98 Die Postkutsche von Rom

Am 2. Dezember 1805 hatte Napoleon die Schlacht von Austerlitz gewonnen.

Am 27. hatte er dekretiert, dass das Herrscherhaus von Neapel nicht mehr regierte.

Am 15. Februar war Joseph Bonaparte in die Stadt eingezogen, nachdem die Bourbonen zum zweiten Mal desertiert waren, und am 30. März war er zum König beider Sizilien proklamiert worden.

Im Gefolge des neuen oder besser künftigen Königs von Neapel hatte die französische Armee den Römischen Staat besetzt, was den Heiligen Vater so über alle Maßen verärgert hatte, dass er Kardinal Fesch herbeizitiert hatte, um sich über das zu beklagen, was er als Verletzung von Landesgrenzen bezeichnete.

Kardinal Fesch hatte sich an Napoleon gewendet.

Napoleon hatte geantwortet:


Verehrter Heiliger Vater, Sie sind unbestritten der Herrscher von Rom, doch Rom ist Teil des französischen Kaiserreichs; Sie sind Papst, aber ich bin Kaiser, wie es die Kaiser des Römischen Reiches Deutscher Nation waren, wie es vor mir Karl der Große war, und für Sie bin ich Karl der Große in mehr als einer Hinsicht, denn ich bin es sowohl meiner Macht als auch meiner Wohltätigkeit wegen: Und deshalb werden Sie sich den Bündnisgesetzen des Kaiserreichs unterwerfen und Ihr Gebiet meinen Freunden öffnen und ihren Feinden verschließen.

Auf diese ganz und gar napoleonische Antwort hatten die für gewöhnlich so milden Augen Seiner Heiligkeit Funken gesprüht, und er hatte Kardinal Fesch erwidert, dass er keinen Herrscher über sich anerkenne und den Widerstand Gregors VII. zu wiederholen bereit sei, wenn Napoleon die Unterdrückung eines Heinrich IV. wiederholen wolle.

Daraufhin erwiderte Napoleon mit unverhüllter Herablassung, im 19. Jahrhundert sei ihm vor geistlichen Waffen wenig angst, und im Übrigen werde er keinen Vorwand für ihre Verwendung liefern, da er davon Abstand nehme, sich in religiöse Belange einzumischen; er begnüge sich damit, den gegenwärtigen Herrscher auf weltlichem Gebiet zu schlagen, und überlasse dem Papst als dem verehrten Bischof Roms und Oberhaupt aller Bischöfe der Christenheit den Vatikan.

Diese Verhandlungen hatten den ganzen Dezember des Jahres 1805 beansprucht, ohne einen Fortschritt oder Rückschritt zu erzielen, und Napoleon hatte diesen Monat dazu benutzt, unmissverständlich klarzumachen, dass es ihm mit seinen Ankündigungen ernst war, indem er General Lemarois die Regierungsbezirke Urbino, Ancona und Macerata besetzen ließ, die sich an der Adria entlangziehen.

Daraufhin nahm Pius VII. Abstand von seinem Vorhaben, Napoleon zu exkommunizieren, und ließ sich dazu herbei, ein Abkommen unter folgenden Bedingungen in Betracht zu ziehen:

Der Papst, unabhängiger Souverän über den Kirchenstaat, von Frankreich als solcher anerkannt und bestätigt, erklärte sich bereit, zusätzlich eine Allianz mit Frankreich zu schließen und im Kriegsfall den Feinden Frankreichs keinen Zutritt zu seinem Kirchenstaat zu gewähren; französische Truppen würden Ancona, Ostia und Civitavecchia besetzt halten, aber von der französischen Regierung unterhalten werden; der Papst verpflichtete sich, den verlandeten Hafen von Ancona ausheben und instand setzen zu lassen; er erklärte sich bereit, König Joseph anzuerkennen, den Konsul König Ferdinands, alle Franzosenmörder und die eidverweigernden neapolitanischen Kardinäle des Kirchenstaats zu verweisen sowie auf sein angestammtes Recht der Investitur der Krone Neapels zu verzichten; er erklärte sich bereit, das für Italien geltende Konkordat auch für alle vormals italienischen Regierungsbezirke anzuerkennen, die in französische Regierungsbezirke umgewandelt worden waren; er würde unverzüglich die französischen und italienischen Bischöfe ernennen und sie der Reise nach Rom entbinden; er würde Bevollmächtigte ernennen, die ermächtigt waren, ein Konkordat für die deutschen Gebiete abzuschließen, und zuletzt würde er sich bereit erklären, die Anzahl der französischen Kardinäle im Kardinalskollegium auf ein Drittel aller Kardinäle zu erhöhen, um Frankreichs Einfluss im Verhältnis zu seiner territorialen Ausdehnung Anerkennung zu zollen und um die Bereitschaft Seiner Heiligkeit zu bezeugen, Napoleon gegenüber Entgegenkommen zu beweisen.

Zwei dieser Forderungen waren dem Heiligen Stuhl ganz besonders zuwider: Die erste war die, sein Territorium den Gegnern Frankreichs zu verschließen, die zweite war die einer Vermehrung der französischen Kardinäle.

Daraufhin ließ Napoleon Kardinal de Bayane seine Papiere aushändigen und befahl die Einnahme der verbliebenen vatikanischen Gebiete. Zweitausendfünfhundert Soldaten waren in Foligno stationiert, und ebenso viele befanden sich unter General Lemarois in Perusa; Napoleon befahl General Miollis, sich an die Spitze dieser Brigaden zu begeben, unterwegs dreitausend weitere Soldaten aufzunehmen, die aus Terracina abzuschicken Joseph befohlen worden war, und mit diesen achttausend Soldaten die Hauptstadt der Christenwelt einzunehmen.

Mit List oder Gewalt sollte General Miollis sich der Engelsburg bemächtigen, sich die päpstlichen Truppen unterwerfen, den Papst mit einer Ehrengarde im Vatikan belassen, auf alle Vorstellungen, die man ihm machen konnte, erwidern, er besetze Rom in rein militärischer Hinsicht, um die Feinde Frankreichs aus dem Kirchenstaat zu vertreiben, er sollte die Polizei nur benutzen, um die Briganten zu verjagen, die Rom zu ihrem Schlupfwinkel auserkoren hatten, und zuletzt sollte er die neapolitanischen Kardinäle nach Neapel zurückexpedieren.

General Miollis, verdienter Soldat der Republik von unbeugsamem Charakter, gebildet und untadelig, gelang es, sowohl dem Oberhaupt der Christenheit die gebührende Achtung zu bezeigen als auch dank seines beträchtlichen Solds auf großem Fuß in Rom zu leben und die Römer daran zu gewöhnen, den französischen General in der Engelsburg als ihr eigentliches Regierungsoberhaupt zu betrachten und nicht den alten Pontifex im Vatikan.

Bekanntermaßen ist es von alters her Sitte bei den Päpsten, den Briganten, die das Land Neapels verwüsten, Asyl zu gewähren; diese Briganten sind nicht etwa eine vorübergehende Plage, sondern ein dem Land eigentümliches Leiden; in den Abruzzen, in der Basilikata und in Kalabrien wird man als Brigant geboren, der Berufsstand wird vom Vater auf den Sohn vererbt wie der des Zimmermanns, des Schneiders oder des Bäckers; vier Monate im Jahr verlässt man das elterliche Haus, um sich zum Strauchritter auszubilden, und im Winter bleiben die Briganten behaglich zu Hause, ohne dass irgendjemand auf den Gedanken käme, sie dort aufzuscheuchen. Im Frühjahr schwärmen sie dann wieder aus und beziehen ihre gewohnten Stellungen.

Unter diesen Posten sind die begehrtesten jene in Nähe der römischen Grenzen. Der Brigant, der sich von der neapolitanischen Regierung verfolgt sieht, überschreitet die Grenze und findet im Kirchenstaat Asyl – denn in Ausnahmesituationen wie derjenigen, um die es sich in unserer Erzählung handelt, verfolgt die neapolitanische Regierung ihre Banditen, während die römische Regierung nichts dergleichen tut.

So kam es, dass während der Belagerung von Gaeta eine Ordonnanz auf dem Weg von Rom zu General Reynier zwischen Terracina und Fondi ermordet worden war und kein Hahn nach diesem Mord krähte, indes in klerikalen Kreisen viel Aufhebens darum gemacht wurde, Fra Diavolo vor dem Henker zu retten, der wie ein gejagtes Wild dem unermüdlichen Hauptmann Hugo in die Falle gegangen war.

Zu dieser Zeit kam ein junger Mann zwischen sechsundzwanzig und achtundzwanzig Jahren von mittlerer Größe und in einer Phantasieuniform, die keinem Armeekorps entsprach, zur Poststation und verlangte Pferde und einen Wagen.

Er trug einen kleinen englischen Stutzen mit zwei Läufen an über der Brust gekreuzten Gurten und hatte ein Paar Pistolen im Gürtel stecken, was verriet, dass er wusste, welchen Gefahren sich Reisende zwischen Rom und Neapel aussetzen.

Der Postmeister erwiderte, er habe einen Wagen, den er aber nicht verleihen dürfe, da er ihm zum Verkauf überlassen worden sei; unter den Pferden hingegen könne der Reisende seine Wahl treffen.

»Wenn der Wagen nicht zu teuer ist und mir passt«, sagte der Reisende, »hätte ich nichts dagegen, ihn zu erwerben.«

»Dann kommen Sie, ich zeige ihn Ihnen.«

Der Reisende folgte dem Postmeister; der Wagen war ein offenes Kabriolett, doch da warmes Wetter herrschte, war das Fehlen eines Dachs eher von Vorteil als von Nachteil.

Der junge Mann reiste allein und hatte einen Koffer und ein Necessaire bei sich.

Über den Preis des Wagens hatte man sich bald geeinigt; der Reisende hatte eher halbherzig gehandelt, als wäre ihm mehr daran gelegen, das Gesicht zu wahren, als einen günstigen Preis zu erlangen.

Man einigte sich auf achthundert Francs. Der Reisende ließ den Wagen vorfahren und die Pferde anschirren. Während er zusah, wie der Postillion seinen Koffer hinten am Wagen festschnallte, näherte sich ein Husarenoffizier dem Postmeister, der auf der Schwelle stand und mit unerschütterlicher Gleichmut dem Postillion bei der Arbeit zusah, und fragte ihn das Gleiche wie kurze Zeit zuvor der Reisende.

»Kannst du mir Pferde und einen Wagen leihen?«

»Pferde habe ich, einen Wagen nicht«, erwiderte der Postmeister mit unbewegter Miene.

»Und warum hast du keinen Wagen?«

»Weil ich den letzten soeben an Monsieur verkauft habe, der gerade anschirren lässt.«

»Das Gesetz schreibt vor, dass du immer einen Wagen in Bereitschaft halten musst.«

»Das Gesetz!«, sagte der Postmeister. »Was verstehen Sie darunter? Für uns gibt es schon lange keine Gesetze mehr«, und bei den letzten Worten schnipste er mit den Fingern wie jemand, der das Fehlen solcher moralischer Schranken der Gesellschaft nicht unbedingt bedauerte.

Der Offizier ließ sich einen Fluch entschlüpfen, der seine Enttäuschung lebhaft kundtat.

Der Reisende sah ihn an; er sah einen schönen jungen Mann von achtundzwanzig bis dreißig Jahren vor sich, einen Mann mit strengem Gesichtsausdruck und hellblauen Augen, die sowohl auf Reizbarkeit als auch auf Hartnäckigkeit hindeuteten, und als der Offizier aufstampfte und leise fluchte: »Potz Bomben und Granaten! Morgen Abend muss ich um fünf Uhr in Neapel sein, aber soll ich diese sechzig Meilen in gestrecktem Galopp zurücklegen?«, näherte sich ihm der junge Mann und sagte mit der Höflichkeit, an der sich die Mitglieder der vornehmen Welt untereinander erkennen: »Ich reise ebenfalls nach Neapel.«

»Ja, aber Sie reisen im Wagen«, sagte der Offizier mit bitterem Humor.

»Ebendeshalb bin ich in der Lage, Ihnen einen Platz in meinem Wagen anzubieten.«

»Verzeihung, Monsieur«, sagte der Offizier, der höflich salutierte und einen anderen Ton anschlug, »ich habe nicht die Ehre, Sie zu kennen.«

»Aber ich kenne Sie; Sie tragen die Uniform eines Hauptmanns des dritten Husarenregiments General Lasalles, anders gesagt eines der tapfersten Regimenter der ganzen Armee.«

»Das ist kein Grund, so unverschämt zu sein, Ihr Angebot anzunehmen.«

»Ich weiß, was Sie zurückhält, Monsieur, und ich kann Sie beruhigen: Wir werden uns die Reisekosten teilen.«

»Dann«, sagte der Husarenhauptmann, »müssen wir uns nur noch über den Wagen verständigen.«

»Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, Monsieur, und es käme mir sehr gelegen, Sie zum Reisegefährten zu haben; in Neapel wird keiner von uns beiden diesen alten Karren benötigen, und wir können ihn dort verkaufen oder zu Feuerholz machen, wenn wir ihn nicht verkauft bekommen; wenn wir ihn aber verkaufen können, bekomme ich vierhundert Francs, da ich achthundert Francs für ihn bezahlt habe, und den Rest können Sie haben.«

»Diesen Vorschlag nehme ich an, aber unter der Bedingung, dass ich Ihnen sogleich vierhundert Francs bezahle, so dass der Wagen uns beiden zu gleichen Teilen gehört und wir einen Verlust gerecht teilen können.«

»Ich suche keine Scherereien mit Ihnen, Monsieur, und nehme Ihren Vorschlag bereitwillig an, obwohl ich finde, dass dies eine Menge Förmlichkeiten zwischen Landsleuten ist.«

Der Offizier wandte sich an den Postmeister. »Ich kaufe diesem Herrn die Hälfte deines Wagens ab«, sagte er, »hier hast du vierhundert Francs.«

Der Postmeister blieb mit verschränkten Armen stehen. »Monsieur hat mich schon bezahlt«, sagte er, »Ihr Geld steht ihm zu und nicht mir.«

»Kannst du das nicht ein wenig höflicher sagen, du Spitzbube?«

»Ich sage es, wie ich es sage, fangen Sie damit an, was Sie wollen.«

Der Offizier machte eine Handbewegung, als wollte er seinen Säbel ziehen, doch er begnügte sich damit, die Hand in den Gürtel zu haken, und drehte sich zu seinem Reisegefährten um.

»Monsieur«, sagte er mit umso bemerkenswerterer Höflichkeit, als sein Ton dem Postmeister gegenüber unfreundlich gewesen war, »darf ich Sie bitten, die vierhundert Francs anzunehmen, die ich Ihnen schulde?«

Der erste Reisende verneigte sich und klappte den eisernen Verschluss eines kleinen ledernen Koffers auf, den er an einem Gurt trug, der sich über seiner Brust mit dem Gurt kreuzte, an dem sein Stutzen befestigt war.

Der Offizier ließ die Geldstücke, die er in der Hand hielt, in den Koffer fallen.

»Monsieur«, sagte er, »wir können aufbrechen, sobald es Ihnen beliebt.«

»Wollen Sie Ihren Koffer nicht hinten am Wagen festmachen lassen?«

»Nein, danke, ich werde ihn als Rückenstütze benutzen; er wird meine Rippen vor dem Geholper dieses alten Gerippes schützen, und außerdem habe ich darin ein Paar Pistolen, die ich nicht ungern in der Nähe behalte. Zu Pferd, Postillion, zu Pferd!«

»Die Herren wollen keine Eskorte mieten?«, fragte der Postmeister.

»Ha! Hältst du uns für Nonnen, die in ihr Kloster zurückfahren?«

»Ganz, wie Sie wünschen; es steht Ihnen frei.«

»Das ist der Unterschied zwischen uns und dir, du alter bigotter Teufel!« Und dem Postillion rief er zu: »Avanti, avanti!«

Der Postillion fuhr im Galopp an.

»Über die Via Appia, nicht durch die Porta San Giovanni di Laterano«, rief der Reisende, der als Erster an der Poststation gewesen war.


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