Kapitel Achtzehn Bin angeln, am goldenen Tümpel

»Ich habe einen Entschluss gefasst«, sagte ich zu Molly.

»Schön für dich«, meinte Molly.

»Ich habe beschlossen, dass ich keine weiteren Treffen mit Vogelfreien mehr will«, erklärte ich. »Nicht wenn sie so sind wie die, die ich bereits kennengelernt habe. Ich meine, ein Irrer, ein Eingesperrter und ein moralischer Krüppel? Ist das die Art von Zukunft, auf die ich mich freuen darf, wenn ich durch irgendein Wunder die nächsten paar Tage überlebe?«

»Wahrscheinlich«, sagte Molly. »Falls du aufgibst, so wie sie es getan haben. Sie fürchteten sich alle davor, etwas von Bedeutung zu unternehmen. Wie sieht das bei dir aus?«

»Ich werde nach Hause gehen«, sagte ich. Und wie ich es sagte, war ich mir meiner Sache sicher. »Das ist alles, was mir noch übrig bleibt. Ich werde zurück ins Herrenhaus gehen, zurück in die Bibliothek - und zurück zu meiner hinterhältigen Familie. Denn sie sind die Einzigen, bei denen ich sicher sein kann, dass sie die Antworten haben, die ich brauche.«

»Schön für dich!«, sagte Molly noch einmal. »Ich komme mit!«

»Nein, das wirst du verdammt noch mal nicht!«, widersprach ich. »Es wird schon schwer genug werden, auch ohne dass ich ständig auf dich aufpassen muss!«

»Auf mich braucht keiner aufzupassen!«, sagte Molly, wobei sich ihre Miene gefährlich umwölkte.

»Allein bei dem Versuch, nur auf die Anlagen des Herrenhauses zu kommen, könntest du schon auf hundert verschiedene Arten ums Leben kommen«, redete ich ihr zu und gab mir alle Mühe, vernünftig zu klingen. »Meine Familie ist auf Arten geschützt, an die manchmal sogar ich lieber nicht denken will.«

»Wenn du glaubst, ich würde mir eine Gelegenheit entgehen lassen, es den Droods an dem Ort zu besorgen, wo sie leben, dann bist du schief gewickelt! Von einer Rache wie dieser habe ich geträumt - für gewöhnlich nach dem Verzehr von Käse. Ich komme mit, und du kannst mich nicht daran hindern!«

»Könntet ihr bitte den Geräuschpegel etwas senken?«, brummte Janitscharen-Jane. Sie setzte sich langsam auf, zusammenzuckend und stöhnend, und sah durch getrübte Augen um sich. Ihr Blick wanderte über die ohnmächtigen Soldaten des Manifesten Schicksals, die sich rings um sie stapelten. »Muss ja eine fürchterliche Sause gewesen sein … Shaman? Bist du das? Wo zum Teufel bin ich? Und was hab ich gemacht …? Mein Kopf fühlt sich an, als hätte ihn jemand als Müllkippe benutzt!«

»Du warst von Archie Leech besessen«, klärte ich sie auf und half ihr auf die Füße. »Ich habe seinen Geist aus deinem Körper vertrieben und ihn dann vernichtet. Er wird nicht zurückkommen. Nie mehr.«

»Leech? Dieser Scheißkerl von einer Ratte? Er muss sich reingeschlichen haben, als meine Verteidigungen unten waren. Augenblick mal - du hast ihn vernichtet? Nichts für ungut, Shaman - ich meine, gut gemacht und danke für alles und all das -, aber ich habe dich nie wirklich in einer Liga mit Archie Leech gesehen!«

»Tja, nun, der springende Punkt ist, dass er gar nicht Shaman Bond ist«, sagte Molly. »Er hat uns alle jahrelang an der Nase herumgeführt mit seinem Zartbesaiteter-Reporter-Scheiß.«

»Molly? Du bist auch hier?« Janitscharen-Jane kniff die Augen zu und schüttelte langsam den Kopf. Es schien nichts zu helfen. »Na schön, wenn er nicht Shaman Bond ist, wer zum Teufel ist er dann?«

»Das zu beantworten ist nicht so einfach«, sagte ich. »Ich bin ein Drood, Jane. Eddie Drood, Frontagent, zu deinen Diensten. Nur dass ich kein Agent für die Familie mehr bin. Sie haben mich zum Vogelfreien gemacht, deshalb bin ich jetzt auf der Flucht vor jedem.«

»Da gehe ich für einen lausigen Monat in die Höllendimensionen kämpfen, und unterdessen hört die Welt auf, Sinn zu machen!« Janitscharen-Jane musterte mich misstrauisch. »Du bist ein Drood, Shaman? Du? Verdammt gute Verstellung … Eddie. Du heuchlerisches kleines Arschloch! Jetzt mal zum Mitschreiben; ich hab's noch nicht ganz geschnallt. Du bist ein Vogelfreier? Was hast du angestellt?«

»Das weiß ich nicht. Aber meine Familie will meinen Tod. Deshalb war auch Archie hinter mir her.« Ich hielt es für das Beste, die Erklärungen für den Moment möglichst einfach zu halten. Und ich glaubte auch nicht, dass ich ihr erzählen sollte, dass Archie sie gezielt ausgewählt hatte, nur um sich an mir zu rächen. Das konnte ich später noch - aus sicherer Entfernung.

»Wenigstens hast du den Dreckskerl umgebracht«, brummte Janitscharen-Jane, während sie die Hände geistesabwesend über ihren Körper wandern ließ, als ob sie ihn auf Anzeichen für Beeinträchtigungen jüngeren Datums überprüfen wollte. »Ich wette, du hast dir nicht einmal die Zeit genommen, ihn vorher ordentlich zu foltern, stimmt's? Nein; dachte ich mir. So, Eddie; warum sind wir alle hier, wer sind all diese Dornröschen, und warum treibst du dich mit der berüchtigten Molly Metcalf herum?«

»Wenn ich auch nur noch eine Person dieses Wort gebrauchen höre …«, sagte Molly düster. »Da verstümmelt man ein paar Rinder, entführt ein paar Aliens, und schon hat man einen Ruf weg …«

»Lassen wir es bitte dabei bewenden!«, sagte ich rasch. »Jane, Molly und ich arbeiten für den Augenblick zusammen. In Angelegenheiten von gegenseitigem Interesse.«

»Als da wären?«, fragte Janitscharen-Jane. »Was könntet ihr beide denn wohl gemeinsam haben?«

»Wir werden zum Zuhause seiner Familie zurückkehren, um ein paar Namen in Erfahrung zu bringen und mit der Faust auf den Tisch zu schlagen«, erklärte Molly vergnügt. »Und möglicherweise den Platz bis auf die Grundmauern niederzubrennen, wenn wir schon dabei sind.«

»Geheimhaltung ist nicht dein Ding, was?«, meinte ich.

»Ihr wollt ins Herrenhaus einbrechen?«, fragte Janitscharen-Jane. »Na, besser ihr als ich! Ich bin schon so oft in die Hölle und zurück gereist, dass sie mir ein spezielles Visum ausgestellt haben, aber in die Nähe des Herrenhauses würde ich trotzdem keinen Fuß setzen. Nicht mal mit einer taktischen Atomwaffe könntet ihr seine Verteidigungsanlagen knacken! Die Chinesen haben es vierundsechzig versucht.«

»Neunzehnhundertfünfundsechzig, um genau zu sein«, korrigierte ich sie.

»Halt die Klappe, Eddie; jetzt bin ich dran!«, fuhr mir Janitscharen-Jane über den Mund. »Tatsache ist, dass das Herrenhaus ernst zu nehmende Verteidigungsanlagen besitzt. Hundert verschiedene Arten, einen Eindringling zu töten, und alle sind auf ziemlich spektakuläre Weise gemein und bösartig.«

»In der Tat«, pflichtete ich ihr bei. »Stimmt haargenau.«

»Was ihr also braucht«, fuhr Janitscharen-Jane fort, »ist ein Dietrich.«

Molly und ich sahen einander an. »Was?«, fragte ich.

»Ihr braucht etwas, das euch durch die Verteidigungsanlagen des Herrenhauses bringt, ohne dass sie auf euch anspringen. Etwas, womit ihr euch durchschleichen könnt.«

»Also, jetzt komm mal wieder runter!«, sagte ich. »So etwas gibt es nicht. Die hervorstechende Eigenschaft der zahlreichen und unterschiedlichen Schutzvorrichtungen meiner Familie ist, dass sie keine Schwachpunkte haben, dass keine Möglichkeit existiert, sie zu überlisten. Meine Familie beschäftigt sich seit Generationen mit dem Entwurf und der Verbesserung ihrer Verteidigungsanlagen, wobei sie es gern übertreiben und ihr Interesse überzogen bösartigen Details widmen. So muss es auch sein, denn sonst hätten uns unsere Feinde schon vor langer Zeit ausgerottet. Wir haben viele Feinde.«

Und dann brach ich in meiner Rede plötzlich ab, denn eine neue Welle des Schmerzes brandete durch meinen Körper. Sie fräste sich in meine Schulter, als ob ich gerade wieder angeschossen worden wäre, ein Schmerz, der so schlimm war, dass ich wider Willen aufschrie, und dann schoss sie hinunter durch meine ganze linke Körperseite. Es tat so sehr weh, dass ich weder atmen noch denken konnte. Ich wankte und wäre gefallen, wären Molly und Janitscharen-Jane nicht da gewesen und hätten mich auf beiden Seiten festgehalten.

»Shaman? Was ist los? Molly, was hat er?«

»Ein Elbenlord hat mit einem Pfeil auf ihn geschossen, der aus fremder Materie gemacht war«, sagte Molly. »Das Zeug steckt immer noch in seinem Organismus und vergiftet ihn. Eddie, kannst du mich hören? Eddie?«

»Mir geht es gut«, sagte ich - oder glaubte ich zu sagen.

»Jesus, er sieht übel aus!«, stellte Janitscharen-Jane fest. »Sollten wir ihn zu einem Heiler schaffen? Ich kenne ein paar gute Leute, die keine Fragen stellen …«

»Das würde nichts helfen«, sagte Molly mit ausdrucksloser Stimme.

»Oh«, meinte Janitscharen-Jane leise. »So sieht's also aus.« Und nach einem Moment sagte sie: »Verdammte Elben! Bösartige kleine Scheißkerle. Okay, fremde Materie … Fieses Zeug, jawohl; andersdimensional … Echt übles Mojo, wenn man's in die Finger bekommen kann, was meistens nicht der Fall ist. Ich selbst habe nie mit dem Zeug zu tun gehabt, aber ich kenne einen Mann, der hat. Es heißt, er kann es sogar direkt vom Ursprung besorgen, wenn nötig.«

Ich zwang Kraft zurück in meine Beine, bis sie gerade wurden und mich wieder tragen konnten, und dann zwang ich meinen Kopf hoch, um Janitscharen-Jane anzusehen. »Wen?«

»Ich glaube, du musst dich hinlegen, Shaman. Ich meine, Eddie.«

»Ich habe keine Zeit. Ich werde mich hinlegen, wenn ich tot bin.« Ich atmete tief durch, unterdrückte die Schmerzen und schob sie durch reine Willenskraft beiseite. Behutsam entzog ich meine Arme Mollys und Janitscharen-Janes Griff, und sofort traten sie zurück, um mir etwas Platz zu geben, ohne mich jedoch aus den Augen zu lassen. Ich spürte kalten Schweiß auf meinem Gesicht trocknen, aber meine Gedanken waren wieder klar. »Jane, wer ist es, der etwas über fremde Materie weiß?«

»Der Blaue Elf.«

»Was?«, rief Molly. »Der? Die Tunte ist ein Säufer ersten Ranges! Dem ist noch nie eine Flasche Alk über den Weg gelaufen und hat es überlebt!«

»Ich habe ihn einmal nüchtern gesehen«, sagte ich. »Er sah schrecklich aus.«

Janitscharen-Jane seufzte laut. »Gerade ihr solltet genug wissen, um hinter die Fassade zu blicken. Ihr wisst doch, warum man ihn den Blauen Elfen nennt, oder?«

»Na klar!«, antwortete ich. »Weil er ständig besoffen ist.«

»Nein! Ich meine, ja, besoffen ist er meistens, aber das ist nicht der Ursprung seines Namens. Er heißt so, weil er ein Halbelb ist.«

»Ach, hör auf!«, sagte Molly. »Sprechen wir von derselben Person? Das nutzlose kleine Arschloch, das immer Getränke im Wolfskopf schnorrt?«

»Er kann kein Halbelb sein«, sagte ich. »Elben pflanzen sich niemals außerhalb ihrer eigenen Art fort. Das ist entschieden verboten, ihr strengstes Tabu.«

»Es gibt immer ein paar, die zu einem anderen Takt tanzen«, sagte Janitscharen-Jane. »Die Elben haben eine ganz bestimmte Bezeichnung für diejenigen, die sich außerhalb des zugelassenen Genpools vergnügen. Sie nennen sie Perverse.«

Molly grinste. »Du meinst, sie sind homosexuelle?«

»Bitte!«, sagte ich. »Wir wollen uns nicht auf dieses Niveau begeben!«

»Der springende Punkt ist«, fuhr Janitscharen-Jane fort, »dass der Blaue Elf einige Elbenfähigkeiten und sogar ein paar direkte Kontakte innerhalb der Elfen hat. Ich wäre bereit, ein hübsches Sümmchen darauf zu setzen, dass er es war, der deinen Elbenlord mit der fremden Materie versorgt hat, um seinen Pfeil zu machen. Also könnte er auch der Mann sein, an den man sich wegen eines Heilmittels wenden sollte. Jedenfalls weiß er mit Sicherheit mehr über die fremde Materie als irgendjemand anders, den ich kenne.«

»Also schön«, sagte ich. Ich fühlte mich besser, für den Augenblick. »Irgendeine Idee, wo er im Moment steckt? Seine alte Wohnung am Leicester Square hat er nach der unglückseligen Episode mit dem Kobold aufgegeben. Was in aller Welt die beiden allerdings aneinander gefunden haben …«

»Danach ist er ziemlich viel durch die Gegend gezogen«, sagte Janitscharen-Jane. »Und es ging rapide bergab mit ihm. Er wollte nicht, dass einer seiner alten Bekannten sieht, was aus ihm geworden war.«

»Haha, als ob uns das gekümmert hätte!«, meinte Molly.

»Nein, euch vermutlich nicht«, stimmte Janitscharen-Jane ihr zu. »Aber ihn. Entscheidend ist aber, dass ich weiß, wo wir ihn finden können. Ich lasse ihm hin und wieder einen Auftrag zukommen, um der alten Zeiten willen. Wenn ihr wollt, kann ich euch direkt zu ihm bringen.«

»Ich will«, bejahte ich. »Aber wir können uns nicht vor aller Augen in London herumtreiben, nicht, solange das Manifeste Schicksal hinter mir her ist. Zu dem gehören übrigens die Dornröschen.«

»Die hast du auch wütend auf dich gemacht?«, staunte Janitscharen-Jane. »Schön für dich! Du steigst weiter in meiner Achtung, Eddie. Ich kann diese Hobbymöchtegernsoldaten in ihren hübschen neuen Uniformen nicht ausstehen! Sie bringen die echten Söldner in Verruf. Wenn man sie in einem richtigen Kriegsgebiet rausließe, würden sie sich wahrscheinlich in die Hosen scheißen, dann eine Meile weit weglaufen und die ganze Zeit über nach ihrer Mami schreien.«

»Könnten wir uns wenigstens bemühen, beim Thema zu bleiben?«, fragte ich ein bisschen wehleidig. »Entscheidend ist, dass es für Molly und mich nicht sicher ist, offen durch London zu reisen, und die Raumportale sind ihr ausgegangen.«

»Tja, wie bin ich hierhergekommen?«, wandte Janitscharen-Jane vernünftig ein. »Wie sind die Arschlöcher vom Manifesten Schicksal hierhergekommen? Sie müssen ein Transportmittel gehabt haben, richtig?«

Wir gingen alle zu dem zerbrochenen Fenster hin und schauten hinaus. Unten auf der Straße standen, in einer Reihe geparkt, drei schwarze Wagen, die mir sehr bekannt vorkamen. Ich musste grinsen.

»Perfekt!«, sagte Molly. »Seht nur, sie haben sogar getönte Scheiben, sodass keiner hineinsehen kann! Niemand wird einem Wagen des Manifesten Schicksals auf Patrouille Beachtung schenken.«

»Also schön«, meinte ich. »Dann wollen wir den Blauen Elfen mal aus dem Schlaf klingeln!«

* * *

Molly bestand darauf, dass wir uns noch etwas Zeit nahmen, um eine angemessen beleidigende Botschaft für diejenigen zu hinterlassen, die die bewusstlosen Soldaten des Manifesten Schicksals einsammeln kommen würden. Also zogen sie und Janitscharen-Jane sämtlichen Soldaten Hosen und Unterwäsche herunter, wobei sie auf laute und sehr unfaire Weise kommentierten, was sie dabei zu sehen bekamen, und arrangierten die ohnmächtigen Männer zu einem erotischen Gänseblumenkränzchen. Dann traten sie zurück, um ihr Werk zu bewundern, und kicherten viel. Gnade denen, die den Frauen in die Hände fallen!

»Ich würde zu gern sehen, wie sie versuchen, das hier ihren vorgesetzten Offizieren zu erklären, wenn die aufkreuzen«, sagte Molly zufrieden, und Janitscharen-Jane nickte feierlich.

Während sie beschäftigt waren, hatte ich meine eigenen Ideen für ein bisschen Unfug. Ich hob Sebastians Telefon ab, das dem Stil der Ära König Eduards nachempfunden war, und rief zu Hause an. Wie immer wurde beim ersten Läuten abgehoben und eine vertraute Stimme meldete sich. Eine, mit der noch einmal zu reden ich nie erwartet hätte.

»Hallo, Penny«, sagte ich. »Rate, wer dran ist?«

Am anderen Ende wurde scharf eingeatmet, doch dann erlangte Pennys gut geschulte Professionalität rasch wieder die Oberhand. »Hallo, Eddie. Von wo rufst du an?«

»Spürt den Anschluss auf«, schlug ich vor. »Bis ihr hier seid, werde ich schon lang weg sein. Aber ihr werdet trotzdem feststellen, dass etwas Interessantes auf euch wartet. Jetzt stell mich zur Matriarchin durch!«

»Du weißt, dass ich das nicht machen kann, Eddie. Du bist offiziell für vogelfrei erklärt worden. Ich bin sicher, dass das alles ein schrecklicher Irrtum ist. Sag mir, wo du bist, und ich werde jemand vorbeischicken, um dich abzuholen.«

»Ich will mit der Matriarchin sprechen!«

»Und sie will nicht mit dir sprechen, Eddie.«

»Aber klar will sie das. Deshalb hört sie auch genau in diesem Moment mit. Sprich mit mir, Großmutter, und ich werde dir von Sebastian erzählen.«

»Ich bin hier, Edwin«, sagte Martha Drood. Ich konnte die Veränderung in der Leitung hören, als sie auf sicheren Modus wechselte. Sie wusste, dass jetzt Dinge zur Sprache kommen würden, die für Penny nicht freigegeben waren. Auch wenn Penny offiziell die Sicherheitsfreigabe für alles hatte.

»Hallo, Großmutter«, sagte ich nach einer Pause. Wir klangen beide ach so zivilisiert, als ob dies nur eine kleine Meinungsverschiedenheit zweier Familienmitglieder sei, nichts, was nicht bei einer netten Tasse Tee beigelegt werden könnte. »Was ist das für ein Gefühl, Martha, mit einem Toten zu sprechen? Was war es für ein Gefühl, den Tod deines eigenen Enkels zu befehlen?«

»Die Familie kommt an erster Stelle, Edwin; das weißt du.« Die Stimme der Matriarchin war ruhig und gelassen. »Ich werde immer tun, was notwendig ist, um die Familie zu beschützen. Und alles, was du tun musstest, war zu sterben, und nicht einmal das hast du richtig hingekriegt, nicht wahr?«

»Ich wäre für dich gestorben, für die Familie«, sagte ich und hielt den Hörer so fest, dass meine Hand schmerzte. »Wenn du mir einen guten Grund gegeben hättest, wenn du mir nur genug vertraut hättest, um es mir zu erklären. Ich liebe die Familie, auf meine eigene Weise. Aber nicht mehr. Du hast mich zum Vogelfreien gemacht, und ein Vogelfreier will ich sein.«

»Warum hast du angerufen, Edwin? Was willst du?«

»Dir von Sebastian erzählen. Der augenblicklich sehr bewusstlos in seiner Wohnung liegt. Wenn du ein paar Leute herschicken würdest, könnten sie ihn einsammeln, solange er bewusstlos ist. Und dann bräuchtest du dir keine Sorgen mehr zu machen über die ganzen Informationspäckchen, die er über euren Häuptern schweben lässt. Du siehst, meinen Krieg führe ich mit dir, Großmutter, nicht mit der Familie.«

»Ich bin die Familie. Ich bin die Matriarchin.«

»Nicht mehr lange«, sagte ich. »Ich habe all deine widerlichen kleinen Geheimnisse ans Tageslicht gebracht, und ich bin wirklich sehr böse auf dich, Großmutter. Wegen dem, was im Namen der Familie getan worden ist. Ich werde nach Hause kommen, und das nicht als der verlorene Sohn. Ich werde nach Hause kommen für die Wahrheit, auch wenn ich die Familie auseinanderreißen muss, um sie zu bekommen. Bis bald, Großmutter!«

Ich hing auf und stand dann einen Moment lang einfach nur da. Meine Hände zitterten. Hätte ich nicht schon gewusst, dass ich sterben würde, so hätte ich jetzt wahrscheinlich Angst gehabt. Ich sah mich nach Molly und Janitscharen-Jane um: Es war ihnen gerade erst eingefallen, den Hosenhaufen der bewusstlosen Soldaten nach den Autoschlüsseln zu durchsuchen.

»Zeit, in die Gänge zu kommen, Ladys! Die Familie wird bald hier sein.«

»In Ordnung«, sagte Molly. »Ich denke, wir haben hier in etwa so viel Schaden angerichtet, wie wir können.«

* * *

Janitscharen-Jane fuhr den großen schwarzen Wagen durch die Straßen Londons, weil sie den Weg wusste und weil sie die Autoschlüssel hatte und sich weigerte, sie herzugeben. Molly saß mit mir auf dem Rücksitz, die Arme fest verschränkt, und schmollte. Sie fühlte sich immer unbehaglich, wenn sie nicht der Chef war. Janitscharen-Jane fuhr viel zu schnell und ständig aggressiv - um unsere Tarnung nicht auffliegen zu lassen, sagte sie -, aber schließlich kamen wir in Wimbledon an und waren alle immer noch an einem Stück. Die meisten Leute verbinden mit dem Namen nur Tennis, aber heutzutage besteht die Bevölkerung in dieser Gegend zu achtzig Prozent aus Einwanderern, die ein florierendes Kleinbetriebswesen aufgebaut haben. Farbenfrohe Plakate in den Schaufenstern priesen ungewöhnliche Produkte auf Hindi und Urdu an, und hier und da wirbelten blauhäutige Nautch-Tänzerinnen zu elektrischer Sitarmusik die Straße entlang. Unser schwarzer Wagen mit seinen getönten Scheiben zog viele kühle und nachdenkliche Blicke auf sich, als wir ruhig durch die engen Straßen fuhren. Irgendwann hielt Janitscharen-Jane vor einem unscheinbaren Schnapsladen an, die Art von Laden, die immer geöffnet hat, rund um die Uhr, und wo immer gerade ein Ausverkauf stattfindet. Wir stiegen aus dem Wagen aus, und Molly und ich schauten Janitscharen-Jane fragend an.

»Der blaue Elf hat eine Wohnung hier, über dem Laden«, klärte sie uns auf. »Macht euch auf was gefasst! Er ist zurzeit nicht übertrieben ordentlich. Und wir müssen durch den Laden gehen, um zur Wohnung zu kommen, also vergesst nicht, wir sind hier, um Mr. Blue zu besuchen!«

»Wieso … hier?«, fragte ich.

»Würdest du hier nach ihm suchen?«, erwiderte Janitscharen-Jane, und ich musste nicken. Da war was dran!

Janitscharen-Jane ging voran in den Spirituosenladen. Die Wände waren vom Boden bis zur Decke vollgestapelt mit allen Arten von Alkohol unter der Sonne; auf vielen Flaschen und Dosen prangten Markennamen, die mir noch nie untergekommen waren. Der Pakistani mittleren Alters hinter dem Tresen grüßte uns fröhlich und nickte schnell, als er hörte, dass wir zu Mr. Blue wollten.

»Selbstverständlich, aber sicher! Hallo, Miss Jane; ich freue mich sehr, Sie mal wieder zu sehen! Mr. Blue ist tatsächlich oben und zu Hause; gehen Sie einfach hoch! Er ruht sich gerade aus, glaube ich; er ist gesundheitlich nicht ganz auf dem Posten. Ich bin sicher, es wird ihm guttun, ein bisschen freundliche Gesellschaft zu haben!«

Er führte uns, immer noch lächelnd, in den hinteren Teil des Ladens. Wir stiegen ein paar schwach erleuchtete Stufen ins nächste Stockwerk hoch und fanden eine Tür mit dem richtigen Namen neben einem Klingelknopf. Die Tür stand ein Stück weit offen. Kein gutes Zeichen. Ich zog meinen Repetiercolt, Janitscharen-Jane zog ihre beiden Faustdolche, und Molly ließ ihr Hexenmesser aus dem Nichts erscheinen. Ich bedeutete Janitscharen-Jane und Molly, dicht hinter mir zu bleiben. Sie ignorierten mich und drängten sich stumm vor, und ich seufzte innerlich. Langsam schob Janitscharen-Jane die Tür auf; sie öffnete sich geräuschlos. Der Raum dahinter war dunkel und schattenhaft, obwohl es noch Nachmittag war. Einer nach dem anderen schlüpften wir in das Zimmer, aufs Schlimmste gefasst, aber nichts hätte uns auf das vorbereiten können, was wir vorfanden.

Der Raum war ein einziges Durcheinander. Ein richtiges Durcheinander. Die Art von Durcheinander, an der man arbeiten muss. Mein erster Gedanke war, dass das Wohnzimmer von Profis auf der Suche nach irgendwas auf den Kopf gestellt worden war, aber schnell wurde klar, dass kein professioneller Agent, der etwas auf sich hielt, sich die Hände mit dem Dreck besudeln würde, der hier überall herrschte. Auf den meisten Flächen kämpften Schmutz und Unrat um die Vorherrschaft, was vom Teppich zu sehen war, war mit Flecken in einem Dutzend Farben besudelt, und auf dem Fußboden bildeten Schutt und Abfall eine Schicht, die so dick war, dass wir uns mit Tritten hindurchkämpfen mussten. In einer Ecke waren alte Kleider zu einem Haufen angewachsen, möglicherweise zum Waschen, wahrscheinlicher aber zum Verbrennen, und Essensverpackungen diverser Restaurants klebten hartnäckig zusammen. Etwas knirschte nass unter meinem Fuß, und ich hoffte aufrichtig, dass es nur eine Kakerlake war. Die Vorhänge waren nicht zugezogen, aber die Fensterscheiben waren dermaßen mit Dreck verschmiert, dass das Nachmittagslicht sich den Weg hindurchkämpfen musste.

Auf jeder Oberfläche standen leere Flaschen, die meisten von India Pale Ale und Bombay Gin. Es gab auch Pillenfläschchen, und zwar nicht die Sorte, die man auf Rezept bekommt. Zerknitterte Alufolie zum Heroinspritzen. Und ein halbes Dutzend Spritzen und daneben ein Feuerzeug zum Sterilisieren der Nadeln. Das Einzige, was darauf noch kommen konnte, war, in einem Pappkarton am Charing Cross Embankment Brennspiritus direkt aus der Flasche zu trinken - vorausgesetzt, der Blaue Elf lebte so lange.

Wir bewegten uns durch das Zimmer, so leise wir konnten. Keine Anzeichen für irgendwelche bösen Jungs, und ich fing schon an, mich zu fragen, ob wir vielleicht weniger nach einer Person als vielmehr nach einer Leiche suchten. Ich stieß die Schlafzimmertür auf, und da war der Blaue Elf. Er lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Bett, schnarchte leise und machte im Schlaf Geräusche mit dem Mund. Wir entspannten uns alle ein bisschen und steckten die Waffen weg. Der Blaue Elf trug nichts außer Boxershorts, die schon ein gutes Stück über ihr Verfallsdatum hinaus waren, und ein Bettelarmband um den linken Fußknöchel. Janitscharen-Jane und Molly und ich führten eine kurze, aber lebhafte Diskussion darüber, wer ihn denn jetzt so lange berühren musste, dass man ihn umdrehen konnte. Wir spielten ein paar schnelle Durchgänge Stein, Schere, Papier, und ich verlor. Ich glaube heute noch, dass sie irgendwie gemogelt haben. Ich packte den Blauen Elfen an seinen überraschend haarigen Schultern, drehte ihn auf die andere Seite und brüllte ihm seinen Namen direkt ins Gesicht. Dann wich ich rasch zurück, denn er setzte sich unter trockenem und stoßweisem Husten kerzengerade in seinem Bett auf.

»Schon gut, schon gut, ich bin wach! Hören Sie auf mit den Gewalttätigkeiten; ich bin empfindlich. Besonders am frühen Morgen!«

»Es ist Nachmittag«, teilte ich ihm mit.

»Für Sie vielleicht. Für mich ist es der Anfang eines neuen Tags, und ich wünschte wirklich, es wäre nicht so. Sie müssen entschuldigen; die alten grauen Zellen sind so früh noch nicht auf der Höhe, wenigstens nicht, bis ich ein paar Tassen Kaffee und einen Glimmstängel intus habe. Nun, wer sind Sie, was sind Sie, und warum schikanieren sie einen armen Elfen zu dieser unchristlichen Stunde? Ich hab mir doch nicht etwa wieder was nach Hause bestellt, oder? Ich hätte schwören können, die Begleitagentur hat gesagt, ich bin nicht mehr kreditwürdig, die Mistkerle.«

Er presste die Augen zu, hustete einen halben Lungenflügel aus und stierte mich anschließend aus getrübten Augen an. Seine Pupillen weiteten sich kurz, als er mich endlich richtig zu sehen bekam, und dann rutschte er mit abwehrend ausgestreckten Händen über die zerknitterten Bettlaken von mir weg, bis er gegen das Kopfbrett stieß und nicht weiterkonnte. Er versuchte zu lächeln, bekam es aber nicht überzeugend hin.

»Eddie! Du bist's! Wenn ich gewusst hätte, dass du kommst, hätte ich ein bisschen aufgeräumt, mir ein bisschen Mühe gegeben … Bedien dich, nimm dir alles, was du möchtest, fühl dich wie zu Hause … O Gott, Eddie, bring mich nicht um, bitte! Ich stelle keine Bedrohung für dich dar!«

»Interessant«, sagte ich. »Eigentlich dürftest du mich nur als Shaman Bond kennen. Du kennst aber meinen richtigen Namen. Wie kommt das, Blue?«

»Ich kann deinen Torques sehen«, sagte er schnell blinzelnd. »Ich bin Halbelb, musst du wissen. Aber natürlich weißt du das; ihr Droods wisst ja alles. Und von mir weiß man, dass ich hier und da gelegentliche kleine Arbeiten für deine Familie übernehme. Das muss ich; sie geben mir Geld. Bring mich nicht um, Eddie, bitte! Sie haben mich dazu gezwungen!«

»In Ordnung, Eddie, lass gut sein!«, sagte Janitscharen-Jane und kam vor und stellte sich neben mich. »Hallo, Blue! Ich bin's, Jane. Diesmal hast du dich aber richtig in Schwierigkeiten manövriert, was? Aus dem Schlamassel kann vielleicht nicht mal mehr ich dich rausholen. Was genau hast du für die Droods gemacht, dessen du dich so schämst?«

»Ah, Jane!«, sagte der Blaue Elf und beruhigte sich ein wenig. »Und auch Molly! Wie nett! Willkommen in meiner bescheidenen Behausung! Entschuldigt das Durcheinander, aber ich lebe hier. Und anscheinend kann ich einfach nicht mehr die Begeisterung aufbringen, um mich noch einen Dreck darum zu scheren. Schrecklich lax von mir, ich weiß, aber so ist das Leben dieser Tage. Mein Leben jedenfalls. Trotzdem bin ich froh, dass ihr da seid. Wenn man schon auf entsetzliche Weise sterben muss, dann ist es um eine Spur besser, wenn es in Gesellschaft seiner Freunde passiert. Könntet ihr vielleicht euren Freund überreden, mich ein paar Kleider anziehen zu lassen? Es wäre mir wirklich lieber, wenn ich meinem Schöpfer nicht nur in Unterhosen gegenübertreten müsste.«

»Zieh dich an!«, sagte ich, wider Willen amüsiert. »Ich bin nicht hier, um dich zu töten, Blue; ich will dir nur ein paar Fragen stellen.«

»Warte, bis du die Antworten hörst!«, meinte der Blaue Elf.

Wir rückten alle ein Stück weit vom Bett weg, und er stemmte sich aus der eingesunkenen Matratze heraus und zog einen arg in Mitleidenschaft gezogenen alten Seidenumhang über. Er fuhr sich mit den Fingern durchs schüttere Haar, nahm sich eine Zigarette aus dem Päckchen neben dem Bett, steckte sie sich mit einer Fingerspitze an und nahm einen tiefen Zug. Daraufhin wurde er von einem erneuten, langen Hustenanfall durchgeschüttelt, der von echt entsetzlichen Geräuschen begleitet wurde, und setzte sich mit grauem und schweißnassem Gesicht wieder aufs Bett. Er schleppte zu viel Gewicht mit sich herum, wie an seinen Hängebacken und seinem Doppelkinn deutlich zu sehen war. Sein Gesicht hatte einen ungesunden Glanz, die Augen waren besorgniserregend blutunterlaufen. Es hieß, er sei zu seiner Zeit ein ziemlicher Stutzer gewesen, damals in den berauschenden Tagen des Glamrocks, aber das Alter hatte es nicht gut mit ihm gemeint. Der Blaue Elf hatte nicht weise, aber zu gut gelebt, und das sah man ihm an. Er mochte einst eine Persönlichkeit gewesen sein, mit der zu rechnen war, aber das war lange her. Dennoch, wenn er auch nur die Hälfte der Dinge getan hatte, die man ihm nachsagte, in und außerhalb des Betts, dann war es ein Wunder, dass er überhaupt noch da war. Vermutlich waren sogar Halbelben nur sehr schwer umzubringen.

»Gott, du siehst grässlich aus!«, sagte Janitscharen-Jane. »Sogar noch schlimmer als dein Zimmer, und das will was heißen.«

»Ich weiß, ich weiß«, sagte Blau, zog noch einmal an seiner Zigarette und unterdrückte einen weiteren Hustenanfall durch schiere Willenskraft. »Betrachtet mich als Halbfabrikat. Ich hoffe immer, wenn ich genug trinke oder genug Sachen zu mir nehme, die schlecht für mich sind, muss ich nicht mehr wieder in diesem schrecklichen Zimmer, in diesem schrecklichen Leben aufwachen. In diesem Loch, das ich für mich selbst gegraben habe, in diesem Bau, in dem ich mich verkrochen habe … Aber ich werde immer wieder wach. Es ist schwierig, einen Elb zu töten, selbst wenn er nach Kräften kooperiert. Sogar einen Halbelb. Gelobt sei mein alter Herr und seine wuchernden Geschlechtsdrüsen!«

»Für jemand, der so entschlossen ist zu sterben, schienst du sehr besorgt zu sein, dass ich hier sein könnte, um dich zu töten«, sagte ich.

»Ich würde es vorziehen, mit etwas Würde zu gehen«, antwortete der Blaue Elf. »Nicht die ganze Zeit über zu strampeln und zu schreien, während du mich in kleine, blutige Brocken verwandelst. Ich weiß, wie ihr Droods arbeitet.«

»Aber wieso willst du überhaupt sterben?«, fragte Molly. »Wenn dir dein Leben nicht gefällt, dann ändere es doch, kremple es um! Noch ist Zeit.«

Der Blaue Elf lächelte sie nachsichtig an. »Ach, da spricht der Optimismus und die Unschuld der Jugend! Wo das Leben noch voller Verheißungen und Möglichkeiten scheint. Aber niemand liebt einen Schwulen, wenn er fünfzig ist. Sie wollen ihren Zauber von einem jüngeren Stück Fleisch. Und mein Zauber ist bedauerlicherweise nicht mehr das, was er einmal war. Er ist verblasst, zusammen mit meinem guten Aussehen … die beide großartig waren, vor langer Zeit einmal. Wisst ihr, ich wurde auf die allerbesten Partys eingeladen. Ich verkehrte mit den ganzen Promis, mein Gesicht war jede Woche in den Hochglanzmagazinen … Aber ach, wir Halbelben erblühen früh und verwelken rasch. Papas teuerste Kräfte waren nie dazu vorgesehen, in einer zum größten Teil menschlichen Form enthalten zu sein … Die Kerze, die doppelt so schnell abbrennt, erweist sich am Ende als kein so tolles Geschäft.

Inzwischen sehe ich nicht mehr gut genug aus, um mich an all die hübschen Jungen und hübschen Dinger zu klammern, die allein das Leben lebenswert machen. Süße junge Dinger kreuzen immer noch in meinem Bett auf, aber nur, wenn ich sie bezahle. Und die Reichtümer, die ich einst besaß, von denen ich glaubte, dass sie ewig halten würden, sind dahin, längst dahin. Für dies … und das. Ich habe mir nie Sorgen um Geld gemacht, bis ich keins mehr hatte. Deshalb muss ich dieser Tage auch jede Arbeit annehmen, die ich kriegen kann. Selbst die Jobs, von denen ich weiß, dass sie später zurückkommen und mich quälen werden.«

»Was hast du getan, Blue?«, fragte ich ihn.

Er blickte mich flehentlich an. »Mir blieb keine Wahl. Einer eurer Leute tauchte völlig unerwartet hier auf. Ich hatte nicht gedacht, dass die Droods von meiner Existenz überhaupt noch wussten, geschweige denn, wo ich zu finden war. Aber er hatte Arbeit für mich, und die Bezahlung war gut. Sehr gut. Und die Drohung, die dahintersteckte, war sehr real. Man sagt nicht nein zu einem Drood. Und weil alles, was er wollte, ein bisschen fremde Materie war … Ich konnte nichts Schlimmes daran finden. Ungewöhnliche Objekte aus anderen Dimensionen zu erwerben ist eine der wenigen Sachen, in denen ich noch gut bin. Es liegt in den Genen, wisst ihr. Vor einigen Jahren habe ich einmal etwas fremde Materie für den Waffenschmied eurer Familie besorgt, und das musste wohl irgendwo in den Akten stehen, denn als sie noch mehr wollten, kamen sie zu mir.«

»Wen haben sie geschickt?«, wollte ich wissen.

»Matthew«, antwortete der Blaue Elf. »Sie schicken immer Matthew, wenn sie nicht bereit sind, ›Scher dich zum Teufel!‹ als Antwort zu akzeptieren.«

»Natürlich!«, sagte ich. »Klar, dass es Matthew war. Er würde alles für die Familie tun. Sprich weiter, Blue!«

Der Blaue Elf blinzelte mich nervös an, denn die Kälte in meiner Stimme war ihm nicht entgangen. Er drückte den letzten Zentimeter seiner Zigarette auf dem Nachttisch aus und versuchte, sich gerade hinzusetzen, wobei er die Hände im Schoß verschränkte, damit sie nicht zitterten.

»Naja«, fuhr er fort, »ich ging angeln. Das ist es, was ich mache. Eine Schnur in die anderen Reiche fallen lassen und sehen, was ich fangen kann. Fremde Materie ist nicht leicht zu finden. Ich nenne sie so, weil ich keinen Schimmer habe, was oder wozu sie eigentlich ist. Sie ist organisch, vielleicht lebendig, vielleicht auch nicht, und sie hat einige … ganz einzigartige Eigenschaften. In den Dimensionen zu fischen kann sehr gefährlich sein, müsst ihr wissen. Man kann nie sagen, ob man nicht versehentlich etwas Großes und Gefährliches an den Haken bekommt, und dann kommt es hoch durch die Ebenen, stinksauer und rachgierig … Aber ich beschaffte Matthew, was er wollte, und er bezahlte noch an Ort und Stelle in bar. Gutes Geld. Viel zu viel, für jemand in meinen beschränkten Verhältnissen. Das war der Moment, wo ich misstrauisch wurde. Aber ich unternahm nichts. Ich hatte neuen Alk und neue Drogen, und … er war schließlich ein Drood. Man legt sich nicht mit den Droods an. Dann hörte ich, dass du von einem Elbenlord angegriffen worden warst, der von den Droods angeworben worden war und einen Pfeil aus fremder Materie benutzt hatte … und da wusste ich Bescheid. Ich fühlte mich schlecht, Eddie; wirklich, richtig schlecht. Ich hatte immer gewusst, dass du ein Drood bist; man kann einen Torques nicht vor Elbenaugen verstecken. Und wir hatten einige gute Zeiten zusammen, im alten Wolfskopf … Du hast mir Drinks spendiert und meinem Gerede zugehört und mich nie ausgelacht. Nachdem ich also gehört hatte … was passiert war … wartete ich darauf, dass du nach mir suchen kommst. Und da bist du. Aber du bist nicht hier, um mich zu töten, nicht wahr? Du willst etwas!«

»Die fremde Materie ist immer noch in meinem Körper«, sagte ich. »Und sie bringt mich um. Kannst du mir ein Heilmittel beschaffen?«

»Nein«, erwiderte der Blaue Elf und sah mir fest in die Augen. »So funktioniert das nicht. Ich muss genau wissen, wonach ich suche, wenn ich angeln gehe, oder ich kann es nicht finden. Und ich weiß nicht annähernd genug über fremde Materie, um irgendeine Vorstellung davon zu haben, was ihr Gegenstück sein könnte. Es tut mir leid, Eddie, wirklich leid. Ich wusste nicht, was sie vorhatten!«

»Hätte es denn etwas geändert, wenn du es gewusst hättest?«, fragte ich.

»Vermutlich nicht«, räumte er ein. »Die Bezahlung war sehr gut.«

»Wie würde dir eine Chance gefallen, dich freizukaufen?«, fragte Molly. »Wie würde es dir gefallen, für uns nach etwas fischen zu gehen?«

»Woran hattet ihr denn gedacht?«, erkundigte sich der Blaue Elf.

»Wir brauchen einen Dietrich, der uns an den Verteidigungsanlagen des Hauses vorbeibringt«, erklärte ich. »Gibt es einen solchen Gegenstand?«

Unvermittelt lächelte er. »Oh, ja! Den gibt es. … Ich warte schon seit Jahren darauf, dass jemand kommt und mich danach fragt. Es ist wirklich ganz einfach; recht elegant sogar. Aber bist du dir auch sicher, dass du das machen willst, Eddie? Wenn erst einmal die Nachricht die Runde macht, dass die Verteidigungsanlagen der Droods durchbrochen worden sind …«

»Soll sie ruhig!«, erwiderte ich. »Soll die ganze Familie zerschmettert werden und verbrennen, wenn es

das ist, was nötig ist, um an die Wahrheit zu gelangen!«

* * *

Wir begaben uns ins angrenzende Zimmer. Der Blaue Elf wühlte sich durch einen Haufen von Abfall und tauchte mit einer ganz gewöhnlich aussehenden Angelrute samt Rolle wieder auf. Die Sorte, die Leute benutzen, wenn sie Angeln nicht als Wettkampfsport, sondern vielmehr zur Erholung betreiben. Dann förderte der Blaue Elf aus dem Nichts ein Messer zutage, zog den linken Ärmel seines Morgenmantels hoch und machte einen flachen Einschnitt direkt über dem Handgelenk. Ich konnte eine ganze Reihe von Narben sehen, die bis zu seinem Ellbogen hochreichten, manche alt und manche nicht; er machte das hier offenbar nicht zum ersten Mal. Goldenes Blut quoll aus dem Schnitt, und er hielt den Arm über die Stelle, die er auf dem Fußboden vor sich freigeräumt hatte. Das Blut tropfte herunter und bildete eine goldene Lache. Als sie ungefähr zehn Zentimeter Durchmesser hatte, drückte der Blaue Elf seine Finger auf den Schnitt und murmelte etwas, und augenblicklich heilte die Wunde zu und hinterließ bloß eine weitere Narbe auf seinem Arm.

Der Blaue Elf zog seinen Ärmel wieder herunter, ohne uns drei, die wir ihn beobachteten, anzusehen, und bellte ein halbes Dutzend Worte auf Altelbisch. Etwas davon bekam ich mit, aber sein Akzent war ungewohnt. Die Lache auf dem Boden erstrahlte plötzlich in einem goldenen Licht und breitete sich aus, bis sie fast einen Meter im Durchmesser maß. Sie sah nicht mehr nach einer Pfütze aus Flüssigkeit aus; in sie hineinzusehen war wie in einen tiefen Brunnen zu blicken, der immer tiefer wurde, je länger man hineinsah. Ich kam mir vor, als ob ich das Gleichgewicht verlöre und zu fallen drohte. Ich griff im selben Moment haltsuchend nach Mollys Arm, als sie nach meinem griff. Ein wenig verschämt lächelten wir einander an. Janitscharen-Jane sah nicht in den Tümpel; sie hielt ihre ganze Aufmerksamkeit auf den Blauen Elfen gerichtet - und beide Faustdolche stoßbereit.

Der Blaue Elf nahm seine Angelrute, vergewisserte sich, dass der Haken fest saß und die Leine reibungslos über die Rolle lief, und ließ dann die Angelschnur in den leuchtenden goldenen Tümpel fallen. Der Haken verschwand, gefolgt von immer mehr Schnur, die der Blaue Elf abspulte.

»Wie weit nach unten geht es?«, wollte Molly wissen.

»Die ganze Strecke«, antwortete der Blaue Elf.

»Es gibt Fragen, da weiß man einfach schon im Voraus, dass man keine Antwort bekommen wird, die einem weiterhilft!«, philosophierte Molly.

»Elbenblut hat viele nützliche Eigenschaften«, sagte der Blaue Elf gelassen, »selbst verdünntes, degeneriertes Blut wie meins. Alle Elben haben ein eingebautes Talent fürs Reisen. Sie können seitlich von der Sonne gehen, sich Zutritt zu anderen Existenzebenen verschaffen, Dimensionen betreten, die ihr und sogar ich uns nicht einmal vorstellen könnten, geschweige denn darin funktionieren. Aber allein das Blut reicht, um Türen zu öffnen und mir zu erlauben, angeln zu gehen. Manchmal nur so zum Spaß, aufs Geratewohl angeln nach allem, was zufällig da ist … manchmal auf Bestellung gegen Bezahlung. Wenn ich mich stark genug konzentriere, kann ich so ziemlich alles finden … und was du brauchst, Eddie, ist ein Confusulum.«

»Ein was?«, fragte ich.

»Ein Confusulum«, wiederholte der Blaue Elf geduldig. »Frag mich nicht, was das ist, denn ich habe keine Ahnung. Das ist ja der springende Punkt. Es verändert nicht tatsächlich etwas, bringt nur alle völlig durcheinander. Es funktioniert auf der Grundlage der Unschärferelation, jenes Ungewissheitsprinzips, das besagt, dass nichts zwangsläufig das oder dort ist, was oder wo es zu sein scheint. Ich hab das erste vor einem Jahr gefunden, ganz zufällig, und ich hab mir vor Angst fast in die Hosen gemacht. Jeder braucht ein paar Gewissheiten in seinem Leben. Ich hab's wieder reingeworfen, aber irgendetwas daran ist in meinem Verstand haften geblieben. Die Verteidigungsanlagen der Drood-Familie basieren auf Gewissheiten: Freund oder Feind, Zutrittserlaubnis oder nicht, die Art von Dingen. Aber das Confusulum wird all diese Gewissheiten aus der Gleichung nehmen. Die Verteidigungsanlagen des Herrenhauses werden so verwirrt sein, dass sie nicht mehr wissen werden, ob sie funktionieren oder nicht, ob du Zutrittserlaubnis hast oder nicht, ja nicht einmal ob du tatsächlich da bist oder nicht. Sie werden so verwirrt sein, dass du mittendurch spazieren kannst, während sie sich immer noch abmühen, zu einem Schluss zu kommen. Bis jemand im Herrenhaus bemerkt, dass ihre Verteidigungsanlagen gerade einen schwerwiegenden Nervenzusammenbruch gehabt haben, wirst du schon drin sein.

Für das Confusulum gibt es keine hundertprozentige Garantie; seine Ungewissheit findet sogar auf seine eigene Natur Anwendung. Es lässt sich also nicht exakt sagen, wie seine Auswirkungen aussehen oder wie lange sie andauern werden. Aber weil ich der Einzige bin, der jemals einem Confusulum begegnet bin, kannst du sicher sein, dass deine Familie keine spezielle Verteidigung dagegen besitzt.«

Er angelte noch eine Weile auf gut Glück, einfach um sich in Stimmung zu bringen, und Molly, Jane und ich saßen mehr oder weniger geduldig um den goldenen Tümpel herum und sahen zu. Ich hatte Schwierigkeiten, mich an den Gedanken zu gewöhnen, dass ich schon so bald heimgehen konnte und dass die berüchtigten Schutzvorrichtungen meiner Familie so einfach zur Seite geschoben werden konnten. Und alles wegen eines kleinen Mannes, der einen Groll hegte und nur darauf gewartet hatte, gefragt zu werden.

Das Erste, was er aus dem Tümpel herauszog, war ein Siebenmeilenstiefel mit einem Loch in der Seele, gefolgt von einer kleinen, schwarz lackierten Puzzleschachtel, einem ausgestopften Mumintroll und der Statue eines schwarzen Vogels. Der Blaue Elf warf alles zurück, und dann stierte er mit einem Ausdruck grimmiger Konzentration in den Tümpel. Seine Augen quollen hervor; in einem starren Blecken zogen sich seine Lippen von seinen zusammengebissenen Zähnen zurück. Schweißperlen traten ihm überall auf das vor Anstrengung verzerrte Gesicht. Plötzlich gab es einen Ruck an der Angelschnur, der kleine, langsame Wellen über die Oberfläche des leuchtenden Tümpels sandte. Der Blaue Elf stieß einen tiefen Atemzug aus und begann, die Schnur langsam einzuholen. Er ließ sich Zeit, ließ einen leichten, aber konstanten Druck auf der Schnur, und starrte so gespannt auf die Oberfläche, dass er nicht einmal mehr atmete. Und schließlich zog er etwas aus dem goldenen Tümpel heraus.

Ich könnte Ihnen nicht genau sagen, was es war. Es hing am Haken, krümmte und wand sich wie ein lebendiges Wesen, auch wenn ich auf einer tiefen, instinktiven Ebene wusste, dass es nicht lebte und auch nie leben konnte. Von einem Moment auf den anderen veränderte es Größe und Farbe, Form und Textur, während seine Dimensionen rein und raus und hin und her schnellten. Es sah aus wie all das, was man aus den Augenwinkeln heraus sieht, wenn man gerade erst aufgewacht und noch halb am Schlafen ist.

»Schnell!«, sagte der Blaue Elf mit vor Konzentration verzerrter Miene. »Ich habe es für dich hergeholt, Eddie, deshalb liegt es an dir, ihm eine Gestalt in dieser Dimension zu geben. Lege ihm eine einzige Natur auf, damit es hier überleben kann. Die Verbindung, die du herstellst, wird zur Folge haben, dass es dir und nur dir dient. Aber mach schnell, bevor es zu etwas wird, dessen Anblick wir mit unseren menschlichen Augen nicht ertragen können!«

Ich konzentrierte mich auf das erste Bild, das mir in den Sinn kam. Es tauchte plötzlich in meinem Kopf auf: ein einfaches, kreisrundes Abzeichen, das ich vor Jahren in einem alten Headshop in der Denmark Street gesehen hatte, ein weißes Abzeichen mit dem Aufdruck Go Lemmings Go. Und einfach so war das sich windende, entnervende Ding am Haken verschwunden, und auf meinem Handteller lag das Abzeichen. Es sah ganz normal aus und fühlte sich auch so an, ganz unschuldig. Ich steckte es vorsichtig ans Revers meiner Jacke.

»All die Dinge, die du hättest wählen können!«, sagte Molly. »Alles von Excalibur bis hin zur Heiligen Handgranate von Antiochia, und du musstest dir das da aussuchen! Die Funktionsweise deines Verstands bleibt mir ein völliges Rätsel, Eddie.«

»Das ist das Netteste, was du mir je gesagt hast«, antwortete ich, und wir lächelten beide.

»Seid ihr beide etwa zufällig miteinander verbandelt?«, fragte Janitscharen-Jane plötzlich.

»Wir haben uns noch nicht entschieden«, sagte ich.

»Wir arbeiten noch daran«, sagte Molly.

»Wir sind … Partner, bei dieser speziellen Unternehmung.«

»Komplizen.«

»Oder möglicherweise ein Selbstmordpakt.«

»Ihr zwei verdient einander«, stellte Janitscharen-Jane kopfschüttelnd fest.

Keinem von uns war aufgefallen, dass dem Blauen Elfen versehentlich die Angelschnur wieder in den Tümpel gefallen war. Er schrie jäh auf, als etwas von unten den Haken packte und heftig an der Schnur zerrte. Der Blaue Elf wurde fast nach vorn gezogen, und die Schnur surrte über die Rolle, bis sie sich ganz abgespult hatte. Wieder drohte der Blaue Elf mit einem Ruck nach vorn gezerrt zu werden, aber er hielt verbissen fest.

»Was hast du erwischt?«, fragte ich. »Worauf hattest du dich konzentriert?«

»Ich hatte an gar nichts gedacht! Ich hab das nicht gefangen; es hat mich gefangen!«

Ich drückte auf den Knopf meiner Umkehruhr, und nichts passierte. Ich drückte nochmal auf den Knopf, und immer noch nichts. Ich schüttelte die Armbanduhr energisch.

»Oh, Scheiße!«, sagte ich.

»Es klingt so viel hilfloser, wenn er das sagt«, bemerkte Janitscharen-Jane.

»Er hat in letzter Zeit viel Übung gehabt«, meinte Molly. »Was ist los, Eddie?«

»Anscheinend habe ich die Umkehruhr kaputt gemacht«, antwortete ich. »Oder ihre Batterien aufgebraucht, oder womit zum Teufel das verdammte Ding auch immer läuft. Ich nehme an, ich habe ihr zu viel abverlangt, als ich sie gezwungen habe, dich zu retten.«

»Dann ist es also meine Schuld?«, fragte Molly.

»Immer«, erwiderte ich lächelnd.

Wir alle sahen zu, wie der Blaue Elf mit der Angelrute kämpfte und die straff gespannte Schnur über den Tümpel hin und her ruckte. Plötzlich zerriss sie, und der Blaue Elf taumelte zurück. Und etwas Gewaltiges und Langes und unmenschlich Starkes brach aus dem goldenen Tümpel und griff nach ihm. Es war ein einzelnes Tentakel von dunkelvioletter Farbe, bestückt mit Reihen von Saugnäpfen voller knirschender Zähne. Immer mehr davon brach aus dem Tümpel und schnellte hin und her.

»Schafft euch hier raus!«, brüllte der Blaue Elf. »Ich erledige das!«

»Sei kein verdammter Idiot!«, brüllte Janitscharen-Jane zurück. »Damit kannst du nicht allein fertig werden!«

»Es ist durch mein Blut gekommen«, sagte der Blaue Elf grimmig. »Deshalb kann nur ich es wieder nach unten schicken. Geht! Ihr habt etwas zu tun. Etwas Wichtiges. Das hier … ist meine Angelegenheit. Kein verfluchtes Wesen aus den unermesslichen Tiefen wird mich in meinem eigenen Zuhause besiegen! Wenn ihr jetzt bitte alle verdammt noch mal euren Hintern hier rausbewegen würdet, damit ich mich konzentrieren kann? Und Eddie - lass deine Familie bezahlen! Für das, was sie dir angetan haben, und für das, was sie mir angetan haben!«

Unaufhörlich drängte sich das Tentakel ins Zimmer hinein, Meter um Meter, und drückte gegen die Ränder des Tümpels, der es einschloss. Der Blaue Elf warf seine Angelrute zur Seite und zeichnete mit tanzenden Händen uralte Symbole und astrologische Zeichen in die Luft, die helle, leuchtende Schweife hinterließen. Er sang etwas in einer so alten Form von Elbisch, dass ich nicht einem Wort von zehn folgen konnte. Rings um ihn sprühte und knisterte Magie, und zum ersten Mal sah ich ein Lächeln auf seinen Zügen. Ein kaltes, unmenschliches Lächeln.

Molly, Janitscharen-Jane und ich ließen ihn dort am Rand des goldenen Tümpels stehen, wo er dem monströsen Wesen trotzte, das nach ihm angeln gekommen war. Ich ließ ihn dort, weil ich wichtige Dinge zu tun hatte und weil … es das einzige Geschenk war, das ich ihm für seine Hilfe machen konnte. Eine Chance, allein gegen einen furchteinflößenden Feind zu stehen und entweder seinen Stolz zurückzugewinnen … oder den schönen Tod zu erlangen, nach dem er sich so sehnte. Ich blickte noch ein letztes Mal zu ihm zurück, bevor ich die Tür schloss: Groß und stolz und mächtig stand er da in seiner Magie, und zum ersten Mal war es überhaupt nicht schwer, den Elb in ihm zu sehen.

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