Was für ein Tag, dachte Philippos, während er sorgfältig das gekrümmte Kupferrohr mit Fett einrieb.
Samu, gestern noch geächtet und verachtet, war zur Heldin geworden. Die Priesterin hatte Kleopatra das Leben gerettet. Der erste Eunuch hatte einem Hund von der Schminke zu fressen gegeben, um zu überprüfen, ob die Behauptung der Priesterin stimmte, daß die Augenschminke, die Buphagos von Geschenken für den König unterschlagen hatte, tatsächlich vergiftet war. Der Hund war innerhalb einer halben Stunde jämmerlich verreckt!
Die Erkenntnis, daß die Schminke, die den Mundschenk und Thais das Leben gekostet hatte, eigentlich für ihn bestimmt gewesen war, hatte Ptolemaios einigermaßen aus der Fassung gebracht. Der König hatte sein Treffen mit dem Megabyzos kurzfristig absagen lassen. Den ganzen Abend über hatte er sich mit Potheinos beraten, und heute morgen schließlich ging es ihm so schlecht, daß er nicht einmal Einwände erhoben hatte, als Philippos vorschlug, ihm einen Katheder zu legen, um auf radikale Art gegen seine Verstopfung vorzugehen.
Der Arzt schüttelte den Kopf. Ein Mann, der sich freiwillig darauf einließ, daß man ihm ein Metallrohr in den Anus schob, mußte schon ziemlich verzweifelt sein! Er war mit Ptolemaios allein in seinem Schlafgemach. Der Herrscher hatte es vorgezogen, bei dieser Behandlung keine weiteren Zeugen um sich zu haben.
»Wird es lange dauern?« Die Stimme des Königs klang gefaßt.
»Nicht sehr. Entscheidend ist, daß die Tinktur, die ich in Euere Innereien leiten werde, dort möglichst lange bleibt, um ihre volle Wirkung entfalten zu können. Nur so ist gewährleistet, daß Ihr von Euren Leiden erlöst werdet, Eure göttliche Majestät.«
»Du willst mir damit sagen, ich soll nicht sofort zu dem Eimer dort drüben laufen, wenn ich das Gefühl habe, daß ich mich erleichtern könnte?«
»So ist es, Erhabenster.« Philippos fand die Vorstellung, daß der Mann, den er behandelte, in Ägypten als ein Gott galt, geradezu grotesk. Götter hatten keine Leibkrämpfe! Er mußte sich bemühen, den nötigen Ernst und Respekt gegenüber dem Herrscher zu bewahren, denn soviel war gewiß, auch wenn Ptolemaios kein Gott war, so konnte es sehr unangenehm werden, sich seinen Zorn zuzuziehen.
Einen Moment lang betrachtete Philippos zögernd das rosige Hinterteil des Monarchen. Ptolemaios hatte sich nackt auf seiner Kline ausgestreckt und wartete geduldig darauf, daß er begann. Wenn der König sich falsch verhielt, konnte der Eingriff durchaus schmerzhaft werden. »Wollt Ihr nicht noch einen Becher Wein zu Euch nehmen, Eure göttliche Majestät? Es ist wichtig, daß Ihr ganz entspannt seid, wenn ich beginne.«
»Hast du etwa Angst vor dem, was du zu tun gedenkst?«
In der Stimme des Monarchen schwang mehr als nur ein Hauch von Mißtrauen.
Philippos räusperte sich. »Ich habe diesen Eingriff schon hunderte Male durchgeführt. Es besteht überhaupt kein Anlaß zur Beunruhigung, Eure Erhabenheit. In dem Moment, in dem ich das Rohr einführe, solltet Ihr am besten pressen, so als wolltet Ihr ...«
»Man nennt uns nicht ohne Grund den Neuen Dionysos, Arzt! So wie der Gott lieben auch wir Feste und Ausschweifungen jeder Art. Es ist nicht das erste Mal, daß man uns etwas in den Hintern schiebt. Also fangt jetzt endlich an!«
»Jawohl, Eure Majestät!« Philippos rieb das Hinterteil des Herrschers sorgfältig mit feinem Lammfett ein und griff dann nach dem Kupferrohr. »Wenn Ihr jetzt, bitte .«
»Ja!«
Ptolemaios stöhnte leicht, als der Ansatz des Metallrohrs in seinem rosigen Hinterteil verschwand. Aus Angst, den Darm des Herrschers zu verletzen, wagte der Arzt es nicht, das Rohr allzu weit einzuführen. Dann griff er nach dem Krug, in dem sich die vorbereitete Tinktur aus Salzen und Gerbsäuren befand. Ein Mittel, das unfehlbar helfen würde! Mit Hilfe eines Trichters füllte er die Flüssigkeit langsam in das Rohr.
»Verdammter Mist! Das fühlt sich ja schrecklich an«, lamentierte der Herrscher. »Hättest du das Zeug nicht wenigstens anwärmen können. Das ist ja kalt wie der Tod!«
»Nur so vermag es seine volle Wirkung zu entfalten, Eure Erhabenheit. Ich werde nun das Rohr entfernen. Bitte bemüht Euch, die Tinktur jetzt so lange wie.«
»Ja, wir haben es begriffen. Wir müssen sagen, die Methoden der Isis-Priesterin, unsere Verstopfung zu behandeln, waren wesentlich angenehmer. Wenn sie nur nicht so ein aufsässiges Wesen hätte . Eigentlich wollten wir sie wegen ihrer Impertinenz vom Hof entfernen. Doch nun, wo sie unserer Tochter das Leben gerettet hat, können wir uns schlecht als undankbar erweisen.«
»Und wenn Ihr Euch als dankbar erweisen würdet, Eure allergöttlichste Vollkommenheit?«
»Wie meint er das?« Ptolemaios drehte sich grunzend zur Seite und musterte Philippos mit seinen kleinen, braunen Schweinsäuglein. »Will er sich etwa über uns lustig machen?
»Nichts läge mir ferner, Neuer Dionysos«, entgegnete der Arzt hastig. »Was ich meine, ist, wenn Ihr die Priesterin belohnt, dann könnte dies doch auch zur Folge haben, daß sie den Hof verlassen muß. Schickt sie nach Tyros! Von dort kamen die Geschenke und das Gift. Laßt Ihr die Ehre zuteil werden herauszufinden, wer Euch vergiften wollte, göttliche Majestät. Sie hat ein besonderes Talent in diesen Dingen. Ihr erinnert Euch doch gewiß noch, wie geschickt sie die Hintergründe um die Morde an den ägyptischen Gesandten aufgedeckt hat. Es würde Euch gleich auf zweifache Weise zum Vorteil gereichen, wenn Ihr sie mit dieser wichtigen Aufgabe betraut. Zum einen könntet Ihr mit Samus Hilfe herausfinden, wer Euch nach dem Leben trachtet, und zum anderen müßt Ihr diese impertinente Person nicht länger in Eurer Nähe dulden.«
»Ein feiner Plan«, brummelte der König. »Wenn du gestattest, werden wir uns jetzt erheben und .«
»Bitte, Eure Majestät! Wartet noch ein wenig. Es ist besser für Euch.«
»Wir haben aber das Gefühl, daß es uns gleich zerreißen wird. Das kann doch nicht gesund sein!«
»Vertraut mir, Majestät. Es ist besser.«
»In dir steckt das Zeug zu einem trefflichen Intriganten, Arzt. Wenn wir die Dinge richtig einschätzen, dann ist es doch auch dir ganz recht, wenn die Priesterin den Hof wieder verläßt. Immerhin ist sie eine begabte Heilerin und könnte dir deine Stellung streitig machen.«
Philippos lachte leise. »Aber, Majestät! Ihr wollt doch nicht dieses Kräuterweib mit einem erfahrenen Arzt vergleichen. Sie mag eine gute Priesterin sein, und vielleicht besitzt sie sogar magische Kräfte, aber eine Heilkundige ist sie mit Sicherheit nicht. Solche Dinge erfordern eine lange Ausbildung und viel Erfahrung.«
»Versuche uns nicht zu täuschen, Grieche! Wir riechen eine Intrige, noch bevor andere sich darüber im klaren sind, daß sie überhaupt existiert. Was glaubst du, wie wir so lange herrschen konnten, obwohl jeder römische Proconsul in Syrien gierig auf die Reichtümer Ägyptens starrt. Trotzdem gefällt uns dein Plan. Wir werden darüber nachdenken. Vielleicht werden wir dich in Zukunft auch in ein oder zwei andere Probleme einweihen. Womöglich kannst du uns ja noch anders als nur als Arzt zu Diensten sein. Doch genug geredet. Wir werden uns nun an einen Ort zurückziehen, an dem wir deiner Begleitung nicht weiter bedürfen. Schick uns Potheinos herein.«
Philippos verneigte sich ergeben, obwohl er am liebsten einen Luftsprung gemacht hätte. Der König erwog, ihn in den Kreis seiner Berater aufzunehmen! Im Geiste sah der Arzt sich schon in einem eigenen Palast im fernen Alexandria leben und die Staatsgeschäfte des Herrschers manipulieren.
Die letzten Töne der Harfe waren verklungen, und allein das Rauschen des Meeres störte die Stille der Nacht. Erwartungsvoll blickten die Flötenspielerin und die Harfnerin zu Samu. Mehr als eine Stunde hatten die beiden für die Priesterin und Kleopatra musiziert. Samu hatte entschieden, welche Lieder gespielt werden sollten. Doch statt sie zu trösten, hatten die altvertrauten Melodien die Priesterin noch trauriger gestimmt. Noch immer hatte sie nicht die Kraft gefunden, Kleopatra zu sagen, was der Pharao entschieden hatte.
Samu blickte zum Osirisauge am Himmel. Es war rund und sah ein wenig aus wie eine alte Silbermünze, die schon durch so viele Hände gegangen war, daß man das Prägebild nicht mehr erkennen konnte. Das Licht des Osirisauges brach sich in Tausenden von tanzenden Lichtpunkten auf der weiten See.
Das Meer war ruhig in dieser Nacht, die Dünung sanft, und es schien, als wolle die Göttin ihr eine sichere Reise versprechen.
Endlich riß sich die Priesterin vom Anblick der See los und drehte sich wieder zu Kleopatra und den beiden Musikerinnen um. Sie hatten einige Decken und Kissen zum Strand mitgenommen und auch etwas Wein, Brot und Käse. Es sollte ein schöner Abend werden! Ein Abschied, an den sie sich in der Fremde gerne erinnern würde, wenn die Einsamkeit mit eisigen Fingern nach ihrem Herzen griff.
»Laßt mich jetzt mit der Prinzessin allein.« Die Musi-kantinnen verbeugten sich kurz und zogen sich schweigend zurück.
»Was ist mit dir, Samu? Du bist so seltsam heute abend.«
Mit einem Seufzer ließ die Priesterin sich auf der Decke nieder. Sie wußte nicht, wie sie anfangen sollte. Mit der flachen Hand strich sie über den hellen Sand, so als sei er etwas Lebendiges. »Ich habe dir heute mittag gesagt, daß ich noch über ein paar Dinge mit dir reden müßte, Kleopatra ... Nun ist die Zeit gekommen. Schneller, als ich es erwartet hatte.«
»Wie meinst du das?«
»Es geht um Eskander und all die anderen Männer, die du noch kennenlernen wirst. Du mußt wissen, wie du dich vor Unannehmlichkeiten schützen kannst, ohne deshalb auf gewisse Freuden der Liebe verzichten zu müssen.«
Kleopatra lächelte. »Du willst mir erklären, was geschieht, wenn ich zum ersten Mal in den Armen eines Mannes liegen werde? Das hat Thais mir schon längst verraten. Sie war noch jünger als ich, als sie die Liebe kennenlernte. Von ihr weiß ich, was die Männer von einem Mädchen wollen und welche Macht man über sie erlangen kann. Ja, sie hat mir sogar erklärt, wie man vortäuschen kann, noch eine Jungfrau zu sein, falls dies aus irgendeinem Grund jemals erforderlich werden sollte.«
Samu schluckte. Daß die Hetaire und die Prinzessin so vertraut miteinander waren, hatte sie nicht geahnt.
»Weißt du, Samu, viele haben Thais nicht gemocht, weil sie durch ihre Schönheit so schnell so viel Einfluß auf meinen Vater gewonnen hat. Sie konnte arrogant und abweisend sein, wenn Männer ihr nicht gefielen, und manchmal hat sie sich einen Spaß daraus gemacht, einer Hofdame ihren Liebsten abzujagen, nur um ihn nach einer Nacht wieder zu vergessen. Wenige haben um Thais getrauert, als sie gestorben ist. Zu mir ist die Gespielin meines Vaters immer wie eine Schwester gewesen. Ich konnte mit ihr über alles reden, und sie hat mich vor allem viele Dinge über die Liebe gelehrt. Ich vermisse sie.«
»Hat sie dich auch gelehrt, wie du verhinderst, die Frucht des Mannes zu empfangen? Du weißt, so lange du nicht verheiratet bist, darfst du auf keinen Fall schwanger werden. Später spielt es dann keine Rolle mehr, ob du deinem Gatten das Kind eines Liebhabers als sein eigenes verkaufst.«
Kleopatra lächelte verlegen. »Mein Vater möchte, daß ich meinen jüngeren Bruder heirate. Er ist der Meinung, daß sich göttliches Blut nicht mit dem normaler Sterblicher vermischen sollte. Aber ich frage dich, was soll ich mit einem Siebenjährigen anfangen?«
Auch Samu lächelte jetzt. »Er ist doch ein Gott. Zum einen wird sicher noch einige Zeit vergehen, bis dein Vater euch verheiratet, zum anderen . Wunder geschehen. Dein Bruder gilt als Gott, wenn er Pharao wird. Niemand wird in Frage stellen, daß er dazu in der Lage ist, auch in jungen Jahren schon ein Kind zu zeugen. Wahrscheinlicher jedoch ist, daß dein eigener Vater sich dieser Aufgabe widmen wird. Hat er schon einmal versucht, dich zu verführen?«
Kleopatra war schlagartig ernst geworden. »Einmal«, flüsterte sie leise. »Doch war er zu betrunken, als daß etwas daraus geworden wäre. Sein Phallos wollte nicht hart werden und schließlich . « Die Prinzessin stockte. Sie suchte nach Worten.
Samu beugte sich vor und schloß Kleopatra in die Arme. »Es ist schon gut, meine Kleine.« Sie saßen lange still und lauschten auf der Meeresbrandung, bis Kleopatra schließlich leise fragte. »Er wird es wieder tun, nicht wahr, Samu?«
Die Priesterin nickte.
»Es ist nicht so, daß ich ihn hasse. Er war immer gut zu mir. Er ist großzügig und . Aber er ist so alt . Sein Atem stinkt, und er ist so . Ich weiß, daß ich ihm nicht immer entgehen werde. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis . Aber ich möchte nicht gleich beim ersten Mal in seinen Armen liegen. Kannst du das verstehen? Ich möchte mich ihm nicht schenken. Es soll ein junger Mann sein. Jemand, der zärtlich und leidenschaftlich ist. Ein Mann, der mich liebt und an mir nicht nur seine Lust befriedigen will.«
»Ich werde dir keine Vorhaltungen mehr machen, wenn du die Liebe eines anderen Mannes suchst. Doch Ptolemaios wird dich fragen, was geschehen ist. Er wird es bemerken, wenn du .«
»Thais hat mir gezeigt, was zu tun ist. Es gibt bei Fischen eine kleine Blase voller Blut. Wenn mein Vater mich rufen läßt, dann . In der Küche ist eine alte Sklavin, die ich ins Vertrauen gezogen habe. Sie sorgt dafür, daß immer ein frischer Fisch bereit liegt. Ich muß diese Blase in meine Kteis einführen. Es wird dann genauso aussehen, als hätte ich ihm meine Jungfräulichkeit geschenkt. Er wird nichts bemerken. Mein Vater ist ohnehin meistens betrunken, wenn er sich mit seinen Hofdamen und Hetairen vergnügt.«
»Was wirst du tun, wenn du keine Zeit mehr hast, in die Küche zu gehen?«
Kleopatra zuckte mit den Schultern. »Das darf nicht geschehen. Ich muß ihn hinhalten. Ich würde ihm erzählen, ich wolle noch einmal auf mein Zimmer, um meine Brustwarzen und meine Kteis mit Maulbeersaft zu bestreichen.«
»Du weißt, daß es Kräuter gibt, die die Kraft des Mannes vermehren. Andere Kräuter hingegen nehmen ihm die Kraft zur Liebe und lassen seinen Phallos schlaff wie einen leeren Weinschlauch herabhängen, ganz egal, wie groß seine Lust zur Liebe ist. Du mußt ihm Samen von der Pflanze, die man das Blut des Ibis nennt, ins Essen geben. Doch sei dabei vorsichtig, er könnte sie an ihrem verräterischen Duft erkennen. Gibst du ihm ein wenig Öl von Systhamna-Samen zu trinken, dann wird er nicht zum Beischlaf kommen, weil es ihn immer wieder vom Lager treibt, um sich zu erleichtern. Sehr wirksam, wenn auch gefährlich, ist das Apemphin. Zu viel davon ist ein tödliches Gift. Du mußt die Dolden der Pflanze abschneiden, bevor der Samen in ihnen getrocknet ist, den Saft aus ihnen herauspressen und im Licht des Horusauges eindik-ken lassen. Gibst du das Mittel zu oft, so werden die Hoden des Mannes verkümmern. Mehr als ein Tropfen davon ist ein tödliches Gift. Streichst du den Saft auf deine Brüste, so verhinderst du, daß sie weiter wachsen. Verwende diese Mittel mit Bedacht. Oft ist es leichter, die Kraft des Mannes durch Wein oder berauschende Kräuter zu lähmen. Sollte es aber geschehen, daß du durch Unvorsichtigkeit ein Kind empfängst, so kannst du die Leibesfrucht absterben lassen, wenn du von den bitteren Blättern des Peganon ißt. Ähnliches bewirkst du, wenn du eine HelixKnospe nimmst, sie mit Honig bestreichst und tief in deine Kteis einführst. Der Saft und die Frucht des schwarzen Helix lassen dich eine Zeitlang unfruchtbar werden, wenn du sie nach den Tagen des Blutes zu dir nimmst.«
»Warum erzählst du mir das alles, Samu? Du hast mir doch heute mittag erst gesagt, ich sei zum Herrschen bestimmt und keine Zauberin. Ich habe doch dich, was muß ich da über Kräuter und ihre magischen Kräfte wissen!«
»Dein Vater hat mir bestimmt, den Hof zu verlassen. Schon morgen werde ich ein Schiff nehmen müssen, das mich nach Tyros bringen wird.«
Kleopatra schüttelte ungläubig den Kopf. »Das kann nicht sein! Wie kann mein Vater das tun? Du hast mein Leben gerettet, und er verbannt dich vom Hof .«
»Er verbannt mich nicht, er belohnt mich«, entgegnete Samu bitter. »Er will, daß ich nach Tyros reise, um herauszufinden, welche Handelsherren ihm das vergiftete Kohl geschickt haben. Mich hat er für diese Ehre auserwählt, weil ich in Italien die Mörder Dions und seiner Gesandten ausfindig machen konnte. Ptolemaios sagt, ich hätte ein besonderes Talent darin, das Verborgene zu erkennen. Außerdem weiß er, daß mir Aulus Gabinius, der Proconsul von Syrien, freundschaftlich verbunden ist. Er glaubt, es würde mir deshalb leichtfallen, die Unterstützung der Römer zu erhalten, um die Giftmörder ausfindig zu machen und zu strafen, denn Tyros gehört zur Provinz Syria. «
»Aber das ist nicht gerecht! Ich brauche dich, Samu! Du bist nicht nur meine Lehrerin, du bist mir auch eine Freundin ...«
»Der Lehrer deiner jüngeren Brüder, Theodotos von Chios, wird dich in Zukunft unterrichten. Ich kann nicht sagen, daß ich diesen Mann mag. Er ist sicherlich klug und wird dich vieles lehren können, doch er ist nicht weise. Er strebt nach Macht. Bedenke das bei allem, was er dir sagt. Er will mehr als nur ein Lehrer sein. Ich bin sicher, daß er davon träumt, eines Tages, wenn du und dein Bruder herrschen, zu euren Beratern zu gehören. Vergiß nicht, was ich dir beigebracht habe. Bete zu den Göttern Ägyptens und übe dich zumindest manchmal in der alten Tempelschrift, die ich dich gelehrt habe. Befolgst du meinen Rat, so wird es dir leichtfallen, die Unterstützung der Priester zu finden, wenn du dereinst herrschst. Du mußt sie davon überzeugen können, daß du wirklich die Neue Isis bist. Hast du die Priester auf deiner Seite, so wird dich auch das Volk verehren, denn niemand hat so viel Einfluß auf die einfachen Menschen wie sie.«
»Aber du wirst doch wiederkommen, Samu!«
»Gewiß!« Die Priesterin strich der Prinzessin eine Locke aus der Stirn und lächelte zuversichtlich. In Wahrheit jedoch hatte sie Angst, denn die Verschwörer in Tyros würden sicher nicht zögern, sie töten zu lassen, wenn sie ahnten, warum sie in die alte Hafenstadt reiste.
Diesmal hatte Philippos es gewagt. Er hielt es einfach nicht mehr in der Villa aus. Heimlich hatte er sich in der Nacht davongestohlen und Neaira besucht. Er brauchte jemanden, mit dem er seinen Triumph feiern konnte. Der König hatte tatsächlich auf seinen Rat gehört! Schon morgen würde Samu die Stadt verlassen! Sie würde nach Tyros segeln, und er war wieder der einzige Heilkundige am Königshof. Es war ein Festtag, und er hatte einen Schlauch voller Wein zu Neaira mitgebracht. Zufrieden lag er in den Armen der jungen Hetaire.
Es war, als hätte ihn Aphrodite geliebt. Dreimal war er in dieser Nacht gekommen, und wieder spielte sie mit ihren schlanken Fingern an seinem Phallos.
»Nicht einmal Eros könnte eine Frau glücklicher machen als du«, schmeichelte die Hetaire mit gurrender Stimme. »Selten habe ich einen Mann mit einem so stetig sprudelnden Quell zwischen den Schenkeln erlebt.«
»Was hältst du davon, in Zukunft ganz auf die Gesellschaft anderer Männer zu verzichten? Ich werde reich und mächtig sein. Möchtest du nicht als Weib an meiner Seite leben und meinen Ruhm mit mir teilen? Ich könnte dir jeden deiner Wünsche erfüllen. Und wenn Ptolemaios erst einmal nach Alexandrien zurückgekehrt ist, dann könntest du ein Leben wie eine Prinzessin führen.«
»Du meinst, du würdest mir ein Haus einrichten und mir eine eigene Zofe schenken.« Neaira seufzte. »Deine Worte klingen besser als selbst meine kühnsten Träume.«
»Was heißt hier ein Haus? Du würdest mit mir in einem Palast leben. Du bist zu bescheiden. Ganze Heerscharen von Sklaven werden wir unser eigen nennen. Und wenn du auf den Markt willst, dann wirst du von acht nubischen Sklaven in einer Sänfte getragen werden.« Der Arzt räkelte sich genüßlich und stellte sich vor, daß all diese Sklaven wie Batis aussahen. Jetzt, wo es ihm gelungen war, Samu zu verdrängen, würde er vielleicht auch den nubischen Leibwächter um die Gunst des Königs bringen. Eine kleine Verleumdung hier, eine Indiskretion da ... So lange Ptolemaios auf ihn hörte, hatte er Macht, überlegte der Arzt. Es wäre leicht, alle alten Feinde vom Hof zu vertreiben. Nach Batis wäre Potheinos an der Reihe. Der Eunuch ging über Leichen. Ein Mann wie er durfte keine Macht mehr haben, wenn Philippos seine Position sichern wollte.
Jemand klopfte energisch mit der Faust gegen die Tür zur Kammer der Hetaire. »Ich empfange in dieser Nacht niemanden mehr! Kommt morgen wieder, mein Freund.« Neairas Stimme war schwer vom Wein. Zufrieden lächelte sie Philippos an. »Vielleicht empfange ich wirklich nie wieder jemand anderen als dich.«
»Im Namen des Eirenarkes von Ephesos, öffne Weib, oder wir werden dir die Tür eintreten!«
»Was wollen die hier?« zischte Philippos leise.
»Keine Ahnung.« Neaira erhob sich von der Kline und griff nach ihrem Kleid, um es sich lose um die Hüfte zu wickeln.
Auch der Arzt war jetzt auf den Beinen. »Sie dürfen mich hier auf gar keinen Fall finden. Wenn sie herausbekommen, daß ich trotz des Verbotes den Tempelbezirk verlassen habe, dann mögen mir die Götter gnädig sein.«
»Aber was willst du denn tun? Es gibt keinen zweiten Ausgang. Du kannst nur durch die Tür!«
»Laß mich. Es ist nicht das erste Mal, daß ich auf der Flucht bin. Die Pallas wird mich schützen.« »Mach auf, Weib! Das ist die letzte Warnung!« Wieder erbebte die Tür unter schweren Schlägen.
»Moment noch! Ich kann euch doch nicht nackt wie die Schaumgeborene entgegentreten!«
Von draußen ertönte Gelächter. »Wir hätten nichts dagegen!«
Neaira trat an die Tür und zog den hölzernen Sperriegel zurück. Philippos hatte seine Tunica, den Mantel und seine Sandalen zusammengerafft. Die Kleider in den Händen, preßte er sich dicht an die Wand, so daß ihm die Tür Deckung geben würde, sobald sie sich öffnete.
»Was wollt ihr beiden von mir?«
»Wir sind nicht gekommen, um mit dir ein Spielchen zu treiben, meine entzückende Nereide. Wo steckt der Grieche, der dich besucht hat?«
Philippos schluckte. Woher wußten die beiden von ihm? Er mußte etwas unternehmen! Wahrscheinlich würde Neaira ihn verraten. Sie mußte hier in Ephesos ihr Auskommen finden.
Sie konnte es sich nicht leisten, die Soldaten des Eirenar-kes zu belügen. Wenigstens hatte sie ihm verraten, wie viele gekommen waren, um ihn zu holen. Mit zweien mochte er wohl fertig werden, wenn es ihm gelang, sie zu überraschen.
»Der Grieche? Der ist schon wieder gegangen. Es tut mir leid, aber ihr seht doch, daß meine Kammer leer ist. Ihr habt ihn nur knapp verpaßt.«
Philippos traute seinen Ohren kaum. Sie ging tatsächlich das Risiko ein, für ihn zu lügen! Sie meinte es wirklich ernst mit ihm!
»Erzähl keine Geschichten, Weib! Wir haben die ganze Zeit unten auf der Straße gestanden. Er kann uns nicht entwischt sein.«
»Wenn ich es mir recht überlege, so ist schon ein wenig Zeit vergangen, seit mein Liebhaber mich verlassen hat. Ihr müßt wissen, wir haben viel Wein getrunken. Die Stunden vergehen einem dann wie ihm Fluge und .«
»Die Decken sind noch warm«, ertönte eine zweite Männerstimme.
»Ich habe auf der Kline gelegen, als ihr gekommen seid und .«
Das Klatschen einer Ohrfeige war zu hören. »Mach uns nichts vor, Weib! Ich habe genug von deinen Geschichten. Wir haben die ganze Zeit unten auf der Straße gestanden. Dein Grieche ist hier hereingekommen und hat das Zimmer nicht mehr verlassen. Also sag mir jetzt, wo er steckt, oder ich werde mit meinem Dolch die Wahrheit aus dir herauskitzeln, hörst .«
Philippos gab der Tür einen Tritt. Es gab ein dumpfes Krachen und einen kurzen Aufschrei, als sie in den Raum hineinschwang und einem der beiden Soldaten in den Rücken schlug.
Mit einem Satz war der Arzt aus seinem Versteck. Der zweite Krieger hatte die Hand schon auf dem Griff seines Gladius liegen, als Philippos ihn mit einem Faustschlag niederstreckte.
Sein Kumpan, der Neaira geschlagen hatte, lag noch halb benommen am Boden und versuchte, sich wieder aufzurappeln.
»Komm, wir müssen hier fort!« Der Arzt streckte der Hetaire die Hand entgegen. »Die beiden werden gleich wieder auf den Beinen sein.«
»Ich kann nicht.« Neaira standen die Tränen in den Augen. »Wo sollte ich hingehen? Man wird mich am Hof deines Königs nur verspotten.«
»Das ist nicht wahr. Niemand würde es wagen, über mein Weib schlecht zu reden und .«
»Rette dich, mein Freund. Es war schön mit dir zusammen zu träumen. Mit dir leben könnte ich nicht. Jetzt beeile dich. Ich werde versuchen, die zwei noch ein wenig hinzuhalten.«
»Ich kann dich doch jetzt nicht alleine lassen!«
»Und wie willst du mir helfen? Indem du dich von den Stadtwachen ergreifen läßt? Du kannst nichts mehr für mich tun. Ich habe für dich gelogen. Sie werden mich bestrafen. Aber das werde ich schon durchstehen. Ich kenne einen Tetrarchen der Wache. Er wird mich schützen, aber dir wird er keinen Gefallen tun. Also nimm deine Sachen und lauf ...«
Ein Geräusch ließ Philippos herumfahren. Der bärtige Wortführer der beiden Wachen hatte sich halb aufgerichtet und einen Dolch gezogen. Der Arzt warf ihm seine Kleider entgegen, und in dem Moment, in dem der Soldat die Arme hochriß, versetzte der Grieche ihm einen Tritt. Die Wucht des Treffers riß den Krieger zurück, so daß er mit dem Kopf gegen die Wand schlug. Philippos setzte nach und trat dem zusammengesunkenen Wächter wieder und wieder in den Leib. Am liebsten hätte er den Mann in Stücke gerissen. Es war, als hätten die Furien seinen Geist verwirrt. Dieser Mistkerl und sein Kumpan hatten sein Glück zerstört! Wieder verpaßte Philippos dem Krieger einen Tritt. Ihretwegen mußte er fliehen, und nur ihretwegen würde Neaira leiden! Was hatte er getan, daß ihm die Götter einen so grausamen Streich spielten!
»Hör auf!« Die Hetaire packte den Arzt beim Arm und zog ihn zurück. Auf der Treppe, die zu den Kammern der Huren führte, waren schwere Tritte zu hören. »Lauf endlich, mein Liebster, und vergiß mich nicht. Das ist das einzige, was ich mir von dir wünsche .« Neaira drückte ihm sein Kleiderbündel in die Hand und schob ihn zur Türe hinaus. Direkt vor dem Griechen löste sich der Schatten eines großgewachsenen Kriegers aus dem Dunkel der Nacht. Der Mann streckte die Arme nach ihm aus. Philippos sprang vor und rammte dem Hünen seinen Kopf in den Leib. Im gleichen Augenblick schlossen sich die Hände des Kriegers wie eiserne Fesseln um die Arme des Arztes. Einen Moment lang taumelte der Soldat . Dann stürzte er nach hinten. Krachend zerbarst das hölzerne Geländer der Galerie, an der die Zimmer der Huren lagen.
Schreiend stürzten die beiden in die Tiefe. Der Aufschlag auf dem Pflaster der Hafenstraße trieb dem Griechen die Luft aus den Lungen. Einen Moment lang hatte er das Gefühl, keinen Atem mehr schöpfen zu können. Benommen rollte er sich vom Leib des Kriegers. Der Soldat rührte sich nicht mehr.
Lang verdrängte Bilder von den Kämpfen in Hispania ulterior kamen Philippos wieder in den Sinn. Jene Nacht, in der die Rebellen des Sertorius seine Centurie in einem kleinen Bergdorf in eine Falle gelockt hatten. Der Arzt hörte über sich Rufe und Waffenklirren. Seine Hände tasteten nach dem Gladius des Hünen, der noch immer reglos neben ihm lag.
Es war genau wie damals in dem Dorf. Seine Kameraden waren tot. Er war auf sich allein gestellt. Das kurze Schwert in seiner Hand war der letzte Freund, der ihm noch geblieben war.
Vor Schmerzen stöhnend, kam Philippos auf die Beine. Er hatte sich ein Knie aufgeschlagen, und die Knöchel seiner rechten Hand waren von dem Faustschlag blutig, den er dem Krieger oben in der Kammer versetzt hatte. Jetzt wünschte er, den großen, schweren Holzschild bei sich zu haben, den er als Legionär so oft verflucht hatte.
Sein Kopf summte. Etwas Warmes lief ihm die Schläfe hinab. Er würde das Kleiderbündel wie einen Schild benutzen!
Zitternd vor Schwäche lief er auf eine Gasse zu, die dunkel zwischen den hohen Häusern der Hafenstraße klaffte. Hinter sich hörte er Schritte. Befehle wurden in die Nacht gerufen.
Etwas schlug dicht neben ihm klirrend gegen eine Hauswand.
Ein Speer! Sie wollten ihn umbringen!
Philippos beschleunigte sein Tempo. Die Barbaren würden keine Gnade walten lassen. Er kannte diese Iberer. Elendes Pack! Sie hatten alle seine Kameraden ermordet. Auf den Dächern der Häuser waren sie verborgen gewesen. Mit Karren hatten sie die engen Straßen des Dorfes versperrt, und dann begann das Massaker. Aber er würde ihnen entkommen. Es gab immer einen Weg!
Keuchend preßte sich Philippos in einen Hauseingang. Die Tür gab nach. Vielleicht fand er hier ein Versteck? Geduckt schlich er durch den Eingang, immer dicht an der Wand vorbei. Silbernes Mondlicht leuchtete das kleine, unscheinbare Atrium aus. Der Boden zeigte ein Mosaik mit einem schlichten, geometrischen Muster. Noch immer gegen die Wand gepreßt, umrundete Philippos den Innenhof. Er war ihnen entkommen! Hier würden sie ihn nicht mehr finden. Draußen auf der Straße konnte er lautes Rufen und die Geräusche genagelter Soldatenstiefel auf dem Pflaster hören. Warum trugen die Iberer Caligae? Hatten sie seinen toten Kameraden etwa schon die Stiefel gestohlen?
Philippos preßte sich die Hände gegen den Kopf. Ein stechender Schmerz pochte hinter seinen Schläfen. Ihm war übel. Das geometrische Muster auf dem Boden verschwamm zu tanzenden Linien. Nicht jetzt! Er biß sich auf die Lippen.
Irgend etwas stimmte hier nicht. Er durfte der Schwäche jetzt noch nicht nachgeben! In diesem Hof war er noch nicht sicher.
Der Arzt mußte sich jetzt mit einer Hand an der Wand abstützen. Daphne! Er würde sie nicht mehr wiedersehen. Er hätte nicht in die Legion gehen dürfen! Wer würde über sie wachen, wenn ihrem fetten, alten Ehemann etwas geschah?
Philippos betrat einen schmalen Gang, der tiefer in das Haus führte. Der Iberer mußte ein reicher Mann sein. Das Gebäude sah fast aus wie die Villa eines römischen Patriziers. Der Gang machte eine Biegung. Die Wände waren mit einer dunklen Farbe gestrichen, auf die man hier und dort falsche Säulen aufgemalt hatte. Irgendwo war Lärm. Das Rufen klang entfernt! Er hatte seine Verfolger abgeschüttelt!
Der Grieche stand vor einer Treppe. Es wäre eine gute Idee, das Erdgeschoß zu verlassen. Hinter einem Fenster verborgen könnte er dann beobachten, was auf der Straße vor sich ging.
Oder sollte er zurück zu seinen Kameraden? Vielleicht könnte er jemanden retten? Nein! Es war aussichtslos. Draußen lebte bestimmt keiner mehr. Jetzt war sich jeder selbst der Nächste. Wenn nur diese Kopfschmerzen nicht wären! Philippos preßte sich erneut die Hände auf die Schläfen und stolperte. Das Kurzschwert glitt ihm aus der Hand und fiel polternd ein paar der hölzernen Stufen hinab. Der Arzt kauerte sich in den Schatten des Geländers und fluchte leise. Das hätte nicht passieren dürfen! Er würde die Bewohner töten müssen, wenn sie ihn bemerkten. Er durfte die Sicherheit seines Verstecks nicht aufgeben.
Irgendwo über ihm öffnete sich knarrend eine Tür. »Ist dort jemand?«
Philippos lächelte. Der Kerl versuchte, ihn hereinzulegen. Er sprach griechisch und noch dazu mit einem starken ionischen Akzent. Aber von einem Iberer würde er sich nicht täuschen lassen. Philippos beugte sich vor und griff nach dem Gladius.
Der Stimme nach zu urteilen, war der Kerl dort oben nicht mehr der jüngste. Vielleicht würde er ihn doch nicht töten müssen. Der Arzt umklammerte den Griff der Waffe fester. Er sollte ihn sich packen, bevor er noch weiter herumkrakeelte.
Mit drei großen Sätzen war er die Treppe hinauf. Er hatte recht gehabt. Vor einem der Zimmer stand ein Mann, dessen Haar weiß im Mondlicht glänzte. »Sei still, dann wird dir nichts geschehen!« Die Sprache der Römer ging Philippos noch immer schwer über die Lippen. Ihr fehlte die Eleganz ... der schöne Klang. Es war die Sprache eines Bauern- und Soldatenvolkes.
Der Mann trat erschrocken einen Schritt zurück. Philippos setzte ihm nach und stieß ihn in das Zimmer, aus dem er gekommen war. Unten im Atrium erklang der Tritt von Soldatenstiefeln. Fackelschein fiel auf die Wände des Hofs.
Vorsichtig schloß der Arzt die Tür hinter sich. Vermutlich sahen die Iberer nur sicherheitshalber in die Höfe der Häuser, die an jene Straße angrenzten, in der seine Kameraden ermordet worden waren. Erschöpft lehnte sich Philippos mit dem Rücken gegen die Tür. Ein muffiger Geruch lag in der Luft. Es roch nach verschwitzten Decken und nach Urin.
Der Alte murmelte etwas. Er schien mit einer Frau zu sprechen. Der Arzt konnte in der Dunkelheit nicht erkennen, wer noch in dem Raum war. Auf jeden Fall sprachen die beiden griechisch. Der Alte versuchte, ihn noch immer zu täuschen.
Ob er wohl dachte, er würde ihn am Ende für einen griechischen Händler halten?
»Ruhig ihr beiden«, zischte Philippos ärgerlich. Eine neue Welle des Schmerzes flutete durch seinen Kopf. Helle Lichtpunkte tanzten durch den dunklen Raum, und es schien plötzlich kälter zu werden. »Eure Freunde haben meine Kameraden umgebracht. Aber wenn ihr still seid, werde ich euch am Leben lassen.«
»Wir haben mit den Morden an den römischen Bürgern nichts zu tun. Das alles ist doch schon so viele Jahre her«, entgegnete der alte Mann in holprigem Latein. »Es tut uns leid, wenn damals einige Eurer Freunde ums Leben gekommen sind. Aber wir sind unschuldig! Wir waren nicht einmal in der Stadt, als es geschah. Ich bin Kaufmann und war mit einem meiner Schiffe auf Reisen.«
Philippos lächelte zynisch. Er hatte es gewußt! Der Kerl versuchte, sich darauf herauszureden, ein griechischer Händler zu sein. Er würde ihn . Auf der Holztreppe waren leise Schritte zu hören. Der Arzt hielt den Atem an und lauschte. Hatten sie etwa seine Spur gefunden? Wie war das möglich? Vorsichtig trat er ein paar Schritt von der Tür zurück. Unstetes Licht war durch die Ritzen der Tür zu erkennen. Dort draußen mußten Fackelträger sein. Wie zum Henker hatten sie ihn aufgespürt? Philippos faßte sein Kurzschwert fester. Er würde sein Leben so teuer wie möglich verkaufen. Wenn ihm nur nicht so kalt wäre. Und diese Kopfschmerzen .
Krachend flog die Tür ins Zimmer. Das Fackellicht schien so hell wie die Mittagssonne zu sein. Bärtige Männer mit Bronzehelmen und hellen Leinenpanzern stürmten herein. Warum trugen die Iberer griechische Rüstungen? Sie glaubten wohl, sie könnten ihn täuschen! Und wie hatten sie ihn gefunden?
»Ergib dich, oder wir werden dich töten! Es gibt kein Entkommen mehr für dich. Das Haus ist von meinen Männern umstellt.«
Irgendwie kam Philippos das Gesicht des Mannes bekannt vor. Er hatte eine Nase, die so krumm war wie der Schnabel eines Raubvogels. Auch die schmalen Lippen ...
Auf dem Holzboden des Zimmers waren dunkle Flek-ken. Wie eine Spur führten sie auf ihn zu. Philippos sah an sich herab.
Er war ja nackt! War er vielleicht schon tot? Sein Bein war ganz mit Blut verschmiert. Hände packten ihn . Das Zimmer begann plötzlich zu tanzen . Der Boden stürzte ihm entgegen . Es war so kalt .