Dritte Scene.

Der Hofmarschall und Ferdinand.

Hofmarschall (ins Zimmer trippelnd). Sie haben den Wunsch blicken lassen, mein Bester-Ferdinand (vor sich hinmurmelnd). Einem Schurken den Hals zu brechen. (Laut.) Marschall, dieser Brief muss Ihnen bei der Parade aus der Tasche gefallen sein-und ich (mit boshaftem Lachen) war zum Glueck noch der Finder.

Hofmarschall. Sie?

Ferdinand. Durch den lustigsten Zufall. Machen Sie's mit der Allmacht aus.

Hofmarschall. Sie sehen, wie ich erschrecke, Baron.

Ferdinand. Lesen Sie! Lesen Sie! (Von ihm weggehend.) Bin ich auch schon zum Liebhaber zu schlecht, vielleicht lass' ich mich desto besser als Kuppler an.

(Waehrend Jener liest, tritt er zur Wand und nimmt zwei Pistolen herunter.)

Hofmarschall (wirft den Brief auf den Tisch und will sich davon machen). Verflucht!

Ferdinand (fuehrt ihn am Arm zurueck). Geduld, lieber Marschall. Die Zeitungen duenken mich angenehm. Ich will meinen Finderlohn haben. (Hier zeigt er ihm die Pistolen.)

Hofmarschall (tritt bestuerzt zurueck). Sie werden vernuenftig sein, Bester.

Ferdinand (mit starker, schrecklicher Stimme). Mehr als zu viel, um einen Schelmen, wie du bist, in jene Welt zu schicken! (Er dringt ihm die eine Pistole auf, zugleich zieht er sein Schnupftuch.) Nehmen Sie! Dieses Schnupftuch da fassen Sie!-Ich hab's von der Buhlerin.

Hofmarschall. Ueber dem Schnupftuch? Rasen Sie? Wohin denken Sie?

Ferdinand. Fass dieses End' an, sag' ich! sonst wirst du ja fehl schiessen, Memme!-Wie sie zittert, die Memme! Du solltest Gott danken, Memme, dass du zum ersten Mal etwas in deinen Hirnkasten kriegst. (Hofmarschall macht sich auf die Beine.) Sachte! dafuer wird gebeten sein. (Er ueberholt ihn und riegelt die Thuer.)

Hofmarschall. Auf dem Zimmer, Baron?

Ferdinand. Als ob sich mit dir ein Gang vor den Wall verlohnte?-Schatz, so knallt's desto lauter, und das ist ja doch wohl das erste Geraeusch, das du in der Welt machst-Schlag an!

Hofmarschall (wischt sich die Stirn). Und Sie wollen Ihr kostbares Leben so aussetzen, junger, hoffnungsvoller Mann?

Ferdinand. Schlag an, sag' ich. Ich habe nichts mehr in dieser Welt zu thun.

Hofmarschall. Aber ich desto mehr, mein Allervortrefflichster.

Ferdinand. Du, Bursche? Was, du?-Der Nothnagel zu sein, wo die Menschen sich rar machen? In einem Augenblick siebenmal kurz und siebenmal lang zu werden, wie der Schmetterling an der Nadel? Ein Register zu fuehren ueber die Stuhlgaenge deines Herrn und der Miethgaul seines Witzes zu sein? Eben so gut, ich fuehre dich, wie irgend ein seltenes Murmelthier mit mir. Wie ein zahmer Affe sollst du zum Geheul der Verdammten tanzen, apportieren und aufwarten und mit deinen hoefischen Kuensten die ewige Verzweiflung belustigen.

Hofmarschall. Was Sie befehlen, Herr! wie Sie belieben-Nur die Pistolen weg!

Ferdinand. Wie er dasteht, der Schmerzenssohn!-Dasteht dem sechsten Schoepfungstag zum Schimpfe! Als wenn ihn ein Tuebinger Buchhaendler dem Allmaechtigen nachgedruckt haette!-Schade nur, ewig Schade fuer die Unze Gehirn, die so schlecht in diesem undankbaren Schaedel wuchert. Diese einzige Unze haette dem Pavian noch vollends zum Menschen geholfen, da sie jetzt nur einen Bruch von Vernunft macht-Und mit Diesem ihr Herz zu theilen?-Ungeheuer! Unverantwortlich!-Einem Kerl, mehr gemacht, von Suenden zu entwoehnen, als dazu anzureizen.

Hofmarschall. O! Gott sei ewig Dank! Er wird witzig.

Ferdinand. Ich will ihn gelten lassen. Die Toleranz, die der Raupe schont, soll auch Diesem zu gute kommen. Man begegnet ihm, zuckt etwa die Achsel, bewundert vielleicht noch die kluge Wirthschaft des Himmels, der auch mit Traebern und Bodensatz noch Creaturen speist; der dem Raben am Hochgericht und einem Hoefling im Schlamme der Majestaeten den Tisch deckt-Zuletzt erstaunt man noch ueber die grosse Polizei der Vorsicht, die auch in der Geisterwelt ihre Blindschleichen und Taranteln zur Ausfuhr des Gifts besoldet-Aber (indem seine Wuth sich erneuert) an meine Blume soll mir das Ungeziefer nicht kriechen, oder ich will es (den Marschall fassend und unsanft herumschuettelnd) so, und so, und wieder so durcheinander quetschen.

Hofmarschall (fuer sich hinseufzend). O mein Gott! Wer hier weg waere! Hundert Meilen von hier, im Bicêtre zu Paris, nur bei Diesem nicht!

Ferdinand. Bube! Wenn sie nicht rein mehr ist? Bube! wenn du genossest, wo ich anbetete? (wuethender) Schwelgtest, wo ich einen Gott mich fuehlte. (Ploetzlich schweigt er, darauf fuerchterlich.) Dir waere besser, Bube, du floehest der Hoelle zu, als dass dir mein Zorn im Himmel begegnete!-Wie weit kamst du mit dem Maedchen? Bekenne!

Hofmarschall. Lassen Sie mich los. Ich will Alles verrathen.

Ferdinand. O! es muss reizender sein, mit diesem Maedchen zu buhlen, als mit andern noch so himmlisch zu schwaermen-Wollte sie ausschweifen, wollte sie, sie koennte den Werth der Seele herunterbringen und die Tugend mit der Wollust verfaelschen. (Dem Marschall die Pistole aufs Herz drueckend.) Wie weit kamst du mit ihr? Ich druecke ab, oder bekenne!

Hofmarschall. Es ist nichts-ist ja Alles nichts. Haben Sie nur eine Minute Geduld. Sie sind ja betrogen.

Ferdinand. Und daran mahnst du mich, Boesewicht?-Wie weit kamst du mit ihr? Du bist des Todes, oder bekenne!

Hofmarschall. Mon Dieu! Mein Gott! Ich spreche ja-so hoeren Sie doch nur-Ihr Vater-Ihr eigener, leiblicher Vater-Ferdinand (grimmiger). Hat seine Tochter an dich verkuppelt? Und wie weit kamst du mit ihr? Ich ermorde dich, oder bekenne!

Hofmarschall. Sie rasen. Sie hoeren nicht. Ich sah sie nie. Ich kenne sie nicht. Ich weiss gar nichts von ihr.

Ferdinand (zuruecktretend). Du sahst sie nie? Kennst sie nicht? Weisst gar nichts von ihr?-Die Miller ist ist verloren um deinetwillen; die leugnest sie dreimal in einem Athem hinweg?-Fort, schlechter Kerl! (Er gibt ihm mit der Pistole einen Streich und stoesst ihn aus dem Zimmer.) Fuer deines Gleichen ist kein Pulver erfunden!

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