Kapitel 10

Als ich wieder zu mir kam, wußte ich, daß er mich nicht als Geisel gebrauchen, sondern töten wollte.

Die Blockhütte war voller Rauch, und kleine Flammen züngelten in einem langen, ungleichmäßigen Feuerbach über den Boden. Zuerst konnte ich mich an nichts erinnern. Ich setzte mich halb auf und sah mich benommen um, schwindlig und krank vor Kopfschmerzen. Die Clives, dachte ich. Sie haben mit dem ganzen Behälter voll Holzanzünder, dem petroleumgetränkten Sägemehl, Feuer gelegt. Dieses Zeug brennt langsam und strömt giftige Gase aus.

Sie hatten mich gegen den Ofen gelehnt, damit es so aussehen sollte, als sei ich gestürzt und hätte mir den Kopf angeschlagen. Als ich aufzustehen versuchte, rollte der leere Behälter, in dem sich der Anzünder befunden hatte, davon, und meine Hand stieß gegen eine Zigarette und ein Streichholzheftchen.

Bei einem Feuer verbrennen die meisten Leute nicht, sondern sie ersticken. Die Clives hatten meinen Abschied von dieser Welt aus purer Rache inszeniert. Und es war nicht einmal der beste Unfall, den sie bisher vorgetäuscht hatten.

Nachdem mir diese nutzlosen, wirren Gedanken durch den Kopf geschossen waren, wurde mein Verstand klar genug, um mich erkennen zu lassen, daß ich schnellstens verschwinden mußte, falls ich die Absicht hatte, etwas für meine Rettung zu tun. Und das mußte ich ja wohl.

Ich raffte mich auf, zog die Decke vom Bett, stolperte damit ins Bad und tränkte sie unter dem Wasserhahn an der Wanne mit Wasser. Der Rauch erfüllte schon beizend und erstickend meine Lungen. Es ist schon verdammt albern, dachte ich

benommen, wirklich albern, daß dieses saubere Pärchen mir genau dahin zu verhelfen suchte, wo ich selbst immer hin wollte, und ich ständig ihre Pläne durchkreuzte. Einfach lächerlich, lächerlich…

Ich merkte, daß ich halb besinnungslos auf den Knien vor der Wanne kauerte. Das Wasser lief noch. Ich richtete mich auf, fischte die tropfnasse Decke aus der Wanne und warf sie über das Zentrum der Flammen. Dumm, dachte ich. Viel besser, zur Tür hinauszugehen. Ich versuchte es. Das verdammte Ding klemmte. Dann das Fenster. Klemmte auch.

Ich wickelte mir den Vorhang um die Hand und schlug eine der Scheiben ein. Etwas Luft kam herein. Aber zu wenig — wegen des Fliegengitters. Wieder auf den Knien. Schrecklich schwindlig. Schwarze Hölle im Kopf. Roch, wie die Bettdecke brannte, hob sie auf, warf sie auf einer anderen Stelle in die Flammen. Dann war nur noch ein glosender, dampfender Pfad vorhanden, schwarz und stinkend. Ich kam mir alt vor und schwach vom Bergsteigen und sterbenskrank vom Schlag auf den Kopf und all dem Rauch.

Ich öffnete die Tür des breiten, schwarzen Ofens.

>Shapleigh< stand darauf. Ein wenig verzog sich der Rauch durch den Schornstein, während ich in ziemlich elender Verfassung hinter der Tür meiner Hütte lag und gierig die frische Luft einsog, die unter der Türritze hereinströmte. Endlose Zeit später kam ich mir nicht mehr ganz so wie jemand aus der Leichenkammer vor, und das Hämmern in meinem Schädel ließ nach, bis es nur noch ein böses Ziehen war. Ich fragte mich, wie lange es wohl dauern konnte, bis Matt und Yola wiederkamen und mit Entsetzen meinen Tod entdeckten, um dann das Nötige zu unternehmen.

Langsam stand ich auf und lehnte mich gegen die Tür. Sie hatte kein Schloß, aber die beiden mußten sie auf irgendeine Weise von außen verriegelt haben. Das konnte man leicht erkennen, wenn man die Augen nicht mehr voller Rauch hatte. Die äußere Tür mit dem Fliegengitter ging nach außen auf, die andere nach innen. Mit einem kleinen Haken konnte man beide Türen aneinander befestigen. Ich schob den Haken hoch, dann ließ sich die innere Tür öffnen.

Meine Brieftasche lag auf dem Tisch — also hatten sie mich durchsucht. Außer ihrem Foto gab es da aber nichts zu entdecken, und das hatten sie mitgenommen. Aber sehr gründlich war ihre Suche nicht, die Parabellum steckte immer noch in der Hüfttasche unter meinem über die Hose hängenden Hemd. Ich überprüfte das Magazin. Es war noch voll. Dann schob ich die Waffe wieder in die Tasche.

Außer meinem Radio wollte ich eigentlich nichts mitnehmen. Ich schob die extra lange Antenne zusammen und legte das Radio in meinen Koffer, auch die anderen Dinge, die ich vor dem Frühstück schon gepackt hatte. Dann griff ich nach dem Koffer, kämpfte gegen das Chaos an, das diese Bewegung in meinem Gehirn verursachte, und öffnete die Gittertür. Die Hütte hinter mir bot ein Bild der Verwüstung. Der verhältnismäßig kurze Weg bis hin zu meinem Wagen kam mir vor wie ein Marathonlauf.

Beinahe hätte ich ihn in einem Stück geschafft, aber als ich das Ende des Waldpfades erreichte und nur noch den Parkplatz zu überqueren brauchte, überfiel mich eine Schwächewelle, die mir den Schweiß aus den Poren trieb. Ich ließ den Koffer fallen und lehnte mich an einen Baum, um abzuwarten, bis ich mich wieder regen konnte.

Yola trat aus der Küchentür und erblickte mich. Der Mund blieb ihr offen stehen, dann drehte sie sich um und rannte ins Ranchhaus. Vielleicht wollte sie ihr Gewehr holen oder Matt. Meine Hand schloß sich um die Pistole, aber ich hatte absolut keine Lust, sie zu gebrauchen. Ich hätte den Behörden zuviel erklären müssen, und das wollte ich in diesem Stadium vermeiden.

«Hallo«, sagte eine fröhliche Stimme hinter mir.»Wir dachten, du wärst schon längst weg.«

Ich drehte meinen geschwollenen Kopf in die Richtung, aus der die Stimme kam, und nahm die Hand von der Waffe. Mickey und Samantha kamen den Pfad von der Blockhütte entlang, in der die Wilkersons wohnten.

«Und ich dachte, ihr wolltet ausreiten«, sagte ich.

«Die Burschen haben nicht genug Pferde heruntergebracht«, erklärte Mickey betrübt.

«Bist du krank, oder was hast du?«fragte seine Schwester, blieb stehen und sah mir besorgt ins Gesicht.

«Mir ist nicht gut«, gab ich zu.»Ich wäre euch schrecklich dankbar, wenn ihr mir meinen Koffer dort drüben zu dem schwarzen Wagen tragen könntet.«

«Klar«, sagte Mickey, und Samantha führte mich mit mütterlicher Besorgnis an der Hand. Zwischen den beiden Kindern legte ich den letzten Teil des Weges zurück.

Yola hatte ihr Gewehr geholt. Sie hielt es erstarrt in den Händen und schaute zu, wie die Kinder meinen Koffer in den Wagen schoben und neben meinem Fenster warteten, bis ich den Motor angelassen hatte. Einen Unfall durch Ertrinken oder Ersticken, das konnte sie arrangieren, aber in aller Öffentlichkeit drei Morde begehen, das schaffte sie nicht. Wenn sie das Gewehr gegen die Kinder erhoben hätte, hätte ich sie erschossen.

Die beiden winkten mir zu. Goodbye! Nette Kinder.

Goodbye!

Ich löste die Handbremse und ließ den Wagen in einer Staubwolke den Weg entlangrollen. Sobald ich die befestigte Straße erreicht hatte, gab ich Gas und bog dann auf die Hauptstraße nach Jackson ein. Falls Yola wirklich der Gedanke gekommen war, mich mit dem Kombi zu verfolgen, so hatte sie wohl zu lange überlegt. Keiner der beiden Clives tauchte in meinem Rückspiegel auf. Nur hatte ich dauernd tanzende Punkte vor den Augen.

Ich fuhr durch Jackson und nahm von da aus die Straße, die in vielen Windungen nach Idaho Falls führte. Der Snake River und der Pallisades-Stausee waren mit ihrem klarblauen Wasser vor den dunklen Nadelwäldern von atemberaubender Schönheit. Ich hielt einige Male an, aber nicht wegen der Landschaft, sondern weil mich in regelmäßigen Abständen die Schwäche überfiel. Ich fuhr ganz langsam, blieb dicht am Straßenrand, überholte niemanden und war jederzeit bereit, auf die Bremse zu treten. Wenn es mir nicht darauf angekommen wäre, ein paar hundert Meilen zwischen mich und die beiden Clives zu legen, so wäre ich gleich in Jackson geblieben. Ich wünschte mir fast, ich hätte es getan.

Als ich endlich um 17.30 Uhr landete, wanderte Walt wie ein nervöser Filmproduzent in der Halle des Motels auf und ab.

«Sie haben sich um viereinhalb Stunden verspätet«, begann er vorwurfsvoll.»Sie sagten.«

«Ich weiß«, unterbrach ich ihn.»Reservieren Sie uns zwei Zimmer, wir bleiben hier.«

Er klappte den Mund auf und preßte dann die Lippen zusammen.

«Tut mir leid«, fügte ich freundlicher hinzu,»aber mir ist scheußlich übel.«

«Was ist denn los?«

«Gehirnerschütterung.«

Walt betrachtete mich prüfend, besorgte die Zimmer und trug sogar meinen Koffer. Ich streckte mich auf meinem Bett aus, und er setzte sich fingerreibend in den Sessel.

«Soll ich einen Arzt verständigen?«fragte er.

«Ich glaube, das ist nicht nötig. Es wird jedenfalls nicht schlimmer.«

«Also, was ist denn geschehen?«

«Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf — lassen Sie Matt Clive nie in Reichweite Ihres Schädels kommen.«

Wenn ich lag, fühlte ich mich ganz wohl.

«Wollen Sie etwas zu trinken?«fragte er.

«Nein, hören wir uns lieber mal das Tonband an. «Ich erklärte ihm, wie er die Rückseite des Radios abnehmen und das Band zurückspulen konnte.

«Hübsches Ding«, meinte er.»Woher haben Sie das?«

«Ich habe es mir vor zwei oder drei Jahren anfertigen lassen.«

Walt brummte etwas vor sich hin und schaltete ein. Ich hörte den Stallmeister an Yolas Tür klopfen und berichten, daß die Stuten und Hengste ausgebrochen seien. Walts Gesicht verzog sich zu einem leisen Lächeln.

Nach jeder Aufnahme lief das Band zwanzig Sekunden weiter, dann kam die nächste. Aufnahme Nummer zwei war sehr kurz.

«Yola?«Eine sehr laute Männerstimme.»Yola! Zum Teufel, ist denn keiner da?«Eine Tür krachte. Dann wieder zwanzig Sekunden Stille.

«Das war Matt Clive«, erklärte ich Walt.»Er kam vor dem Frühstück zurück.«

Die Stimmen setzten wieder ein. Yola trat ein und sagte:

«… behaupten, die Spuren führten geradewegs ins Gebirge hinauf, aber er ist oben an dem Geröllhang umgekehrt und wieder heruntergekommen.«

Das war Glück.

«Sie müssen einfach weitersuchen«, sagte Matt.»Um Himmels willen, Yola, das Pferd dürfen wir nicht verlieren.«

Seine Stimme klang gepreßt und zornig.»Ich gehe mal ins Haus hinüber und sehe nach, ob eines von den Kindern die Hand im Spiel hatte.«

«Das glaube ich nicht. Nicht eines von ihnen macht einen nervösen Eindruck.«

«Ich versuche es trotzdem. «Seine Schritte verklangen.

Yola telefonierte.

«Bist du das, Jim? Hast du seit gestern abend irgendeinen Pferdetransporter gesehen, der durch Pikelet kam?«

«Nein, ich wollte nur wissen, ob du einen gesehen hast. Auch nicht heute früh?«

«Nein, es wäre nur eine Möglichkeit gewesen. Sicher, ja. Recht vielen Dank. «Sie legte den Hörer hart auf die Gabel.

Walt hob die Augenbrauen.»Pikelet?«

«Das sind ein paar Läden und eine Tankstelle, wo die Privatstraße der Clives in die Hauptstraße nach Jackson mündet.«

«Gut, daß wir nicht…«, begann er, dann formulierte er den Satz um:»Haben Sie deshalb darauf bestanden, daß wir den Umweg machen?«

«Zum Teil«, sagte ich.»Es sollte so aussehen, als sei Chrysalis allein ausgebrochen. Sie sollten nicht wissen, daß das Pferd gestohlen wurde. Solange sie herumrätseln, haben wir Zeit, uns aus dem Staub zu machen.«

Das Tonband setzte wieder ein. Matt kam zurück.

«Yola, dieser Mann, dieser verdammte Kerl!«

«Welcher Mann?«fragte sie verwirrt.

«Der Mann, der Teller aus der Themse gezogen hat. Wie lange ist er schon hier?«

Yola flüsterte nur noch.»Hier?«

Matt schrie:»Hier, beim Frühstück. Er wohnt hier, du dummes Stück.«

«Aber ich… Ich hab’ doch nicht.«

«Ich hab’ ihn auch in Reading gesehen«, sagte Matt.»Er besuchte Teller im Krankenhaus. Man hat ihn anstandslos an den Wachhunden vorbeigelassen. Ich habe gesehen, wie er aus dem Fenster schaute. Wie, zum Teufel, kommt er hierher? Und warum hast du ihn nicht erkannt, du dumme Gans? Er hat das Pferd gestohlen, und er wird es uns wiederbringen. Darauf kannst du dich verlassen.«

«Wie?«jammerte Yola.

«Entschuldigung«, sagte eine Mädchenstimme, unsere Bedienung.»Entschuldigung, Miss Clive, Mr. Hochner möchte seine Rechnung.«

«Dort auf dem Tisch«, sagte Yola.

«Wer ist Hochner?«fragte Matt eindringlich.

«Der Deutsche aus Blockhaus 3.«

«Wo hat er beim Frühstück gesessen? Wie sah er aus?«

«Er saß mit dem Rücken zur Flurtür«, sagte das Mädchen.

«Er trägt ein blau-weiß kariertes Hemd, ist ziemlich groß, hat dunkelbraunes Haar und sieht irgendwie müde aus.«

«Dann geben Sie ihm die Rechnung«, sagte Matt und wartete, bis sie gegangen war.»Hochner!«Die Stimme bebte vor Wut.»Wie lange ist er schon hier?«

«Seit Dienstag. «Yolas Stimme war kaum noch zu verstehen.

«Hol dein Gewehr«, sagte Matt.»Wenn er uns das Pferd nicht wiederbringt… Ich bringe ihn um.«

Es waren noch einige Geräusche zu hören, dann verstummte das Tonband. Die Zeit, die sie in meiner Blockhütte zugebracht hatten, schrumpfte zu zwanzig Sekunden zusammen, dann kam die nächste Aufnahme.

«Er hatte recht, Matt«, sagte Yola.»Wir hätten ihn gehenlassen sollen. «Ihre Stimme klang müde vor Verzweiflung, aber Matt war immer noch wütend.

«Ich habe ihm eine Chance gegeben. Er hätte uns sagen sollen, was er mit Chrysalis angestellt hat.«

Nach einer kurzen Pause sagte Yola:»Das wollte er nicht, er hat es selbst gesagt. Er sagt, wir können tun, was wir wollen, das Pferd bekommen wir nicht wieder.«

«Halt den Schnabel!«schrie Matt sie an.

«Matt«, ein Wimmern klang durch ihre Stimme.»Er hatte recht. Das Pferd bekommen wir doch nicht wieder, und seine Freunde werden nach ihm suchen, wie er schon sagte.«

«Dann werden sie eben von dem Unfall erfahren.«

«Aber sie werden es nicht glauben.«

«Sie können uns nichts Gegenteiliges beweisen«, sagte Matt starrköpfig.

Nach einer weiteren Pause hörte ich Yolas tonlose Stimme:»Wenn er das Pferd weggeschafft hat, wenn jetzt jemand anders den Hengst hat und vielleicht schon auf dem Rückweg zu Teller ist — dann wissen sie auch, daß wir Chrysalis hier hatten. Dafür gehen wir ins Gefängnis.«

«Hochner wird nicht herumerzählen, daß er das Pferd hier gestohlen hat.«

«Aber du wolltest ihm doch nicht zuhören. «Plötzlich wurde auch Yola wütend.»Natürlich hatte er recht. Wir hätten ihn gehenlassen sollen. Chrysalis war so und so weg, aber jetzt bekommen wir furchtbaren Ärger, weil uns niemand glauben wird, daß er durch einen Unfall ums Leben gekommen ist. Wir haben die FBI–Leute hier und am Ende — am Ende.«

«Halt den Mund«, fauchte Matt.»Halt den Mund!«

«Vielleicht ist er noch nicht tot. Vielleicht läßt sich alles noch ändern. «Ihre Stimme klang eindringlich und flehend.

«Soll er uns denn wegen Mordversuchs anzeigen? Sei doch nicht verrückt. Niemand kann uns beweisen, daß es kein Unfall war, oder?«

«Ich glaube nicht.«

«Also laß ihn, Yola, laß ihn in Ruhe. Er hatte seine Chance. Ich habe ihm eine faire Chance gegeben… Du wartest einfach, bis jemand von den Gästen den Rauch bemerkt und es dir sagt, so wie wir es vereinbart haben. Versuch ja nicht, dort hinaufzugehen. Versuch es ja nicht.«

«Nein.«

«Ich reite jetzt wieder mit den Burschen in die Berge. Chrysalis ist über die Brücke gegangen. Dort sind seine Spuren. Ich werde den Spuren folgen. Vielleicht blufft dieser Hochner nur. Vielleicht hat er Chrysalis hier irgendwo in der Nähe an einen Baum gebunden, ohne jemandem zu sagen wo, und niemand wird kommen und Fragen stellen.«

Er versuchte sich selbst zu überzeugen, und am Ende hatte er Yola beinahe umgestimmt.

«Wir werden es Onkel Bark sagen müssen«, meinte sie schließlich.

Über diesen Punkt dachten sie wohl eine Weile nach.

«Er wird aus der Haut fahren«, knurrte Matt düster.

«Nachdem alles so sauber geplant war.«

«Er muß es aber erfahren.«

«Ich rufe ihn heute abend an, wenn es schon sein muß. Aber bis dahin haben wir Chrysalis vielleicht wiedergefunden.«

«Ich hoffe es wirklich.«

Dann machte sich Matt auf die Suche, und nachdem Yola ins Ranchhaus zurückgegangen war, verstummte das Tonband.

Walt schaltete das Gerät aus und sah mich völlig ausdruckslos an.

«Was haben die beiden denn gemacht?«

Ich berichtete.

«Wäre es ihnen als Unfall durchgegangen?«

«Ich glaube schon. Es paßte alles so nett zusammen: Ein Mann zündet sich eine Zigarette an, wirft zerstreut das Streichholz in den Anzünder statt in den Aschenbecher, dreht durch, verstreut das Zeug im ganzen Zimmer, springt vor den Flammen zurück, stolpert über den Ofen und verliert das Bewußtsein.«

«Rauchen Sie denn?«

«Manchmal. Sie hatten meine eigene Packung vom Nachttisch genommen, und auch meine eigenen Streichhölzer. Das geschah zwar ohne Überlegung, nur weil ihnen diese Sachen gerade ins Auge fielen. Im Improvisieren sind sie gut.«

«Was für ein Glück, daß Sie rechtzeitig wieder aufwachten«, sagte Walt.

«Ja. «Ich schloß die Augen und überlegte. Dann fragte ich ihn, was er wohl dazu sagen würde, wenn ich ihn darum bäte, mir eine ausreichende Dosis Codein zu besorgen.

Er meinte:»Ich hatte früher schon ein- oder zweimal mit Leuten wie Ihnen zu tun. Ich kann nicht behaupten, daß es mir Spaß machte.«

«Danke«, sagte ich ironisch. Dann lieber keine Pillen.

«Bei Leuten Ihrer Art wird leicht gestorben«, sagte er.

«Mehr Mut gehört zum Leben.«

Ich öffnete die Augen. Er betrachtete mich unverwandt, und seiner ernsten Miene war abzulesen, daß er ganz und gar nicht scherzte.

«Wie steht’s mit Ihrem Mut?«fragte er.

«Ausverkauft.«

Er seufzte tief.»Habe ich mir gedacht.«

«Walt…«:, begann ich.

«Zuerst ist es mir letzte Nacht aufgefallen, oben in den Bergen. Sie hatten Angst um Chrysalis, aber es war Ihnen verdammt egal, ob Sie selbst herunterfielen oder nicht. Mir fror das Blut in den Adern, als ich Ihnen zuschaute, wie Sie den Hengst über den Grat führten. Und trotzdem waren Sie so gelassen, als sei das alles bei Ihnen zu Hause auf dem Hinterhof passiert.«

Er entschuldigte sich auf seine indirekte Art für sein plötzliches Auftauchen letzte Nacht.

«Walt«, sagte ich mit halbem Lächeln,»würden Sie mir bitte wenigstens etwas gegen Kopfschmerzen besorgen?«

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