Kapitel 15

Alle Fahrer stiegen aus ihren Taxis und gingen zum Wolseley. Sie standen um den Wagen herum, und ich saß auf >Admiral< und beobachtete sie. Sie schienen es nicht eilig zu haben, aber ich hatte keinen Zweifel, was geschehen würde, wenn sie mich faßten.

Meine Lage war günstig. Sie konnten mit den Taxis nicht die Wiese hinauffahren, weil es unten kein Gatter gab, noch vermochten sie mich zu Fuß zu erreichen. Ich war immer noch davon überzeugt, bei Beendigung des Rennens meinen Gegnern ausweichen und zum Rennplatz zurückkehren zu können.

Zwei Dinge geschahen, die das Bild rasch veränderten.

Die Männer deuteten an mir vorbei. Ich sah nach rechts und erkannte einen Wagen, der auf der anderen Seite der Hecke die Anhöhe hinunterfuhr. Dort gab es also eine Straße. Als ich mich noch weiter herumdrehte, sah ich zum erstenmal ein großes Gebäude mit Anbauten und Gärten.

Drei Taxis lösten sich aus der Reihe und befuhren die Straße zu meiner Rechten, wo sie sich in bestimmten Abständen aufstellten. Ich hatte jetzt Taxifahrer vor mir und zur Rechten, außerdem das große Haus hinter mir, aber ich machte mir noch immer keine Sorgen.

Dann tauchte wieder ein Marconicar auf und hielt vor dem Wolseley. Ein stämmiger Mann stieg aus. Er marschierte über die Straße, blieb an der Hecke stehen und deutete mit ausgestrecktem Arm zu mir herauf. Ich fragte mich noch nach dem Grund, als eine Kugel in ungefährer Höhe meiner Füße vorbeipfiff. Der Schuß war nicht zu hören.

Als ich >Admiral< wendete, um über die Wiese

davonzugaloppieren, schlug eine Kugel im Boden vor mir ein. Entweder ließ eine Waffe mit Schalldämpfer auf diese Entfernung kein genaueres Zielen zu, oder. ich begann zu schwitzen. der Schütze zielte absichtlich tief, nicht auf mich, sondern auf >Admiral<.

Die Wiese war nur acht oder zehn Morgen groß, bot also keine Sicherheit. Ich verschwendete wertvolle Augenblicke, als ich das Pferd zum Stehen brachte und mir die Hecke auf der anderen Seite des Feldes ansah. Sie war in halber Höhe mit Stacheldraht durchzogen. Über meine Schulter konnte ich den Mann mit der Pistole die Straße entlanglaufen sehen, die parallel zu meiner Fluchtrichtung verlief.

Ich nahm >Admiral< ein bißchen zurück, ritt dann auf die Hecke zu und trieb ihn zum Sprung an. Er überwand sie glatt, ohne auch nur einen Zweig zu berühren. Wir landeten auf einer anderen Wiese, die einer Kuhherde als Weide diente, aber wieder zu klein und zur Straße hin offen war.

Außerdem hatte man die Hecke hier reich mit Stacheldraht garniert. Alle Weiden besitzen jedoch ein Gatter, und ich fand es in der gegenüberliegenden Ecke, öffnete es, lenkte >Admiral< auf die nächste Wiese.

Sie war nur mit Draht eingezäunt, und ich beschloß, den Abstand zwischen mir und meinen Verfolgern so schnell wie möglich zu vergrößern, weil es für meinen Geschmack hier zu viel Stacheldraht gab. Wenn ich es zuließ, daß mir die Taxifahrer langsam von Grundstück zu Grundstück folgten, konnte ich mich plötzlich in einer Klemme befinden, wo selbst >Admirals< Sprungkraft nicht mehr ausreichte.

Ich war froh, daß die Sonne schien, weil ich so wenigstens zu entscheiden vermochte, in welcher Richtung ich mich bewegte. Da ich sowieso schon nach Osten ritt und ein bestimmtes Ziel immer Antrieb gibt, beschloß ich, >Admiral< in seinen Stall in Petes Gestüt zu bringen.

Dazu mußte ich etwa zwölf Meilen zurücklegen, und ich versuchte mich zu erinnern, wie die Landschaft hier aussah. Ich wußte, daß es in nicht allzu großer Entfernung Waldungen gab. Dann ging es wieder über Wiesen bergab, bevor man den kleinen Ort erreichte, wo Pete seine Pferde ausbildete. Über die Straßen in diesem Gebiet war ich nur sehr wenig unterrichtet, und man würde mich von einem Marconicar jederzeit entdecken können.

Mit diesem unangenehmen Gedanken beschäftigt, erreichte ich eine Nebenstraße. Ich ritt auf ihr entlang und suchte nach einer Öffnung in der wildwuchernden Hecke auf der anderen Seite, als ein Auto um die Kurve kam und bergauf mir entgegenraste. Ohne >Admiral< Zeit zum Überlegen zu geben, drehte ich ihn zur Hecke und stieß ihm die Fersen in die Rippen.

Die Hecke war zu hoch für ihn, und der Sprung kam zu unerwartet, aber er gab sein Bestes. Er sprang mitten hinein in das Durcheinander aus durchhängenden Drähten und Buchenästen, stapfte schwerfällig hindurch und erreichte den etwas höher gelegenen Grund des nächsten Feldes. Es war gepflügt und mit Mangold bepflanzt. Wir kamen nur langsam vorwärts, aber ich trieb ihn immer wieder an, weil hinter mir das Quietschen von Bremsen ertönte. Ein Blick über die Schulter zeigte mir, daß der Fahrer sich durch das von >Admiral< geschaffene Loch zwängte, aber keinen Versuch machte, mich zu verfolgen. Erleichtert sah ich, daß es nicht der Mann mit der Waffe war.

Immerhin hatte er ja sein Funkgerät. Binnen einer Minute wußte man in allen Marconicars, wo ich mich befand.

Ich brachte noch ein Feld zwischen mich und das Taxi, bevor ich abstieg, um nachzusehen, ob sich >Admiral< verletzt hatte. Zu meiner Erleichterung fand ich nur ein paar Kratzer und eine Rißwunde am Kniegelenk, aus der es leicht blutete.

Ich tätschelte ihm den Hals und sprang wieder auf seinen

Rücken. In der Decke war jetzt ein gewaltiger Riß, aber ich beschloß, sie nicht abzunehmen, weil ich mit den Füßen doch mehr Halt hatte.

Drei oder vier Grundstücke später begann mit Farn bewachsener Boden, und vor mir lagen die großen Einfriedungen des Forstamtes.

Die Bäume, überwiegend Nadelholz, waren in großen, säuberlich abgeteilten Flächen gepflanzt, zwischen denen breite Wege verliefen, die sowohl den Forstbeamten als Straßen dienten als auch bei Waldbränden als Breschen. Sie waren in Abständen von etwa je einer halben Meile angelegt.

Ich wollte nach Südosten reiten, stellte aber nach einem Blick auf die Sonne fest, daß die Waldwege fast genau nordsüdlich und ostwestlich verliefen. Das würde mich viel Zeit kosten. Ich lenkte >Admiral< nach Osten, schlug bei der nächsten Kreuzung die südliche Richtung ein, nahm dann die nächste Abzweigung links nach Osten und so weiter, im Krebsgang durch den Wald.

Die Baumpflanzungen waren verschieden alt und verschieden groß, und als ich wieder die südliche Richtung einschlug, fand ich zu meiner Linken Bäume, die nur sechzig Zentimeter hoch waren. Das regte mich nicht weiter auf, bis ich etwa hundert Meter links von mir einen Omnibus sah, der anscheinend mitten durch die Pflanzung fuhr.

Ich brachte >Admiral< zum Stehen. Wenn man genau hinsah, erkannte man die Pfosten und den hohen Drahtzaun, der die kleinen Bäume von der Straße abgrenzte. Wenn ich mich bei der nächsten Lichtung nach Osten wandte, würde ich genau auf die Straße stoßen.

Jenseits der Straße sah es so aus wie hier: regelmäßige Reihen von Nadelbäumen, planmäßig angepflanzt.

Ich wußte, daß ich irgendwo irgendeine Straße überqueren mußte. Wenn ich in den Teil des Waldes zurückkehrte, den ich jetzt durchritten hatte, mußte ich die ganze Nacht dort bleiben.

Trotzdem wäre mir etwas mehr Deckung lieb gewesen, dachte ich, als ich den südlichen Weg entlangritt und in die nach Osten verlaufende Lichtung einbog.

Die Drahtgatter zur Straße hin standen offen, aber ich hielt an und betrachtete zuerst die andere Seite der Straße. Nicht alle Pflanzungen waren von hohem Gitterdraht umgeben, und auf der anderen Seite bestand der Zaun aus Betonpfosten, durch die drei einfache Drähte liefen.

Aus den vorbeifahrenden Wagen starrten mich die Leute neugierig an. Aber nirgends tauchte ein Marconicar auf, und eine Lücke im Verkehr ausnützend, trieb ich >Admiral< auf den Drahtzaun zu. Seine Hufe klapperten laut auf der Teerdecke, dröhnten auf dem Bankett, und dann erhob er sich in die Luft wie ein Vogel. Vor uns tat sich kein Weg auf; es gab nur ziemlich vereinzelt stehende hohe Fichten, und als >Admiral< aufgekommen war, zugehe ich ihn zu sanftem Trab, bevor wir zwischen den Bäumen weiterritten.

Als wir einen Weg erreichten, überprüfte ich anhand meiner Uhr und der Sonne, daß er von Osten nach Westen verlief, was zutraf, und galoppierte auf ihm dahin. Der Boden war trocken und federnd; >Admiral< schien nicht müde zu werden.

Wir bogen wieder zweimal ab, und der Himmel begann sich zu bewölken. Ich mußte vorsichtig sein. Wenn die Sonne nicht scheint, kann man eine Armbanduhr nicht als Kompaß benützen.

Gerade vor mir, etwas zu meiner Rechten, erhob sich ein kleiner, grasbewachsener Hügel. Ich hatte die größeren Bäume hinter mir gelassen und ritt in leichtem Galopp durch Jungwald; die Fichten waren kaum höher als ich und >Admiral< zusammen, und ich konnte den Hügel ganz deutlich sehen. Ein Mann, der sich aus dieser Entfernung nur als Silhouette zeigte, stand auf dem Hügel und winkte mit den Armen.

Ich brachte ihn mit mir überhaupt nicht in Verbindung, weil ich glaubte, meinen Verfolgern entkommen zu sein.

Aus einem Weg zu meiner Rechten, den ich noch nicht erreicht hatte, rollte ein großer, schwarzer Wagen heraus und blockierte meinen Pfad. Es war der Wolseley.

Die jungen Fichten zu beiden Seiten standen so dicht, daß man nicht hindurch konnte. Ich warf einen Blick über die Schulter zurück. Ein gedrungener, schwarzer Marconicar holperte hinter mir her.

Ich war dem Wolseley so nahe, daß ich einen der Männer mit hämischem Grinsen aus dem Fenster blicken sah, und ich beschloß, nicht aufzugeben, selbst wenn wir uns den Hals brechen würden, >Admiral< und ich.

Es gab kaum ein Stocken zwischen der Ankunft des Wolseley und meinem Entschluß. Ich preßte >Admiral< die Beine in die Seiten.

Ich durfte nicht damit rechnen, daß er es schaffte. Für jedes Pferd gibt es eine Grenze. >Admiral< hatte schon einen schweren Tag hinter sich. Sicher war er der beste Hindernisspringer in England, aber., die Gedanken zuckten in Sekundenbruchteilen durch mein Gehirn. Dann konzentrierte ich mich verzweifelt auf den Sprung.

> Admiral < zögerte kaum. Er machte einen kurzen und einen langen Schritt, setzte an und sprang ab. Unberührt von den sich öffnenden Türen und den Drohrufen der Männer, die aus dem Wolseley stiegen, setzte er über den Wagen hinweg. Er verkratzte nicht einmal den Lack.

Beim Aufsprung fiel ich um ein Haar hinunter. >Admiral< stolperte, und ich rutschte von der Decke; nur mit Mühe konnte ich mich an seiner Mähne festhalten. Die Zügel schleiften auf dem Boden, und ich mußte befürchten, daß sich seine Füße darin verfangen würden. Zentimeter um Zentimeter stemmte ich mich wieder nach oben. Ich beugte mich nach vorn, holte die Zügel herauf, und schaffte es schließlich, >Admiral< zu einer etwas langsameren Gangart zu bewegen. Als ich mich wieder gefangen hatte, sah ich mich um, aber der Wolseley war so weit zurück, daß ich nicht entscheiden konnte, ob er mir folgte oder nicht.

Ich erkannte, daß ich die Marconicars unterschätzt hatte, und nur dank >Admirals< Mut noch frei war. Sie operierten mit dem Vorteil, die Gegend hier gut zu kennen, und hatten den Hügel als Beobachtungsstand benützt.

Wahrscheinlich hatten sie herausgefunden, daß ich zu Petes Gestüt wollte.

Wenn ich weiterritt, würden sie sicher wieder vor mir auftauchen. Ich hatte den Hügel hinter mir gelassen und wandte mich bei der nächsten Lichtung nach rechts, weil in einiger Entfernung wieder höhere Bäume wuchsen. >Admiral< war unermüdlich, aber ewig konnte er das auch nicht durchhalten. Ich mußte so schnell wie möglich ein Versteck erreichen. Ich versprach >Admiral<, ihm ein bißchen Ruhe zu gönnen, sobald wir die hohen Bäume erreicht hatten.

Es war düster unter den hohen Fichten. Man hatte sie dicht nebeneinander wachsen lassen, damit sie in die Höhe strebten, und die Wipfel vereinigten sich weit droben zu einem Dach, durch das kaum Licht drang. Ich stieg ab und führte >Admiral< tief in den Wald hinein. Es war sehr still und dunkel. Nicht einmal Vögel zwitscherten. Wir wanderten weiter. Auf dem Waldboden verklangen sogar die Hufschläge >Admirals<.

Wir stießen auf eine Lichtung. Sie war sehr schmal. Ich knotete die Zügel um einen Baum und ging alleine weiter. Am Rande des Weges blieb ich stehen und sah mich um. Es war hier wesentlich heller, und ich konnte ein paar hundert Meter weit sehen. Niemand zeigte sich.

Ich ging zurück, band >Admiral< los und führte ihn über die Lichtung. Es gab keinen Überfall. Wir marschierten weiter. >Admiral< hatte schon längst zu schwitzen begonnen, und die ganze Decke war feucht. Jetzt, da er abkühlte, war es nicht gut für ihn, daß er sie umbehalten mußte, aber ich hatte ja nichts Trockenes. Ich entschied, daß eine feuchte Decke immer noch besser war als gar keine, und stapfte weiter. Nach einer Weile hörte ich Ver kehrslärm, ein gelegentliches Hupen, und sobald ich die Straße in der Ferne sehen konnte, band ich >Admiral< an einen Baum und ging wieder alleine weiter. Das Ende der Pflanzung wurde durch einen Zaun angezeigt, der nur aus zwei starken Drähten bestand. Ich machte mich ziemlich nahe an den Zaun heran, legte mich auf den Boden und kroch weiter, bis ich die Straße überblicken konnte. Nur von Zeit zu Zeit kamen Autos vorbei.

Gegenüber gab es keine Forstpflanzungen, auch keine Zäune. £s war natürlich gewachsenes Land, mit einer Mischung aus Bäumen, Rhododendronsträuchern und Brombeerbüschen. Wenn ich dort hinüber könnte, würde mich niemand mehr finden.

Ein schwerer Lastwagen fuhr eineinhalb Meter vor meiner Nase entfernt vorbei, eine große Wolke Auspuffgas ausstoßend. Ich steckte das Gesicht in den Nadelboden und hustete. Zwei Limousinen rauschten vorbei, gefolgt von einem Omnibus. Zwei Schulmädchen radelten an mir vorüber, ohne mich zu bemerken, und als ihre schnatternden Stimmen verklungen waren, wollte ich mich hochstemmen und zu >Admiral< zurückkehren. In diesem Augenblick tauchten vorne an der Kurve zwei Marconicars auf. Ich warf mich wieder hin und rührte mich nicht. Sie fuhren langsam an mir vorbei, und obwohl ich nicht aufsah, nahm ich an, daß sie angestrengt in den Wald starrten. Hoffentlich war >Admiral< von hier aus nicht zu erkennen.

Die Marconicars überquerten die Straße und hielten, kaum fünfundzwanzig Meter von mir entfernt. Die Fahrer stiegen aus und knallten die Tür zu. Ich riskierte einen Blick. Sie zündeten sich Zigaretten an, lehnten an ihren Wagen und unterhielten sich.

Sie hatten weder mich noch >Admiral< gesehen. Noch nicht.

Aber sie schienen es nicht eilig zu haben. Ich sah auf die Uhr. Sechs. Eineinhalb Stunden waren vergangen, seit ich mich vom Rennplatz entfernt hatte. Es würde höchstens noch eine Stunde hell bleiben. Sobald es dunkel wurde, mußte ich mit >Admiral< die Nacht im Wald verbringen, weil er kein Hindernis übersprang, das er nicht zu sehen vermochte.

Aus einem der beiden Taxis drang ein klirrendes Geräusch. Der Fahrer steckte die Hand durchs Fenster und holte ein Handmikrophon heraus. Diesmal konnte ich hören, was er sagte.

«Ja, wir sind hier. Nein, er hat sie noch nicht überquert. «Wieder quakte das Funkgerät, und der Chauffeur erwiderte:»Ja, ich bin sicher. Ich melde mich sofort, wenn wir ihn sehen. «Er legte das Mikrophon wieder in den Wagen.

Mir kam eine Idee, wie ich mir diese Menschenjagd zunutze machen konnte.

Langsam rutschte ich in den Wald zurück, ohne den Kopf zu heben. Es war sehr unangenehm, auf dem Bauch dahinzukriechen, aber wenn ich aufstand, würden mich die Fahrer sehen. Als ich mich schließlich ungefährdet erheben konnte, war mein Anzug von oben bis unten beschmutzt. Ich säuberte mich, so gut es ging, und band >Admiral< los.

Wir setzten uns in westliche Richtung in Bewegung, blieben aber weit genug von der Straße weg, damit wir nicht gesehen wurden. Ein paar hundert Meter weiter entdeckte ich wieder einen Marconicar am Straßenrand. Ich kehrte um und sammelte einen Arm voll dürrer Zweige. Auf halbem Wege zwischen den beiden Taxis, wo sie beide außer Sichtweite waren, führte ich >Admiral< zum Drahtzaun, damit er ihn sich ansehen konnte. Im Schatten der Bäume ließ er sich nicht allzu deutlich erkennen. Ich steckte die dürren Zweige zur Markierung in den Boden, sprang dann auf >Admirals< Rücken, richtete ihn zum Zaun und wartete, bis ein schweres Fahrzeug erschien. Wenn alles still war, würde man die Huf schlage auf der Teerdecke deutlich vernehmen, und die Taxifahrer zu beiden Seiten der Kurve durften uns nicht hören. Je länger sie mich im Fichtenwald glaubten, desto besser.

Ein Motorrad fegte vorbei, und ich zwang mich zur Ruhe. Endlich erschien ein großer Lastwagen, der mit leeren Milchflaschen beladen war. Ich hätte mir nichts Besseres wünschen können.

Ich trieb >Admiral< an, er setzte über den Zaun, galoppierte über die Straße, und Augenblicke später waren wir sicher hinter dem Gebüsch auf der anderen Seite gelandet.

Ich hielt hinter dem ersten großen Rhododendronstrauch an, stieg ab und lugte auf die Straße.

Ich hatte keine Sekunde zu früh gehandelt. Einer der Marconicars rollte hinter dem Milchwagen her; der Fahrer starrte angestrengt in den Wald.

Wenn ein Fahrer annahm, daß ich mich noch dort aufhielt, so glaubten das alle. Ich führte >Admiral< ein Stück, bis ich ohne Gefahr aufsteigen konnte, dann trabten wir langsam dahin. Es gab hier zahlreiche Vertiefungen und Erhöhungen, die mit Brombeerbüschen, kleinen Nadelbäumen und den braunen Überresten von großen Farnen bewachsen waren, deshalb überließ ich es dem Pferd, sich selbst einen Weg zu suchen, während ich mir überlegte, was ich unternehmen sollte.

Ich hatte etwa eine Meile zurückgelegt, als wir wieder auf eine Straße stießen. Ich folgte ihr in nördlicher Richtung, ohne jedoch allzu nahe heranzugehen. Ich machte jetzt selbst Jagd. Auf ein einzelnes Taxi.

>Admiral< ging geräuschlos auf dem weichen Boden dahin. Plötzlich hörte ich das nun schon vertraute Quaken eines Funkgerätes und die Stimme eines Fahrers. Ich hielt an, stieg ab und band >Admiral< an einen jungen Baum. Dann kletterte ich hinauf. Vor mir sah ich einen Wegweiser, neben dem ein Marconicar stand, von dem nur das Dach und die obere Hälfte

Ich kroch wieder von dem Baum herunter und tastete in meiner Tasche nach meinem selbstgefertigten Totschläger. Ich fand auch zwei Zuckerstücke, die ich >Admiral< gab.

Ich erreichte die Kreuzung, ohne gesehen zu werden, aber als ich vom Inneren eines alten Rhododendronstrauches hinaussah und das Taxi deutlich erkennen konnte, saß der Fahrer nicht im Wagen. Es war ein junger, bleichgesichtiger Mann in einem hellblauen Anzug, und er stand mitten auf der Kreuzung, starrte in alle vier Richtungen, sah nichts und gähnte.

Das Funkgerät krächzte wieder, aber er kümmerte sich nicht darum. Ich hatte vorgehabt, mich zu seinem Taxi zu schleichen und ihn niederzuschlagen, bevor er mein Auftauchen melden konnte, aber jetzt wartete ich und verfluchte ihn.

Er putzte sich die Nase.

Plötzlich ging er auf mich zu.

Einen Augenblick lang nahm ich an, daß er mich gesehen hatte, aber er blieb vor einem Brombeerstrauch stehen, drehte mir den Rücken zu und verrichtete seine Notdurft. Es schien unfair, einen Mann in einem solchen Augenblick zu überfallen, und ich weiß, daß ich gelächelte habe, als ich mein Versteck verließ; diese Gelegenheit durfte ich mir nicht entgehen lassen.

Ich machte drei schnelle Schritte, holte aus und schlug zu, genau auf den Hinterkopf. Er brach zusammen, ohne einen Laut von sich zu geben.

Ich packte ihn unter den Armen und zerrte ihn zu der Stelle, wo ich >Admiral< zurückgelassen hatte. Hastig riß ich die Borte von der Pferdedecke und prüfte ihre Festigkeit. Sie schien allerhand auszuhalten. Ich fischte mein Messer aus der Hosentasche, schnitt die Borte in vier Stücke und fesselte damit den Fahrer an Händen und Knien. Dann zerrte ich ihn zum Baum und band ihm die Handgelenke zusammen. Mit dem vierten Stück der Borte fesselte ich ihn an den Baumstamm.

Ich durchsuchte seine Taschen. Als einzige Waffe führte er einen Schlagring mit Zacken bei sich, den ich an mich nahm. Er kam zum Bewußtsein, sah von mir zu >Admiral<, dann wieder zu mir und fuhr erschreckt zusammen, als er begriff, wer ich war. Mit seinem Mut schien es nicht weit her zu sein. Der Anblick des Pferdes unmittelbar über ihm schien ihm mehr Angst einzujagen als alles andere.

«Er wird mich zertreten«, schrie er.

«Na und?«sagte ich.

«Führen Sie ihn weg, führen Sie ihn weg!«brüllte er.

>Admiral< wurde unruhig.

«Wenn Sie leise sind, tut er Ihnen nichts«, sagte ich zu dem Fahrer, aber er schrie wieder. Ich stopfte ihm das Taschentuch in den Mund, bis seine Augen aus den Höhlen traten.

«Jetzt halt den Mund«, sagte ich.»Wenn du still bist, tut er dir nichts. Wenn du schreist, schlägt er aus. Hast du begriffen?«

Er nickte. Ich nahm ihm den Knebel ab, und er begann vor sich hin zu fluchen, wenn auch mit leiser Stimme.

Ich beruhigte >Admiral< und verlängerte die Zügel ein wenig, damit er Gras abrupfen konnte.

«Wie heißt du?«fragte ich den Taxichauffeur.

Er spuckte aus und schwieg.

Ich fragte ihn noch einmal, und er erwiderte:»Was zum Teufel geht Sie das an?«

Ohne Gewissensbisse drehte ich >Admiral< herum, damit der Fahrer die kräftigen Hinterbeine sehen konnte. Sein Mut verließ ihn schnell wieder. Er öffnete den Mund, um zu schreien.

«Vorsicht«, sagte ich,»er schlägt aus, wenn du laut bist. Also, wie heißt du?«

«John Smith.«

«Versuchen wir es noch einmal«, sagte ich und holte

>Admiral< näher heran. Der Taxichauffeur begann zu schwitzen. Seine Lippen zitterten.

«Blake«, stieß er hervor.

«Vorname?«

«Corny. Das ist ein Spitzname.«

Ich stellte ihm noch ein paar Fragen über die Bedienung des Funkgerätes. Als ich Bescheid wußte, band ich >Admiral< an einen anderen Baum, damit er nicht in der Dunkelheit zufällig auf den Taxi chauffeur trat. Bevor ich ging, warnte ich Blake noch einmal.»Schrei ja nicht um Hilfe. Erstens hört dich hier sowieso keiner, und zweitens machst du das Pferd rebellisch. Das ist ein Vollblut, also sehr nervös. Wenn du ihn erschreckst, reißt er sich los und schlägt zu. Solange du den Mund hältst, hast du nichts zu befürchten. Verstanden?«

Ich wußte, daß >Admiral< nicht angreifen würde, wenn er sich losgerissen hatte, aber Gott sei Dank wußte es Blake nicht. Er nickte erschöpft.

«Ich vergesse schon nicht, daß du hier bist«, sagte ich.»Du brauchst hier nicht zu übernachten. Es geht nicht um dich, aber das Pferd muß in seinen Stall. «Ich tätschelte >Admiral<, überzeugte mich, daß die Fesseln an dem demoralisierten Fahrer fest verknotet waren, und eilte durch das Gebüsch zum Taxi.

Der Wegweiser war sehr wichtig, denn ich mußte ihn im Dunkeln wiederfinden. Ich schrieb mir alle Namen und Kilometerangaben von sämtlichen Hinweistafeln auf. Dann setzte ich mich ans Steuer.

Im Innern des Taxis hörte man anstelle des Quakens eine Stimme aus dem Funkgerät. Der Empfänger war so eingestellt, daß jeder Fahrer den gesamten Sprechverkehr zwischen der Zentrale und allen Taxis verfolgen konnte.

Eine Stimme im Lautsprecher sagte:»Hier ist Sid. Er läßt sich nicht blicken. Von hier aus kann ich die Straße auf eineinhalb

Meilen übersehen. Ich möchte schwören, daß er es hier nicht geschafft hat. Der Verkehr ist immerhin so stark, daß er es nicht in einem Zug fertigbringt. Ich sehe ihn auf jeden Fall, wenn er es versucht.«

Ich ließ den Motor an und fuhr in südlicher Richtung. Es begann schon zu dämmern. Ich gab Gas.

Eine Weile blieb das Funkgerät still. Dann sagte jemand:»Er muß gefunden werden, bevor es dunkel ist.«

Obwohl ich es halb erhofft, halb erwartet hatte, ließ mich das heisere, tonlose Flüstern doch zusammenzucken. Ich umkrampfte das Steuerrad. Die Stimme war so nah, daß es mir plötzlich vorkam, als sei auch die Gefahr nähergekommen, und ich mußte erst zum Fenster hinaussehen, bevor ich mich beruhigte.

«Wir tun unser Bestes, Sir«, sagte eine andere Stimme respektvoll.»Ich fahre jetzt seit einer Stunde hier auf und ab. Zwei Meilen hinauf und zwei Meilen zurück. Alle geparkten Wagen in meinem Gebiet haben ihre Position nicht verlassen.«

«Wie viele von euch sind bewaffnet?«fragte die Flüsterstimme.

«Vier im ganzen, Sir. Wir könnten noch mehr Pistolen brauchen.«

Nach einer Pause sagte die heisere Stimme:»Ich habe noch eine Waffe hier, aber wir dürfen keine Zeit verlieren. Ihr müßt mit dem auskommen, was ihr habt.«

«Jawohl, Sir.«

«Achtung, an alle Fahrer. Zielt auf das Pferd. Schießt das Pferd nieder. Der Mann darf nicht mit Kugeln im Leib aufgefunden werden. Habt ihr verstanden?«

Eine Anzahl von Stimmen bejahte.

«Fletcher, wiederholen Sie Ihre Anweisungen.«

Der höfliche Taxifahrer sagte:»Sobald wir ihn entdeckt haben, schießen wir auf das Pferd. Dann werden die anderen Fahrer herbeigerufen, damit wir den Mann verfolgen und einfangen können. Wir sollen ihn — äh — überwältigen, in eines der Taxis setzen und Ihre weiteren Befehle abwarten.«

Ich erkannte seine Stimme. Es war der Fahrer des Pferdetransportwagens. Fletcher.

Plötzlich kehrte meine Erinnerung an das Rennen in Bristol zurück. Ich spürte den Regen auf meinem Gesicht, und jetzt konnte ich mich ganz genau an den Fahrer entsinnen, wie er den Draht vom Pfosten geschnitten, aufgerollt und über den Arm gehängt hatte.

Da war noch etwas anderes. Aber bevor ich es festhalten konnte, erreichte ich ein Stop-Signal vor einer Hauptstraße. Ich bog nach links ein und hielt Ausschau nach einer Hinweistafel, der ich zu entnehmen vermochte, wie weit ich noch von Brighton entfernt war. Nach einer halben Meile fand ich sie. Elf Meilen. Also noch etwa zwanzig Minuten bis zum Ziel.

Ich dachte wieder an das Hindernis in Bristol, aber mir fiel dazu nichts mehr ein.

Während der Fahrt nach Brighton lauschte ich ständig der flüsternden Stimme. Sie klang immer drängender, immer wütender. Zuerst fand ich es beinahe unheimlich, Leute zu belauschen, die mich jagten, aber nach ein paar Minuten gewöhnte ich mich daran, achtete immer weniger darauf. Und hätte um ein Haar einen kapitalen Fehler begangen.

«Haben Sie etwas zu melden, 23?«fragte die Stimme. Niemand antwortete. Ich achtete kaum darauf. Die Stimme wurde schärfer:»23. Blake, haben Sie etwas zu melden?«

Ich erwachte aus meiner Versunkenheit, nahm das Mikrophon zur Hand, drückte auf eine Taste und sagte gelangweilt und näselnd:»Nein.«

«Antworten Sie beim nächstenmal ein bißchen schneller«, sagte die heisere Stimme streng. Anscheinend wurden die einzeln stationierten Taxis überprüft, weil die Stimme noch drei weitere Fahrer fragte, ob sie etwas zu melden hätten. Ich dankte dem Himmel, als ich das Mikrophon abschaltete, daß ich Blakes Stimme nicht für mehr als einen Augenblick hatte imitieren müssen; jedes längere Gespräch hätte mich überführt. Trotzdem folgte ich jetzt den Fragen und Antworten mit mehr Aufmerksamkeit.

Die flüsternde Stimme wurde mir immer vertrauter, bis ich Tonfall und Abstufungen unterscheiden konnte. Die Art der Satzbildung und Betonung kam mir bekannt vor, aber ich strengte mein Gehirn immer noch vergeblich an.

Und mit einemmal wußte ich Bescheid. Endlich war ich meiner Sache sicher.

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