Dick Francis Todsicher

Kapitel 1

Der Geruch dampfender Pferdeleiber vermischte sich mit dem kalten Dunst des Flußnebels. Ich konnte nur das dumpfe Trappeln galoppierender Hufe hören, dazwischen gelegentlich ein helles, metallisches Geräusch, wenn Hufeisen gegeneinander schlugen. Hinter mir ritt, etwas auseinandergezogen, eine Gruppe von Männern, die wie ich weiße Seidenbreeches und Jacken mit Rautenmuster trugen; vor mir parierte ein Jockey in rotgrünem Dress sein Pferd für den Sprung über die

Birkenhecke, die sich ihm wie ein dunkler Schatten in den Weg stellte. Alles verlief wie erwartet: Bill Davidson war eben dabei, sein siebenundneunzigstes Hindernisrennen zu gewinnen. >Admiral<, sein Brauner, bewies deutlich, daß er keinen Konkurrenten zu fürchten hatte, und wie schon so oft, hatte ich die beiden seit einigen Minuten bewundert.

Ich sah, wie die kraftvolle Hinterhand ansetzte und losschnellte: >Admiral< überwand die Hecke mit der

Mühelosigkeit, die nur wirklich einmalige Pferde auszeichnet. Und als ich ihm nachsetzte, stellte ich fest, daß er zwei weitere Längen Vorsprung gewonnen hatte. Wir befanden uns am anderen Ende der Rennbahn von Maidenhead; vom Ziel trennte uns noch eine halbe Meile. Ich hatte keine Chance, ihn einzuholen. Der Februarnebel wurde dichter. Es war unmöglich, bis zum nächsten Hindernis zu sehen, und der milchigweiße Dunst schien uns von der übrigen Welt abzuschließen. Die Geschwindigkeit war das einzige, woran man sich halten

konnte. Das Ziel, die Zuschauer, die Tribünen und die

Rennleitung, im Nebel zurückgelassen, lagen wieder unsichtbar vor uns, aber auf der langen, verlassenen EineinhalbmeilenBahn fiel es schwer zu glauben, daß es das alles wirklich gab.

Eine unheimliche, isolierte Welt, in der alles mögliche geschehen konnte. Und es geschah etwas!

Wir gingen in die Kurve am unteren Ende der Rennbahn und richteten uns auf, um das nächste Hindernis zu nehmen. Bill hatte gut zehn Längen Vorsprung vor mir und den anderen herausgeholt, ohne sich besonders anzustrengen. Er hatte das fast nie nötig.

Der Aufseher am nächsten Hindernis schlenderte quer über die Bahn von außen nach innen, klopfte auf die Birkenzweige und duckte sich unter das Geländer. Bill sah über die Schulter, und seine Zähne blitzten, als er befriedigt über den weiten Abstand zwischen meinem Pferd und >Admiral< lächelte. Dann wandte er sich wieder dem Hindernis zu und schätzte die Entfernung ab. >Admiral< setzte genau im richtigen Augenblick zum Sprung an. Er stieg hoch, als sei nicht nur den Vögeln das Fliegen vergönnt.

Und stürzte.

Entsetzt sah ich die muskulösen Beine hilflos arbeiten, als das Pferd buchstäblich einen Überschlag machte. Bill stürzte vom höchsten Punkt der Sprungbahn kopfüber hinab, und ich hörte, wie >Admiral< hinter ihm mit dem Rücken am Boden landete.

Automatisch wich ich nach rechts aus und zwang mein Pferd über das Hindernis. In der Luft, während des Sprungs, starrte ich auf Bill hinunter. Er lag schlaff auf dem Boden, einen Arm ausgestreckt. Seine Augen waren geschlossen. >Admiral< war mit dem Rücken auf Bill gefallen und rollte sich nun verzweifelt hin und her, um wieder Boden unter den Füßen zu gewinnen.

Für einen kurzen Augenblick hatte ich den Eindruck, daß etwas unter ihnen lag, etwas ganz Abwegiges, das dort nichts zu suchen hatte. Aber meine Geschwindigkeit war zu groß. Ich hatte nicht Zeit genug, Einzelheiten zu erkennen.

Während mein Pferd weitergaloppierte, fühlte ich mich so elend, als hätte man mich in den Magen getreten. Dieser Sturz hatte so gefährlich ausgesehen, daß man das Schlimmste befürchten mußte.

Ich sah mich um. >Admiral< war inzwischen wieder auf die Beine gekommen und trabte davon; der Hindernisaufseher beugte sich über den immer noch bewegungslos am Boden liegenden Bill. Ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder dem Rennen zu. Ich war Erster geworden und mußte es bleiben. Am Rande der Bahn eilte ein Sanitäter an mir vorbei. Er hatte sich an dem Hindernis aufgehalten, dem ich mich jetzt näherte, und war unterwegs, um Bill zu helfen.

Ich trieb mein Pferd über die nächsten drei Hindernisse, aber ich hatte keinen Spaß mehr daran, und als ich vor den vollbesetzten Tribünen als Gewinner auftauchte, schien mir das enttäuschte Stöhnen der Menge ein passender Willkommensgruß zu sein. Ich galoppierte durchs Ziel, tätschelte meinem Pferd den Hals und starrte zur Tribüne. Die meisten Gesichter waren immer noch dem letzten Hindernis zugewandt, im undurchdringlichen Nebel nach >Admiral<, dem todsicheren Tip, suchend, der seit zwei Jahren sein erstes Rennen verloren hatte.

Selbst die nette, ältere Dame, deren Pferd ich geritten hatte, empfing mich mit der Frage:»Wo bleibt denn >Admiral

«Er ist gestürzt«, erwiderte ich.

«Was für ein Glück«, lachte Mrs. Mervyn.

Sie nahm die Zügel und führte ihr Pferd zum Absatteln. Ich stieg ab und löste mit ungeschickten Fingern die Sattelgurte. Sie tätschelte das Pferd und schnatterte, wie sehr sie sich über diesen Sieg freue, wie unerwartet er komme, und was für ein glücklicher Zufall es sei, daß sich >Admiral< einmal versprungen habe, obwohl man das auf der anderen Seite natürlich auch bedauern müsse.

Ich nickte, lächelte sie an und erwiderte nichts, weil das, was ich zu sagen gehabt hätte, sehr unfreundlich gewesen wäre. Soll sie sich doch über ihren Sieg freuen, dachte ich. Sie hat selten genug Anlaß dazu. Und vielleicht ist Bill gar nichts passiert.

Ich zerrte den Sattel vom Pferd, überließ die strahlende Mrs.

Mervyn den Gratulanten, die sich um sie drängten, und zwängte mich durch die Menge, um den Wiegeraum zu erreichen. Ich setzte mich auf die Waage, wurde nicht beanstandet, ging in den Umkleideraum und legte das Sattelzeug dort auf die Bank.

Clem, der sich immer um meine Sachen kümmerte, kam herüber. Er war ein kleiner, älterer Mann mit wettergegerbtem Gesicht und sehnigen Armen.

Er hob meinen Sattel auf und fuhr mit der Hand streichelnd über das Leder.»Gut gemacht, Sir«, sagte er, aber er machte kein allzu freudiges Gesicht.

Ich wollte keine Glückwünsche. Abrupt sagte ich: >Admiral< hätte gewinnen müssen.«

«Ist er gestürzt?«fragte Clem besorgt.

«Ja. «Ich konnte es immer noch nicht begreifen.

«Major Davidson ist doch nichts passiert, Sir?«fragte Clem. Er bediente auch Bill und sah in ihm so etwas wie einen Helden.

«Ich weiß es nicht«, sagte ich. Aber der harte Sattelbogen hatte ihn genau im Bauch getroffen, mit dem Gewicht eines schweren Pferdes, das noch dazu sehr schnell gelaufen war. Was hat er da schon für eine Chance, dachte ich.

Ich zog meinen Mantel an und ging zum Sanitätsraum. Bills Frau, Scilla, stand vor der Tür, blaß, zitternd, mit Mühe ihre Angst unterdrückend. Sie trug ein hübsches, rotes Kostüm und eine Nerzkappe auf ihrem schwarzen Haar.

«Alan«, sagte sie erleichtert, als sie mich sah.»Der Arzt untersucht ihn gerade. Er bat mich, hier zu warten. Was meinst du? Ist es schlimm?«Sie sah mich flehend an, und ich konnte ihr keinen Trost spenden. Ich legte ihr den Arm um die

Schultern. Sie fragte mich, ob ich Bills Sturz gesehen hatte. Ich erklärte ihr, daß er auf den Kopf gefallen sei und wahrscheinlich eine leichte Gehirnerschütterung erlitten habe.

Die Tür öffnete sich, und ein großer, schlanker,

gutangezogener Mann kam heraus. Der Arzt.

«Sind Sie Mrs. Davidson?«sagte er zu Scilla. Sie nickte.

«Es tut mir leid, aber wir müssen Ihren Mann ins Krankenhaus bringen«, sagte er.»Es wäre nicht klug, ihn ohne Röntgenuntersuchung nach Hause zu schicken. «Er lächelte beruhigend, und Scillas Anspannung löste sich ein wenig.

«Darf ich zu ihm gehen?«

Der Arzt zögerte.»Ja«, meinte er dann,»aber er ist kaum bei Bewußtsein. Es hat ihn ganz schön durchgeschüttelt. Wecken Sie ihn lieber nicht auf.«

Als ich hinter Scilla den Sanitätsraum betreten wollte, hielt mich der Arzt zurück.

«Sie sind doch Mr. York, nicht wahr?«fragte er. Er hatte mich tags zuvor nach einem leichten Sturz untersucht.

«Ja.«

«Kennen Sie die Davidsons gut?«

«Ja. Ich wohne bei ihnen.«

Der Arzt preßte die Lippen zusammen, dann sagte er:»Er macht mir Sorgen. Die Gehirnerschütterung ist nicht weiter tragisch, aber er blutet innerlich, wahrscheinlich aus einem Milzriß. Ich habe im Krankenhaus angerufen, damit alles für eine Notoperation vorbereitet wird.«

Einer der Ambulanzwagen kam rückwärts herangefahren. Die Männer sprangen heraus, öffneten die Hecktüren, holten eine große Tragbahre aus dem Wagen und transportierten sie in den Sanitätsraum. Der Arzt folgte ihnen. Kurze Zeit später erschienen sie alle wieder. Bill lag auf der Tragbahre. Scilla folgte ihnen angstvoll.

Bills markantes, sonst braungebranntes Gesicht war jetzt bläulich-weiß und mit zahllosen, kleinen Schweißtröpfchen übersät. Er atmete keuchend durch den offenen Mund, und seine Hände zerrten ruhelos an der Decke, die man über ihn gebreitet hatte. Er trug immer noch seinen rotgrün gemusterten Jockeydress, ein schlechtes Zeichen.

Scilla sagte zu mir:»Ich fahre mit ihm in der Ambulanz. Kannst du mitkommen?«

«Ich bin im letzten Rennen noch einmal gemeldet«, sagte ich.»Anschließend komme ich sofort ins Krankenhaus. Mach dir keine Sorgen, er wird es schon schaffen. «Aber ich glaubte nicht daran. Sie wohl auch nicht.

Als sie fort waren, schlenderte ich an dem Gebäude entlang, dann durch den Parkplatz, bis ich das Flußufer erreichte. Durch den kürzlich geschmolzenen Schnee war die Themse zum reißenden Strom geworden; sandbraun und grau mit weißen Wellenkämmen. Hundert Meter zu meiner Rechten schoß das Wasser aus dem Nebel, schäumte an mir vorbei und verschwand wieder im Dunst. Konfus, ohne klaren Kurs vor sich, genau wie ich.

Denn irgend etwas an Bills Sturz stimmte nicht.

>Admiral<, ein großartiges Sprungpferd, war ohne ersichtlichen Grund gestürzt. Der Rennbahnaufseher hatte die Bahn hinter dem Hindernis überquert, als Bill und ich darauf zu ritten, aber das war durchaus nicht ungebräuchlich. Und als ich das Hindernis übersprungen hatte, während ich auf Bill herabsah, hatte ich etwas stumpf Schimmerndes bemerkt. Ich dachte lange Zeit darüber nach.

Die Schlußfolgerung ergab sich von selbst, aber sie schien unfaßbar. Ich mußte herausfinden, ob sie zutraf.

Ich ging zurück in den Wiegeraum, um mein Sattelzeug zu holen und mich für das letzte Rennen wiegen zu lassen, aber als ich die flachen Bleiplatten anbrachte, um das vorgeschriebene

Gewicht zu erreichen, erklärte die Rennleitung über die Lautsprecher, daß das letzte Rennen wegen des dichten Nebels nicht stattfinde.

Im Umkleideraum begannen sich die Jockeys zu drängen; die Teekannen und Gebäckplatten leerten sich mit erstaunlicher Geschwindigkeit. Seit dem Frühstück war eine lange Zeit vergangen, und während ich mich umzog, verdrückte ich ein paar belegte Brote. Ich vereinbarte mit Clem, daß meine Sachen nach Plumpton gebracht würden, wo ich vier Tage später zu reiten hatte, dann machte ich mich auf den Weg. Ich wollte mir die Stelle, an der Bill gestürzt war, genau ansehen.

Zu Fuß ist es ein weiter Weg von den Tribünen bis zum anderen Ende der Rennbahn von Maidenhead, und bis ich dort ankam, waren meine Schuhe, Socken und Hosenbeine von dem langen, feuchten Gras völlig durchnäßt. Es war sehr kalt und sehr neblig. Kein Mensch war zu sehen.

Ich erreichte die Hecke, die harmlose, weiche, leicht zu überspringende Hecke aus aufrechtstehenden Birkenzweigen. Neunzig Zentimeter dick am Boden, halb so dick an der obersten Stelle, einen Meter fünfunddreißig hoch, etwa zehn Meter breit. Durchaus üblich, alles andere als schwierig.

Ich sah mir die Aufsprungseite der Hecke genau an. Nichts Außergewöhnliches. Ich ging hinüber zur Absprungseite. Nichts. Ich suchte in der Heckenkulisse herum, die das Pferd zum Hindernis leitet, in derjenigen an der Innenseite der Bahn, wo sich Bill vor seinem Sturz befunden hatte. Immer noch nichts.

Ich fand das Gesuchte auf der anderen Seite der Hecke, am Außenrand der Bahn. Es lag im langen Gras, halb versteckt, mit Tautropfen übersät, zusammengerollt, tödlich.

Draht.

Es war sehr viel Draht, silbernblaßgrau, zu einer Rolle von dreißig Zentimetern Durchmesser zusammengewunden und mit einem Stück Holz beschwert. Das eine Ende führte am Seitenpfosten des Geländers hinauf und war daran sechzig Zentimeter über dem oberen Niveau der Hecke befestigt. Ich konnte es mit den Händen nicht losmachen. Ich ging zum inneren Seitengeländer hinüber und sah mir dort den Pfosten an. Sechzig Zentimeter über dem Hindernis entdeckte ich im Holz eine schmale Rinne. Dieser Pfosten war früher einmal weiß lackiert gewesen, und ich konnte das Mal deutlich erkennen.

Es war mir klar, daß eine einzige Person den Draht hatte dort anbringen können. Der Aufseher. Der Mann, den ich gesehen hatte, als er die Rennbahn überquerte. Der Mann, dachte ich bitter, dem ich es überlassen hatte, Bill zu helfen.

Bei einem Dreimeilenrennen in Maidenhead mußte die Strecke zweimal zurückgelegt werden. Beim ersten Mal hatte es an diesem Hindernis keine Schwierigkeiten gegeben. Neun Pferde waren sicher darübergekommen, während >Admiral< noch die dritte Stelle einnahm, auf seine Chance wartend, während ich neben Bill herritt und ihm erklärte, daß mir das englische Klima nicht behagte.

Beim zweiten Mal war >Admiral< um Längen voraus. Als ihn der Aufseher das Hindernis vorher hatte überwinden sehen, mußte er mit dem losen Ende des Drahtes hinübergegangen sein und es um den anderen Pfosten gewunden haben, so daß sich der Draht straff in der Luft spannte, beinahe unsichtbar, sechzig Zentimeter über der Hecke. In dieser Höhe mußte >Admiral< mit der Schulter dagegenprallen.

Ob das Pferd den Draht abgerissen oder vom Pfosten gezogen hatte, wußte ich nicht genau. Da ich aber keine losen Stücke fand, hielt ich es für wahrscheinlich, daß das stürzende Pferd den nicht so stark befestigten Teil des Drahtes herabgerissen hatte. Keines der nachfolgenden sieben Pferde war gestürzt. Gleich mir hatten auch die anderen Reiter das Überbleibsel dieser Falle übersprungen.

Wenn es sich bei dem Aufseher nicht um einen Wahnsinnigen handelte, was man nicht ausschließen konnte, war das ein genau geplanter Angriff auf ein bestimmtes Pferd, auf einen bestimmten Reiter gewesen. Bill auf seinem >Admiral< hatte in diesem Stadium des Rennens fast immer die Führung übernommen, häufig sogar einen Vorsprung von zwanzig Längen herausgeholt, und sein rotgrüner Dress war sogar an einem nebligen Tag nicht zu übersehen.

Schweren Herzens trat ich den Rückweg an. Es begann dunkel zu werden. Ich hatte mich länger an der Hecke aufgehalten, als mir klargeworden war, und als ich schließlich den Wiegeraum erreichte und der Rennleitung von dem Draht berichten wollte, mußte ich feststellen, daß bis auf den Hausmeister alle gegangen waren. Der Hausmeister, ein alter, mürrischer Mann, erklärte mir, daß er nicht wisse, wo man den für die Bahn verantwortlichen Mann finden könne. Der Geschäftsführer sei jedenfalls vor fünf Minuten in die Stadt gefahren. Er wisse nicht, wann er zurück sein werde; mit der unfreundlichen Bemerkung, daß er sich nun endlich um die Heizung kümmern müsse und der Nebel im übrigen für seine Bronchitis nicht gut sei, schlurfte er schließlich davon.

Unentschlossen sah ich ihm nach. Ich wußte, daß ich den verantwortlichen Leuten von dem Draht berichten sollte, aber wem? Die gesamte Rennleitung war auf dem Weg nach Hause; ihre Autos verbargen sich irgendwo im Nebel, unerreichbar. Der Geschäftsführer hatte sich entfernt. Das Büro des Rennleiters war abgeschlossen. Es würde viel Zeit in Anspruch nehmen, einen dieser Männer zu finden, ihn zu überreden, daß er zur Rennbahn zurückkehren und im Dunkeln die Bahn hinunterfahren sollte; danach würde es Diskussionen, Wiederholungen, schriftlich fixierte Aussagen geben. Das mochte Stunden dauern.

Inzwischen kämpfte Bill im Krankenhaus von Maidenhead um sein Leben, und ich mußte wissen, ob er es schaffte. Scilla

hatte furchtbare Stunden vor sich, und ich dachte an mein Versprechen, ihr so schnell wie möglich Gesellschaft zu leisten. Zu viel Zeit war schon vertrödelt worden. Um den am Pfosten befestigten Draht konnte man sich ja auch morgen kümmern.

Bills Jaguar stand einsam auf dem Parkplatz. Ich setzte mich ans Steuer, schaltete Scheinwerfer und Nebellampen ein und fuhr los. Am Eingang zur Rennbahn bog ich links ab, fuhr zwei Meilen die Straße entlang, hielt mich nach der Brücke wieder links, schlängelte mich durch Maidenheads Einbahnstraßen und erreichte schließlich das Krankenhaus.

Ich betrat die hell erleuchtete Eingangshalle, aber Scilla war nirgends zu sehen. Ich erkundigte mich beim Portier.»Mrs. Davidson? Die Frau des Jockeys? Ja, sie sitzt da hinten im Wartezimmer. Die vierte Tür links.«

Ich fand sie. Ihre dunklen Augen wirkten noch größer als sonst, sie waren umschattet. Ihr Gesicht hatte jede Farbe verloren, die Nerzkappe lag auf dem Tisch.»Wie geht es ihm?«fragte ich.

«Ich weiß es nicht. Man sagt mir nur immer, ich solle mir keine Sorgen machen. «Sie war den Tränen nahe.

Ich setzte mich neben sie und nahm ihre Hände.

«Ich bin dir sehr dankbar, Alan«, sagte sie.

Nach einer Weile öffnete sich die Tür, und ein blonder, junger Arzt betrat das Zimmer.

«Mrs. Davidson, ich glaube…«: er machte eine Pause,»ich glaube, Sie sollten sich zu Ihrem Mann setzen.«

«Wie geht es ihm?«

«Nicht. sehr gut. Wir tun, was wir können. «Er wandte sich an mich:»Sind Sie ein Verwandter?«

«Ein Freund der Familie. Ich bringe Mrs. Davidson nach Hause.«

«Ich verstehe«, sagte er.»Wollen Sie warten oder später wiederkommen? Am späten Abend.«

Ich starrte ihn an und plötzlich wußte ich, daß Bill im Sterben lag.

«Ich warte hier.«

«Gut.«

Ich wartete vier Stunden, studierte das Muster der Vorhänge und die Risse im braunen Linoleum. Die meiste Zeit dachte ich an den Draht.

Schließlich kam eine Schwester, jung, hübsch, mit ernstem Gesicht.

«Es tut mir so leid… Major Davidson ist tot.«

Mrs. Davidson wünsche, daß ich ihn sähe, sagte sie. Wenn ich ihr folgen wolle. Sie führte mich die langen Korridore hinunter, in ein weißes, nicht sehr großes Zimmer, in dem Scilla neben dem Einzelbett saß.

Scilla sah zu mir auf. Sie konnte nicht reden.

Bill lag da, grau und still. Der beste Freund, den sich ein Mann wünschen konnte.

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