Erste Scene.

Der Praesident und Sekretaer Wurm kommen.

Praesident. Der Streich war verwuenscht.

Wurm. Wie ich befuerchtete, gnaediger Herr. Zwang erbittert die Schwaermer immer, aber bekehrt sie nie.

Praesident. Ich hatte mein bestes Vertrauen in diesen Anschlag gesetzt. Ich urtheilte so: Wenn das Maedchen beschimpft wird, muss er, als Officier, zuruecktreten.

Wurm. Ganz vortrefflich. Aber zum Beschimpfen haett' es auch kommen sollen.

Praesident. Und doch-wenn ich es jetzt mit kaltem Blut ueberdenke-Ich haette mich nicht sollen eintreiben lassen-Es war eine Drohung, woraus er wohl nimmermehr Ernst gemacht haette.

Wurm. Das denken Sie ja nicht. Der gereizten Leidenschaft ist keine Thorheit zu bunt. Sie sagen mir, der Herr Major habe immer den Kopf zu Ihrer Regierung geschuettelt. Ich glaub's. Die Grundsaetze, die er aus Akademien hieher brachte, wollten mir gleich nicht recht einleuchten. Was sollten auch die phantastischen Traeumereien von Seelengroesse und persoenlichem Adel an einem Hof, wo die groesste Weisheit diejenige ist, im rechten Tempo, auf eine geschickte Art, gross und klein zu sein! Er ist zu jung und zu feurig, um Geschmack am langsamen, krummen Gang der Kabale zu finden, und nichts wird seine Ambition in Bewegung setzen, als was gross ist und abenteuerlich.

Praesident (verdriesslich). Aber was wird diese wohlweise Anmerkung an unserm Handel verbessern?

Wurm. Wie wird Ew. Excellenz auf die Wunde hinweisen, und auch vielleicht auf den Verband. Einen solchen Charakter-erlauben Sie-haette man entweder nie zum Vertrauten, oder niemals zum Feind machen sollen. Er verabscheut das Mittel, wodurch Sie gestiegen sind. Vielleicht war es bis jetzt nur der Sohn, der die Zunge des Verraethers band. Geben Sie ihm Gelegenheit, jenen rechtmaessig abzuschuetteln; machen Sie ihn durch wiederholte Stuerme auf seine Leidenschaft glauben, dass Sie der zaertliche Vater nicht sind, so dringen die Pflichten des Patrioten bei ihm vor. Ja, schon allein die seltsame Phantasie, der Gerechtigkeit ein so merkwuerdiges Opfer zu bringen, koennte Reiz genug fuer ihn haben, selbst seinen Vater zu stuerzen.

Praesident. Wurm-Wurm-Er fuehrt mich da vor einen entsetzlichen Abgrund.

Wurm. Ich will Sie zurueckfuehren, gnaediger Herr. Darf ich freimuethig reden?

Praesident (indem er sich niedersetzt). Wie ein Verdammter zum Mitverdammten.

Wurm. Also verzeihen Sie-Sie haben, duenkt mich, der biegsamen Hofkunst den ganzen Praesidenten zu danken, warum vertrauen Sie ihr nicht auch den Vater an? Ich besinne mich, mit welcher Offenheit Sie Ihren Vorgaenger damals zu einer Partie Piquet beredeten und bei ihm die halbe Nacht mit freundschaftlichem Burgunder hinwegschwemmten, und das war doch die naemliche Nacht, wo die grosse Mine losgehen und den guten Mann in die Luft blasen sollte-Warum zeigten Sie Ihrem Sohne den Feind? Nimmermehr haette dieser erfahren sollen, dass ich um seine Liebesangelegenheit wisse. Sie haetten den Roman von Seiten des Maedchens unterhoehlt und das Herz Ihres Sohnes behalten. Sie haetten den klugen General gespielt, der den Feind nicht am Kern seiner Truppen fasst, sondern Spaltungen unter den Gliedern stiftet.

Praesident. Wie war das zu machen?

Wurm. Auf die einfachste Art-und die Karten sind noch nicht ganz vergeben. Unterdruecken Sie eine Zeit lang, dass Sie Vater sind. Messen Sie sich mit einer Leidenschaft nicht, die jeder Widerstand nur maechtiger machte-Ueberlassen Sie es mir, an ihrem eigenen Feuer den Wurm auszubrueten, der sie zerfrisst.

Praesident. Ich bin begierig.

Wurm. Ich muesste mich schlecht auf den Barometer der Seele verstehen, oder der Herr Major ist in der Eifersucht schrecklich, wie in der Liebe. Machen Sie ihm das Maedchen verdaechtig-Wahrscheinlich oder nicht. Ein Gran Hefe reicht hin, die ganze Masse in eine zerstoerende Gaehrung zu jagen.

Praesident. Aber woher diesen Gran nehmen?

Wurm. Da sind wir auf dem Punkt-vor allen Dingen, gnaediger Herr, erklaeren Sie sich mir, wie viel Sie bei der ferneren Weigerung des Majors auf dem Spiel haben-in welchem Grade es Ihnen wichtig ist, den Roman mit dem Buergermaedchen zu endigen und die Verbindung mit Lady Milford zu Stand zu bringen?

Praesident. Kann Er noch fragen, Wurm?-Mein ganzer Einfluss ist in Gefahr, wenn die Partie mit der Lady zurueckgeht, und wenn ich den Major zwinge, mein Hals.

Wurm (munter). Jetzt haben Sie die Gnade und hoeren-Den Herrn Major umspinnen wir mit List. Gegen das Maedchen nehmen wir Ihre ganze Gewalt zu Hilfe. Wir dictieren ihr ein Billetdoux an eine dritte Person in die Feder und spielen das mit guter Art dem Major in die Haende.

Praesident. Toller Einfall! Als ob sie sich so geschwind hin bequemen wuerde, ihr eigenes Todesurtheil zu schreiben?

Wurm. Sie muss, wenn Sie mir freie Hand lassen wollen. Ich kenne das gute Herz auf und nieder. Sie hat nicht mehr als zwo toedtliche Seiten, durch welche wir ihre Gewissen bestuermen koennen-ihren Vater und den Major. Der letztere bleibt ganz und gar aus dem Spiel; desto freier koennen wir mit dem Musikanten umspringen.

Praesident. Als zum Exempel?

Wurm. Nach Dem, was Ew. Excellenz mir von dem Auftritt in seinem Hause gesagt haben, wird nichts leichter sein, als den Vater mit einem Halsprocess zu bedrohen. Die Person des Guenstlings und Siegelbewahrers ist gewissermassen der Schatten der Majestaet-Beleidigungen gegen jenen sind Verletzungen dieser-Wenigstens will ich den armen Schaecher mit diesem zusammengeflickten Kobold durch ein Nadeloehr jagen.

Praesident. Doch-ernsthaft duerfte der Handel nicht werden.

Wurm. Ganz und gar nicht-Nur in so weit, als es noethig ist, die Familie in die Klemme zu treiben-Wir setzen also in aller Stille den Musikus fest-Die Noth um so dringender zu machen, koennte man auch die Mutter mitnehmen,-sprechen von peinlicher Anklage, von Schaffot, von ewiger Festung, und machen den Brief der Tochter zur einzigen Bedingung seiner Befreiung.

Praesident. Gut! Gut! Ich verstehe.

Wurm. Sie liebt ihren Vater-bis zur Leidenschaft, moecht' ich sagen. Die Gefahr seines Lebens-seiner Freiheit zum Mindesten-die Vorwuerfe ihres Gewissens, den Anlass dazu gegeben zu haben-die Unmoeglichkeit, den Major zu besitzen-endlich die Betaeubung ihres Kopfs, die ich auf mich nehme-es kann nicht fehlen-sie muss in die Falle gehn.

Praesident. Aber mein Sohn? Wird er nicht auf der Stelle Wind davon haben?

Wurm. Das lassen Sie meine Sorge sein, gnaediger Herr-Vater und Mutter werden nicht eher freigelassen, bis die ganze Familie einen koerperlichen Eid darauf abgelegt, den ganzen Vorgang geheim zu halten und den Betrug zu bestaetigen.

Praesident. Einen Eid? Was wird ein Eid fruchten, Dummkopf?

Wurm. Nichts bei uns, gnaediger Herr! Bei dieser Menschenart Alles-Und sehen Sie nun, wie schoen wir Beide auf diese Manier zum Ziele kommen werden-Das Maedchen verliert die Liebe des Majors und den Ruf ihrer Tugend. Vater und Mutter ziehen gelindere Saiten auf, und durch und durch weich gemacht von Schicksalen dieser Art, erkennen sie's noch zuletzt fuer Erbarmung, wenn ich der Tochter durch meine Hand ihre Reputation wieder gebe.

Praesident (lacht unter Kopfschuetteln). Ja, ich gebe mich dir ueberwunden, Schurke! Das Geweb' ist satanisch fein. Der Schueler uebertrifft seinen Meister-Nun ist die Frage, an wen das Billet muss gerichtet werden? Mit wem wir sie in Verdacht bringen muessen?

Wurm. Nothwendig mit Jemand, der durch den Entschluss Ihres Sohnes Alles gewinnen oder Alles verlieren muss.

Wurm (nach einigem Nachdenken). Ich weiss nur den Hofmarschall.

Wurm (zuckt die Achseln). Mein Geschmack waer' es nun freilich nicht, wenn ich Luise Millerin hiesse.

Praesident. Und warum nicht? Wunderlich! Eine blendende Garderobe-Eine Atmosphaere von Eau de mille fleurs und Bisam-und jedes alberne Wort eine Handvoll Ducaten-und alles Das sollte die Delicatesse einer buergerlichen Dirne nicht endlich bestechen koennen? O, guter Freund! so scrupuloes ist die Eifersucht nicht! Ich schicke zum Marschall. (Klingelt.)

Wurm. Unterdessen, dass Ew. Excellenz dieses und die Gefangennehmung des Geigers besorgen, werd' ich hingehen und den bewussten Liebesbrief aufsetzen.

Praesident (zum Schreibpult gehend). Den Er mir zum Durchlesen heraufbringt, sobald er zu Stand sein wird. (Wurm geht ab. Der Praesident setzt sich zu schreiben; ein Kammerdiener kommt; er steht auf und gibt ihm ein Papier.) Dieser Verhaftsbefehl muss ohne Aufschub in die Gerichte-ein Andrer von euch wird den Hofmarschall zu mir bitten.

Kammerdiener. Der gnaedige Herr sind so eben hier angefahren.

Praesident. Noch besser-aber die Anstalten sollen mit Vorsicht getroffen werden, sagt ihr, dass kein Aufstand erfolgt.

Kammerdiener. Sehr wohl, Ihr' Excellenz!

Praesident. Versteht ihr? Ganz in der Stille!

Kammerdiener. Ganz gut, Ihr' Excellenz! (Ab.)

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