Kapitel Sieben Höllenhunde auf meiner Spur

Im Leben jedes Frontagenten gibt es Momente, wo er überzeugt ist, dass seine Tarnung aufgeflogen ist und die Augen der Welt plötzlich auf ihn gerichtet sind. Normalerweise, weil jemand auf ihn schießt. Dieses Gefühl hatte ich von dem Augenblick an, seit ich das Herrenhaus und seine vielen Schutzvorrichtungen hinter mir gelassen hatte. Mit der Seele Albions in ihrem mit Blei ausgekleideten Behältnis in meinem Armaturenbrettfach kam ich mir vor, als ob mir jemand eine Zielscheibe auf den Wagen gepinselt hätte und vielleicht noch ein blinkendes Neonschild mit der Aufschrift: Beklaut diesen Idioten jetzt! Ich lenkte den Hirondel zurück über die gewundenen Landsträßchen und wieder auf richtige Straßen. Kühe im Feld sahen mir beim Vorbeifahren zu und folgten mir mit ihren Köpfen, als ob selbst sie wüssten, was ich mit mir führte. In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie etwas derart Wichtiges befördert. Es fühlte sich an, als ob noch jemand anderes im Auto bei mir sei. Weiler wichen kleinen Dörfern, die ihrerseits Marktflecken Platz machten, und bald darauf war ich wieder auf der M4 und in südlicher Richtung nach Stonehenge unterwegs.

Der Nachmittag war angenehm warm und die Brise, die mir das Haar zerzauste, erfrischend kühl. Es gibt viel, was für ein Cabrio spricht. Für einen Sommernachmittag herrschte nicht viel Verkehr, und ich fuhr so vor mich hin und hörte mir dabei eine Mary-Hopkin-Zusammenstellung im CD-Spieler an. Ich war seit Jahren nicht mehr in Stonehenge gewesen, das letzte Mal im Rahmen einer organisierten Klassenfahrt. Anscheinend war der historische Steinring inzwischen hinter Einfassungszäunen und Stacheldraht abgeschottet, um das Publikum in respektvoller Entfernung von so einem wichtigen nationalen Denkmal zu halten. (Gar nicht so unvernünftig; in viktorianischen Zeiten hatten sie einem auf dem Weg hinein Hammer und Meißel verkauft, damit man sich selbst sein Andenken zum Mitnachhausenehmen raushauen konnte.) Trotzdem bezweifelte ich, dass sie etwas hatten, was mich draußen halten könnte. Und niemand sieht mich, es sei denn, ich will gesehen werden, wissen Sie noch?

Plötzlich fiel mir auf, dass mir schon eine ganze Zeit lang kein Auto mehr entgegengekommen war. Vor mir war kein Verkehr, und ein schneller Blick in den Rückspiegel bestätigte, dass auch nichts hinter mir war, so weit ich sehen konnte. Es sah so aus, als hätte ich das ganze Stück Autobahn für mich allein. Und die Chancen, dass das um diese Tageszeit oder auf so einer viel befahrenen Strecke der Fall war, waren … fantastisch gering. Ich stellte den CD-Spieler ab und trommelte mit den Fingern nachdenklich auf dem Lenkrad herum. Ich wurde in einen Hinterhalt gelockt.

Die Frage war: Waren sie bloß hinter einem Drood-Agenten her oder wusste jemand, was ich transportierte?

Ich sprach innerlich die Worte, und binnen eines Moments umhüllte mich das lebende Metall und beschirmte mich hinter meiner goldenen Rüstung vor aller Gefahr. Ich vergewisserte mich, dass der Repetiercolt ausreichend locker in seinem Schulterhalfter unter der Rüstung steckte, und blickte um mich. Immer noch nichts vor mir und nichts hinter mir und zu beiden Seiten der Straße, nur leere Felder. Plötzlich plärrte im Wageninneren ein Alarm los, der mich zusammenzucken ließ, und auf meinem Armaturenbrett erschien ein blinkender roter Pfeil, der geradewegs nach oben zeigte. Ich sah hoch, und da waren ein halbes Dutzend schwarzer Hubschrauber, die völlig lautlos in enger Formation direkt über mir flogen. Ohne das Aufklärungssystem meines Wagens hätte ich nicht gemerkt, dass sie da waren, bis es zu spät gewesen wäre. Ich hatte gar nicht gewusst, dass mein Auto das konnte. Eins zu null für den Waffenschmied, und danke, Onkel Jack!

Ich bremste hart, und die schwarzen Hubschrauber schossen überrumpelt über mich hinweg. Sie drehten in einem weiten Kreis um, immer noch völlig geräuschlos, und hielten genau auf mich zu. Sie sahen wie tückische, ungelenke Insekten aus. Zwei der vorderen Helikopter eröffneten mit Maschinengewehren das Feuer und beharkten die Straße zu beiden Seiten des Hirondels, dass der Schotter nur so durch die Luft spritzte, und versuchten, mich so einzuschüchtern, dass ich anhielt. Ich drückte den Fuß wieder runter, und der Hirondel sprach begierig an und brauste vorwärts. Die Hubschrauber waren jetzt hinter mir, während ich dahinraste, doch schon beschrieben sie, ohne ihre perfekte Angriffsformation aufzugeben, einen Kreis, um mir zu folgen. Einer feuerte eine Rakete ab, die an mir vorbeifegte und in der Straße vor mir explodierte. Ich riss das Lenkrad herum, um dem Krater auszuweichen, und der Wagen bohrte sich mitten durch Rauch und Flammen und tauchte auf der anderen Seite wieder auf. Die Rüstung schützte mich vor der Hitze und vorm Einatmen des Rauchs, aber das war alles, was sie tun konnte, für den Augenblick. Die Stärken der Rüstung waren in erster Linie defensiver Natur. Außer wenn ich jemanden in die Finger bekam.

Ich presste das Pedal so fest aufs Blech, dass mein Fuß schmerzte, und der Hirondel donnerte mit freudig röhrendem Motor über die Autobahn. Weitere Raketen schlugen links und rechts von mir ein, und die Detonationen schüttelten den Wagen durch, aber ich ließ mich nicht bluffen. Sie konnten es sich nicht leisten, den Wagen einfach in die Luft zu jagen, denn dann würden sie riskieren, die Seele zu beschädigen. Die schwarzen Helikopter hielten mein Tempo mühelos mit und formierten sich rings um mich. Die Gedanken überschlugen sich in meinem Kopf, um einen Ausweg aus dieser Falle zu finden, aber hauptsächlich stellte ich mir die Frage: Weshalb sind die verdammten Men in Black hinter mir her? Es war mehr als drei Jahre her, seit ich im Auftrag der Familie in Area 52 eingebrochen war. Und außerdem hatte ich nur ein paar Sachen mitgenommen … Konnte es sein, dass Mr. President immer noch sauer wegen der Sache in der Harley Street war und einen Gefallen von seinem amerikanischen Amtskollegen eingefordert hatte? Wie kleinkariert von ihm! Da versucht man, jemandem aus der Patsche zu helfen …

Kugeln bestrichen eine Seite des Hirondels und durchschlugen das dicke Metall, warfen mich im Fahrersitz hin und her und zwangen das Auto quer hinüber auf die andere Spur. Ich musste mit dem Lenkrad um die Kontrolle über den Wagen kämpfen und schrie die ganze Zeit über den Hubschrauberpiloten Obszönitäten zu. War denen denn nicht klar, dass der Hirondel ein klassisches Auto war, eine echte Antiquität und für sich allein ein Kunstwerk? Man macht keine Einschusslöcher in ein Kunstwerk! Verdammte Banausen! Na schön! Genug war genug! Ich war jetzt verärgert. Mit wem zum Teufel glaubten die sich eingelassen zu haben? Ich schlug auf einen der versteckten Schalter des Waffenschmieds, und eine Schalttafel klappte auf und enthüllte einen großen roten Knopf. Ich drückte meinen Daumen fest darauf, und ein elektromagnetischer Impuls ging strahlenförmig vom Wagen aus und klatschte alle sechs schwarzen Helikopter vom Himmel wie die Hand Gottes.

Sie trudelten unbeholfen auf den Erdboden, als ihre sämtlichen elektrischen Systeme abstürzten und gegrillt wurden, und es gereichte ihren Piloten zur Ehre, dass nur zwei beim Aufprall explodierten. Dichter schwarzer Qualm stieg in Ringen in den blassblauen Himmel hoch, während ich weiter die Autobahn entlangbretterte und goldene Fäuste in die Luft schlug. Normalerweise feiere ich meine Abschüsse nicht, aber die hier hatten mich ernsthaft sauer gemacht. Mich umzubringen war eine Sache, die Seele Albions zu stehlen eine andere - aber einen Klassiker wie den Hirondel mutwillig zu beschädigen … Die Hölle war noch zu gut für sie!

(Muss ich wirklich erklären, dass das Auto vor seinem eigenen EMP abgeschirmt ist? Der Waffenschmied ist ja schließlich kein Idiot!)

Ein halbes Dutzend Autos kamen von einer Auffahrt auf die Autobahn geschossen, und ich entspannte mich ein wenig, denn ich nahm an, dass ihre Anwesenheit hieß, dass der Angriff zu Ende war und der normale Verkehr wieder einsetzte. Ich hätte es besser wissen müssen. Fast sofort fiel mir auf, dass die Farbe jedes Autos ein grelles Scharlachrot war, das wie Lippenstift glänzte, und keins davon war ein Modell oder eine Ausführung, die mir vertraut war. Es war etwas Merkwürdiges, etwas Schlechtes an diesen sechs scharlachroten Autos, als sie sich von hinten an mich heranschlichen. Noch immer fuhr ich den Hirondel auf Hochtouren, aber es bereitete ihnen keine Probleme, aufzuholen. Es waren alles lange Limousinen mit altmodischen hohen Heckflossen, und sie bewegten sich zügig an mich heran und neben mich und hielten mein Tempo mühelos mit wie jagende Katzen. Zum ersten Mal bekam ich sie gut zu sehen, von Nahem, und es überlief mich kalt. Meine Nackenhaare sträubten sich. Ich konnte den Fahrer des Autos rechts von mir sehen, und das Auto wurde von einem toten Mann gesteuert! Er war schon eine Zeit lang tot, sein graues Gesicht geschrumpft und ausgetrocknet, fast wie das einer Mumie. Seine ausgedörrten Hände waren ans Lenkrad genagelt, das sich von selbst bewegte.

Das waren keine Autos. Das waren AUTOpsisten.

Ich hatte von ihnen gelesen, hatte von anderen Agenten über sie gehört, aber ich hatte noch nie einen aus der Nähe gesehen und war auch nie erpicht darauf gewesen. AUTOpsisten sind empfindungsfähige, fleischfressende Autos mit bewusstem Verhalten. Manche sagen, dass sie ursprünglich aus einer anderen Dimension stammen, wo Autos sich entwickelten und Menschen ersetzten, und manche sagen, dass sie sich hier entwickelt haben, uralte Räuber, die gelernt hatten, wie Autos auszusehen, damit sie unbemerkt Jagd auf Menschen machen konnten. Sie durchpirschen die Autobahnen und folgen müden Seelen, die in den frühen Morgenstunden allein unterwegs sind. Die AUTOpsisten umzingeln sie, trennen sie vom Rudel, suchen sich dann eine abgeschiedene Stelle und drängen ihre Beute von der Straße ab. Und dann fressen sie …

Aber was zum Teufel hatten so viele AUTOpsisten hier zusammen am helllichten Tag bei strahlendem Sonnenschein zu suchen? Vermutlich konnte ein Preis wie die Seele Albions selbst Dämonenautos in Versuchung führen. Meine Mission war nicht länger ein Geheimnis; es gab einen Verräter in der Familie, und er hatte uns alle verkauft.

Die AUTOpsisten drängten sich zu beiden Seiten an mich heran und rammten mich hart, zuerst von links und dann von rechts. Der Hirondel absorbierte die Stöße und fuhr einfach weiter. Robuster alter Wagen. Ich konnte sehen, wie die Toten in ihren Fahrersitzen schwankten und ihre augenlosen Köpfe hin und her baumelten. Ein anderer AUTOpsist rammte den Hirondel von hinten und warf mich in meinen Sitz zurück. Noch zwei Stöße, rechts und links, härter jetzt. AUTOpsisten spielen gern mit ihrem Fressen. Der zu meiner Linken öffnete langsam die Haube; höhnisch hob sich das blutrote Metall und zeigte mir einen rosa glitzernden Rachen und Reihen mahlender Stahlzähne in seinem Innern. Er war hungrig, und er lachte mich aus.

Unter dem Schutz meiner goldenen Rüstung schwitzte ich. Ich spürte, wie es mir übers Gesicht lief. Ich war mir ziemlich sicher, dass das lebende Metall den AUTOpsisten gewachsen war, aber es konnte nichts tun, um den Hirondel zu beschützen. Und ich brauchte den Wagen, wenn ich die Seele sicher nach Stonehenge schaffen wollte, das noch eine gute Autostunde schneller Fahrt entfernt war. Schon konnte ich feststellen, wie die Auswirkungen der Nähe der AUTOpsisten sich am Hirondel manifestierten: Jeder Teil des Wagens sah älter, matter, ja sogar schäbig aus. AUTOpsisten konnten wie Blutsauger jedem Auto die Lebenskraft entziehen, seinen Alterungsprozess beschleunigen, bis seine Funktionen versagten oder es infolge von Materialermüdung auseinanderzufallen begann. Und dann drängten die AUTOpsisten es von der Straße ab und taten sich an Fahrer und Insassen gütlich. AUTOpsisten existieren, indem sie andere Autos austrocknen, aber noch mehr als das lieben sie ihre menschliche Beute.

Es sind Fleischjunkies.

Der Hirondel war mit zahlreichen Extras ausgestattet, aber letzten Endes war er doch nur ein Auto und so verwundbar wie jedes andere Auto auch. Und die AUTOpsisten kamen verdammt dicht heran. Sie stießen und rammten mich jetzt fast unaufhörlich von beiden Seiten, rempelten mich an wie Schläger auf dem Schulhof, nur weil es ihnen Spaß machte. Zeit, ihnen zu zeigen, wer hier der Achthundert-Pfund-Gorilla war. Ich ließ meine linke Hand über die spezielle Kontrolltafel des Waffenschmieds wandern. Ich bezweifelte, dass der EMP bei den AUTOpsisten funktionieren würde, selbst wenn er sich inzwischen wieder aufgeladen hätte; sie waren zu anders, zu fremdartig, zu lebendig. Also setzte ich stattdessen die rückwärtigen Flammenwerfer ein. Zwei Ströme tobenden Feuers schossen aus dem Heck des Hirondels, und ein dichter Flammensturm hüllte den AUTOpsisten hinter mir ein. Das Dämonenauto schrie gellend, warf sich wild von Seite zu Seite und fiel zurück. Das Feuer hatte es ergriffen; der AUTOpsist brannte lichterloh, und Rauch und Flammen schlugen in den Himmel.

Ich stieg hart auf die Bremse und die Reifen des Hirondels kreischten, als meine Geschwindigkeit um die Hälfte sank. Die beiden AUTOpsisten rechts und links von mir schossen überrumpelt an mir vorbei, und ich eröffnete das Feuer auf sie mit der Elektrokanone, die direkt über der vorderen Stoßstange angebracht war. Mit einer Ausstoßrate von tausend Schuss pro Sekunde bestrichen Explosivnadelgeschosse beide Autos und durchsiebten das Dämonenmetall. Ein AUTOpsist explodierte und überschlug sich Heck über Front entlang der Autobahn, bis er schließlich rutschend zum Stillstand kam. Der andere setzte seinen Weg in Schlangenlinien fort und hinterließ lange Öl- und Blutspuren. Ich hielt weiter mit dem Bordgeschütz drauf, bis auch er schließlich explodierte und sich auf der anderen Seite des Seitenstreifens ins Gras bohrte.

Drei erledigt, blieben noch drei.

Aber die anderen AUTOpsisten hatten genug. Sie machten langsamer und nahmen die nächste Ausfahrt, nicht gewohnt an Beute, die zurückschlug. Ich brauste weiter und überprüfte mein Inventar. Die Flammenwerfer hatten den Großteil ihres Brennstoffs aufgebraucht, die Kanone hatte fast keine Munition mehr, aber der EMP war wieder voll aufgeladen und einsatzbereit. Ich durchstöberte das Handschuhfach nach meinen Karten. Jetzt, wo meine Deckung aufgeflogen war, musste ich so schnell wie möglich von der Autobahn runter, die Seitenstraßen und umständlichen Routen benutzen, die ein Feind vielleicht nicht kannte. Und ich musste anhalten und ein Festnetztelefon finden, damit ich meine Familie kontaktieren und sie wissen lassen konnte, was passiert war. Meinem Handy konnte ich nicht trauen; meine Feinde zapften vielleicht das GPS an. In einer verflixt verpfuschten Lage wie dieser war ich mir nicht zu schade, um Verstärkung zu bitten. Und dann gingen die Alarme des Wagens erneut los, und als ich aufsah, erblickte ich Elbenlords, die auf ihren Drachen auf mich zugeflogen kamen.

Mit Elben hätte ich rechnen müssen. Sie würden ihre Seelen verkaufen, die sie nicht haben, um die Seele Albions in die Finger zu kriegen, um mit ihrer Hilfe die Menschen zu vernichten, die sie von den uralten Besitztümern ihrer Vorfahren vertrieben hatten. Nicht durch Krieg oder Zermürbung, sondern einfach, indem sie sich schneller vermehrt hatten. Die Elben hassen uns, weil wir durch Mogelei gewonnen haben. Ich konnte ihr Gelächter im Wind hören, kalt und grausam und kapriziös.

Es waren zwanzig Drachen, und keiner davon war das würdevolle, romantische Tier der Mythen und Legenden. Das hier waren große Würmer, zehn bis zwölf Meter lang, mit nassen, glänzenden, segmentierten Leibern und mächtigen membranösen Fledermausflügeln. Sie drängten sich mit roher Gewalt durch den Himmel, hässlich und unrühmlich; ihre platten Gesichter bestanden aus einem Ring dunkler, ungerührter Augen, die ein Saugmaul wie das eines Neunauges umgaben. Rittlings auf ihren dicken Hälsen, in altertümlichen Sätteln, die mit gegerbter Menschenhaut bezogen waren, saßen die Elbenlords und -ladys. Schön und erhaben, bösartig und gemein, menschlich von Gestalt, doch nicht von Denken, ritten sie mit Lachen auf ihren farblosen Lippen zum Gemetzel und sangen uralte Jagdlieder über die Herrlichkeit des Leidens und des Tötens.

Sie kamen direkt auf mich zu und bewegten sich so schnell, dass sie erst über und dann hinter mir waren, bevor ich auch nur Zeit hatte zu reagieren. Sie schossen durch die Lüfte, die Meute in wilder Jagd, und die Lords und Ladys schleuderten mit ihren bloßen Händen Blitze auf mich herab. Die Blitze schlugen vor mir in der Straße ein, sprengten Krater heraus und rissen den Straßenbelag auf. Ich drückte den Fuß aufs Gas und riss den Wagen hin und her, um den größeren Löchern auszuweichen. Die Drachen pflügten über und neben mir durch die Luft, nahmen sich Zeit, genossen die Jagd. Erprobten, wie dicht sie ans Auto herankommen konnten, ohne es dabei zu berühren. Die fortwährenden Explosionen der Blitze waren ohrenbetäubend und das gleißende Licht so hell, dass ich vorübergehend geblendet war, sogar durch den Schutz der Rüstung. Ich konnte hören, wie der Motor des Hirondels das Letzte aus sich herausholte. Ich versuchte zu überlegen, was ich hatte, womit ich die Elben und ihre Drachen oben im Himmel erreichen konnte. Ein Blitzstrahl traf die Motorhaube des Hirondels und sprengte in einem Augenblick die gesamte Farbe weg, und unter dem Einschlag verriss es den Wagen, sodass er blindlings über den Mittelstrich und wieder zurück geschleudert wurde. Nur die gepanzerte Kraft in meinen Händen hielt das Lenkrad unter Kontrolle, auch wenn dieses selbst allmählich zu einer formlosen Masse wurde.

Ein Drache und sein Reiter kamen direkt auf mich zugeflogen, nur ein paar Fuß über der Straße. Zuerst fragte ich mich, ob er vorhatte mich zu rammen, aber dann sah ich, wie er einen Pfeil auf seinen Bogen legte, und ich lächelte. Ein Pfeil gegen meine Rüstung. Na klar doch! Ich streckte die Hand nach dem Schalter für die Elektrokanone aus, um ihn aus dem Weg zu pusten. Der Elbenlord ließ seinen Pfeil los. Und während meine Hand noch über dem Schalter schwebte, durchschlug der Pfeil meine Windschutzscheibe und meine wunderbare goldene Rüstung und bohrte sich in meine linke Schulter. Ich wurde in meinem Sitz nach hinten geworfen und schrie vor Schock und Schmerz auf und ließ sogar einen Moment lang das Lenkrad los, um den Pfeilschaft mit beiden Händen zu greifen. Er rührte sich keinen Millimeter. Der Wagen schlitterte über die Fahrspuren. Ich zerrte noch einmal an dem Pfeil und schrie vor unerträglichen Schmerzen auf, aber ich konnte ihn nicht bewegen. Der zusätzliche Schmerz machte mir den Kopf frei wie ein Eimer kaltes Wasser ins Gesicht, und ich packte das Steuerrad und brachte den Hirondel wieder in meine Gewalt.

Ich keuchte schwer, und unter meiner goldenen Maske lief mir der Schweiß in Strömen übers Gesicht. Ich konnte fühlen, wie mir unter meiner Rüstung das Blut über Arm und Brust strömte. Jede Bewegung, jeder Atemzug wurde von einem neuerlichen Schmerzstoß begleitet. Ich biss die Zähne zusammen, bis mir die Kiefer wehtaten. Ich stand immer noch unter Schock, und das nicht nur wegen der Schmerzen. Meine Rüstung war unverwundbar. Undurchdringlich. Jeder wusste das. Die Stärke der lebenden Rüstung war die Stärke der Familie. Sie ermöglichte unsere Arbeit, weil keiner unserer Feinde uns etwas anhaben konnte, solange wir das lebende Metall trugen. Nur dass der silberne Schaft, der aus meiner Schulter ragte, ein ziemlich überzeugendes Argument für das Gegenteil war. Das sah den Elben ähnlich, dass sie einen Weg gefunden hatten, uns zu verletzen! Der Schmerz hämmerte in meinem Kopf und störte mich beim Denken, und es bedurfte meiner ganzen Selbstbeherrschung, ihn beiseitezuschieben und mich zu konzentrieren. Es musste doch einen Ausweg aus dieser Situation geben! Ich durfte die Seele Albions nicht preisgeben. Und überhaupt, der Teufel sollte mich holen, wenn ich mich von einem Haufen versnobter, arroganter Elben besiegen ließ!

Ich fuhr weiter, das Gaspedal durchgedrückt, und blinzelte den Schweiß aus meinen Augen. Mein linker Arm war völlig taub und hing schlaff an der Seite herab. Ich untersuchte den Pfeilschaft, der aus meiner gepanzerten Schulter ragte. Er bestand aus einem seltsamen, silbrigen Metall, das schwach leuchtete. Gott allein wusste, aus welchen fernen Dimensionen die Elben es geraubt hatten in dem verzweifelten Verlangen, die eine Substanz zu finden, die eine Drood-Rüstung durchdringen würde. Ich blickte auf und um mich. Obwohl der Hirondel mit Höchstgeschwindigkeit über die Straße schoss, hielten die Drachen das Tempo immer noch mit und schlugen dabei so schnell mit ihren gewaltigen Schwingen, dass diese nur noch verschwommen zu sehen waren. Ihnen davonfahren, sie abschütteln, konnte ich nicht. Also stampfte ich mit beiden Füßen auf Bremse und Kupplung und brachte den Wagen mit kreischenden Rädern und langen Rauchfahnen von verbranntem Gummi zum Stehen. Die Drachen und ihre Reiter fegten weiter, erholten sich aber schnell von ihrer Überraschung und schwenkten herum, um wieder auf mich zuzukommen. Einige legten bereits wieder Pfeile auf die Kerben ihrer Bogen.

Ich drückte die von Kugeln durchlöcherte Tür auf, stolperte aus dem Wagen und musste gegen meinen Willen schreien, denn jede neue Bewegung bescherte mir neue Schmerzen. Mit forschen Schritten stellte ich mich mitten auf die Straße und blickte den herannahenden Drachen entgegen, den linken Arm unbrauchbar an der Seite. Ich konnte jetzt die Gesichter der Elben erkennen mit dem kalten, grausamen Lächeln darauf. Sie lachten mich aus. Ich griff mit meiner goldenen Hand durch meine goldene Rüstung und zog den Repetiercolt aus seinem Halfter. Es war Blut daran von meiner Schulterwunde, und ich schüttelte ein paar Tropfen ab. Ich richtete den Colt auf den nächsten Drachenreiter, und die Waffe erledigte den Rest.

Die kalte Bleikugel traf den Elbenlord genau zwischen die Augen und blies ihm den Hinterkopf fort. Obendrein schoss ich auch dem Drachen in seinen hässlichen Kopf, und er krachte auf die Autobahn und blieb in einer unbeholfenen flatternden Flügelmasse liegen. Ich erschoss alle Elben und alle Drachen, alle bösartigen Lords und gemeinen Ladys und ihre hässlichen Reittiere, und es blieb ihnen nicht einmal Zeit, auch nur einen einzigen Pfeil auf mich abzuschießen. Ich feuerte einfach wieder und wieder und wieder mit dem Repetiercolt, und die Kugeln kamen einfach weiter, und der Revolver schoss nie vorbei. Ein Triumph der Waffenschmiedekunst! Die toten Drachen häuften sich vor mir auf, zuckend und zitternd, während der letzte Rest ihres unnatürlichen Lebens aus ihnen entwich, und kein einziger Elb entkam meiner kalten Wut. Gott segne dich, Onkel Jack!

Vorsichtig setzte ich mich auf die Motorhaube des Hirondels und kam wieder zu Atem. Der Pfeil in meiner Schulter tat immer noch höllisch weh. Ich musste mit der Familie Kontakt aufnehmen. Musste sie veranlassen, einen Säuberungstrupp zu schicken, um die Drachen und Elben fortzuschaffen, bevor Otto Normalverbraucher aufkreuzte und sie sah. Und dann würde die Matriarchin eine steife und sehr formelle Beschwerdeschrift an den Elfenhof schicken müssen, in der sie die Elfen aufforderte, ihre arroganten Nasen nicht in Drood-Angelegenheiten zu stecken, oder es passierte was! Langsam dämmerte mir, dass ich eine ganze Weile gefahren war, während ich um mein Leben gekämpft hatte, und noch immer war kein Verkehr zu sehen. Jemand musste für die Absperrung dieses ganzen Autobahnabschnitts gesorgt haben. Sämtliche Auffahrten zu sperren und jegliche CCTV-Erfassung zu unterbinden, bedurfte beträchtlichen Einflusses. Wie hoch oben in der Familie war dieser Verräter, dass er etwas Derartiges arrangieren konnte? Ja, ich musste zu einem sicheren Telefon. Es der Familie erzählen. Von dem Verräter …

Ich ertappte mich dabei zu nicken, während meine Gedanken sich ein- und ausblendeten, als die Alarme des Autos wieder losgingen. Mit einem Ruck hob ich den Kopf und schaute um mich. Ein dichter Nebel überzog die ganze Autobahn hinter mir, ein grauer, schmutziger Dunst, der schäumte und kochte und an dem nichts Natürliches war. Ich kletterte zurück in den Fahrersitz, biss die Zähne gegen die Schmerzen zusammen und schlug dann mit meiner rechten Faust auf meinen linken Arm, bis etwas Gefühl in ihn zurückkehrte und ich den ersten Gang einlegen konnte. Ich fuhr wieder los, und aus den Nebelschleiern hinter mir kam die Phantomflotte.

Mein erster Gedanke war: Das ist nicht fair! Nicht nach allem, was ich schon durchgemacht habe! … Aber selbst für ein ordentliches Schmollen war ich zu müde, daher konzentrierte ich mich darauf, mein Tempo zu erhöhen. Mein verletzter Arm kreischte mich an, als ich durch die Gänge jagte, aber das war besser als die unheimliche Taubheit. Dank des Schmerzes bekam ich wieder einen klaren Kopf und blieb wütend. Ich würde auf Draht sein müssen, in Hochform, um die Phantomflotte zu erledigen.

Sie fegten über die verlassene Autobahn hinter mir her, Gespenster verunglückter Fahrzeuge, besessen und gefahren von Geistern aus der unermesslichen Tiefe. Halb durchsichtige Autos und Lastwagen und Sattelschlepper und sonst noch alles, was je ein böses Ende auf einer Autobahn genommen hatte. Manche sahen so real aus, wie es realer nicht sein konnte, wohingegen andere nur verschwommene Schemen waren, aber alle trugen die Male der Karambolagen und Brände ihres vorausgegangenen Endes. Zu zahlreich, um sie zu zählen, verfolgten sie mich heulend in bösartigem Rudel, und ihre gespenstischen Motoren röhrten übernatürlich laut. Schwarzer Schwefelrauch quoll aus ihren Auspuffen und Höllenfeuer brannten um ihre quietschenden Reifen. Die Phantomflotte, die Wilde Jagd moderner Zeiten, hungrig nach Seelen.

Der vorderste Wagen fuhr neben mich, hielt mein Tempo mühelos mit. Es war ein Hillman Minx aus den Sechzigern, die Front zerschmettert, die lange Motorhaube eingedrückt wie eine Ziehharmonika. Durch die gesprungenen Seitenfenster konnte ich erkennen, dass das Auto zum Bersten voll von grinsenden Ghulen und Dämonen und Mutantenwesen war. Sie wanden sich wie Maden, die eine Wunde befallen, waberten und wechselten die Plätze und pressten ihre schrecklichen Fratzen gegen die Scheiben, um mich auszulachen. Keine der Waffen des Hirondels könnte diesen Geschöpfen etwas anhaben, denn sie waren nicht wirklich da: Nur Erinnerungen an Fahrzeuge, die einmal waren, und die Wesen von jenseits, die sie erneut in Besitz genommen hatten.

Ein weiterer Wagen kam nach vorn und füllte meinen Rückspiegel aus. Irgendein großes, kastenartiges ausländisches Teil, gefahren von einem vornübergebeugten Dämon mit riesigen, hervorquellenden Augen und einem Rachen voll nadelspitzer Zähne. Wieder und wieder drückte er auf die Hupe, und das tote Auto heulte wie unter Schmerzen. Der Dämon trommelte mit seinen dornigen Händen auf dem Lenkrad herum, völlig gefangen in der Ekstase der Verfolgungsjagd. Und dann peitschte das Gespensterauto vor, fuhr durch das Heck des Hirondels und drang mit seiner toten Form in meinen Raum ein. Eine Welle übernatürlicher Kälte ging seinem Vordringen voraus, die mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Das tote Auto zog auf dieselbe Höhe heran, bis seine gespenstischen Umrisse die des Hirondels überlagerten, und dann legte mir der dämonische Fahrer eine dornige Hand auf die Schulter, geisterte geradewegs durch meine Rüstung und ergriff meine Seele. Ich schrie bei der bloßen Berührung. Der Dämon zog, versuchte meine Seele aus meinem Körper zu zerren, damit sie der Meute, der Phantomflotte, als Beute diene. Eine weitere geraubte Seele, um die Motoren der verfluchten Wagen anzutreiben.

Aber meine Seele war mit meiner Rüstung verbunden, vom Moment meiner Geburt an. Man konnte nicht das eine ohne das andere haben. Und zusammen waren sie stärker als jedes verdammte tote Geschöpf. Die zupackenden gespenstischen Finger rutschten langsam ab, unfähig, weiter festzuhalten. Ich traktierte das Gaspedal, und der Hirondel machte einen Satz nach vorn. Das Geisterauto fiel zurück, und der Dämon heulte empört, weil er um seine rechtmäßige Beute betrogen worden war. Wieder wallten die Schmerzen in meinem linken Arm auf, und ich umklammerte ihn. Der Schmerz bedeutete, dass ich am Leben war. Ich zwang meine linke Hand nach vorn und schlug auf den Notfallstandardknopf am CD-Player. Sofort begann das System eine Aufzeichnung des Exorzismusrituals zu übertragen, gelesen vom letzten Papst im lateinischen Original. Die sonoren Worte dröhnten aus den Autolautsprechern, und augenblicklich fuhr das Gespensterauto aus dem Hirondel aus. Um mich herum und hinter mir fiel die Phantomflotte unter entsetzlichem Kreischen zurück. Einige waren unter der Wucht der heiligen Worte bereits in Auflösung begriffen, schwebten von dannen in langen, gespenstischen Dunststreifen. In meinem Rückspiegel erschienen die dichten, wabernden Nebel wieder, und die Phantomflotte verschwand wieder in ihnen.

Ich fuhr weiter, selbst halb tot hinter dem Steuerrad, und eine Zeit lang hatte ich die Autobahn ganz für mich allein.

Und dann, von oben, kamen die Fliegenden Wundertassen auf mich zu. Und ich war so verletzt und müde und überhaupt stocksauer, dass ich nicht mal langsamer machte. Sollten sie ruhig kommen! Sollten sie ruhig alle kommen, jedes einzelne verfluchte Wesen von oben und unten und dazwischen! Ich hatte gerade einen Lauf und war sauer genug, um es mit der ganzen verdammten Welt aufzunehmen. Die Fliegenden Wundertassen sind höhere Magieanwender, die in fliegenden, untertassenförmigen Artefakten, welche aus ionisierten Plasmaenergien bestehen, durch die Gegend gondeln, aus Gründen, die sie selbst am Besten kennen. Ich persönlich denke, dass sie einfach gern angeben. Sie sind die Aasgeier der paranormalen Welt, stürzen herab, um die Siegesbeute von anderer Leute Schlachten aufzuheben und fortzutragen, was nicht niet- und nagelfest ist. Was, wenn Sie mich fragen, eigentlich ein ziemlich erbärmliches Verhalten ist für eine Gruppe, die für sich in Anspruch nimmt, auf die Beherrschung der Welt aus zu sein.

Erschöpft schaute ich durch meine gesprungene Windschutzscheibe und blickte finster auf die Wundertassen, die durch den Himmel auf mich zuschossen. Das musste ein ganzes Geschwader der verfluchten Dinger sein! Zwanzig, vielleicht dreißig, die breiten Untertassenformen so substanzlos wie Seifenblasen, die sich in verrückten Regenbogenfarben um die im Schneidersitz in der Mitte der Flugobjekte sitzenden Piloten konzentrierten. Ein ganzes Geschwader, dass am helllichten Tag auf mich zugerast kam, kühn gemacht durch die Aussicht auf einen Preis wie die Seele Albions. Und so, wie ich sie kannte, hatten sie gewartet, bis alle anderen sich an mir versucht und mich geschwächt hatten, bevor sie sich selbst bemüht hatten. Ich merkte, wie unter meiner goldenen Maske mein Lächeln sich zu einem Totenkopfgrinsen verbreiterte. Ich mochte am Boden sein, aber ich war nicht k. o. Und ich hatte Waffen und Taktiken und schmutzige Tricks, die ich bis jetzt noch nicht einmal ausprobiert hatte.

Die Fliegenden Wundertassen sind gefährlich, weil sie, wie die Familie, Wissenschaft und Zauberei gleichermaßen ernst nehmen. Sie nehmen beide Richtungen des Wissens bereitwillig an, zwei sehr unterschiedliche Doktrinen, und kombinieren sie auf unnatürliche und unerwartete Weisen, um ein Ganzes hervorzubringen, das weit größer als die Summe seiner Teile ist. Wie zum Beispiel die Plasmauntertassen: von Wissenschaft ersonnen, gesteuert von Magie. Sie kamen herangepfiffen, eine nach der anderen, während sich die Zielerfassungscomputer auf meinen Wagen einschossen. Energiestrahlen krachten vor mir in die Straße und explodierten, und ich warf den Hirondel hierhin und dorthin und wich ihnen so gut es ging aus. Grelle Energien prasselten rings um mich und brannten lange, gezackte Adern in die Fahrbahn. Ein ganzer Begrünungsstreifen stand in Flammen, und ich musste den Hirondel über eine breite Spalte springen lassen, die sich vor mir öffnete.

Zu jedem anderen Zeitpunkt hätte ich mir angesichts so viel überlegener Feuerkraft wahrscheinlich vor Angst in die Hosen gemacht, aber nach allem, was ich bereits durchgemacht hatte, waren die Untertassen eher lästig als sonst was.

Die Straße explodierte, direkt vor mir. Ich peitschte den Hirondel durch die Flammen und den Rauch, aber das linke Vorderrad tauchte in eine Spalte ein, und es riss mir das Lenkrad aus den Händen. Das Auto rotierte mit Übelkeit erregender Geschwindigkeit in Spiralen über die Autobahn, ehe es schließlich schleudernd zum Stehen kam. Ich saß schlaff in meinem Sitz, bis sich in meinem Kopf nicht mehr alles drehte, und klopfte mir im Geiste auf die Schultern, weil ich, obwohl der Wagen ein Klassiker war, Sicherheitsgurte hatte einbauen lassen. Meine Rüstung hatte mich vor der jähen Geschwindigkeitsabnahme und vermutlich auch vor einem echt fiesen Schleudertrauma bewahrt, aber ganz schön schwindlig war mir immer noch. Und mein verletzter Arm fühlte sich schlimmer an denn je. Gott allein wusste, welchen Schaden der Elbenpfeil in meinem Organismus anrichtete.

Ich überprüfte den Wagen. Aus der Motorhaube stieg Rauch auf, was nie ein gutes Zeichen ist, aber es schien noch alles zu funktionieren. Ich überlegte, ob ich den EMP-Generator einsetzen sollte, aber ich war mir ziemlich sicher, dass die Konstrukteure der Wundertassen sie dagegen abgeschirmt hatten. Ich an ihrer Stelle hätte es jedenfalls. Womit nur noch eine Möglichkeit blieb … den Müll auf die altmodische Art rausbringen.

Ich öffnete meinen Sicherheitsgurt, drückte die Tür auf, und halb krabbelte, halb fiel ich aus dem Auto. Ich stemmte mich in eine aufrechte Position, indem ich den Großteil meines Gewichts gegen die Wagentür lehnte, und das schwere Metall zerknitterte unter dem Druck meiner goldenen Finger. Ich zuckte zusammen. Das später auszubeulen würde höllisch viel Arbeit machen. Ich richtete mich auf, groß und gerade, wobei ich die ganze Unterstützung der Rüstung in Anspruch nahm, und ging mit langen Schritten über die Autobahn, den herannahenden Wundertassen entgegen. Die erste hielt im Sinkflug auf mich zu, bis sie fast den Boden streifte, und nahm mich mit ihren Bordwaffen unter Beschuss. Und ich zog meinen Repetiercolt und schoss der Fliegenden Wundertasse in den Kopf. Er hatte sein Luftfahrzeug gegen EMPs, Energiewaffen und magische Attacken geschützt, aber sich einer schlichten Bleikugel gegenüberzusehen, damit hatte er nicht gerechnet. Gelenkt von der unnatürlichen Natur der Waffe, durchschlug die Kugel sämtliche Schilde des Piloten und blies ihm den Kopf weg, bevor er auch nur wusste, wie ihm geschah. Die Untertasse fiel wie ein Stein, schlitterte über die Autobahn, in der sie tiefe Narben hinterließ, und explodierte schließlich in einem Regenbogen sich zerstreuender Energie. Langsam drehte ich mich um, und dann schoss ich jede einzelne Fliegende Wundertasse vom Himmel, eine nach der anderen. Selbst diejenigen, die kehrtmachten und die Flucht ergriffen.

Mit meiner letzten Kugel zielte ich sehr sorgfältig, und der Colt schoss dem Piloten in den Bauch. Seine Untertasse kam schlingernd und taumelnd herunter und machte schließlich nur ein paar Meter von mir entfernt eine Bruchlandung. Die Untertassenform flackerte, erlosch, flackerte wieder auf, wobei die Farben wie ein Ölfilm um ihre Oberfläche herumwirbelten, und dann brach die Form zusammen, weil sie nicht mehr vom Willen des Piloten zusammengehalten wurde. Und alles, was übrig blieb, war ein überraschend gewöhnlich aussehender Mann, der blutüberströmt und um seine Wunde zusammengekrümmt auf dem Seitenstreifen lag.

Ich ging zu ihm hin, packte ihn an der Schulter und warf ihn auf den Rücken herum. Er schrie erbärmlich vor Schmerzen, und dann schrie er noch einmal vor Schreck und Entsetzen, als er die golden gepanzerte Gestalt über sich stehen sah. Ich hatte die Tarnkappenfunktion aufgehoben; ich wollte, dass er mich sah. Die ganze Vorderseite seiner Jacke war mit seinem Blut getränkt. Ich stellte einen gepanzerten Fuß auf seinen Bauch, nur leicht. Ohne zu drücken - vorläufig. Er lag sehr still und blickte aus großen, verängstigten Augen zu mir auf. Wie ein Stück Rotwild, das am Ende der Jagd erlegt worden war.

»Rede!«, forderte ich ihn auf. »Und ich werde dich um Hilfe rufen lassen.«

»Ich kann nicht …«

»Rede! Du musst hier nicht sterben. Du musst nicht langsam und schrecklich sterben …«

»Was wollen Sie wissen?«

Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich bluffte. Ziemlich sicher. Aber der Ruf der Droods reicht weit. Ich drückte meinen Fuß ein bisschen runter, und er brüllte, bis ihm das Blut aus dem Mund spritzte.

»Was zum Teufel denkst du will ich wohl wissen?«, fragte ich ihn.

»Schon gut, schon gut! Jesus, immer mit der Ruhe, Mann! Der Kampf ist vorbei, okay? Schauen Sie, wir wollten nur die Seele Albions, verstehen Sie? Wir bekamen Anweisungen, sämtliche Details, alles, was wir wissen mussten, um Sie ausfindig zu machen, und eine Garantie, dass Ihnen niemand zur Hilfe kommen würde. Die Informationen kamen … von der Drood-Familie. Tun Sie mir nichts! Ich sage die Wahrheit, das schwöre ich! Wir bekamen die Nachricht von jemand hoch oben in der Familie. Ich weiß nicht genau, warum; ich selbst stehe nicht hoch genug in der Organisation, als dass mir derartige Informationen anvertraut würden. Ich bin nur ein Pilot!«

Ich dachte über das Gehörte nach, während der Pilot sehr still unter meinem gepanzerten Fuß lag. Er atmete schwer; der Schweiß tränkte sein farbloses Gesicht. Er hatte zu viel Angst, um zu lügen. Jemand in der Familie wollte meinen Tod, wollte ihn so sehr, dass er bereit war, dafür die Seele Albions selbst zu opfern … Warum? So wichtig war ich doch gar nicht. Ich schaute auf den Piloten herab, um ihn noch weiter auszufragen, aber er war tot. Ich konnte mich nicht dazu bringen, mich deswegen schlecht zu fühlen. Hätte er mich tot gesehen, er hätte keinen weiteren Gedanken daran verschwendet.

Ich ging zurück zum Hirondel. Er war versengt und von Flammen und Rauch geschwärzt, von Kugeln völlig durchlöchert, und von der Motorhaube hatte sich die meiste Farbe verabschiedet … aber im Wesentlichen schien er noch unversehrt. Ganz wie ich eigentlich. Ich beugte mich durch die offene Tür ins Innere und fischte das mit Blei ausgekleidete Behältnis der Seele heraus. So viel Tod und Zerstörung wegen so einem kleinen Ding! Ich öffnete die Schatulle, um nachzusehen, ob alles in Ordnung war, und die Seele war nicht da. In dem roten Plüschsamt lag ein sehr einfaches Zielsuchgerät, das meine Ortung an alle und jeden ausposaunte. Ich nahm es heraus und zerquetschte es in meiner goldenen Faust.

Ich hatte die Seele Albions nie gehabt. Irgendwo hatte jemand einen Austausch vorgenommen. Und der einzige Weg, wie das hatte geschehen können … war mit der Billigung der Matriarchin. Sie hätte sofort gewusst, wenn der Seele etwas zugestoßen wäre. Und wenn sie von dem Zielsuchgerät wusste, wusste sie von allem. Auf einmal ergab alles Sinn. Nur die Matriarchin konnte es arrangiert haben, dass ein so langer Autobahnabschnitt gesperrt wurde, und gleichzeitig dafür sorgen, dass das ganze Durcheinander anschließend beseitigt wurde. Die Matriarchin hatte mich auf ein fruchtloses Unterfangen geschickt, mich hier rausgeschickt, damit ich den Tod fände. Meine eigene Großmutter hatte mich den Wölfen vorgeworfen. Aber wieso? Wieso sollte sie das tun?

Ich rüstete ab und keuchte, als die rauchgeschwängerte Luft auf mein bloßes Gesicht traf. Ich sah mir meinen linken Arm an, der schlaff an meiner Seite herabhing. Blut durchtränkte die gesamte Länge des Ärmels und tropfte von meinen tauben Fingerspitzen. Ich untersuchte den Pfeilschaft, der aus dem Fleisch meiner Schulter ragte. Das Metall war ein glänzendes Silber, das sogar im hellen Sonnenlicht schimmerte und strahlte. Es gab keine Federn; ein Pfeil wie der hier brauchte keine, um genau zu fliegen. Ich musste es der Familie mitteilen: Das Elfenvolk hatte eine Waffe gefunden, die unsere Rüstung durchdringen konnte. Nur dass ich es ihnen nicht mitteilen konnte. In dem Moment, wo ich zu Hause anrief, wüsste die Matriarchin, dass ich noch am Leben war, und würde noch mehr Leute schicken, um mich umzubringen. Ich betrachtete den Schaft noch einmal. Fremde Materie, aus irgendeiner anderen Dimension. Wahrscheinlich giftig. Musste raus. Oh Scheiße, das würde wehtun!

Ich zog ein Taschentuch aus meiner Tasche, rollte es zu einem Ballen zusammen und biss fest darauf. Dann packte ich den Schaft mit aller Kraft und drückte ihn tiefer in meinen Körper, bis der mit Widerhaken versehene Kopf an meinem Rücken austrat. Das Taschentuch dämpfte meinen Schrei, aber der Schmerz raubte mir fast die Besinnung. Ich griff nach oben und um meine Schulter herum und zog den Schaft unbeholfen ganz durch und heraus. Bis ich fertig war, lief mir das Blut in Strömen über Brust und Rücken, mein Gesicht war schweißgebadet und meine Hände zitterten. Es war lange her, dass ich so schlimm verwundet worden war. Ich spuckte das Taschentuch aus und nahm den Pfeil in beide Hände. Er schien sich in meinem Griff zu winden. Ich brach ihn entzwei, und er schrie in meinem Kopf. Ich ließ die Bruchstücke auf den Boden fallen, und sie versuchten, sich in etwas anderes zu verwandeln, bevor sie zu einer klebrigen Schmiere von etwas zerfielen, das in dieser Welt nicht überleben konnte.

Ich setzte mich in den Fahrersitz, bevor die Beine unter mir nachgaben. Nach einer Weile holte ich den Verbandskasten heraus, machte ihn auf und entnahm ihm einen simplen Heiler: nichts weiter als ein Klecks vorprogrammierter einfacher Substanz, voll mit allen Arten von Zeug, das gut für mich war. Ich sprach das aktivierende Wort und klatschte ihn auf die Wunde in meiner Schulter. Augenblicklich versiegelte der Klecks sie und pumpte irgendeine wunderbare Droge in mich, die den Schmerz ausschaltete, als ob ein Schalter umgelegt worden wäre. Die plötzliche Erleichterung entlockte mir ein lautes Stöhnen. Der Klecks drang mit einem schlanken Tentakel in die Wunde ein, beseitigte unterwegs den Schaden und kam in meinem Rücken heraus, um sie auch dort zu versiegeln. All das konnte ich spüren, aber nur auf eine vage und verschwommene Weise. Ich war schon irgendwie interessiert; ich hatte vorher noch nie einen benutzen müssen. Aber im Moment hatte ich andere Sachen im Kopf.

Ich musste wissen, warum meine eigene Großmutter mich verraten hatte. Warum sie mich mit einer Lüge auf den Lippen in den Tod geschickt hatte. Ins Herrenhaus konnte ich nicht zurück, um Antworten zu erhalten. Selbst wenn ich an allen Verteidigungsanlagen vorbeikäme, würde sie mich einfach einen Lügner nennen, mich zum Abtrünnigen und Vogelfreien erklären und der Familie befehlen, mich zu töten. Und alle würden ihr glauben und keiner würde mir glauben, denn sie war die Matriarchin, und ich war … Eddie Drood. Mit wem konnte ich überhaupt noch reden, wem konnte ich noch trauen, nach allem, was geschehen war? Vielleicht nur noch einem Mann. Ich holte mein Handy heraus und rief Onkel James unter seiner ganz privaten Nummer an. Kaum hatte er meine Stimme erkannt, brach er das Gespräch ab.

»Bleib wo du bist! Ich bin sofort bei dir!«

Und einfach so stand er vor mir, das Handy noch in der Hand. Die Luft kräuselte sich um ihn herum, verdrängt vom Teleportationszauber. Wir steckten unsere Telefone weg und blickten einander an. Besorgnis erfüllte sein Gesicht, als er meines Zustands und des Bluts, das immer noch meinen linken Arm überzog, gewahr wurde. Er machte Miene, auf mich zuzugehen, aber ich hielt ihn mit einer erhobenen Hand davon ab. Er nickte langsam.

»Ich weiß, Eddie. Es ist immer hart zu lernen, dass man niemandem trauen kann. Du siehst übrigens scheiße aus.«

»Du solltest die andern Typen sehen, Onkel James.«

Er sah an mir vorbei, auf das Gemetzel und die Verwüstung, die ich auf der Autobahn hinterlassen hatte, so weit das Auge reichte, und tatsächlich stahl sich ein kleines Lächeln auf sein Gesicht.

»Du hast das alles angerichtet? Ich bin beeindruckt, Eddie! Wirklich!«

»Wie bist du so schnell hierhergekommen, Onkel James?«, fragte ich langsam. »Teleportationszauber benötigen exakte Koordinaten. Woher wusstest du, wo genau auf diesem langen Autobahnstück du mich finden würdest, wenn nicht einmal ich selbst völlig sicher bin, wo genau ich bin? Was geht hier vor, Onkel James?«

»Das Zielsuchgerät verriet uns, wo du warst, bevor du es zerstört hast.« Onkel James redete in einem gelassenen Plauderton. »Die Matriarchin hat mich hergeschickt, Eddie. Sie hat mir spezifische Befehle erteilt … hat gesagt, falls du irgendwie sämtliche Hinterhalte überlebt haben solltest, sollte ich dich persönlich töten. Kein Wort, keine Warnung; dich nur kaltblütig abknallen. Warum sollte sie mir auftragen, so etwas zu tun, Eddie? Was hast du ausgefressen?«

»Ich weiß es nicht! Ich habe nichts gemacht! Nichts hiervon ergibt irgendeinen Sinn, Onkel James …«

»Du bist offiziell für vogelfrei erklärt worden«, fuhr er fort. »Eine klare und gegenwärtige Gefahr für die ganze Familie. Jeder Drood ist berechtigt, dich ohne Warnung zu töten. Zum Wohl der Familie.«

Wir standen da und blickten einander an. Keiner von uns trug seine Rüstung. Keiner von uns hatte eine Waffe. Sein Gesicht war nüchtern, sogar gelassen, doch in seinen Augen konnte ich eine Qual sehen, die ich noch nie zuvor gesehen hatte. Vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben wusste James Drood nicht, was das Beste zu tun war. Er war hin- und hergerissen zwischen dem, was ihm befohlen worden war, und dem, was in seinem Herzen war. Sie dürfen nicht vergessen, dies war der Graue Fuchs, der loyalste und verlässlichste Agent, den die Familie je gehabt hatte. Onkel James. Der wie ein Vater zu mir gewesen war. Der mich am Ende nicht töten würde, nicht töten konnte.

Wir beide spürten das im selben Moment, und wir beide entspannten uns ein wenig.

»So«, sagte ich. »Was machen wir jetzt?«

»Ich gehe zurück zur Matriarchin. Erzähle ihr, dass du schon weg warst, als ich ankam«, sagte Onkel James mit ausdrucksloser Stimme. »Du … du rennst weg. Rennst und hörst nicht auf zu rennen. Versteck dich so gründlich, dass nicht einmal ich dich finden kann. Denn wenn wir uns wieder begegnen, werde ich dich töten, Eddie. Ich muss. Zum Wohl der Familie.«

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