Dritte Scene.

Luise Millerin kommt, ein Buch in der Hand. Vorige.

Luise (legt das Buch nieder, geht zu Millern und drueckt ihm die Hand). Guten Morgen, lieber Vater.

Miller (warm). Brav, meine Luise-Freut mich, dass du so fleissig an deinen Schoepfer denkst. Bleib immer so, und sein Arm wird dich halten.

Luise. O! ich bin eine schwere Suenderin, Vater-War er da, Mutter?

Frau. Wer, mein Kind?

Luise. Ah! ich vergass, dass es noch ausser ihm Menschen gibt-Mein Kopf ist so wueste-Er war nicht da? Walter?

Miller (traurig und ernsthaft). Ich dachte, meine Luise haette den Namen in der Kirche gelassen?

Luise (nachdem sie ihn eine Zeitlang starr angesehen). Ich versteh' ihn, Vater-fuehle das Messer, das Er in mein Gewissen stoesst; aber es kommt zu spaet.-Ich hab' keine Andacht mehr, Vater-der Himmel und Ferdinand reissen an meiner blutenden Seele, und ich fuerchte-ich fuerchte-(Nach einer Pause.) Doch nein, guter Vater. Wenn wir ihn ueber dem Gemaelde vernachlaessigen, findet sich ja der Kuenstler am feinsten gelobt.-Wenn meine Freude ueber sein Meisterstueck mich ihn selbst uebersehen macht, Vater, muss das Gott nicht ergoetzen?

Miller (wirft sich unmuthig in den Stuhl). Da haben wir's! Das ist die Frucht von dem gottlosen Lesen.

Luise (tritt unruhig an ein Fenster). Wo er wohl jetzt ist?-Die vornehmen Fraeulein, die ihn sehen-ihn hoeren-ich bin ein schlechtes, vergessenes Maedchen. (Erschrickt an dem Wort und stuerzt ihrem Vater zu.) Doch nein, nein! verzeih' Er mir. Ich beweine mein Schicksal nicht. Ich will ja nur wenig-an ihn denken-das kostet ja nichts. Dies Bischen Leben-duerft' ich es hinhauchen in ein leises, schmeichelndes Lueftchen, sein Gesicht abzukuehlen;-dies Bluemchen Jugend-waer' es ein Veilchen, und er traete drauf, und es duerfte bescheiden unter ihm sterben!-Damit genuegte mir, Vater! Wenn die Muecke in ihren Strahlen sich sonnt-kann sie das strafen, die stolze majestaetische Sonne?

Miller (beugt sich geruehrt an die Lehne des Stuhls und bedeckt das Gesicht). Hoere, Luise-das Bissel Bodensatz meiner Jahre, ich gaeb' es hin, haettest du den Major nie gesehen.

Luise (erschrocken). Was sagt Er da? was?-Nein, er meint es anders, der gute Vater. Er wird nicht wissen, dass Ferdinand mein ist, mir geschaffen, mir zur Freude vom Vater der Liebenden. (Sie steht nachdenkend.) Als ich ihn das Erstemal sah-(rascher) und mir das Blut in die Wangen stieg, froher jagten alle Pulse, jede Wallung sprach, jeder Athem lispelte: er ist's!-und mein Herz den Immermangelnden erkannte, bekraeftigte: er ist's! und wie das wiederklang durch die ganze mitfreuende Welt! Damals-o damals ging in meiner Seele der erste Morgen auf. Tausend junge Gefuehle schossen aus meinem Herzen, wie die Blumen aus dem Erdreich, wenn's Fruehling wird. Ich sah keine Welt mehr, und doch besinn' ich mich, dass sie niemals so schoen war. Ich wusste von keinem Gott mehr, und doch hatt' ich ihn nie so geliebt.

Miller (tritt auf sie zu, drueckt sie wider seine Brust). Luise-theures-herrliches Kind-nimm meinen alten muerben Kopf-nimm Alles-Alles!-den Major-Gott ist mein Zeuge-ich kann dir ihn nimmer geben. (Er geht ab.)

Luise. Auch will ich ihn ja jetzt nicht, mein Vater! Dieser karge Thautropfen Zeit-schon ein Traum von Ferdinand trinkt ihn wolluestig auf. Ich entsag' ihm fuer dieses Leben. Dann, Mutter-dann wenn die Schranken des Unterschieds einstuerzen-wenn von uns abspringen all die verhassten Huelsen des Standes-Menschen nur Menschen sind-Ich bringe nichts mit mir, als meine Unschuld; aber der Vater hat ja so oft gesagt, dass der Schmuck und die praechtigen Titel wohlfeil werden, wenn Gott kommt, und die Herzen im Preise steigen. Ich werde dann reich sein. Dort rechnet man Thraenen fuer Triumphe und schoene Gedanken fuer Ahnen an. Ich werde dann vornehm sein, Mutter-Was haette er dann noch vor seinem Maedchen voraus?

Frau (faehrt in die Hoehe). Luise! der Major! Er springt ueber die Planke. Wo verberg' ich mich doch?

Luise (faengt an zu zittern). Bleib Sie doch, Mutter!

Frau. Mein Gott! Wie seh' ich aus; ich muss mich ja schaemen. Ich darf mich nicht vor seiner Gnaden so sehen lassen. (Ab.)

Загрузка...