Vierte Scene.

Zimmer in Millers Wohnung.

Luise und Ferdinand.

Luise. Ich bitte dich, hoere auf. Ich glaube an keine gluecklichen Tage mehr. Alle meine Hoffnungen sind gesunken.

Ferdinand. So sind die meinigen gestiegen. Mein Vater ist aufgereizt; mein Vater wird alle Geschuetze gegen uns richten. Er wird mich zwingen, den unmenschlichen Sohn zu machen. Ich stehe nicht mehr fuer meine kindliche Pflicht. Wuth und Verzweiflung werden mir das schwarze Geheimniss seiner Mordthat erpressen. Der Sohn wird den Vater in die Haende des Henkers liefern-Es ist die hoechste Gefahr-und die hoechste Gefahr musste da sein, wenn meine Liebe den Riesensprung wagen sollte-Hoere, Luise-Ein Gedanke, gross und vermessen wie meine Leidenschaft, draengt sich vor meine Seele-Du, Luise, und ich und die Liebe!-liegt nicht in diesem Zirkel der ganze Himmel? oder brauchst du noch etwas Viertes dazu?

Luise. Brich ab. Nichts mehr. Ich erblasse ueber Das, was du sagen willst.

Ferdinand. Haben wir an die Welt keine Forderung mehr, warum denn ihren Beifall erbetteln? Warum wagen, wo nichts gewonnen wird und Alles verloren werden kann?-Wird dieses Aug nicht eben so schmelzend funkeln, ob es im Rhein oder in der Elbe sich spiegelt, oder im baltischen Meer? Mein Vaterland ist, wo mich Luise liebt. Deine Fusstapfe in wilden, sandigten Wuesten mir interessanter, als das Muenster in meiner Heimath-Werden wir die Pracht der Staedte vermissen? Wo wir sein moegen, Luise, geht eine Sonne auf, eine unter-Schauspiele, neben welchen der ueppigste Schwung der Kuenste verblasst. Werden wir Gott in keinem Tempel mehr dienen, so ziehet die Nacht mit begeisterndem Schauern auf, der wechselnde Mond predigt uns Busse, und eine andaechtige Kirche von Sternen betet mit uns. Werden wir uns in Gespraechen der Liebe erschoepfen?-Ein Laecheln meiner Luise ist Stoff fuer Jahrhunderte, und der Traum des Lebens ist aus, bis ich diese Thraene ergruende.

Luise. Und haettest du sonst keine Pflicht mehr als deine Liebe?

Ferdinand (sie umarmend). Deine Ruhe ist meine heiligste.

Luise (sehr ernsthaft). So schweig und verlass mich-Ich habe einen Vater, der kein Vermoegen hat, als diese einzige Tochter-der morgen sechzig wird-der der Rache des Praesidenten gewiss ist.-Ferdinand (faellt rasch ein). Der uns begleiten wird. Darum keinen Einwurf mehr, Liebe. Ich gehe, mache meine Kostbarkeiten zu Geld, erhebe Summen auf meinen Vater. Es ist erlaubt, einen Raeuber zu pluendern, und sind seine Schaetze nicht Blutgeld des Vaterlands?-Schlag ein Uhr um Mitternacht wird ein Wagen hier anfahren. Ihr werft euch hinein. Wir fliehen.

Luise. Und der Fluch deines Vaters uns nach?-ein Fluch, Unbesonnener, den auch Moerder nie ohne Erhoerung aussprechen, den die Rache des Himmels auch dem Dieb auf dem Rade haelt, der uns Fluechtlinge unbarmherzig wie ein Gespenst von Meer zu Meer jagen wuerde?-Nein, mein Geliebter! Wenn nur ein Frevel dich mir erhalten kann, so hab' ich noch Staerke, dich zu verlieren.

Ferdinand (steht still und murmelt duester). Wirklich?

Luise. Verlieren!-O, ohne Grenzen entsetzlich ist der Gedanke-graesslich genug, den unsterblichen Geist zu durchbohren und die gluehende Wange der Freude zu bleichen-Ferdinand! dich zu verlieren! Doch, man verliert ja nur, was man besessen hat, und dein Herz gehoert deinem Stande-Mein Anspruch war Kirchenraub, und schaudernd geb' ich ihn auf.

Ferdinand (das Gesicht verzerrt und an der Unterlippe nagend). Gibst du ihn auf.

Luise. Nein! Sieh mich an, lieber Walter. Nicht so bitter die Zaehne geknirscht. Komm! Lass mich jetzt deinen sterbenden Muth durch mein Beispiel beleben. Lass mich die Heldin dieses Augenblicks sein-einem Vater den entflohenen Sohn wieder schenken-einem Buendniss entsagen, das die Fugen der Buergerwelt auseinander treiben und die allgemeine ewige Ordnung zu Grund stuerzen wuerde-Ich bin die Verbrecherin-mit frechen, thoerigten Wuenschen hat sich mein Busen getragen-mein Unglueck ist meine Strafe, so lass mir doch jetzt die suesse, schmeichelnde Taeuschung, dass es mein Opfer war-Wirst du mir diese Wollust missgoennen?

Ferdinand (hat in der Zerstreuung und Wuth eine Violine ergriffen und auf derselben zu spielen versucht-Jetzt zerreisst er die Saiten, zerschmettert das Instrument auf dem Boden und bricht in ein lautes Gelaechter aus).

Luise. Walter! Gott im Himmel! Was soll das?-Ermanne dich! -Fassung verlangt diese Stunde-es ist eine trennende. Du hast ein Herz, lieber Walter. Ich kenne es.-Warm wie das Leben ist deine Liebe, und ohne Schranken wie das Unermessliche-Schenke sie einer Edeln und Wuerdigern-sie wird die Gluecklichste ihres Geschlechts nicht beneiden-(Thraenen unterdrueckend.) Mich sollst du nicht mehr sehn-Das eitle betrogene Maedchen verweine seinen Gram in einsamen Mauern, um seine Thraenen wird sich Niemand bekuemmern-Leer und erstorben ist meine Zukunft-Doch werd' ich noch je und je am verwelkten Strauss der Vergangenheit riechen. (Indem sie ihm mit abgewandtem Gesicht ihre zitternde Hand gibt.) Leben Sie wohl, Herr von Walter.

Ferdinand (springt aus seiner Betaeubung auf). Ich entfliehe, Luise. Willst du mir wirklich nicht folgen?

Luise (hat sich im Hintergrund des Zimmers niedergesetzt und haelt das Gesicht mit beiden Haenden bedeckt). Meine Pflicht heisst mich bleiben und dulden.

Ferdinand. Schlange, du luegst. Dich fesselt was anders hier.

Luise (im Ton des tiefsten inwendigen Leidens). Bleiben Sie bei dieser Vermuthung-sie macht vielleicht weniger elend.

Ferdinand. Kalte Pflicht gegen feurige Liebe!-Und mich soll das Maerchen blenden? Ein Liebhaber fesselt dich, und Weh ueber dich und ihn, wenn mein Verdacht sich bestaetigt. (Geht schnell ab.)

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