Neunte Scene.

Lady. Ein Kammerdiener. Sophie, hernach der Hofmarschall, zuletzt Bedienter.

Kammerdiener. Hofmarschall von Kalb stehen im Vorzimmer mit einem Auftrag vom Herzog.

Lady (in der Hitze des Schreibens.) Auftaumeln wird sie, die fuerstliche Drahtpuppe! Freilich! Der Einfall ist auch drollig genug, so eine durchlauchtigte Hirnschale auseinander zu treiben!-Seine Hofschranzen werden wirbeln-Das ganze Land wird in Gaehrung kommen.

Kammerdiener und Sophie. Der Hofmarschall, Milady-Lady (dreht sich um). Wer? Was?-Desto besser! Diese Sorte von Geschoepfen ist zum Sacktragen auf der Welt. Er soll mir willkommen sein.

Kammerdiener (geht ab).

Sophie (aengstlich naeher kommend). Wenn ich nicht fuerchten muesste, Milady, es waere Vermessenheit (Lady schreibt hitzig fort.) Die Millerin stuerzte ausser sich durch den Vorsaal-Sie gluehen-Sie sprechen mit sich selbst. (Lady schreibt immer fort.) Ich erschrecke-Was muss geschehen sein?

Hofmarschall (tritt herein, macht dem Ruecken der Lady tausend Verbeugungen; da sie ihn nicht bemerkt, kommt er naeher, stellt sich hinter ihren Sessel, sucht den Zipfel ihres Kleides wegzukriegen und drueckt einen Kuss darauf, mit furchtsamem Lispeln). Serenissimus-Lady (indem sie Sand streut und das Geschriebene durchfliegt). Er wird mir schwarzen Undank zur Last legen-Ich war eine verlassene. Er hat mich aus dem Elend gezogen-Aus dem Elend?-Abscheulicher Tausch! -Zerreisse deine Rechnung, Verfuehrer! Meine ewige Schamroethe bezahlt sie mit Wucher.

Hofmarschall (nachdem er die Lady vergeblich von allen Seiten umgangen hat). Milady scheinen etwas distrait zu sein-Ich werde mir wohl selbst die Kuehnheit erlauben muessen. (Sehr laut.) Serenissimus schicken mich, Milady zu fragen, ob diesen Abend Vauxhall sein werde oder deutsche Komoedie?

Lady (lachend aufstehend). Eines von beiden, mein Engel-Unterdessen bringen Sie Ihrem Herzog diese Karte zum Dessert! (Gegen Sophie.). Du, Sophie, befiehlst, dass man anspannen soll, und rufst meine ganze Garderobe in diesem Saal zusammen-Sophie (geht ab voll Bestuerzung). O Himmel! Was ahnet mir? Was wird das noch werden?

Hofmarschall. Sie sind echauffiert, meine Gnaedige?

Lady. Um so weniger wird hier gelogen sein-Hurrah, Herr Hofmarschall! Es wird eine Stelle vacant. Gut Wetter fuer Kuppler! (Das der Marschall einen zweifelhaften Blick auf den Zettel wirft.) Lesen Sie, lesen Sie!-Es ist mein Wille, dass der Inhalt nicht unter vier Augen bleibe.

Hofmarschall (liest, unterdessen sammeln sich die Bedienten der Lady im Hintergrund):

"Gnaedigster Herr!

Ein Vertrag, den Sie so leichtsinnig brachen, kann mich nicht mehr binden. Die Glueckseligkeit Ihres Landes war die Bedingung meiner Liebe. Drei Jahre waehrte der Betrug. Die Binde faellt mir von den Augen. Ich verabscheue Gunstbezeugungen, die von den Thraenen der Unterthanen triefen.-Schenken Sie die Liebe, die ich Ihnen nicht mehr erwiedern kann, Ihrem weinenden Lande und lernen von einer brittischen Fuerstin Erbarmen gegen Ihr deutsches Volk. In einer Stunde bin ich ueber der Grenze.

Johanna Norfolk."

Alle Bedienten (murmeln bestuerzt durcheinander). Ueber der Grenze?

Hofmarschall (legt die Karte erschrocken auf den Tisch). Behuete der Himmel, meine Beste und Gnaedige! Den Ueberbringer muesste der Hals eben so juecken, als der Schreiberin.

Lady. Das ist deine Sorge, du Goldmann-Leider weiss ich es, dass du und deines Gleichen am Nachbeten Dessen, was Andre gethan haben, erwuergen!-Mein Rath waere, man backt den Zettel in eine Wildpretpastete, so faenden ihn Serenissimus auf dem Teller-Hofmarschall. Ciel! Diese Vermessenheit!-So erwaegen Sie doch, so bedenken Sie doch, wie sehr Sie sich in Disgrace setzen, Lady!

Lady (wendet sich zu der versammelten Dienerschaft und spricht das Folgende mit der innigsten Ruehrung). Ihr steht bestuerzt, guten Leute, erwartet angstvoll, wie sich das Raethsel entwickeln wird?-Kommt naeher, meine Lieben!-Ihr dientet mir redlich und warm, sahet mir oefter in die Augen, als ich die Boerse; euer Gehorsam war eure Leidenschaft, euer Stolz-meine Gnade!-Dass das Andenken eurer Treue zugleich das Gedaechtniss meiner Erniedrigung sein muss! Trauriges Schicksal, dass meine schwaerzesten Tage eure gluecklichen waren! (Mit Thraenen in den Augen.) Ich entlasse euch, meine Kinder-Lady Milford ist nicht mehr, und Johanna von Norfolk zu arm, ihre Schuld abzutragen-Mein Schatzmeister stuerze meine Schatulle unter euch-Dieser Palast bleibt dem Herzog-Der Aermste von euch wird reicher von hinnen gehen, als seine Gebieterin. (Sie reicht ihre Haende hin, die alle nach einander mit Leidenschaft kuessen.) Ich verstehe euch, meine Guten-Lebt wohl! Lebt ewig wohl! (Fasst sich aus ihrer Beklemmung.) Ich hoere den Wagen vorfahren. (Sie reisst sich los, will hinaus, der Hofmarschall verrennt ihr den Weg.) Mann des Erbarmens, stehst du noch immer da?

Hofmarschall (der diese ganze Zeit ueber mit einem Geistesbankerott auf den Zettel sah). Und dieses Billet soll ich Seiner Hochfuerstlichen Durchlaucht zu Hoechsteigenen Haenden geben?

Lady. Mann des Erbarmens! zu Hoechsteigenen Haenden, und sollst melden zu Hoechsteigenen Ohren, weil ich nicht barfuss nach Loretto koenne, so werde ich um den Taglohn arbeiten, mich zu reinigen von dem Schimpf, ihn beherrscht zu haben.

(Sie eilt ab. Alle Uebrigen gehen sehr bewegt auseinander.)

Fuenfter Akt.

Abend zwischen Licht im Zimmer beim Musikanten.

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