Ein alter Kammerdiener des Fuersten, der ein Schmuckkaestchen traegt. Die Vorigen.
Kammerdiener. Seine Durchlaucht der Herzog empfehlen sich Milady zu Gnaden und schicken Ihnen diese Brillanten zur Hochzeit. Sie kommen so eben erst aus Venedig.
Lady (hat das Kaestchen geoeffnet und faehrt erschrocken zurueck). Mensch! was bezahlt dein Herzog fuer diese Steine?
Kammerdiener (mit finsterm Gesicht). Sie kosten ihn keinen Heller!
Lady. Was? Bist du rasend? Nichts?-und (indem sie einen Schritt von ihm wegtritt) du wirfst mir ja einen Blick zu, als wenn du mich durchbohren wolltest-Nichts kosten ihn diese unermesslich kostbaren Steine?
Kammerdiener. Gestern sind siebentausend Landskinder nach Amerika fort-die bezahlen Alles.
Lady (setzt den Schmuck ploetzlich nieder und geht rasch durch den Saal, nach einer Pause zum Kammerdiener). Mann! Was ist dir? Ich glaube, du weinst?
Kammerdiener (wischt sich die Augen, mit schrecklicher Stimme, alle Glieder zitternd). Edelsteine, wie diese da-ich hab' auch ein paar Soehne drunter.
Lady (wendet sich bebend weg, seine Hand fassend). Doch keinen gezwungenen?
Kammerdiener (lacht fuerchterlich). O Gott!-Nein-lauter Freiwillige! Es traten wohl so etliche vorlaute Bursch' vor die Front heraus und fragten den Obersten, wie theuer der Fuerst das Joch Menschen verkaufe. -Aber unser gnaedigster Landesherr liess alle Regimenter auf dem Paradeplatz aufmarschieren und die Maulaffen niederschiessen. Wir hoerten die Buechsen knallen, sahen ihr Gehirn auf das Pflaster spritzen, und die ganze Armee schrie: Juchhe! nach Amerika!-Lady (faellt mit Entsetzen in den Sopha). Gott! Gott!-Und ich hoerte nichts? Und ich merkte nichts?
Kammerdiener. Ja, gnaedige Frau-Warum musstet ihr denn mit unserm Herrn gerad' auf die Baerenhatz reiten, als man den Laermen zum Aufbruch schlug?-Die Herrlichkeit haettet ihr doch nicht versaeumen sollen, wie uns die gellenden Trommeln verkuendigten, es ist Zeit, und heulende Waisen dort einen lebendigen Vater verfolgten, und hier eine wuethende Mutter lief, ihr saugendes Kind an Bajonetten zu spiessen, und wie man Braeutigam und Braut mit Saebelhieben auseinander riss, und wir Graubaerte verzweiflungsvoll da standen und den Burschen auch zuletzt die Kruecken noch nachwarfen in die neue Welt-Oh, und mitunter das polternde Wirbelschlagen, damit der Allwissende uns nicht sollte beten hoeren-Lady (steht auf, heftig bewegt). Weg mit diesen Steinen-sie blitzen Hoellenflammen in mein Herz. (Sanfter zum Kammerdiener.) Maessige dich, armer alter Mann. Sie werden wieder kommen. Sie werden ihr Vaterland wieder sehen.
Kammerdiener (warm und voll). Das weiss der Himmel! Das werden sie! -Noch am Stadtthor drehten sie sich um und schrieen: "Gott mit euch, Weib und Kinder!-Es leb' unser Landesvater-Am juengsten Gericht sind wir wieder da!"-Lady (mit starkem Schritt auf und nieder gehend). Abscheulich! Fuerchterlich!-Mich beredet man, ich habe sie alle getrocknet, die Thraenen des Landes-Schrecklich, schrecklich gehen mir die Augen auf-Geb du-Sag deinem Herrn-Ich werd' ihm persoenlich danken! (Kammerdiener will gehen, sie wirft ihm ihre Geldboerse in den Hut.) Und das nimm, weil du mir Wahrheit sagtest-Kammerdiener (wirft sie veraechtlich auf den Tisch zurueck). Legt's zu dem Uebrigen. (Er geht ab.)
Lady (sieht ihm erstaunt nach). Sophie, spring ihm nach, frag' ihn um seinen Namen! Er soll seine Soehne wieder haben. (Sophie ab. Lady nachdenkend auf und nieder. Pause. Zu Sophien, die wieder kommt.) Ging nicht juengst ein Geruecht, dass das Feuer eine Stadt an der Grenze verwuestet und bei vierhundert Familien an den Bettelstab gebracht habe? (Sie klingelt.)
Sophie. Wie kommen Sie auf das? Allerdings ist es so, und die mehresten dieser Ungluecklichen dienen jetzt ihren Glaeubigern als Sklaven, oder verderben in den Schachten der fuerstlichen Silberbergwerke.
Bedienter (kommt). Was befehlen Milady?
Lady (gibt ihm den Schmuck). Dass das ohne Verzug in die Landschaft gebracht werde!-Man soll es sogleich zu Geld machen, befehl' ich, und den Gewinst davon unter die Vierhundert verteilen, die der Brand ruiniert hat.
Sophie. Milady, bedenken Sie, dass Sie die hoechste Ungnade wagen!
Lady (mit Groesse). Soll ich den Fluch seines Landes in meinen Haaren tragen? (Sie winkt dem Bedienten; dieser geht.) Oder willst du, dass ich unter dem schrecklichen Geschirr solcher Thraenen zu Boden sinke?-Geh, Sophie-Es ist besser, falsche Juwelen im Haar und das Bewusstsein dieser That im Herzen zu haben!
Sophie. Aber Juwelen wie diese! Haetten Sie nicht Ihre schlechtern nehmen koennen? Nein, wahrlich, Milady! es ist Ihnen nicht zu vergeben.
Lady. Naerrisches Maedchen! Dafuer werden in einem Augenblick mehr Brillanten und Perlen fuer mich fallen, als zehn Koenige in ihren Diademen getragen, und schoenere-Bedienter (kommt zurueck). Major von Walter-Sophie (springt auf die Lady zu). Gott! Sie verblassen-Lady. Der erste Mann, der mir Schrecken macht-Sophie-Jetzt sei unpaesslich, Eduard-Halt-Ist er aufgeraeumt? Lacht er? Was spricht er? O, Sophie! Nicht wahr, ich sehe haesslich aus?
Sophie. Ich bitte Sie, Lady-Bedienter. Befehlen Sie, dass ich ihn abweise?
Lady (stotternd). Er soll mir willkommen sein. (Bedienter hinaus.) Sprich, Sophie-Was sag' ich ihm? Wie empfang' ich ihn?-Ich werde stumm sein.-Er wird meiner Schwaeche spotten-Er wird-o was ahnet mir-Du verlaessest mich, Sophie?-Bleib!-Doch nein! Gehe!-So bleib doch! (Der Major kommt durch das Vorzimmer.)
Sophie. Sammeln Sie sich! Er ist schon da!