstiftung. Spuren der Gegenstände, die angeblich zerstört wurden.«

«Soviel Offenheit hatte ich gar nicht erwartet.«

«Manchmal lasse ich mich dazu hinreißen.«

Ich grinste.»Mrs. Matthews scheint mir recht ehrlich zu sein.«

«Ich kenne die Dame nicht.«

Hat er eine nette Überraschung in Aussicht, dachte ich und fragte:»Sucht denn nicht schon die Feuerwehr nach Anzeichen von Brandstiftung?«

«Doch, und auch die Polizei, und wir lassen uns von beiden informieren.«

«Und was haben sie gesagt?«

«Das geht Sie, glaube ich, nichts an.«

«Selbst für ein Holzhaus«, meinte ich,»ist es arg runtergebrannt.«

«Ein Fachmann, was?«spöttelte er.

«Mit Freudenfeuern habe ich so meine Erfahrung.«

Er sah mich an.

«Sie brennen doppelt so gut«, sagte ich,»wenn man Paraffin drübergießt, besonders an den Rändern.«

«Ich habe mir schon Brände angesehen, als Sie noch gar nicht auf der Welt waren«, sagte er.»Malen Sie doch einfach noch ein bißchen.«

«Die Farbe ist noch feucht.«

«Also wenn Sie bei mir bleiben, halten Sie den Schnabel.«

Ich hatte ein Einsehen, blieb bei ihm und schwieg. Er führte offenbar eine erste Sondierung durch, nahm kleine Schuttproben in die Hand, betrachtete sie eingehend und legte sie wieder genau an ihren Platz zurück. Mir sagten die Proben aus zwei Meter Entfernung rein gar nichts, und ihn ließen sie dem Anschein nach auch ziemlich kalt.

«Darf ich etwas sagen?«fragte ich.

«Mhm?«

«Mr. Greene hat ungefähr das gleiche gemacht wie jetzt Sie, nur im Bereich hinter dem Kamin.«

Er legte wieder ein Stück Schlacke zurück und richtete sich auf.»Hat er etwas eingesteckt?«

«Nicht in unserem Beisein, aber wir haben ihn nur kurz gesehen. Schwer zu sagen, wie lange er schon dort war.«

«Ja. «Er überlegte.»Meinen Sie, es könnte ein Schaulustiger gewesen sein, der aus Neugier da herumgestochert hat?«

«So kam er mir nicht vor.«

D. J. zog die Stirn in Falten.»Was wollte er dann?«

Eine rhetorische Frage. Gary kam zurück, und wenig später rollte Maisie an. In ihrem Jaguar. Mit dem roten Mantel. Aufgebracht.

«Was soll das heißen«, stürmte sie mit zornblitzenden Augen auf D. J. los,»daß noch unklar ist, ob Brandstiftung vorliegt? Versuchen Sie jetzt bloß nicht, sich ums Bezahlen zu drücken. Ihr Mann vom Samstag hat gesagt, es sei alles geregelt und ich könne mit dem Räumen und Wiederaufbauen anfangen, und selbst wenn es Brandstiftung gewesen sein sollte, müßten Sie zahlen, weil die Versicherung selbstverständlich auch Brandstiftung umfaßt hat.«

D. J. klappte ein paarmal den Mund auf und zu und fand schließlich auch Worte.

«Hat Ihnen unser Mr. Robinson nicht gesagt, daß der Mann, den Sie am Samstag hier gesprochen haben, nicht von uns kam?«

Unser Mr. Robinson, sprich Gary, nickte heftig.

«Er — Mr. Greene — hat das aber behauptet«, hielt Maisie dagegen.

«Tja… wie sah er denn aus?«

«Ölig«, antwortete Maisie prompt.»Nicht so jung wie Charles…«, sie winkte zu mir hin,»und nicht so alt wie Sie.«

Sie überlegte, dann zuckte sie die Achseln.»Er sah halt aus wie ein Versicherungsmensch, basta.«

D. J. schluckte die indirekte Beleidigung mannhaft hinunter.

«Ungefähr einsachtundsiebzig«, sagte ich,»sonnengebräunte Haut mit einem gelblichen Schimmer, graue Augen unter schweren Lidern, ziemlich breite Nase, gerader Mund unter einem dicken, überhängenden dunklen Schnurrbart, glattes, nach hinten gekämmtes braunes Haar mit Geheimratsecken, normale Augenbrauen, grünlichbrauner Trilby aus weichem Filz, Hemd, Krawatte, offener hellbrauner Regenmantel, goldener Siegelring am kleinen Finger der rechten Hand, sonnengebräunte Hände.«

Ich sah ihn in der Erinnerung noch deutlich und hörte ihn zu Maisie >Madam< sagen, als stände er noch vor mir auf der Asche mit seinem gezogenen Hut.

«Guter Gott«, sagte D. J.

«Das Auge eines Malers«, meinte Maisie bewundernd.»Donnerwetter.«

D. J. war sich sicher, daß sie so jemand nicht in ihrer Sachverständigenabteilung hatten, und Gary gab ihm recht.

«Tja«, sagte Maisie mit wiederaufflackerndem Ärger,»das heißt wohl, daß Sie weiterhin auf Brandstiftung tippen, obwohl mir schleierhaft ist, warum irgendein vernünftiger Mensch mein schönes Haus mit all seinen Kostbarkeiten abbrennen sollte.«

So naiv konnte Maisie, die weltkluge Maisie, doch wohl nicht sein. Ein kleines, waches Funkeln in dem Blick, den sie mir zuwarf, verriet mir, daß sie es bestimmt nicht war. Der ahnungslose D. J. jedoch wedelte frustriert mit den Händen und verzichtete auf eine Erklärung. Ich verkniff mir wieder mal ein Lachen, was Maisie nicht entging.

«Hätten Sie Ihr Bild gern sonnig wie heute«, fragte ich,»oder bewölkt und traurig?«

Sie sah in den klaren Himmel.

«Etwas dramatischer, mein Lieber«, sagte sie.

D. J. und Gary suchten den ganzen Nachmittag hindurch zentimeterweise die Ruine ab, und ich bemühte mich, ihr einen Hauch gespenstischer Romantik zu verleihen. Um Punkt fünf machten wir alle Feierabend.

«Arbeitsstunden nach gewerkschaftlicher Vorschrift?«fragte D. J. sarkastisch, als er mich meinen Koffer packen sah.

«Abends geht das Licht weg.«

«Kommen Sie morgen wieder?«

Ich nickte.»Sie auch?«

«Kann sein.«

Per Bus und pedes begab ich mich zum Beach Hotel, reinigte meine Pinsel, dachte ein wenig nach und traf mich wie verabredet um sieben mit Maisie in der Bar.

«Na, mein Lieber«, sagte sie, als der erste Gin Tonic ihr wohltuend durch die Kehle rann,»haben sie irgendwas entdeckt?«

«Soweit ich sehen konnte, überhaupt nichts.«

«Gut so.«

Ich trank einen Schluck Bier. Stellte das Glas behutsam hin.

«Nicht unbedingt, Maisie.«

«Wieso nicht?«

«Was waren denn das für Kostbarkeiten, die verbrannt sind?«

«Sie würden sie wahrscheinlich gar nicht so toll finden, aber uns hat es wirklich Spaß gemacht, das alles zu kaufen, zum Beispiel die Sammlung antiker Lanzen aus dem Besitz von Lord Stequers, dessen Nichte ich mal gepflegt habe, und eine ganze Wand voll schöner Schmetterlinge, die sich sogar Gelehrte bei uns angesehen haben, und eine schmiedeeiserne Tür aus Lady Tythes altem Stammsitz, die bei uns Diele und Wohnzimmer getrennt hat, und sechs Wärmpfannen aus einem irischen Schloß und zwei große Vasen mit Adlern auf den Deckeln, signiert von Angelika Kauffmann, die mal einem

Verwandten von Mata Hari gehört haben, ungelogen, mein Lieber, und ein Ofenschirm aus Kupfer mit silbernen Beschlägen, der verdammt schwer zu putzen war, und ein griechischer Marmortisch und eine silberne Teemaschine, die Königin Viktoria einmal benutzt hat, und damit soll es mal genug sein, mein Lieber, denn wenn ich alles aufzähle, bin ich morgen früh noch dran.«

«Hat die Foundation-Versicherung ein vollständiges

Verzeichnis?«

«Ja, und warum wollen Sie das wissen?«

«Weil ich glaube«, sagte ich bedauernd,»daß wenig davon im Haus war, als es abgebrannt ist.«

«Was?« Soweit ich es beurteilen konnte, war Maisie ehrlich verblüfft.»Die Sachen müssen doch drin gewesen sein.«

«D. J. hat mir praktisch gesagt, daß sie nach Resten davon suchen, und ich glaube, sie haben nichts gefunden.«

«D. J.?«

«Mr. Lagland. Der ältere.«

Hin- und hergerissen zwischen Ungläubigkeit und Zorn, trank sie noch zwei doppelte Gins. Die Ungläubigkeit gewann die Oberhand.

«Sie haben das falsch verstanden, mein Lieber«, meinte sie schließlich.

«Hoffen wir’s.«

«Jugendliche Unerfahrenheit mal wieder.«

«Mag sein.«

«Denn selbstverständlich war alles an seinem Platz, als ich Freitag vor acht Tagen zu Betty gefahren bin, und bei Betty war ich auch nur, weil wir uns die ganze Zeit, als ich fort war, nicht gesehen hatten, ein Witz ist das im Grunde, aber man kann ja auch nicht ewig daheim hocken, um Feuerwehr zu spielen, falls das Haus in Flammen aufgeht, sonst sieht man nichts von der Welt, und ich hätte meine Australienreise nicht machen können.«

Sie holte Atem. Zufall, dachte ich.

«Ich kann nur sagen, es ist ein Wunder, daß ich fast meinen ganzen Schmuck mit zu Betty genommen habe, denn oft laß ich den daheim, obwohl Archie meinte, es wäre sicherer, ihn mitzunehmen, er war ja immer so aufmerksam und so vernünftig, der Gute.«

«Australien?«fragte ich.

«Ja, das war wirklich schön. Ich wollte Archies Schwester besuchen, die schon ewig da lebt und sich, seitdem sie Witwe ist, einsam fühlt, und ich dachte, das könnte ganz lustig werden, obwohl ich sie eigentlich gar nicht kannte, wir hatten uns nur immer Karten geschrieben, aber jetzt war ich sechs Wochen bei ihr. Sie wollte, daß ich drüben bleibe, und wir sind auch prima miteinander ausgekommen… Na, jedenfalls sagte ich ihr, ich will mir das daheim in meinem Haus am Meer erst mal in Ruhe überlegen — und auf der Reise hatte ich den Schmuck natürlich auch mit.«

«Sie haben sich aber wohl keinen Munnings gekauft, als Sie drüben waren?«fragte ich nebenbei.

Wie ich dazu kam, wußte ich selbst nicht, außer daß ich an Donalds Australienreise gedacht hatte. Auf Maisies Reaktion war ich keineswegs gefaßt.

Verblüfft hatte ich sie bereits vorhin, jetzt war sie wie vom Donner gerührt. Vorhin war sie ungläubig und wütend gewesen, jetzt war sie ungläubig und erschrocken.

Sie stieß ihren Gin um, stand vom Barhocker auf und hielt sich die Hand vor den offenen Mund, vier zitternde Finger mit rotlackierten Nägeln.

«Also doch?«sagte ich ungläubig.

«Woher wissen Sie das?«

«Ich dachte nur… «

«Sind Sie vom Zoll?«

«Natürlich nicht.«

«Ach herrje. Ach herrje…«Ihrem Zittern nach war sie fast so erschüttert wie Donald.

Ich nahm sie am Arm und führte sie zu einem kleinen Tisch mit einem Lehnstuhl.

«Setzen Sie sich«, sagte ich überredend,»und erzählen Sie.«

Das ging erst nach zehn Minuten und einem weiteren doppelten Gin.

«Also ich bin keine Kunstexpertin, das können Sie sich ja vorstellen, aber da war so ein Bild von Sir Alfred Munnings, signiert und alles, und das gab es so günstig, mein Lieber, daß ich nur daran dachte, wie gern Archie einen echten Munnings im Haus gehabt hätte, wo wir Pferderennen doch immer schon toll fanden, und Archies Schwester hat mir auch noch zugeredet, ich war richtig… heiß darauf, kann man fast sagen, also habe ich es gekauft.«

Sie brach ab.

«Und dann?«fragte ich.

«Tja, ich glaube, den Rest können Sie sich denken.«

«Sie haben es nach England gebracht, ohne es zu verzollen?«

Sie seufzte.»Ja, mein Lieber. Natürlich war das blöd von mir, aber beim Kauf des Bildes hab ich überhaupt nicht an den Zoll gedacht, darauf hat mich Archies Schwester erst acht Tage später angesprochen, vor meiner Heimreise, und Zoll bezahlen zu müssen finde ich wirklich das Letzte, geht Ihnen das nicht auch so? Jedenfalls habe ich mich umgehört, wieviel Zoll da anfällt, und erfahren, daß für antiquarisch gekaufte Bilder, die man aus Australien einführt, keine normale Zollgebühr verlangt wird, sondern — jetzt kommt’s — Mehrwertsteuer, also Umsatzsteuer auf gekaufte Ware, und daß ich für das Bild acht Prozent des Kaufpreises zuzahlen müßte. Ja, ich bitte Sie! Ich war fuchsteufelswild. Archies Schwester meinte, ich solle das Bild einfach bei ihr lassen, denn wenn ich nach Australien ziehen würde, hätte ich die Steuer umsonst bezahlt, aber das stand ja noch gar nicht fest, und ich wollte Sir Alfred

Munnings in Archies vier Wänden sehen, also habe ich ihn schön in seiner Transportverpackung gelassen, mein feinstes Nachthemd drumgewickelt, ihn in meinen Koffer getan und bei der Ankunft in Heathrow am Zoll vorbeigeschleust, niemand hat mich angehalten.«

«Wieviel hätten Sie bezahlen müssen?«fragte ich.

«Etwas über siebenhundert Pfund, um genau zu sein. Ich weiß auch, daß das kein Vermögen ist, mein Lieber, aber es hat mich einfach gefuchst, daß ich für etwas Schönes, das ich mir in Australien gekauft habe, hier Steuern zahlen sollte.«

Ich rechnete nach.»Das Bild hat Sie also etwa Neuntausend gekostet?«

«Genau, mein Lieber, Neuntausend. «Sie sah mich besorgt an.»Bin ich reingelegt worden? Ich habe einige Leute hier schon gefragt, und sie meinten, viele Munnings kosten fünfzehn und mehr.«

«Das stimmt«, sagte ich zerstreut. Es gab auch welche für fünfzehnhundert, und manche waren wahrscheinlich noch billiger zu haben.

«Na, jedenfalls dachte ich erst im Zusammenhang mit der Versicherung daran, daß man mir auf die Schliche kommen könnte, wenn ich zum Beispiel eine Quittung vorlegen müßte, und da sie die sehr wahrscheinlich verlangt hätten, habe ich es nicht versichert, denn falls ich mich doch dafür entschieden hätte, nach Australien zu gehen, hätte ich es halt wieder mitnehmen können, und nichts wäre passiert.«

«Unangenehm«, gab ich zu.

«Jetzt ist es also verbrannt, und Sie denken wahrscheinlich, es geschieht mir recht, daß die neuntausend in Rauch aufgegangen sind und ich keinen Penny davon wiedersehe.«

Sie trank den Gin aus, und ich besorgte ihr noch einen.

«Es geht mich zwar nichts an, Maisie, aber woher hatten Sie in Australien neuntausend Pfund? Ist es nicht verboten, so viel Bargeld einzuführen?«

Sie kicherte.»Sie wissen auch überhaupt nicht, wie es auf der Welt zugeht, hm? Aber damit hatte es schon seine Richtigkeit. Ich bin mit Archies Schwester zu einem Juwelier gegangen und habe eine Brosche versetzt, ein häßliches Krötentier mit einem dicken Diamanten mitten auf der Stirn, muß was mit Shakespeare zu tun haben, ohne daß ich da jetzt Genaueres wüßte, jedenfalls habe ich es nie angesteckt, das fiese Ding, aber ich hatte es dabei, weil es so wertvoll war, und ich habe neuneinhalb dafür gekriegt — in australischen Dollars, versteht sich, aber jedenfalls genug, nicht wahr?«

Da Maisie es als selbstverständlich ansah, daß ich mit ihr essen würde, gingen wir ins Restaurant hinüber. Sie hatte einen gesunden Appetit, doch ihre Stimmung war gedämpft.

«Sie erzählen doch keinem von dem Bild, mein Lieber?«

«Natürlich nicht, Maisie.«

«Ich könnte in Teufels Küche kommen.«

«Ich weiß.«

«Eine Geldstrafe, meine ich. Und das wäre noch das wenigste. Die Leute können furchtbar biestig werden wegen einer harmlosen kleinen Schmuggelei.«

«Niemand erfährt davon, wenn Sie den Mund halten. «Mir kam ein Gedanke.»Oder haben Sie etwa schon jemand von dem Kauf erzählt?«

«Nein, mein Lieber, denn ich wollte so tun, als hätte ich es schon seit Jahren, und ich hatte es noch nicht mal gehängt, weil der eine Ring am Rahmen locker war und ich dachte, es könnte runterfallen und beschädigt werden, und ich wußte noch nicht, von wem ich’s reparieren lassen sollte. «Sie nahm einen Mundvoll Krabbencocktail.»Sie halten mich sicher für blöd, aber ich hatte wohl ein bißchen Angst, die Sache könnte rauskommen — kein schlechtes Gewissen eigentlich, weil ich wirklich nicht einsehe, warum man diese ärgerliche Steuer zahlen sollte, aber jedenfalls habe ich das Bild nicht nur nicht aufgehängt, sondern ich habe es versteckt.«

«Versteckt? Noch in der Verpackung?«

«Ja, mehr oder weniger. Ich hatte es zwar aufgemacht, als ich heimkam, aber als ich dann sah, daß der Ring, durch den die Schnur geht, los war, habe ich es wieder eingepackt, um zu überlegen, was damit werden soll.«

Ich war fasziniert.»Wo haben Sie’s versteckt?«

Sie lachte.»Halb so wild. Ich wollte ja nur nicht, daß es jeder sieht und Fragen stellt, also habe ich es hinter einem Heizkörper im Salon deponiert, und Sie brauchen nicht gleich so entsetzt zu schauen, die Heizung war abgestellt.«

Ich malte den ganzen nächsten Tag über am Haus, aber weder D. J. noch sonst jemand ließ sich blicken.

In den Arbeitspausen stocherte ich aus eigenem Antrieb in der Ruine herum und suchte nach Maisies Schätzen. Ich fand eine ganze Reihe noch erkennbarer Überreste, etwa von Bettgestellen, Küchenmaschinen und Heizkörpern, alles verbogen und verformt, nicht nur von der Hitze, sondern vom Gewicht des ganzen mitsamt Dachstuhl eingestürzten Gebäudes. Hier und da ragten schwarze Reste schwerer Dachbalken aus der Ascheschicht, aber davon abgesehen war alles Brennbare vollständig verbrannt.

Von den Sachen, die Maisie genannt, und den vielen, die sie ausgelassen hatte, fand ich lediglich die schmiedeeiserne Tür von Lady Tythes Stammsitz, die den Flur vom Wohnzimmer getrennt hatte. Lady Tythe hätte sie bestimmt nicht wiedererkannt.

Keine kupfernen Wärmpfannen, die von ihrem Zweck her immerhin rotglühende Kohlen aushalten mußten. Kein Ofenschirm aus Metall, Kein Marmortisch. Keine antiken Lanzen.

Naturgemäß kein Munnings.

Als ich nach fünf mit farbverschmierten Fingern zurück ins Beach kam, erwartete mich Maisie in der Halle. Nicht die freundliche, lebensfrohe Maisie, die ich kennengelernt hatte, sondern eine angriffslustige Frau, die vor Wut kochte.

«Ich habe auf Sie gewartet«, sagte sie und fixierte mich mit grimmigen Blicken.

Ich ahnte nicht, was ich ihr getan haben könnte.

«Was ist denn los?«fragte ich.

«Die Bar ist geschlossen«, sagte sie.»Kommen Sie zu mir aufs Zimmer. Nehmen Sie Ihre Sachen mit. «Sie deutete auf den Koffer.»Ich bin so wütend, daß ich platzen könnte.«

Im Lift sah es wirklich ganz gefährlich danach aus. Ihre Backen waren knallrot, deutlich abgesetzt gegen die hellrosa Gesichtshaut. Ihr blond getöntes, sonst immer elegant gefestigtes Haar stand in dünnen Zotteln vom Kopf, und zum erstenmal, seit ich sie kannte, schimmerte kein Lippenstift auf ihrem Mund.

Sie stieß die Tür ihres Zimmers auf und stapfte hinein. Ich schloß die Tür hinter mir.

«Sie werden es nicht glauben«, sagte sie heftig und wandte sich zu mir, um ihrer ganzen Empörung Luft zu machen.»Erst war die Polizei stundenlang hier, dann die Versicherungsleute — und wissen Sie, was die behaupten?«

«Ach, Maisie. «Ich seufzte im stillen. Es hatte so kommen müssen.

«Wofür sie mich halten, habe ich sie gefragt. Ich war ja so sauer!«sagte sie.»Die hatten die Stirn, mir zu unterstellen, ich hätte meine Antiquitäten verscherbelt und mein Haus über Wert versichert und wollte die Versicherung übers Ohr hauen. Ich habe ihnen hundertmal gesagt, daß alles hier an seinem Platz war, als ich zu Betty fuhr, und daß das Haus allenfalls wegen der Inflation über Wert versichert sei und weil die Makler mir dazu geraten hätten, und jetzt bin ich froh, daß ich auf sie gehört habe, aber dieser Lagland meint, sie müßten den

Fall erst klären, bevor sie zahlen, und er hat das richtig von oben runter gesagt, ohne jedes Mitgefühl, wo ich doch alles verloren habe. Die waren einfach eklig zu mir, und ich hasse sie alle.«

Sie unterbrach sich, um Atem zu schöpfen, und zitterte sichtlich unter der Heftigkeit ihrer Gefühle.»Ich kam mir ja so billig vor, und vielleicht habe ich sie in meiner Wut ein bißchen angebrüllt, aber sie hätten mir wirklich nicht so frech zu kommen brauchen, und wenn sie dann noch sagen, ich soll mich zusammennehmen, obwohl sie mich mit ihrer Unverschämtheit erst dazu getrieben haben, so laut zu werden, das ist ja wohl das Allerletzte!«

Offenbar war es ziemlich hoch hergegangen. Mich hätte interessiert, wie die Polizei und D. J. die Schlacht überstanden hatten.

«Sie sagten, es sei eindeutig Brandstiftung gewesen, und als ich wissen wollte, warum sie jetzt auf einmal damit kommen, nachdem vorher keine Rede davon gewesen war, sagten sie, der Grund sei, daß Lagland in der Asche oder sonstwo keine Spur von meinen Sammelstücken entdeckt habe, und wenn ich sie nicht vorher verkauft hätte, dann hätte ich eben jemand beauftragt, das Zeug zu klauen und das Haus in Asche zu legen, während ich bei Betty war, und sie wollten dauernd wissen, wen, und ich wurde immer wütender, und wäre irgend etwas greifbar gewesen, wirklich, ich hätte es ihnen um die Ohren gehauen.«

«Sie brauchen jetzt einen doppelten Gin«, sagte ich.

«Ich habe ihnen erklärt, statt wehrlose Frauen wie mich zu drangsalieren, sollten sie lieber nach den Tätern fahnden, und je mehr ich daran dachte, daß jemand bei mir eingestiegen ist, meine Schätze gestohlen und dann kaltblütig alles niedergebrannt hat, desto wütender wurde ich auf diese Knallköpfe, die nicht in der Lage sind, über die eigene Nasenspitze hinauszusehen.«

Allmählich gewann ich den Eindruck, daß der Zorn der unermüdlich weiterschimpfenden Maisie zwar sicherlich echt war, daß sie ihn aber jedesmal, wenn er nachzulassen drohte, schnell wieder schürte. Sie wollte unbedingt als die beleidigte Unschuld dastehen. Ich fragte mich, warum, und als sie wieder einmal Luft holte, warf ich ein:»Haben Sie ihnen auch von dem Munnings erzählt?«

Die roten Wangenflecken glühten plötzlich stärker.

«Ich bin doch nicht verrückt«, zischte sie.»Wenn das jetzt rauskäme, würden sie mir wohl kaum abnehmen, daß alles andere, was ich erzählt habe, stimmt.«

«Ich habe mal gehört«, sagte ich zögernd,»daß sich Gauner besonders aufregen, wenn man versucht, ihnen eine Sache anzuhängen, die ausnahmsweise nicht auf ihr Konto geht.«

Einen Moment lang sah es so aus, als würde ich zum neuen Sündenbock erkoren, aber mitten in dem bösen Blick, den sie mir zuwarf, meldete sich ihr arg gebeutelter Humor zurück und ließ sie innehalten. Der starre Zug um ihren Mund löste sich, die Augen blickten entspannter, funkelten, und auf einmal lächelte sie verschämt.

«Da liegen Sie nicht ganz verkehrt, glaube ich. «Aus dem Lächeln wurde ein leises Lachen.»Wie wär’s mit dem Gin?«

Kleinere Ausbrüche gab es auch noch während der Aperitifs und des Essens, aber die Temperatur des Vulkans war erträglich geworden.

«Sie schienen mir gar nicht überrascht, mein Lieber, als ich Ihnen sagte, was die Polizei vermutet. «Sie sah mich über ihre Tasse hinweg an, ein scharfer, fragender Blick von der Seite.

«Nein. «Ich schwieg.»Denn etwas ganz Ähnliches ist vor kurzem meinem Cousin passiert. Auffallend ähnlich in vieler Hinsicht. Wenn Sie dazu bereit wären und er einverstanden ist, würde ich Sie gern mit ihm bekannt machen.«

«Aber wieso, mein Lieber?«

Ich sagte es ihr. Der Zorn über das Unrecht, das sie erfahren hatte, flammte als Zorn über Donalds Schicksal wieder auf.

«Wie furchtbar. Sie finden mich bestimmt sehr selbstsüchtig nach dem, was der arme Mann alles durchgemacht hat.«

«Aber keineswegs. Ich finde, Sie sind wirklich ein Prachtmensch, Maisie.«

Sie sah mich erfreut und beinah kokett an, und in dem Augenblick konnte ich sie mir lebhaft mit ihrem Archie vorstellen.

«Trotzdem muß ich noch etwas loswerden, mein Lieber«, sagte sie verlegen.»Nach allem, was ich heute zu hören bekommen habe, liegt mir nichts mehr an Ihrem Bild. Ich will das Haus nicht mehr so, wie es jetzt ist, in Erinnerung behalten, sondern nur so, wie es früher war. Wären Sie also mit fünfzig Pfund zufrieden?«

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