26 Verwandtschaftsbeziehungen

Donner rollte über die niedrigen braunen, grasbewachsenen Hügel, obwohl am Himmel keine Wolke zu sehen war, nur die brennende Sonne, die noch lange nicht vollständig aufgestiegen war, Rand hielt auf einem Hügelkamm die Zügel und das Drachenszepter an seinem Sattelknauf umfaßt und wartete. Der Donner schwoll an. Es fiel ihm schwer, nicht ständig über die Schulter südwärts in Alannas Richtung zu schauen. Sie hatte sich heute morgen die Ferse verletzt und die Hand zerkratzt und war wütend. Wie und warum, wußte er nicht. Der Donner erreichte seinen Höhepunkt.

Die saldaeanischen Reiter erschienen über dem nächsten Hügelkamm. Drei von ihnen ritten in schnellem Galopp einer langen Kolonne voraus, die sich den Hügel hinab und auf den breiten Landstreifen zwischen den Hügeln voranarbeitete. Neuntausend Mann bildeten eine sehr lange Kolonne. Am Fuße des Hügels teilten sie sich. Die Hauptabteilung ritt weiter geradeaus, während die anderen nach rechts und links auswichen und sich jede Abteilung dann wieder und wieder teilte, bis sie nur noch in Gruppen zu Hunderten ritten, die aneinander vorbeigaloppierten. Reiter stellten sich auf ihre Sättel, manchmal auf den Füßen, manchmal auf den Händen. Andere beugten sich unglaublich weit herab und schlugen zuerst auf der einen Seite ihrer galoppierenden Pferde, dann auf der anderen mit der Hand auf den Boden. Männer stiegen aus den Sätteln, um unter die dahinjagenden Pferde zu kriechen oder ließen sich zu Boden fallen und liefen einen Schritt neben dem Tier her, bevor sie wieder in den Sattel sprangen, um sich dann auf der anderen Seite des Tieres erneut fallen zu lassen und die Vorstellung zu wiederholen.

Rand hob die Zügel an und stieß Jeade'en die Fersen in die Seiten. Als der Schecke antrabte, setzten sich auch die ihn umgebenden Aiel in Bewegung. Heute morgen waren es Bergtänzer, Hama N'dore, von denen mehr als die Hälfte das Stirnband der Siswai'aman trug. Caldin, bereits ergraut und zäh, hatte Rand zu überreden versucht, ihn mehr als zwanzig Männer einbringen zu lassen, wo doch so viele bewaffnete Feuchtländer in der Nähe waren. Keiner der Aiel verschwendete Zeit mit verächtlichen Blicken auf Rands Schwert. Nandera verbrachte mehr Zeit damit, die zweihundert seltsamen Frauen zu beobachten, die ihnen zu Pferde folgten. Sie schien die saldaeanischen Damen und die Frauen der Offiziere als bedrohlicher zu empfinden als die Soldaten, und da Rand einigen der saldaeanischen Frauen begegnet war, war er nicht bereit, darüber zu streiten. Sulin hätte wahrscheinlich darüber gestritten. Ihm fiel auf, daß er Sulin nicht mehr gesehen hatte seit ... seit seiner Rückkehr aus Shadar Logoth. Vor acht Tagen. Er fragte sich, ob er sie irgendwie beleidigt hatte.

Aber es war keine Zeit, sich über Sulin oder Ji'e'toh Gedanken zu machen. Er umrundete das Tal, bis er den Hügelkamm erreichte, über den er die Saldaeaner zuerst hatte auftauchen sehen. Bashere selbst war ungefähr dort hinabgeritten und hatte zunächst eine Gruppe überprüft, während sie voranritt, und dann eine weitere. Fast zufällig tat er dies auf seinem Sattel stehend.

Einen Moment ergriff Rand Saidin und ließ es einen Herzschlag später wieder fahren. Da seine Sicht gesteigert war, war es nicht schwierig, die beiden weißen Steine nahe dem Fuß des Hügels liegen zu sehen, genau dort, wo Bashere sie in der vorigen Nacht vier Schritt auseinander selbst hingelegt hatte. Mit etwas Glück hatte ihn niemand gesehen. Mit etwas Glück würde niemand zu viele Fragen über diesen Morgen stellen. Unter ihm ritten jetzt einige Männer zwei Pferde, jeweils einen Fuß auf jedem Sattel und noch immer in schnellem Galopp. Andere trugen einen Mann auf ihren Schultern, manchmal im Handstand.

Er blickte sich beim Geräusch eines auf ihn zukommenden Pferdes um. Deira ni Ghaline t'Bashere ritt scheinbar unbekümmert, nur mit einem kleinen Messer an ihrem Silbergürtel und in einem grauseidenen, an den Ärmeln und am hohen Kragen silbern bestickten Reitgewand, durch die Aiel. Sie schien sie zum Angriff herauszufordern. Genauso groß wie viele Töchter des Speers und fast eine Handbreit größer als ihr Mann, war sie eine beeindruckende Frau. Nicht dick, nicht einmal rundlich, sondern einfach beeindruckend. Ihr schwarzes Haar war von Weiß durchzogen, und ihre dunklen, schrägstehenden Augen waren auf Rand gerichtet. Er vermutete, daß sie eine wunderschöne Frau war, wenn seine Gegenwart ihr Gesicht nicht hart werden ließ. »Unterhält Euch mein Mann?« Sie sprach Rand niemals mit seinem Titel oder Namen an.

Er betrachtete die anderen saldaeanischen Frauen. Sie beobachteten ihn wie eine zum Angriff bereite Kavallerietruppe, ihre Gesichter waren wie Granit und die schrägstehenden Augen eiskalt. Sie warteten nur auf Deiras Befehl. Er hielt die Geschichten durchaus für glaubhaft, daß saldaeanische Frauen die Schwerter ihrer gestürzten Männer aufnahmen und ihre Männer in den Kampf zurückführten. Freundlich zu sein, hatte ihn bei Basheres Frau nirgendwohin gebracht. Bashere selbst zuckte nur die Achseln und sagte, sie sei manchmal schwierig, während er offensichtlich stolz grinste.

»Sagt Lord Bashere, daß ich erfreut bin«, sagte er. Er wandte Jeade'en um und schaute wieder nach Caemlyn. Die Blicke der saldaeanischen Frauen schienen gegen seinen Rücken zu drängen.

Lews Therin kicherte, anders konnte man es nicht nennen. Greife niemals eine Frau an, wenn es nicht sein muß. Sie wird dich schneller und aus geringerem Anlaß töten als ein Mann, auch wenn sie später deswegen weint.

Bist du wirklich da? fragte Rand. Bist du mehr als nur eine Stimme? Nur dieses leise, verrückte Lachen antwortete.

Er sann den ganzen Weg nach Caemlyn zurück über Lews Therin nach, sogar noch nachdem sie an einem der langen Märkte mit Ziegeldächern vorbeigeritten waren, die die Zuwege zu den Toren und in die Neustadt säumten. Er befürchtete, verrückt zu werden — es war nicht real, aber es war schlimm genug; wenn er geisteskrank würde, wie sollte er dann tun, was er tun mußte? —, aber er hatte keine Anzeichen davon bemerkt. Aber andererseits — würde er es merken, wenn sein Geist versagte? Er hatte noch niemals einen Verrückten gesehen. Er mußte nur von dem in seinem Kopf faselnden Lews Therin beherrscht werden. Wurden alle Menschen auf gleiche Art verrückt? Würde er so enden, daß er über Dinge lachte und weinte, die niemand sonst sah oder wahrnahm? Er erkannte, daß er eine Chance zu überleben hatte, wenn auch eine scheinbar unmögliche. Wenn du lebst, mußt du sterben. Das war eine von drei ihm bekannten Wahrheiten, die ihm in einem Ter'angreal mitgeteilt worden waren; die Antworten waren immer richtig, wenn auch niemals leicht verständlich. Aber so zu leben... Er war sich nicht sicher, daß er nicht lieber sterben würde.

Die Menschenmengen in der Neustadt machten mehr als vierzig Aiel Platz, und eine Handvoll erkannten auch den Wiedergeborenen Drachen. Vielleicht erkannten ihn noch mehr Leute, aber es erklangen nur wenige rauhe Hochrufe, als er vorüberritt. »Möge das Licht auf den Wiedergeborenen Drachen scheinen!« und »Der Glanz des Lichts für den Wiedergeborenen Drachen!« und »Der Wiedergeborene Drache, König von Andor!«

Dieser letzte Hochruf erschütterte ihn, wann immer er ihn hörte, und er hörte ihn jetzt häufiger. Er mußte Elayne finden. Er merkte, daß er mit den Zähnen knirschte. Er konnte die Menschen auf der Straße nicht ansehen. Er wollte sie zu Boden zwingen, sie anschreien, daß Elayne ihre Königin sei. Er versuchte, nicht hinzuhören, er betrachtete den Himmel, die Häuserdächer, alles, nur nicht die Menge. Und nur darum sah er den Mann in einem weißen Umhang auf einem mit roten Ziegeln bedeckten Dach aufstehen und eine Armbrust erheben.

Alles geschah innerhalb weniger Herzschläge. Rand ergriff Saidin und lenkte die Macht, während der Pfeil auf ihn zuflog. Er traf mit einem Geräusch wie Metall auf Metall auf Luft auf, einer silbrig blauen Masse, die über der Straße hing. Eine Feuerkugel entsprang Rands Hand und traf den Armbrustschützen in die Brust, während der Pfeil von dem Luftschild abprallte. Flammen umfingen den Mann, und er fiel schreiend vom Dach. Und dann sprang jemand Rand an und warf ihn aus dem Sattel.

Er traf hart auf dem Pflaster auf, ein Gewicht über sich spürend, und sein Atem und Saidar verließen ihn vollständig. Er rang nach Luft, kämpfte mit dem Gewicht, schüttelte es ab — und stellte fest, daß er Desora an den Armen hielt. Sie lächelte ihn an, ein wunderschönes Lächeln, und dann sackte ihr Kopf zur Seite. Blinde blaue Augen sahen ihn an, die bereits glasig wurden. Der Armbrustpfeil, der aus ihren Rippen hervorstak, drückte gegen sein Handgelenk. Warum hatte sie dieses wunderschöne Lächeln stets verborgen?

Hände ergriffen ihn, hoben ihn hoch. Töchter des Speers und Bergtänzer drängten ihn zum Straßenrand, dicht an die Vorderwand des Ladens eines Blechschmieds, und bildeten einen festen, verschleierten Kreis um ihn, die Hornbögen in Händen, die Blicke die Straße und die Dächer absuchend. Rufe und Schreie erklangen überall, aber die Straße war bereits auf gut fünfzig Schritt in jede Richtung geräumt. Schreie drangen von der mahlenden Menschenmasse heran, die zu entkommen suchte. Die Straße war bis auf die Toten geräumt: Desora und sechs andere, drei davon Aiel. Noch eine Tochter des Speers, dachte er. Man konnte es aus der Entfernung schwer sagen, wenn jemand wie ein Haufen Lumpen zusammengekauert dalag.

Rand regte sich, und die Aiel um ihn herum drängten sich noch enger zusammen, eine menschliche Mauer. »Orte wie dieser sind stets übervölkert«, sagte Nandera gesprächig, während sie ihren Blick über den Schleier hinweg weiterhin unablässig wandern ließ. »Wenn man sich dort hineinbegibt, kann man eine Klinge im Rücken haben, bevor man erkennt, daß Gefahr besteht.«

Caldin nickte. »Das erinnert mich an eine Zeit in der Nähe von Sedar Cut, als... Wir haben zumindest einen Gefangenen.« Einige seiner Hama N'dore waren aus einer Schenke auf der anderen Straßenseite aufgetaucht und stießen einen Mann vor sich her, dessen Arme auf dem Rücken gefesselt waren. Er kämpfte beständig gegen sie an, bis sie ihn auf die Knie stießen und Speerspitzen an seine Kehle legten. »Vielleicht wird er uns erzählen, wer dies befohlen hat.« Caldin klang, als hege er nicht die geringsten Zweifel.

Kurz darauf kamen aus einem anderen Gebäude Töchter des Speers mit einem weiteren Mann, der hinkte und dessen Gesicht blutverschmiert war. Sehr bald knieten vier Männer unter Aielbewachung auf der Straße. Schließlich löste sich der Halbkreis um Rand auf.

Die vier waren alle hartgesichtige Männer, obwohl der Bursche mit dem blutverschmierten Gesicht schwankte und die Aiel augenrollend ansah. Zwei weitere zeigten mürrischen Trotz und der vierte Hohn.

Rands Hände zuckten. »Seid ihr sicher, daß sie daran beteiligt waren?« Er konnte nicht glauben, wie sanft und ruhig seine Stimme klang. Ein Scheiterhaufen würde alles lösen. Kein Scheiterhaufen, fauchte Lews Therin ihn an. Niemals wieder.

»Sie waren beteiligt«, sagte eine Tochter des Speers. Er konnte hinter ihrem Schleier nicht erkennen, wer sie war. »Diejenigen, die wir getötet haben, trugen alle dies.« Sie zog hinter den gefesselten Armen des blutüberströmten Mannes einen Umhang hervor. Ein fadenscheiniger weißer Umhang, schmutzig und fleckig und mit einer aufgestickten, goldenen Sonnenscheibe. Auch die anderen drei besaßen solche Umhänge.

»Sie waren auf Beobachtungsposten«, fügte ein breitschultriger Bergtänzer hinzu, »und sollten berichten, ob der Angriff für die anderen schlecht ausging.« Er lachte spöttisch. »Wer auch immer sie gesandt hat, ahnte nicht, wie schlecht es ausgehen würde.«

»Keiner dieser Männer hat eine Armbrust abgeschossen?« fragte Rand. Scheiterhaufen. Nein, schrie Lews Therin in der Ferne. Die Aiel wechselten Blicke und schüttelten die Shoufa-umwickelten Köpfe. »Hängt sie«, sagte Rand. Der Mann mit dem blutbeschmierten Gesicht brach fast zusammen. Rand ergriff ihn mit Luftsträngen und zog ihn hoch. Erst jetzt erkannte er, daß er Zugriff auf Saidin genommen hatte. Er hieß den Kampf ums Überleben willkommen; er hieß sogar den Makel willkommen, der wie beißender Schleim ihn ihm waberte. Er bewirkte, daß er sich der Dinge, an die er sich lieber nicht erinnern wollte, Gefühle, die er lieber nicht empfinden wollte, weniger bewußt war. »Wie heißt Ihr?«

»F-Faral, m-mein Herr, D-Dimir Faral.« Die Augen fielen ihm fast aus dem Kopf, als er Rand durch die Blutmaske ansah. »B-Bitte hängt mich nicht, Herr. Ich werde im Licht w-wandeln, ich sch-schwöre es!«

»Ihr seid ein sehr glücklicher Mann, Dimir Faral.« Seine Stimme klang Rand jetzt so fern in den Ohren wie Lews Therins Schreie. »Ihr werdet zusehen, wie Eure Freunde gehängt werden.« Faral begann zu weinen. »Dann werdet Ihr ein Pferd erhalten, zu Pedron Niall reiten und ihm sagen, daß ich eines Tages ihn für das hängen werde, was hier geschehen ist.« Als er die Luftstränge auflöste, sank Faral zusammen und beschwor stöhnend, daß er auf schnellstem Weg nach Amador reiten würde. Die drei Männer, die sterben sollten, betrachteten den schluchzenden Mann verächtlich. Einer von ihnen spie ihn sogar an.

Rand verbannte sie aus seinem Geist. Er mußte nur Niall in Erinnerung behalten. Aber er mußte auch noch etwas anderes tun. Er ließ Saidin fahren, unterzog sich dem Kampf, ihm zu entkommen, ohne vernichtet zu werden, und dem Kampf, sich dazu zu bringen, es loszulassen. Für das, was er tun mußte, wollte er keinen Schild zwischen sich und seinen Empfindungen wissen.

Eine Tochter des Speers richtete Desoras Leichnam auf und hob Desoras Schleier an. Sie streckte die Hand aus, um Rand darin zu hindern, das Stück schwarzen Algode zu berühren, zögerte dann, sah ihm ins Gesicht und setzte sich wieder zurück.

Er hob den Schleier an und grub sich Desoras Gesicht ins Gedächtnis ein. Sie sah jetzt aus, als schliefe sie. Desora, von der Musara-Septime der Reyn-Aiel. So viele Namen. Liah, von den Cosaida Chareen, und Dailin, von den Eisenberg Taardad, und Lamelle, von den Rauchwasser Miagoma, und... So viele. Manchmal ging er diese Liste Name für Name durch. Einen Namen hatte nicht er hinzugefügt. Ilyena Trierin Moerelle. Er wußte nicht, wie Lews Therin ihm diesen Namen eingeprägt hatte, aber er hätte ihn auch dann nicht ausgelöscht, wenn er diese Möglichkeit gesehen hätte.

Es war sowohl mühsam als auch eine Erleichterung, sich von Desora abzuwenden. Und es war die reine Erleichterung, festzustellen, daß der Leichnam, den er für eine zweite Tochter des Speers gehalten hatte, statt dessen ein für einen Aiel sehr kleiner Mann war. Er empfand Schmerz für die Männer, die für ihn gestorben waren, aber durch sie erinnerte er sich an ein altes Sprichwort: »Laß die Toten ruhen, und kümmere dich um die Lebenden.« Es war nicht leicht, aber er würde es schaffen, obwohl er diese Worte nicht einmal heraufbeschwören konnte, wenn eine Frau für ihn gestorben war.

Auf dem Pflaster ausgebreitete Röcke zogen seinen Blick an. Nicht nur Aiel waren gestorben.

Ein Armbrustpfeil hatte sie zwischen die Schulterblätter getroffen. Ihre Kleidung wies kaum Blut auf. Es war ein schneller und gnädiger Tod gewesen. Rand kniete sich hin und drehte die Frau so vorsichtig wie möglich um. Das andere Ende des Pfeils stak aus ihrer Brust hervor. Sie hatte ein kantiges Gesicht, eine Frau mittleren Alters, eine Spur Grau im Haar. Ihre dunklen Augen waren weit geöffnet. Sie wirkte überrascht. Er kannte ihren Namen nicht, aber er grub sich auch ihr Gesicht ins Gedächtnis ein. Sie war gestorben, weil sie sich auf derselben Straße befunden hatte wie er.

Er ergriff Nanderas Arm, und sie schüttelte seine Hand ab, weil sie nicht wollte, daß ihr Können mit dem Bogen geschmälert würde, aber sie sah ihn an.

»Such die Familie dieser Frau und sorge dafür, daß sie bekommen, was immer sie brauchen. Gold...« Das genügte nicht. Sie brauchten die Frau zurück, die Mutter. Aber das konnte er ihnen nicht geben. »Kümmere dich um sie«, sagte er. »Und finde ihren Namen heraus.«

Nandera streckte eine Hand zu ihm aus, senkte sie aber dann wieder auf ihren Bogen. Als er sich erhob, beobachteten ihn die Töchter des Speers. Oh, sie beobachteten wie immer alles, aber jene verschleierten Gesichter wandten sich ihm ein wenig häufiger zu. Sulin wußte, was er empfand, auch wenn sie nichts von der Liste wußte, aber er hatte keine Ahnung, ob sie es den anderen erklärt hatte. Und wenn sie es getan hatte, wußte er nicht, wie sie darüber empfanden.

Er ging zu der Stelle zurück, an der er vom Pferd gefallen war, und hob das mit Quasten versehene Drachenszepter auf. Es war anstrengend, sich hinabzubeugen, und das Szepter von der Länge eines Speers fühlte sich schwer an. Jeade'en war nicht weit gelaufen, als sein Sattel leichter geworden war. Das Pferd war gut dressiert. Rand stieg auf den Rücken des Schecken. »Ich habe hier getan, was ich konnte«, sagte er —sollten sie doch denken, was immer sie wollten — und stieß dem Schecken die Fersen in die Seiten.

Wenn er die Erinnerungen schon nicht hinter sich lassen konnte, wollte er wenigstens die Aiel hinter sich lassen. Zumindest für einige Zeit. Er hatte Jeade'en bereits einem Stallburschen übergeben und den Palast betreten, bevor Nandera und Caldin ihn mit ungefähr zwei Dritteln mehr Töchtern des Speers und Bergtänzern, als sie zuvor bei sich gehabt hatten, einholten. Einige waren zurückgelassen worden, um sich um die Toten zu kümmern. Caldin sah sich verärgert um. Als Rand den Zorn in Nanderas Augen sah, dachte er, daß er froh sein sollte, daß sie nicht verschleiert war.

Bevor sie etwas sagen konnte, näherte sich ihm Frau Harfor und verfiel in einen tiefen Hofknicks. »Mein Lord Drache«, sagte sie mit tiefer, volltönender Stimme, »die Herrin der Wogen vom Clan Catelar, von den Atha'an Miere, bittet Euch um eine Audienz.«

Wenn der edle Schnitt von Reenes rotweißem Gewand nicht ausreichte zu behaupten, »Erste Tochter des Speers« sei eine unpassende Bezeichnung, genügte sicherlich ihre Art. Die etwas rundliche Frau mit ergrauendem Haar und einem langen Kinn sah Rand direkt in die Augen, legte den Kopf zurück, um dies tun zu können, und verband irgendwie einen angemessenen Grad an Ehrerbietung, einen äußersten Mangel an Unterwürfigkeit und eine Zurückhaltung miteinander, die die meisten adligen Frauen nicht erreichten. Wie Halwin Norry war sie geblieben, als die meisten anderen flohen, obwohl Rand halbwegs vermutete, daß sie den Palast vor Eindringlingen schützen wollte. Es hätte ihn nicht überrascht zu erfahren, daß sie seine Räume regelmäßig nach verborgenen Kostbarkeiten durchsuchte. Es hätte ihn nicht überrascht zu erfahren, daß sie die Aiel zu finden versuchte.

»Das Meervolk?« fragte er. »Was wollen sie?«

Sie sah ihn geduldig und um Milde bemüht an.

Offen um Milde bemüht. »Das wurde nicht gesagt, mein Lord Drache.«

Wenn Moiraine etwas über das Meervolk gewußt hatte, so hatte sie es ihn nicht gelehrt, aber nach Reenes Haltung zu urteilen, war diese Frau wichtig. Der Titel »Herrin der Wogen« klang zumindest wichtig. Das würde bedeuten, daß die Audienz in der Großen Halle stattfinden müßte. Er war dort nicht mehr gewesen, seit er aus Cairhien zurückgekehrt war. Nicht daß er einen Grund hätte, den Thronsaal zu meiden. Es hatte einfach keinen Anlaß gegeben, dorthin zu gehen. »Heute nachmittag«, sagte er bedächtig. »Sagt ihr, daß ich sie am späten Nachmittag treffen werde. Habt Ihr der Herrin der Wogen eine gute Unterkunft zugewiesen? Und ihrem Gefolge ebenfalls?« Er bezweifelte, daß jemand mit einem solch großartigen Titel allein reiste.

»Sie hat sie verweigert. Sie haben im Ball and Hoop Zimmer gemietet.« Sie preßte kurz den Mund zusammen. Anscheinend war dieses Verhalten aus Reene Harfors Sicht nicht angemessen, egal wie erhaben eine Herrin der Wogen sein mochte. »Sie waren sehr staubig und von der Reise erschöpft und konnten kaum noch stehen. Sie kamen zu Pferde, nicht in der Kutsche, aber ich glaube nicht, daß sie Pferde gewohnt sind.« Sie blinzelte, als sei sie überrascht, soviel preisgegeben zu haben, und hüllte sich dann wieder in Zurückhaltung wie in einen Umhang. »Und noch jemand möchte Euch sprechen, mein Lord Drache.« Ihre Stimme nahm einen kaum wahrnehmbar widerwilligen Unterton an. »Die Lady Elenia.«

Rand mußte fast grinsen. Elenia hielt zweifellos einen weiteren Vortrag über ihre Ansprüche auf den Löwenthron bereit. Bisher war es ihm gelungen, die meisten ihrer Worte zu überhören. Sie würde leicht abzuwimmeln sein. Aber er sollte etwas über die Geschichte Andors wissen, und niemand Greifbares wußte mehr darüber als Elenia Sarand. »Schickt sie bitte in meine Räume.«

»Beabsichtigt Ihr wirklich, die Tochter-Erbin den Thron einnehmen zu lassen?« Reene sprach nicht barsch, aber alle Ehrerbietung war geschwunden. Ihr Gesichtsausdruck hatte sich nicht verändert, und doch war sich Rand sicher, daß sie bei einer falschen Antwort rufen würde: »Für Elayne und den Weißen Löwen« und ihm den Schädel einschlagen würde, ob Aiel oder nicht Aiel.

»Ja«, seufzte er. »Der Löwenthron gehört Elayne. Beim Licht und meiner Hoffnung auf Wiedergeburt und Heil, so ist es.«

Renee betrachtete ihn einen Moment und vollführte dann erneut einen tiefen Hofknicks. »Ich werde sie zu Euch schicken, mein Lord Drache.« Sie schritt, wie immer mit starrem Rücken, davon. Er konnte nicht sagen, ob sie ein Wort geglaubt hatte.

»Ein verschlagener Feind«, sagte Caldin deutlich hörbar, bevor Reene auch nur fünf Schritte getan hatte, »wird einen schwachen Hinterhalt errichten, den Ihr durchbrechen sollt. Zuversichtlich, weil Ihr die Bedrohung bewältigt habt, vermindert Ihr dann Eure Wachsamkeit und geratet in den zweiten, stärkeren Hinterhalt.«

Nandera sagte unmittelbar nach Caldin mit kalter Stimme: »Junge Männer können ungestüm sein und voreilig. Junge Männer können Narren sein, aber der Car'a'carn darf kein junger Mann sein.«

Bevor er weiterging, schaute Rand gerade lange genug über die Schulter, um zu sagen: »Wir befinden uns jetzt innerhalb des Palastes. Wählt Eure zwei.« Es war kaum überraschend, daß Nandera und Caldin einander wählten, und noch weniger überraschend, daß sie ihm in hartnäckiges Schweigen gehüllt folgten.

An der Tür zu seinen Räumen befahl er ihnen, Elenia hereinzuschicken, wenn sie käme, und ließ sie im Gang zurück. Gewürzter Wein in einem silbern ziselierten Krug erwartete ihn, aber er rührte ihn nicht an. Statt dessen blieb er stehen, starrte auf den Krug und überlegte, was er sagen würde, bis er erkannte, was er tat und überrascht brummte. Was gab es zu überlegen?

Ein Klopfen an der Tür kündigte Elenia mit den honigfarbenen Haaren an, die in ihrem mit goldenen Rosen verzierten Kleid einen Hofknicks vollführte. »Mein Lord Drache ist zu gnädig, mich zu empfangen.«

»Ich möchte Euch über die Geschichte Andors befragen«, sagte Rand. »Möchtet Ihr einen Becher gewürzten Wein?«

Elenias Augen weiteten sich erfreut, bevor sie es verhindern konnte. Sie hatte zweifellos geplant, Rand zu überreden, ihren Ansprüchen nachzukommen, und jetzt wurde es ihr in den Schoß gelegt. Ein Lächeln erschien auf dem ruchsähnlichen Gesicht. »Gewährt mein Lord Drache mir die Ehre, für ihn einzugießen?« fragte sie und wartete gar nicht erst auf seine Zustimmung. Sie war so erfreut über die Wendung der Ereignisse, daß er fast erwartete, sie würde ihn in einen Sessel nötigen und ihn drängen, die Füße hochzulegen. »Welchen Zeitpunkt der Geschichte darf ich für Euch erhellen?«

»Allgemein eine Art...« Rand runzelte die Stirn; das wäre als Vorgabe geeignet ihre Vorfahren in allen Einzelheiten aufzulisten. »...wie Souran Maravaile dazu kam, seine Frau hierherzubringen. Stammte er aus Caemlyn?«

»Ishara hat Souran hierhergebracht, mein Lord Drache.« Elenias Lächeln wurde einen Moment nachgiebig. »Isharas Mutter war Endara Casalain, die dann hier Artur Falkenflügels Statthalterin war — die Provinz wurde Andor genannt — und auch die Tochter von Joal Ramedar, dem letzten König von Aldeshar. Souran war nur ... nur ein Lordhauptmann« — sie hatte sagen wollen: ein Bürgerlicher; darauf hätte er wetten können —, »wenn auch natürlich Falkenflügels bester Lordhauptmann. Endara gab ihre Befugnis auf und beugte sich Ishara als Königin.« Rand glaubte irgendwie nicht, daß es genau so oder auch nur annähernd so gewesen war. »Damals herrschten natürlich die schlimmsten Zeiten, sicherlich genauso schlimm wie die Zeit der Trolloc-Kriege. Als Falkenflügel tot war, wollten alle Adligen Hochkönig werden. Oder Hochkönigin. Ishara wußte jedoch, daß niemand dazu in der Lage sein würde. Es gab zu viele Parteien, und Bündnisse brachen, sobald sie geschlossen waren. Sie überzeugte Souran, die Belagerung Tar Valons aufzuheben, und brachte ihn mit dem Anteil seines Heers hierher, den er zusammenhalten konnte.«

»Souran Maravaile hat Tar Valon belagert?« fragte Rand überrascht. Artur Falkenflügel hatte Tar Valon zwanzig Jahre lang belagert und einen Preis auf den Kopf jeder Aes Sedai ausgesetzt.

»Im letzten Jahr«, sagte sie ein wenig ungeduldig. »So wird es berichtet.« Es war offensichtlich, daß sie an Souran nur als Isharas Ehemann wahres Interesse hatte. »Ishara war klug. Sie versprach den Aes Sedai, daß ihre älteste Tochter zum Studium in den Weißen Turm geschickt würde, damit sie den Rückhalt des Turmes und eine Aes-Sedai-Beraterin namens Ballair erhielt. Sie war die erste Regentin. Andere folgten natürlich, aber sie wollten noch immer Falkenflügels Thron.« Sie war jetzt ganz in ihrem Element, das Gesicht lebhaft, der Becher gewürzter Wein vergessen, mit der freien Hand gestikulierend. Die Worte sprudelten hervor. »Eine ganze Generation verging, bevor dieser Gedanke erstarb, obwohl auch Narasim Bhuran es während der letzten zehn Jahre des Hundertjährigen Krieges versucht hatte — ein gräßlicher Fehler, der ein Jahr danach mit seinem Kopf auf einem Spieß endete. Esmara Getares Bemühungen ungefähr dreißig Jahre später waren erheblich erfolgreicher, bis sie Andor zu erobern versuchte und die letzten zwölf Jahre ihres Lebens als Gast von Königin Telaisien verbrachte. Esmara wurde letztendlich ermordet, obwohl es keinerlei Berichte darüber gibt, warum jemand sie tot sehen wollte, nachdem Telaisien ihre Macht gebrochen hatte. Wie Ihr seht, folgten die Königinnen, die nach Ishara kamen — von Alesinde bis Lyndelle —, ihrem Weg, und nicht nur darin, eine Tochter zum Turm zu schicken. Ishara ließ Souran zunächst das Land um Caemlyn sichern, zu Anfang nur einige Dörfer, aber dann dehnte sie ihren Einfluß aus. Nun, sie brauchte fünf Jahre, bis sie den Fluß Erinin erreicht hatte. Aber das Land, das Andors Königinnen beherrschten, gehörte ihnen unumschränkt, wohingegen die meisten anderen, die sich Könige oder Königinnen nannten, eher daran interessiert waren, weitere Länder zu erringen, als zu festigen, was sie bereits besaßen.«

Sie schöpfte Atem, und Rand schaltete sich schnell ein. Elenia sprach von diesen Menschen, als kenne sie sie persönlich, aber die Namen, die er niemals zuvor gehört hatte, gerieten in seinem Kopf durcheinander. »Warum gibt es kein Haus Maravaile?«

»Keiner von Isharas Söhnen wurde älter als zwanzig Jahre.« Elenia zuckte die Achseln und trank von ihrem gewürzten Wein. Das Thema interessierte sie nicht. Aber es gab ihr ein neues Stichwort. »Neun Königinnen regierten während des Hundertjährigen Krieges, aber keine dieser Königinnen hatte einen Sohn, der alter als dreiundzwanzig wurde. Es wurde beständig gekämpft, und Andor wurde von allen Seiten bedrängt. Nun, während Maragaines Regierungszeit erhoben vier Könige ihr Heer gegen sie — an der Stelle ist eine Stadt nach dieser Schlacht benannt. Die Könige waren...«

»Aber alle Königinnen waren Abkömmlinge Sourans und Isharas?« warf Rand schnell ein. Die Frau hätte ihm täglich eine neue Geschichte erzählen können, wenn er es zugelassen hätte. Da er saß, bot er auch ihr einen Sitzplatz an.

»Ja«, sagte sie widerwillig, wahrscheinlich, weil sie Souran nicht einbeziehen wollte. Aber sie strahlte sofort wieder. »Es geht darum, wie viel von Isharas Blut ein jeder besitzt. Wie viele Linien den einzelnen mit ihr verbinden und in welchem Maß. In meinem Fall... «

»Das ist für mich nicht leicht zu verstehen. Nehmen wir, zum Beispiel, Tigraine und Morgase. Morgase hatte den aussichtsreichsten Anspruch, Tigraine zu folgen. Das bedeutet vermutlich, daß Morgase und Tigraine eng miteinander verwandt waren?«

»Sie waren Cousinen.« Elenia bemühte sich, ihre Verärgerung darüber zu verbergen, daß sie so oft unterbrochen wurde, besonders jetzt, wo sie dem so nahe war, was sie sagen wollte, aber noch immer gehindert wurde. Sie wirkte wie ein bissiger Fuchs —, aber das Huhn gelangte immer wieder außer Reichweite.

»Ich verstehe.« Cousinen. Rand trank einen großen Schluck, mit dem er den Becher halbwegs leerte.

»Wir sind alle Cousinen. Alle Häuser.« Sein Schweigen schien sie zu stärken. Sie lächelte wieder. »Da die Häuser während tausend Jahren immer wieder untereinander geheiratet haben, gibt es kein Haus ohne einen Tropfen von Isharas Blut. Aber das Maß zählt und die Anzahl der Verbindungslinien. In meinem Fall...«

Rand blinzelte. »Ihr seid alle Cousinen? Ihr alle? Das scheint mir...« Er beugte sich aufmerksam vor. »Elenia, wenn Morgase und Tigraine ... Kaufleute oder Bauern gewesen wären — wie nahe wären sie dann miteinander verwandt gewesen?«

»Bauern?« rief sie aus und starrte ihn an. »Mein Lord Drache, welch absonderlicher...« Alles Blut wich langsam aus ihrem Gesicht. Er war immerhin ein Bauer gewesen. Sie benetzte nervös ihre Lippen. »Ich vermute ... ich sollte zunächst darüber nachdenken. Bauern? Ich vermute, das bedeutet, daß man sich alle Häuser als Bauernhäuser vorstellen muß.« Ein nervöses Kichern entschlüpfte ihr, bevor sie es in ihrem gewürzten Wein ertränkte. »Wenn sie Bauern gewesen wären, glaube ich nicht, daß irgend jemand sie überhaupt als Verwandte angesehen hätte. Alle Verbindungen liegen zu weit zurück. Aber sie waren keine Bauern, mein Lord Drache...«

Er hörte nur noch mit halbem Ohr zu und sank in seinem Sessel zurück. Nicht verwandt.

»...habe einunddreißig Verbindungslinien zu Ishara, während Dyelin nur dreißig hat, und...«

Warum fühlte er sich plötzlich so entspannt? Muskelverkrampfungen hatten sich gelöst, die er nicht einmal bemerkt hatte, bis sie verschwanden.

»...wenn ich so sagen darf, mein Lord Drache.« »Was? Verzeiht mir. Meine Gedanken sind einen Moment abgeschweift... Ich habe Eure letzte Bemerkung nicht gehört.« Sie hatte jedoch etwas beinhaltet, was seine Aufmerksamkeit erregt hatte.

Elenia hatte das unterwürfige, schmeichlerische Lächeln aufgesetzt, das auf ihrem Gesicht so fremd wirkte. »Nun, ich sagte gerade, daß Ihr selbst Tigraine in gewisser Weise ähnelt, mein Lord Drache. Ihr könntet vielleicht sogar einen Hauch von Isharas Blut besitzen...« Sie brach mit einem kleinen Schrei ab, und er erkannte, daß er aufgesprungen war.

»Ich ... fühle mich ein wenig müde.« Er versuchte, seine Stimme ruhig klingen zu lassen, aber sie klang so fern, als befände er sich tief im Nichts. »Wenn Ihr mich bitte allein lassen würdet.«

Er wußte nicht, welcher Ausdruck auf seinem Gesicht lag, aber Elenia verließ überstürzt ihren Sessel und stellte den Becher hastig auf den Tisch. Sie zitterte, und wenn ihr Gesicht schon vorher blutleer gewesen war, wirkte es jetzt weiß wie Schnee. Sie vollführte einen Hofknicks, der einem beim Stehlen ertappten Küchenmädchen angemessen gewesen wäre, eilte zur Tür, wobei sie mit jedem Schritt schneller ging, und beobachtete ihn unablässig über die Schulter, bis sie die Tür aufriß und den Gang hinab davoneilte. Nandera streckte den Kopf hinein und betrachtete ihn prüfend, bevor sie die Tür wieder zuzog.

Rand stand lange Zeit ins Leere starrend da. Es war kein Wunder, daß jene uralten Königinnen ihn angestarrt hatten. Sie wußten, was er dachte, auch wenn er es selbst noch nicht wußte. Da war wieder diese plötzliche innere Unruhe, die unbemerkt an ihm nagte, seit er den wahren Namen seiner Mutter herausgefunden hatte. Aber Tigraine war nicht mit Morgase verwandt gewesen. Seine Mutter war nicht mit Elaynes Mutter verwandt gewesen. Er war nicht verwandt mit...

»Du bist schlimmer als ein Wüstling«, sagte er laut und verbittert. »Du bist ein Narr und ein...« Er wünschte, Lews Therin würde zu ihm sprechen, damit er sich sagen könnte: Das ist ein Wahnsinniger. Ich bin geistig gesund. Waren es die toten Regenten Andors, die ihn beobachteten, oder war es Alanna? Er schritt zur Tür und riß sie auf, Nandera und Caldin saßen auf den Fersen unter einem Wandteppich mit bunten Vögeln. »Versammelt Eure Leute«, befahl er ihnen. »Ich gehe nach Cairhien. Und sagt Aviendha nichts davon.«

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