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Thorpe erwachte mit dem Gefühl von feuchtem Stoff auf der Stirn. Für einen Moment lag er da und schwelgte in der Empfindung. Als er seine Augen öffnete, sah er, dass sich Amber über ihn gebeugt hatte. Besorgte blaue Augen durchforschten seine Gesichtszüge.

»Wie lange war ich weg?«

»Mehr als zwei Stunden«, sagte sie. »Wir haben uns Sorgen um dich gemacht.«

Er holte tief Luft. Die Bewegung rief in seiner Brust eine unangenehme Empfindung hervor. Ihm fiel ebenfalls auf, dass seine Nackenmuskeln steif waren, ebenso wie sein rechtes Knie. »Wie geht es den anderen?«

»Niels hat zwei Rippen gebrochen. Offenbar war er immer noch dabei, sich anzuschnallen, als sich die Elektromagneten einschalteten. Wir haben ihn aus seinem Anzug geschält und bandagiert. Jamie hat sich die Schulter verstaucht. Margaret hat ein paar Bänder gezerrt. Albert und ich haben Muskelkater und Quetschungen an den Stellen, wo die Netze eingeschnitten haben. Allison ist in Ordnung. Alles in allem kein schlechter Start.«

»Haben wir die Fluchtgeschwindigkeit erreicht?«, fragte er. Ihm war plötzlich eingefallen, dass die geringfügigen Verletzungen ein Hinweis darauf sein könnten, dass der Start zu weich gewesen war und sie es nicht geschafft hatten, eine Umlaufbahn zu erreichen.

»Ich glaube, ja«, antwortete Amber, faltete das Tuch und presste die saubere Seite gegen seine Stirn. »Wir scheinen langsamer zu steigen als am Anfang, aber wir steigen noch. Ich glaube, wir schaffen es über den Berg. Willst du mal sehen?«

»Aber sicher doch!«

Thorpe setzte sich auf und hakte den primitiven icherheitsgurt los, der ihn mit dem Netz verbunden hatte. Dabei machten sich weitere Schmerzen bemerkbar, die aber kaum ins Gewicht fielen, verglichen mit dem plötzlichen Pochen, das in seinem Kopf begann und sich über den Nacken weiter auszubreiten drohte. Er fragte sich, ob der Start sein Gehirn aus seiner Verankerung gelöst haben könnte, so dass es jetzt in seinem Schädel hin-und herschwappte.

Amber bemerkte, dass er plötzlich das Gesicht verzog. »Verletzt?«

Er versuchte zu nicken, überlegte es sich jedoch anders. »Es ist, als wäre in meinem Schädel ein Amboss in Betrieb.«

»Kaum verwunderlich«, sagte sie. Sie reichte ihm zwei weiße Tabletten und eine Trinkblase. »Du hast eine hässliche Schramme auf der rechten Kopfseite. Die Helmpolsterung muss dort dünn sein.«

Er nahm die Tabletten mit einem raschen Schluck schalen Wassers ein. Nach einigen Minuten bewegte er sich behutsam und zog sich zu der Stelle, wo sich das Beschleunigungsnetz aus einem seiner Befestigungshaken gelöst hatte. Die drei anderen Netze waren ebenso ausgehakt worden, wodurch ein Durchgang zum vollgestopften hinteren Schott freigeworden war. Er bemerkte, dass die Luft in der Kabine sehr trocken war. Das hintere Schott war mit einer dünnen Reifschicht bedeckt, ein sichtbares Zeichen, wo die ganze Feuchtigkeit hin verschwunden war.

Margaret Grayson lag neben ihrem Mann auf dem Netz unmittelbar unter dem, das er und Amber sich teilten. Eine Etage weiter unten nickten ihm Jamie Byrant, Albert Segovia und Allison Nalley zu, als er an ihrem Lager vor- überschwebte. Die Anordnung war anders als beim Start, ein weiterer Hinweis darauf, wie lange er bewusstlos gewesen war.

Die Innenbeleuchtung brannte und verwandelte die Sichtluke in einen trüben Spiegel. Als er sein Spiegelbild betrachtete, fiel ihm auf, dass sein Haar auf der rechten Seite als dunkle Masse angeklatscht war. Er bewegte seine behandschuhte Hand nach oben, um den Fleck zu berühren, und wurde dafür mit einem stechenden Schmerz belohnt. Sah so aus, als hätte er Glück gehabt, dass es ihm nicht den Schädel aufgerissen hatte. Um eine solche Verletzung hervorzurufen, musste sein Helm irgendwann während des Starts gegen das Schott geschlagen sein.

»Was dagegen, wenn ich das Licht ausmache?«, fragte er. Als niemand Einwände erhob, griff er zum Schalter, der als eines der letzten Geräte in der Kabine installiert worden war.

Der Container lag ruhig im Raum, stellte er fest, von gelegentlichen Stößen der Steuerdüsen in seiner Lage fixiert. An seinem Ende konnte er etwas Dampf entweichen sehen. Ob er von den Düsen stammte oder vom Sauerstofftank, war schwer zu sagen. Der Container befand sich in so großer Höhe, dass der Mond durch zwei der vier Luken sichtbar war. Unmittelbar nach dem Start hatten sie sich mit einer Geschwindigkeit von 9000 Stundenkilometern entgegengesetzt zur Flugbahn des Mondes bewegt. Während der Container stieg, war er von der Gravitation verlangsamt worden – Lunas letzter Versuch, sich für die kommende Katastrophe sechs weitere Opfer zu verschaffen. Als er mehrere Minuten lang auf den Mond gestarrt hatte, glaubte Thorpe, eine kleine Abnahme seines Durchmessers wahrzunehmen. Sie stiegen immer noch, und sie waren weit genug von Luna entfernt, dass es so aussah, als würden sie seinen Einflussbereich tatsächlich hinter sich lassen.

Nachdem er sich vergewissert hatte, dass sie nicht zurückfallen würden, ließ Thorpe das übrige Bild auf sich wirken. Der Anblick, der sich ihm bot, war höchst eigenartig. Der Weltraum hatte seine normale Mitternachtsschwärze verloren. Er hatte einen schwachen, milchig wei ßen Glanz angenommen, der Luna als eine matte Perle vor einem Hintergrund aus blassem Elfenbein erscheinen ließ. Einen Moment lang rätselte Thorpe über diesen Effekt, bis er erkannte, dass sie von innen auf Donnerschlags Koma blickten. Mit einem Durchmesser von mehr als einer Million Kilometern war die Koma dem Kometenkern um mehrere Stunden voraus. Offenbar hatte sie ihre Vorderkante überholt, während Thorpe bewusstlos gewesen war.

Thorpe wandte den Kopf und blickte in Richtung Sonne, die neunzig Grad über Luna am Himmel stand. Es überraschte ihn zu sehen, dass sie von einem schwachen Ring umgeben war. Normalerweise hatte sie im luftleeren Raum das Aussehen einer brennenden Glühbirne. Nun, da sich der größte Teil der Koma zwischen ihr und Luna befand, hatte sie das Aussehen wie an einem dunstigen Tag auf der Erde. In die Sonne zu starren, machte seine Kopfschmerzen nicht besser. Er blickte rasch weg und versuchte die Erde ausfindig zu machen. Sie musste sich über ihnen befinden, sagte er sich. Dann wandte er sich wieder Luna zu. Der Mond war eindeutig kleiner als beim ersten Hinsehen. Da sie sich entlang der Umlaufbahn Lunas zurückbewegten, verbesserte sich mit jeder Stunde ihres Aufstiegs ihr Überblick über diese kleine, zum Untergang verurteilte Welt. Aus ihrer Perspektive sahen sie ein ganzes Viertel von Farside, wobei das Mare Crisium und das Mare Smythii direkt unter ihnen lagen. Der Kopernikus-Krater und Luna City waren fast vollständig hinter der Westseite des Mondes verborgen.

Thorpe wandte sich in dem überfüllten Quartier herum und ließ seinen Blick rasch über die drei anderen Sichtluken schweifen. Dann zog er sich zu derjenigen hinüber, durch die Grayson zu dem armen Kerl hinausgestikuliert hatte, der das Unglück gehabt hatte, sich innerhalb des Transportschlittens des Massebeschleunigers zu befinden, als sie gestartet waren. Thorpe wusste nicht, welche Auswirkung das sich abrupt aufbauende Magnetfeld auf den Eindringling gehabt hatte, vermutete jedoch, dass es verheerend gewesen sein musste.

Die kleine gelbe Sprengladung von der Art, wie sie Bergleute für seismische Tests benutzten, war immer noch an der Luke befestigt. Von den Zünddrähten war jedoch nichts mehr zu sehen. Anscheinend waren sie an etwas hängengeblieben, als der Container aus dem Startgeschirr geschossen war. Thorpe wurde bewusst, wie nahe sie alle dem Tod gewesen waren, und nahm die Gelegenheit wahr, etwas zu tun, wozu er vorher nicht die Zeit gehabt hatte. Er übergab sich in aller Stille, als die Nachwirkung einsetzte.


Die nächsten zehn Stunden in der überfüllten Kabine gingen ruhig vorbei. Niels Grayson hatte zunehmend Atembeschwerden, worauf ihm seine Frau ein eruhigungsmittel gab, damit er schlafen konnte. Sie blieb an seiner Seite und streichelte seine faltige Stirn.

»Es wäre eine Schande, wenn er Donnerschlags Ankunft verpassen würde«, sagte Amber zu ihr.

Die Frau des Astronomen sah auf und lächelte. »Das würde er mir nie verzeihen. Außerdem müssen wir ihn sowieso aufwecken, um ihn vor dem großen Ereignis wieder in den Anzug zu stecken.«

In regelmäßigen Abständen begaben sich entweder Amber oder Thorpe zu der Sichtluke und bewerteten den Fortschritt, den sie gemacht hatten. Der Container stieg jetzt sehr langsam, da sein Impuls durch den langen Aufstieg im Schwerefeld des Mondes fast aufgebraucht war. Aber sie schienen dennoch in Sicherheit zu sein. Der Mond war nicht mehr länger ein naher Himmelskörper, der sich nur ausschnittweise überblicken ließ. Er war zu einer Kugel geschrumpft, die sich mit einem Blick erfassen ließ. Der Nebel, der das Universum verhüllte, war dichter geworden. Amber machte sich über ihre Beobachtungen Notizen für einen Artikel, den sie zu schreiben beabsichtigte.

Zwischen den Beobachtungen schmiegten sich die beiden Liebenden auf dem vorderen Beschleunigungsnetz aneinander und flüsterten miteinander. Die meiste Zeit über sprachen sie darüber, was sie nach ihrer Rettung tun würden. Keiner erwähnte, dass ihre fortwährenden Funksprüche noch nicht beantwortet worden waren. Ihr später Aufbruch in Verbindung mit ihrer relativ langsamen Geschwindigkeit ließ es als beinahe sicher erscheinen, dass sie im Raum die nächsten Beobachter der bevorstehenden Kollision sein würden. Alle früheren Mutmaßungen über die Zerstörungen, die Donnerschlag anrichten würde, erschienen als kläglich unangemessen. Thorpe dachte daran, dass es immer noch Wissenschaftler gab, die behaupteten, die Gewalt des Zusammenstoßes würde den Mond vernichten und ihn in Millionen von Einzelstücken zerbrechen lassen. Falls sie Recht hatten, würde die Erde eine Ringwelt werden wie der Saturn. Wie groß die Zerstörung auch sein würde, es wäre nicht viel dazu nötig, die sieben Leben in ihrem winzigen Rettungsboot auszulöschen. Ein hochgeschleuderter Trümmerbrocken würde keine Spur von ihnen übriglassen.

Als der Zeitpunkt näherrückte, bereiteten sie sich darauf vor, die Ankunft des Kerns zu beobachten. Wie versprochen, weckte Margaret Grayson ihren Mann und half ihm in seinen Anzug. Niels versuchte, dabei mit keiner Wimper zu zucken, und die anderen taten so, als bemerkten sie nicht, dass es ihm nicht gelang. Als sie alle in Raumanzügen steckten und an die interne Luftversorgung angeschlossen waren, verstauten sie die beiden unteren Netze, um mehr Bewegungsfreiheit zu haben. Sie teilten sich in eine Dreier-und eine Vierergruppe auf und versammelten sich vor den beiden Luken, hinter denen Luna zu sehen war. Amber, Thorpe, Jamie Byrant und Allison Nalley drängten sich um die eine Luke, während ein angeschlagener Niels Grayson, seine Frau und Albert Segovia die andere übernahmen.

Thorpe blickte in einem Winkel von ungefähr dreißig Grad zur Verbindungslinie Luna-Sol in den Raum. Da es erst drei Tage her war, dass der Kern den Felsen verschlungen hatte, hoffte er irgendein Anzeichen seiner Annäherung zu sehen. Der Kern war von einer viel dichteren Gaswolke umgeben, und die Stelle, an der der Felsen eingeschlagen war, war mit hoher Wahrscheinlichkeit immer noch weißglühend. Doch er sah nichts. Er wandte sich erneut an Amber.

»Wie lange noch bis zur Kollision?«

Sie sah auf ihr Helmchronometer. »Noch drei Minuten.«

»Überprüfen Sie Ihre Helmpolarisatoren«, ordnete er an.

Jeder von ihnen betätigte mit dem Kinn den Schalter, der ihre Visiere verdunkelte. Aus dem Innern der dunklen Kugel heraus konnte Thorpe kaum die Umrisse des Mondes ausmachen. Er schaltete erneut mit dem Kinn, um die Abdunkelung zu beenden, dann sah er zu, wie ein Helm nach dem andern wieder hell wurde.

»Amber, bitte klär uns über das richtige Verhalten auf.«

Sie nickte im Innern ihres Helms. »Wir verdunkeln eine Minute vor der Kollision. Kneifen Sie fünfzehn Sekunden vorher die Augen so weit zusammen, dass Sie Ihre Helmanzeigen gerade noch erkennen können. Blicken Sie auf keinen Fall direkt auf den Mond. Und falls Ihre Augen anfangen sollten zu schmerzen, schließen Sie sie um Himmels willen so lange, bis der Blitz vorbei ist. Durch den Schmerz übermittelt Ihnen der Körper eine Nachricht.«

»Hat das jeder verstanden?«

Alle bestätigten über den allgemeinen Funkkanal. Ehe er sich’s versah, gab Amber bekannt, dass es bis zum Zusammenstoß nur noch eine Minute war. Thorpe wartete so lange, bis die Helme glänzend schwarz geworden waren, bevor er mit dem Kinn seinen Polarisator einschaltete. Als die fünfzehn Sekunden erreicht waren, kniff er die Augen zusammen, wie Amber empfohlen hatte.

Ambers Stimme fuhr mit dem Countdown fort. Als sie bei null angelangt war, färbte sich das Helminnere trotz des Polarisators violett. Er hatte vorgehabt, alles mit anzusehen, aber die Dolche, die tief in seine Netzhaut stießen, ließen ihn zusammenzucken. Es war schlimmer als damals, als er in der Einschienenbahn vom Sonnenaufgang überrascht worden war. Er wandte sich ab und hielt seine Augenlider fest geschlossen. Ein wenig half es. Nach einem Dutzend Sekunden begann das Leuchten zu verblassen. Nach einer Minute konnte er die Augen öffnen und seinen Blick wieder dem Mond zuwenden. Das Leuchten war immer noch unangenehm hell, aber erträglich. Das erste Mal sah er Luna.

Er schnappte nach Luft.


Ein Feuerball versuchte, zum Herzen Lunas durchzusto- ßen. Der äußere Rand der sich ausbreitenden Zone der Verwüstung wurde durch eine kreisförmige Schockwelle definiert. Die Schockwelle war eine transparente Blase, die bereits den mehrfachen Durchmesser Lunas hatte. Unterhalb davon leuchtete strahlend eine weitere Schale der Vernichtung, die von Violett ins bläulich Weiße übergegangen war – sie bestand, wie Thorpe von seiner Lektüre der wissenschaftlichen Projektionen der Kollision her wusste, aus Millionen Tonnen von Mondkruste, Kometeneis und Eisen, die beim Aufprall verdampft waren. Das glühende Gas schoss von Bodennull in den Raum. Bald würde es sich abkühlen und als geschmolzenes Gestein und Eisen zu kondensieren beginnen. Aus dieser Schale würden Milliarden von Mikrometeoriten entstehen. Sie würden der Erde mehrere Jahrhunderte lang spektakuläre Meteoritenschauer bescheren.

Hinter der glühenden Gaswolke befand sich eine Schicht von massivem Material aus der Peripherie des Aufschlagkraters. Es war mit dem kronenförmigen Gebilde emporgeschleudert worden, das für Aufschlagkrater charakteristisch war. Einige seiner Trümmerstücke hatten die Größe von Bergen, und alle entfernten sich schneller als mit lunarer Fluchtgeschwindigkeit. Im Zentrum der expandierenden Trümmerwolke schließlich herrschte ein ausgedehntes Inferno violettweißer Hitze, das immer noch zu hell war, als dass man direkt hätte hineinschauen können.

Als Thorpe den Polarisationsgrad seines Visiers allmählich reduzierte, wurden weitere Details sichtbar. Eine wandernde Staubfront arbeitete sich über das Hochland von Farside nahe der Ostseite des Mondes voran. Während er weiter beobachtete, erschienen an beiden Polen weitere Staublinien und bewegten sich auf den Äquator zu. Auch wenn er sie nicht sehen konnte, wusste er doch, dass sich eine ebensolche Front westwärts bewegte und dass sie sich alle an einem Punkt treffen würden, der der Aufschlagstelle des Kometen diametral entgegengesetzt war.

Die Staubfront wurde durch eine wandernde Schockwelle im Boden verursacht. Indem sie sich mit Schallgeschwindigkeit durch das Mondinnere bewegte, verursachte die Welle ein wanderndes Mondbeben. Wo das Beben vorbeikam, schleuderte es Staubkörnchen und selbst kleine Gesteinsbrocken in den Himmel. Hinter dem Staub erschienen riesige rote Spalten, da die alte Oberfläche unter der Belastung aufriss. Zum ersten Mal seit vier Milliarden Jahren floss auf Luna wieder geschmolzene Lava.

Die wandernden Wellenfronten vereinigten sich nach zehn Minuten und ließen auf der Mondoberfläche eine frische rote Narbe zurück. Auf ganz Nearside waren die Mare wieder Seen aus flüssigem Gestein. Thorpes Blick wurde von der Stelle angezogen, wo sich das Friedensdenkmal befunden hatte. Sie glühte einheitlich rotorange. Die Fußabdrücke zweier unerschrockener Astronauten waren nicht länger und für alle Zeit in dem weichen grauen Boden eingebettet. In nur wenigen Minuten hatte Donnerschlag jeden Hinweis darauf, dass die Menschheit jemals ihren nächsten Nachbarn im Raum besucht hatte, ausgelöscht.

Lunas normalerweise scharfe Konturen begannen plötzlich zu verschwimmen, als betrachtete er sie durch ein Stück Gaze. Thorpe blinzelte, da er glaubte, seine eigenen Tränen trübten ihm die Sicht. Es dauerte eine Weile, ehe er begriff, dass der Effekt nichts mit seinen Augen zu tun hatte. Er war äußerst real und vollkommen von außen bedingt.

»Was ist da los?«, schrie er in sein Funkgerät. Bis jetzt hatte niemand ein Wort gesagt. Alle hatten sie der Katastrophe zugesehen, eingesponnen in den Kokon ihrer eigenen Gedanken.

»Das ist der Wasserdampf von Donnerschlag«, antwortete Amber mit ebenso erregter Stimme wie er. »Der Mond wird von einer riesigen Wolke Wasserdampf verschluckt. Es müsste dort jeden Moment anfangen zu regnen!«

Wie um ihre Worte zu untermauern, wurde der Container wie von einem Höhenwind durchgeschüttelt. Die Sichtluke wurde plötzlich trüb, als sie sich mit einer dünnen Eisschicht überzog. Einen Augenblick später entstand im Innern ein polterndes Geräusch, als die Hülle ihres Raumfahrzeugs von unsichtbaren Partikeln getroffen wurde. Mehrere winzige Dellen erschienen in der transparenten Oberfläche der Sichtluke.

Amber deutete in den Nebel vor der Luke hinaus. »Eis! Wir sind von der Trümmerwolke eingeholt worden! Es dauert nicht mehr lange bis zur nächsten Phase.«

»Nächste Phase?«, fragte Jamie Byrant alarmiert und wandte sich von dem Fenster ab, um Amber anzusehen. Thorpe tat das Gleiche. Zum ersten Mal bemerkte er, dass sie hinter ihrem Visier sehr bleich war. Das Schauspiel der Zerstörung Lunas hatte sie erregt. Noch vor wenigen Sekunden war das offensichtlich gewesen. Doch die Erregung hatte sich in Furcht verwandelt.

»Was ist denn los?«

»Wir wurden soeben von der äußersten Trümmerschicht überholt«, erläuterte sie. »Größtenteils besteht sie aus mikroskopisch kleinen Eispartikeln, deshalb gibt es nichts zu befürchten. Aber schon bald werden wir uns mitten unter den größeren Brocken befinden. Dieser kleine Schneesturm wird sich in einen Blizzard von Felsbrocken verwandeln. Wenn wir den überleben, dürften wir das hier heil überstehen.«

Thorpe runzelte die Stirn. »Wann werden wir das wissen?«

»In acht Stunden.«

»Wenn wir also in acht Stunden noch leben, können wir damit rechnen, dass es auch dabei bleibt?«

»Richtig.«

»Dann warten wir am besten ab und vertrauen auf unser Glück«, sagte Thorpe. Er ergriff ihre Hand. »Hast du Angst?«

»Das kannst du wohl annehmen!«

»Ich auch. Doch was immer geschehen wird, wir bieten ihm gemeinsam die Stirn.«


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