15 Wyvernesse

Jetzt, da der Fluß nicht länger bis nach Nexis floß, mußten die Nachtfahrer ihre Waren auf anderen Wegen in die Stadt hinein- beziehungsweise aus der Stadt herausschmuggeln. Aurian und ihre Gefährten brachen in dieser Nacht im Schutz der Dunkelheit auf; sie nahmen mehrere Kunstwerke nexianischer Handwerker mit und reisten in fröhlich bemalten Wagen, die ihrem äußeren Anschein nach ein fahrender Jahrmarkt zu sein schienen. Die Magusch lächelte über diese phantasievolle Methode, illegale Güter zu transportieren. Ich wette, das war Zannas Idee, dachte sie.

Etwas Derartiges wäre unter der Herrschaft der Magusch nie passiert – um genau zu sein, war dies der erste fahrende Jahrmarkt, den Aurian je zu Gesicht bekommen hatte. Miathan hatte dem fahrenden Volk schon vor vielen Jahrzehnten den Zutritt nach Nexis verwehrt, weil solche Vagabunden mit ihren diebischen Sitten und ihrer unbeschwerten Art allein durch ihre bloße Anwesenheit bei den Städtern für Unruhe sorgen konnten. Aber als Verkleidung war der Jahrmarkt ideal. Zum einen war es sehr befriedigend, sich sozusagen vor aller Augen verstecken zu können, und zum anderen hatten achtbare Leute die Neigung, einen großen Bogen um die Reisenden zu machen. Im allgemeinen lebte das fahrende Volk sehr abgeschieden und zeigte sich Fremden und Außenseitern gegenüber feindselig – oft mit gutem Grund. Außerdem standen die Zigeuner in dem Ruf, notorische Diebe zu sein, daher näherten sich ihnen die Leute klugerweise mit großer Vorsicht, wenn überhaupt.

»Halt! Nicht weiter!«

Die Wagenkarawane hatte offensichtlich die Stadtgrenzen erreicht. Die Magusch, die sich in die nach Heu duftende Dunkelheit ihres Wagens kauerte, drückte die Daumen, als der Wagen zum Stillstand kam. Wenn wir nur an diesen verfluchten Wachen vorbeikommen, dachte sie. Sie preßte ein Ohr an die dicken Bretter, so daß sie jedes Wort des Gespräches draußen verstehen konnte.

Als der Wachposten zu den Waggons kam, hörte sie das Knarren von Leder. »Wer ist für diesen Haufen Schutt verantwortlich? Weist euch aus.«

Die zweite Stimme war klangvoll und wohltönend – und sehr, sehr laut. »Ich, mein Herr, bin der Große Mandzurano«, erscholl es. »Ich bin der Herr dieser außergewöhnlichen Truppe.«

Aurian grinste. Sie war dem Großen Mandzurano nur kurz begegnet, aber sie hatte bereits herausgefunden, daß er der Sohn eines ehemaligen Seilmachers aus Osthafen war, und sein Name lautete in Wirklichkeit Thalbutt. Kurz zuvor hatte sie sich mit einiger Überraschung erklären lassen, daß viele der Jongleure, Akrobaten, Geisterbeschwörer und sonstigen Schausteller aus ähnlichen Verhältnissen kamen, angelockt durch die Romantik eines Lebens auf Wanderschaft.

Der Wachposten vor dem Wagen schien von den Jahrmarktleuten weniger beeindruckt zu sein. »Ach, wirklich?« fragte er höhnisch. »Nun, Meister Mandzurano, seid doch bitte so freundlich, Eurer außergewöhnlichen Truppe mitzuteilen, daß jeder auf der Stelle seinen Arsch aus diesen Wagen schwingen soll. Wir suchen nach dem Dieb, der Lord Pendral beraubt hat. Na los, nicht so langsam! Ich muß meinen Auftrag erfüllen, und ich habe nicht die ganze verdammte Nacht Zeit.«

»Mein guter Mann, willst du vielleicht andeuten …«

»Nein – ich deute nichts an, ich drücke mich ganz klar aus. Kein achtbarer Mensch würde einen zwingenden Grund sehen, mitten in der Nacht die Stadt zu verlassen. Ihr Vagabunden führt doch nie etwas Gutes im Schilde, und ich wette, die heutige Nacht ist da keine Ausnahme. Laß deinen Pöbel aussteigen – sofort –, oder ich werde euch allesamt verhaften.«

In der Dunkelheit des Wagens lächelte Aurian. Augenscheinlich hatte Mandzurano eine besonders starke Wirkung auf Amtspersonen. Es tat gut, wenigstens über irgend etwas lächeln zu können, dachte sie kläglich. In ihrem Versteck war es zum Ersticken heiß und grausam eng, da sie sich zusammen mit Hargorn und all ihren Gefährten zusammendrängte. Auch der kleine Dieb, den sie in der vergangenen Nacht gerettet hatte, war bei ihnen. Wenn es ihnen gelang, aus der Stadt herauszukommen, hatte sich all die Unbequemlichkeit gelohnt. Und genau das würden sie bald herausfinden.

»Na kommt schon, ihr da. Alles raus aus den Wagen!« Die Wachen gingen an den Wagen entlang und schlugen mit ihren Schwertgriffen gegen die Holzbretter. Aurian hörte einen müden Chor von Klagen und Flüchen, als die Jahrmarktleute sich widerwillig aus ihren Wagen schleppten. Zornige Anschuldigungen und wütende Proteste begleiteten die Suche. Als die Wachen sich langsam ihrem Versteck näherten, ballte Aurian die Fäuste um den Griff ihres Schwerts; die qualvolle Anspannung dieser langen Wartezeit war ihr schier unerträglich.

Der Wachposten hatte ihren Wagen erreicht. Die Magusch konnte seine Stimme direkt auf der anderen Seite hören. »Und was ist da drin, daß Ihr den Wagen so gründlich versperrt habt? Kommt, laßt uns mal sehen!«

»Bitte, Herr – öffne diese Tür nicht, wenn dir dein Leben lieb ist«, protestierte Mandzurano. »Da drin sind gefährliche wilde Tiere!«

»Gefährliche wilde Tiere, daß ich nicht lache! Erzähl das jemand anderem, ›Meister‹. Als ob so eine lausige, zerlumpte Horde reisender Vagabunden echte wilde Tiere besäße …«

Im Wagen warteten Shia und Khanu, bis die Hand des Mannes wirklich auf dem Riegel lag. Als er den Bolzen zurückzog, verfielen sie in ein ohrenbetäubendes, grauenerregendes Brüllen und Fauchen.

»Bei Tharas Titten!« kreischte der Wachposten. Trotz des Lärms hörte Aurian, wie der Bolzen wieder in seinen Sockel krachte. Als die Wagen wieder anfuhren, vergrub sie das Gesicht in ihrem Ärmel und zitterte vor Lachen.

Die Mittagssonne, die durch den offenen Eingang eines kleinen, fröhlich gestreiften Zeltes fiel, weckte Aurian. Sie fühlte sich herrlich geborgen und wohlig entspannt in ihrem Kokon aus Decken, gewärmt von den beiden Wächterkatzen, die links und rechts neben ihr schliefen. Im Hintergrund hörte sie das beruhigende Plätschern eines Baches, in das sich leise Stimmen und das scharfe Prasseln brennender Zweige mischten. Der herrliche, klare Gesang einer Lerche tröpfelte wie ein silberner Regenguß vom Himmel auf sie herab. Die Magusch spürte, wie sich bei diesem Geräusch ihre Laune besserte. Wie herrlich es doch war, wieder in der Welt der Lebenden zu sein!

Der Duft von gebratenem Schinken trieb Aurian jedoch bald aus ihren Decken. Als sie schließlich ins Freie trat, war sie überrascht von der Kühle der Moorluft. Es mochte zwar Spätsommer sein, aber in diesem nördlichen Hochland hoffte man selbst in der Mittagssonne vergeblich auf Wärme. Der Lagerplatz lag in einem kleinen, geheimen Tal, das von drei sanften, grünen Hügeln gebildet und abgeschirmt wurde. Es gab einen kleinen Bach, Brombeersträucher, Ginster und anderes Gestrüpp, das als Brennholz dienen konnte. Auch wenn es schnell herunterbrannte – für ein kleines Kochfeuer genügte es. Die farbenprächtigen Wagen standen in einem schützenden Halbkreis in der Nähe des Bachs, und die Pferde waren ganz in der Nähe angepflockt worden.

Die meisten der Jahrmarktsleute waren schon wach und liefen verschlafen zwischen Zelt und Wagen umher. Sie folgten eindeutig einer bestimmten Routine und bauten mit der Leichtigkeit langer Übung die gestreiften Leinenunterkünfte ab. Die Magusch verbarg ihre kalten Hände in den Ärmeln und hielt nach ihren Gefährten Ausschau. Grince war nirgends zu sehen, aber Finbarr – oder eher der Todesgeist, der Finbarrs Körper bewohnte – saß in sich zusammengesunken und fest in seinen Umhang gehüllt im Schatten eines Wagens. Obwohl seine geborgte körperliche Hülle auf normale Art und Weise ernährt werden konnte, fragte sich Aurian mit einer jähen Unruhe, wie bald das Geschöpf, jetzt, da sie es in die Zeit zurückgeholt hatte, eigene Nahrung brauchen würde.

Hinter den Wagen erprobte Forral Anvars Körper. Er trainierte mit einem drahtigen jungen Mann von der Jahrmarkttruppe, aber statt Waffen benutzten die beiden Männer Holzstäbe. Aurian wandte sich ab und trat ans Feuer, wo Hargorn und der Große Mandzurano ganz in die friedliche Aufgabe des Schinkenbratens vertieft waren.

»Aurian, meine Freundin.« Als Hargorn sich erhob, um sie zu begrüßen, bemerkte Aurian, wie glücklich er wirkte, jetzt, da er die Stadt hinter sich hatte und wieder draußen auf dem Feld lebte, wie es sich für einen Soldaten gehörte. »Gut geschlafen?« fragte er sie. »In der Kanne drüben am Rand des Feuers ist noch etwas Taillin.«

»Vielen Dank, Hargorn.« Die Magusch goß sich etwas Taillin in einen Zinnbecher und umfaßte ihn mit beiden Händen, dankbar für die Wärme, die in ihre halberfrorenen Finger drang. »Ich habe wunderbar geschlafen – überraschend gut, um genau zu sein. Ich glaube, es war die Erleichterung darüber, aus Nexis herauszukommen – die Stadt hat sich in einen bösen Ort verwandelt, seit ich das letzte Mal dort war.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich konnte es die ganze Zeit über spüren: das Gefühl, das furchtbare Dinge bereits geschehen sind – und daß noch weit schlimmere kommen werden.«

Hargorn, der sein graues Haar zu dem ordentlichen Zopf zurückgebunden hatte, den er als Krieger zu tragen pflegte, reichte ihr einen Zinnteller, auf dem sich knusprig gebratener Schinken türmte. Dann gab er ihr noch einen großen, weichen Brocken Brot. »Ich bin ganz deiner Meinung. Bis ich gestern nacht fortging, wußte ich gar nicht, wie schlimm es geworden ist. Es kommt mir vor, als wäre eine gewaltige Last von mir abgefallen.« Er schüttelte den Kopf. »Ich würde ja das Einhorn verkaufen und die Stadt einfach verlassen, aber ich mache mir Sorgen um Hebba. Ich weiß, sie würde Nexis niemals den Rücken kehren.«

Forral setzte sich zu ihnen. Auf seinem Gesicht glitzerte eine dünne Schweißschicht, und seine Brust hob und senkte sich heftig. »Keine Kondition«, keuchte er.

Aurian stellte ihren Teller ab. »Anvar war ein Magusch, kein Krieger«, sagte sie knapp. »Sei vorsichtig, daß du dir nicht dauerhaften Schaden zufügst …« Sie schluckte herunter, was sie eigentlich hatte sagen wollen, aber ihre unausgesprochenen Worte lagen in der Luft, als wären es in Feuer geschriebene Lettern: denn es ist Anvars Körper, und eines Tages holt er ihn sich vielleicht zurück.

Hargorn durchbrach das beklommene Schweigen. »Nun denn, was sagst du dazu, daß wir es endlich geschafft haben, aus Nexis fortzukommen? Jetzt kann Thalbutt – Verzeihung, Mandzurano – uns Pferde geben, so daß wir weit schneller als die Karawane nach Wyvernesse reisen könnten.«

»Klingt gut.« Aurian rappelte sich hoch. »Hat irgend jemand heute morgen Grince schon gesehen?«

Hargorn und Aurian spürten den Dieb schließlich in einem der Wagen auf. Seine geliebten Finger hatten das Schloß eines der Geheimverstecke aufgespürt, das die Schmuggler benutzten. Jetzt spähte er in eine Vielzahl von Kisten und Ballen, die unbemerkt von den Wachen aus Nexis herausgeschmuggelt worden waren.

»Grince!« donnerte die Magusch. »Was glaubst du, was du da tust?«

Grince zuckte heftig zusammen und drehte sich dann mit einem breiten Grinsen und einem sorgfältig einstudierten, freimütigen Blick um. »Ich wollte nur mal schauen.« Er zuckte die Achseln. »Mein Kompliment, Meister Mandzurano. Ihr Vagabunden seid wirklich klug. Wer hätte gedacht, daß man all das in einem so unschuldig aussehenden Wagen verstecken kann?«

Mandzurano warf sich in die Brust. »Die Wachen suchen nach Gegenständen, die den Städtern gestohlen wurden, verstehst du, nicht nach Schmuggelwaren …«

Aurian sah Grince weiterhin mit durchdringenden Augen an, bis er unter ihrem erbarmungslosen Blick nervös wurde. »Wir bestehlen unsere Freunde nicht«, sagte sie.

Grince sprang auf. Dann griff er in seine Taschen und warf eine Handvoll kleiner Gegenstände auf den Holzboden des Wagens. »Ich habe keine Freunde.« Mit diesen Worten drängte er sich an ihr vorbei, sprang auf den Boden und rannte davon.

Aurian bückte sich und nahm die versprengten Gegenstände in Augenschein – eine mitleiderregende Ansammlung bunter Kinkerlitzchen, billiger Kupferbroschen und geschnitzter Holzkämme. »Es war nicht mal etwas Wertvolles hier.« Sie blickte in die Richtung, in die Grince geflohen war und schüttelte traurig den Kopf.

Zwischen den gewellten Hügeln des nördlichen Moorlandes, wohl verborgen vor neugierigen Blicken, kamen die Reisenden schnell nach Osten voran. Für Grince, der noch nie in seinem Leben auf einem Pferd gesessen hatte, war die Reise eine Erfahrung, auf die er ohne weiteres hätte verzichten können. Es blieb ihm keine Zeit, das Reiten von Grund auf zu erlernen – er hatte keine andere Wahl, als sich an den Sattel zu klammern und qualvoll auf und ab zu hüpfen, während einer der anderen seine Zügel nahm und ihn führte, als wäre er ein kleines Kind. Es war unendlich demütigend – aber wäre nur sein Stolz verletzt gewesen, hätte Grince sich damit abfinden können. Die Prellungen und Schwellungen an seinem ganzen Körper waren jedoch eine weit ernstere Angelegenheit. Am ersten Tag mußte er mindestens ein dutzendmal vom Pferd gefallen sein – und einmal hatte das Pferd ihn direkt in ein Dornengebüsch geworfen.

»Geschieht ihm recht«, murmelte Hargorn, während die Magusch sich abmühte, den fluchenden und heulenden Dieb aus dem Gewirr dorniger Ranken zu befreien. Der alte Soldat hatte Grince seinen Versuch, die Schmuggler zu bestehlen, noch immer nicht verziehen. »Vielleicht ist das ein Ausgleich für die Prügel, die ich ihm neulich nicht verpassen durfte, Aurian.«

Grince, der seine Kratzer und blauen Flecken abtastete, starrte den Veteran, der vorausritt und ihn wie einen Maultierkarren hinter sich her zerrte, zornig an. Auch dem Pferd gefiel diese Behandlung gar nicht, das konnte Grince an seinen zurückgelegten Ohren und den rollenden Augen erkennen. Sobald Hargorn die Zügel losließ, wird dieses verfluchte Geschöpf mich abermals abwerfen – und mir noch mehr blaue Recken verpassen, befürchtete Grince.

Sehr zu seinem Unwillen ritten sie bis tief in die Nacht hinein. Sie orientierten sich an den Sternen und fanden ihren Weg, obwohl ihnen nur ein schwaches Mondlicht zur Verfügung stand. Aurian mit ihrer Maguschsicht ritt voraus, um den besten Weg auszukundschaften. Die beiden Katzen, die die Pferde erschreckten, wenn sie ihnen zu nahe kamen, flankierten den kleinen Zug zu beiden Seiten. Der Dieb war so erschöpft, daß er trotz seiner Schmerzen halb döste und halb vor sich hin träumte, während sie Meile um Meile zurücklegten. Seine Gedanken kehrten zum Morgen jenes Tages zurück, als er aus dem Schmugglerlager weggelaufen war.

Da er nicht dumm genug war, um sich in dieser trostlosen Wildnis zu verirren, war Grince dem Lauf des Bachs gefolgt und die Hügel hinaufgegangen, bis von dem Lager nichts mehr zu hören und zu sehen war. Verflucht sollten sie sein! Mit aller Kraft warf er einen Stein in den Bach. Warum hatte er nur jemals mit diesen kaltäugigen, unerbittlichen Fremden die Stadt verlassen? Er hätte den Wachen dieses Dummkopfes Pendral mit geschlossenen Augen und mit einer am Rücken gefesselten Hand ein Schnippchen schlagen können! Am Ende hätte der Hohe Herr die Sache dann sicher vergessen …

Grinces Gedanken versanken in ein kaltes Schweigen, und er kam zu dem Schluß, daß Pendral mit Sicherheit nicht vergessen würde, was Grince ihm angetan hatte. Panik überfiel den Dieb. Die Götter mögen mir beistehen, ich kann nicht mehr nach Nexis zurück, dachte er. Ich kann niemals zurück – ich habe alles verloren! Er warf sich zu Boden und blieb einfach Hegen. Diese unendliche Leere, die sich um ihn herum erstreckte, versetzte ihn in Todesangst; in einem Umkreis von Dutzenden von Meilen gab es weder ein Gebäude noch einen Schornstein oder auch nur einen anderen Menschen. Und Grince brauchte Menschen. Stehlen war das einzige, worauf er sich verstand. Hier draußen konnte er sich nicht ernähren. Er würde kein Lager für die Nacht finden und konnte nicht mal ein Feuer entzünden.

»Grince? Bist du verletzt?« Eine Hand legte sich auf seine zitternde Schulter. Als Grince aufblickte, sah er, daß Aurian ihn mit Hilfe der großen Katzen aufgespürt hatte. Stirnrunzelnd hockte sie sich neben ihn. »Was ist passiert? Bist du gestürzt?«

Es dauerte einen Augenblick, bis der Dieb begriff, daß ihr Gesicht nicht Verachtung, sondern Sorge widerspiegelte. »Was interessiert es dich?« brauste er auf.

»Nun, irgend jemanden muß es wohl interessieren«, gab die Magusch mit derselben Schroffheit zurück. »Dich interessiert es ja offensichtlich nicht.« Sie hielt ihm die Hand hin. »Kommst du mit zurück ins Lager? Wir bereiten alles zum Aufbruch vor.«

Grince wandte den Blick ab. »Die wollen mich doch gar nicht.«

»Das würde mich auch nicht überraschen, nach dem, was du da getan hast – aber ob sie dich wollen oder nicht, darum geht es nicht«, meinte Aurian energisch. »Sie würden dich gewiß nicht hier draußen verhungern lassen. Außerdem«, fuhr sie fort, »ist im Grunde genommen niemand wirklich böse auf dich, Grince – wir sind nur enttäuscht, das ist alles.«

»Was macht das für einen Unterschied?« murmelte der Dieb verdrossen.

»Der Unterschied besteht zunächst einmal in einer Menge blauer Flecken.« Ein kalter, grauer Funke des Zorns flammte in den grünen Augen der Magusch auf, und Grince verspürte eine merkwürdige Befriedigung darüber, daß er der Grund dafür war. Man hatte ihn aus seiner gewohnten Umgebung herausgerissen; er fühlte sich einsam und verängstigt; er war unsicher und hilflos in dieser neuen, fremdartigen Welt – aber zumindest war es ihm gelungen, einen Teil seiner unmittelbaren Umgebung zu beeinflussen.

Und dann ging plötzlich alles schief. Aurian erhob sich und kehrte gemessenen Schrittes ins Lager zurück, ohne Grince eines weiteren Blickes zu würdigen. »Wir brechen bald auf«, sagte sie schroff. »Sieh zu, daß du da bist, denn wir werden nicht auf dich warten. Wir werden dich auch nicht holen kommen, und Mandzurano wird dich gewiß nicht mit seinen eigenen Leuten reiten lassen, nachdem du versuchst hast, ihm seine Ladung zu stehlen. Es ist eine höchst unangenehme Todesart, hier draußen im Moor an Kälte und Hunger zu sterben, aber das liegt ganz bei dir.«

Sie war schon fast außer Sichtweite, als Grince bewußt wurde, daß sie ihre Worte ernst gemeint hatte. Eisige Furcht erfaßte ihn. Er sah sich im Geiste schon ganz allein durch dieses verlassene Hochland streifen. Was, wenn es Nacht wurde? Er würde hier in der Kälte und Dunkelheit festsitzen … Die Jahrmarktleute hielten sich augenscheinlich von befahreneren Pfaden fern – gut möglich, daß monatelang niemand hier vorbeikam, falls überhaupt jemand kam. Und ob es in diesen Mooren Wölfe gab?

Grince sprang auf und rannte hinter der kleiner werdenen Gestalt der Magusch her. »Warte!« kreischte er. »Lady – warte auf mich!«

Bei seiner Rückkehr ins Lager wurde ihm ein kühler Empfang zuteil, aber Aurian stellte sich immer zwischen ihn und den Zorn der anderen. Sie war es auch gewesen, die das ruhigste der Ponys für ihn ausgewählt hatte – eine gescheckte Stute –, und sie hatte keine Mühen gescheut, es dem absoluten Neuling im Sattel so bequem wie möglich zu machen. Nach seinem Sturz war sie es auch gewesen, die ihm aufgeholfen und den Staub aus den Kleidern geklopft hatte. Und damit hatte sie Grinces Gewissensbisse nur verschlimmert.

Der fahle Mond versank langsam hinter den Hügeln, und Grince verspürte die zittrige, benommene Müdigkeit eines Menschen, der tief in der Nacht noch auf ist. Mit einem Fluch krallte er sich an der Mähne des Pferdes fest, als Hargorn vor ihm plötzlich stehenblieb und die Schecke von hinten gegen das Pferd des alten Soldaten prallte. Hargorns Reittier reagierte mit einem bösartigen Tritt, woraufhin die Stute zur Seite auswich – und der Dieb sich abermals auf dem Boden wiederfand. Wie Aurian es ihm beigebracht hatte, rollte er zur Seite weg, wo die stampfenden Hufe ihn nicht mehr erreichen konnten. Dann blieb er einfach liegen, zu erschöpft und zu elend, um sich zu erheben.

Plötzlich tauchte die Magusch aus der Dunkelheit auf und riß den Zügel der Stute an sich, bevor das Tier durchgehen konnte. »Mach dir nicht die Mühe, wieder aufzusteigen«, sagte sie, »wir machen hier halt.«

Der Dieb erwachte in einer kalten, grauen Welt. Er war in eine Decke und den Umhang gehüllt, den Hargorn ihm vor einigen Tagen im Einhorn beschafft hatte; er hatte sich seinen Lagerplatz inmitten eines Nests biegsamer Farne gesucht. Mit düsterer Miene dachte er an seinen bitteren Groll in der vergangenen Nacht, als Aurian ihn gezwungen hatte, das Gewächs zu sammeln. Jetzt erst begriff er, welchen Sinn die Sache hatte – sein Nest war Bett und Windschutz zugleich und weit angenehmer für seinen zerschundenen Körper als der kurze, harte Rasen des windgepeitschten Hügels.

Der Dieb rieb sich die brennenden Augen und rappelte sich hoch – oder versuchte es zumindest. Zu seinem Entsetzen war er so steif, daß er sich kaum rühren konnte. Ihm tat jeder einzelne Knochen im Leib weh – als hätte sich in der Nacht jemand zu ihm geschlichen und ihn im Schlaf mit einem Stock verprügelt. Elend und mutlos ließ Grince sich mit einem verzweifelten Wimmern wieder in den Farn fallen.

»Was hast du denn wieder? Na komm schon – du kannst nicht den ganzen Tag hier verplempern. Wir müssen bald aufbrechen.«

Als der Dieb aufblickte, hatte Hargorn sich über ihn gebeugt. Grince sah den betagten Krieger an und erklärte ihm, wohin genau er sich verziehen könne und was er tun solle, wenn er dort ankam.

Hargorn brach in höhnisches Gelächter aus. »Warum treibst du mich nicht selbst dorthin?« verspottete er ihn. »Du elende Memme, du abscheulicher kleiner Mistkerl.«

Mit einem Zornesschrei und geballten Fäusten sprang Grince auf die Füße – nur um festzustellen, daß Hargorn bereits zwei Meter weiter weg stand. Der alte Soldat hob beschwichtigend die Hände. »Immer mit der Ruhe, Grince – war nicht so gemeint. Aber sieh mal – ich wußte, daß du aufstehen kannst, wenn du es willst. Statt mich umzubringen, solltest du dir besser was zum Frühstück holen, Junge.« Dann drehte er sich um und ging kichernd davon.

»Armer, alter Grince, du siehst schrecklich aus.«

In seinem Zorn auf Hargorn hatte er gar nicht bemerkt, daß die Magusch näher gekommen war. »Hier«, sagte sie, »setz dich einen Augenblick, ich helfe dir.«

»Ich wage es nicht, mich hinzusetzen – vielleicht stehe ich dann nie wieder auf«, antwortete Grince verdrossen. Trotzdem folgte er der Aufforderung. Aurian kniete sich hinter ihn und legte ihm die Hände auf die Schultern. Auf der Stelle spürte der Dieb, wie eine prickelnde Woge von Wärme und Wohlsein seinen geschundenen Leib überschwemmte. Binnen weniger Sekunden, so schien es, waren die Schmerzen und die Steifheit wie weggeblasen.

»So«, sagte die Magusch lächelnd. »Das müßte dich eigentlich über den Tag bringen. Zweifellos wirst du heute abend ein paar neue Wehwehchen haben, aber ich kann dir immer wieder helfen – und es wird besser, das verspreche ich dir. In ein paar Tagen denkst du bestimmt schon, du wärst im Sattel geboren.«

»Ich – ich danke dir, Lady.« Zum ersten Mal in seinem Leben kamen Grince diese Worte mühelos über die Lippen.

Aurian legte ihm eine Hand auf den Arm. »Du hast mir gestern erzählt, du hättest keine Freunde. Nun, da hast du dich geirrt. Du hast Freunde hier, und ich bin sicher, du wirst noch andere finden, wenn wir erst in Wyvernesse sind. Aber Freundschaft beruht auf Gegenseitigkeit, weißt du. Du mußt den Leuten trauen, damit sie das Gefühl haben, dir trauen zu können. Du wirst bei den Nachtfahrern nicht stehlen müssen. Es sind großzügige Menschen, und sie werden dir geben, was du brauchst.«

Sie erhob sich und klopfte sich das Gras von den Knien. »Denk darüber nach. So, es ist noch etwas Taillin in der Kanne und Brot am Feuer. Iß schnell – Forral macht jetzt die Pferde fertig, und dann brechen wir gleich wieder auf.« Sie ging zu den Pferden hinüber und hinterließ einen sehr nachdenklichen Dieb.

Die Magusch und ihre Gefährten ritten noch drei Tage lang über die trostlosen, windgepeitschten Moore nach Osten. Endlich begann das Land sanft abzufallen, und als am vierten Tag die Sonne aufging, befanden sie sich in einer wilden, zerklüfteten Dünenlandschaft, in der ein Fluß auf seinem Weg hinunter zu einem Meeresarm ein nicht allzu tiefes Tal geschaffen hatte. Das Land war grau und eintönig, die einzige Vegetation scharfkantiges Gras und Dornengebüsch. Die schrillen, einsamen Rufe von Möwen und Wattvögeln hallten durch den bitterkalten Wind, und die Sonne mühte sich vergeblich, sich aus den blutroten Wolken zu befreien, die die Hügel im Osten einhüllten.

Die Magusch lenkte ihr Pferd nach Norden auf die Küste zu, und die anderen folgten ihr mühsam. Aurian ärgerte sich über ihr langsames Tempo, denn sie wollte so schnell wie möglich die Spur ihrer Feindin aufnehmen. Sie war fast sicher, daß Eliseth nach Süden gegangen sein mußte, über den Ozean, denn sie hatte sie in ihrer Kugel nicht aufspüren können. In Wyvernesse, wo sie sich die ungeheure Erdmagie des mysteriösen, stehenden Steins zunutze machen konnte, hoffte sie, mehr herauszufinden. Die Magusch erinnerte sich noch von ihrem vorherigen Aufenthalt bei den Nachtfahrern an den Stein, aber damals hatte sie weder die Zeit gehabt, ihn näher in Augenschein zu nehmen, noch war es nötig gewesen. Sie hatte den Stein schließlich wieder vergessen, aber sich seine Existenz doch für die Zukunft eingeprägt.

Während die Gefährten immer weiter nach Norden ritten, wurde die Küste langsam felsiger, bis sie schließlich über ein Kliff ritten und auf schmale Kiesstrände hinunterblickten, die von scharfkantigen, gezackten Felsbrocken bewacht wurden. Nachdem sie eine letzte Anhöhe bezwungen hatte, fand Aurian sich plötzlich in Sichtweite ihres Bestimmungsortes wieder: Da unten lag die halbmondförmige Bucht, eingerahmt von den rötlichen Klippen, die sich am Horizont erhoben. Und dort, oberhalb der Klippen, sah sie den weichen, grünen Hügel, der von einem dunklen, unheimlichen Stein gekrönt wurde.

Selbst aus dieser Entfernung konnte Aurian die Macht des Steines spüren, die sie wie ein dunkler, gewaltiger Mantel umfing. Sie atmete tief ein und warf ihre Kapuze zurück, damit der wilde Jubel ihren Körper durchströmen konnte. An ihrer Hüfte spürte sie, wie der Erdenstab im Rhythmus dieser anderen Machtquelle zu pulsieren begann, und die Harfe auf ihrem Rücken schloß sich den beiden mit einem leisen Summen an. Bald, versprach sie ihnen. Wir werden bald zurückkehren. Dann wandte sie sich von dem herrlichen Anblick ab und führte ihr müdes Pferd über die Klippen zum Versteck der Schmuggler.

Nach wenigen Minuten kam die Magusch an eine V-förmige Nische im Felsen. Aurian blickte hinunter und konnte schemenhaft einen Pfad in der Felsspalte ausmachen – ein schmaler Vorsprung, der einem Riß folgte, wo die Felsplatten weggerutscht waren. Forral, der noch nie zuvor dort gewesen war, machte ein zweifelndes Gesicht. »Wir sollen die Pferde da runterbringen?«

Aurian schüttelte den Kopf. »Gott sei Dank, nein. Es muß hier irgendwo einen Tunnel geben, den die Schmuggler benutzen, um ihre Pferde runterzubringen, wenn das Wetter schlecht ist. Das Dumme ist nur, daß der Weg gut versteckt ist, und ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn wiederfinden kann …«

Hargorn, der immer noch Grinces Stute hinter sich her zerrte, lenkte sein Pferd neben das ihre. »Wenn ich mich recht erinnere«, sagte er, »liegt der Eingang in einem dieser Ginsterbüsche da drüben.«

Die Pferde, die früher schon einmal hier gewesen waren, um den Nachtfahrern ihre Schmuggelwaren zu bringen, schienen den Weg ebenfalls zu kennen. Sie drängten eifrig vorwärts, denn ihr Instinkt sagte ihnen, daß ganz in der Nähe etwas zu fressen und eine wohlverdiente Ruhepause auf sie wartete. Aber als die Gefährten das hohe, verschlungene Ginstergebüsch erreichten, schien kein Weg hineinzuführen. »Bist du sicher, daß das die richtige Stelle ist?« fragte Aurian zweifelnd, als plötzlich eine Stimme, die aus dem Nichts zu kommen schien, rief: »Hargorn! Bei allen Göttern – was tust du denn hier?«

Einer der Büsche wurde weggedrückt und enthüllte einen schmalen, von Dornen gesäumten Tunnel, der in die Tiefe führte. Aus seinem Eingang trat ein schlanker, junger Mann. Als sein Blick auf die Magusch fiel, keuchte er erstaunt auf. »Lady Aurian! Du bist es wirklich! Endlich bist du zu uns zurückgekehrt!« Ein strahlendes Lächeln ließ sein Gesicht aufleuchten. »Und Anvar auch«, fuhr er freudig fort. »Was für ein Glück, daß ich ausgerechnet heute Wache gehalten habe, obwohl das für gewöhnlich eine schrecklich langweilige Aufgabe ist. Kommt mit, kommt mit«, sagte er und bedeutete ihnen, ihm zu folgen. »Zanna wird sich ja so freuen, euch zu sehen! Ich kann es gar nicht erwarten, sie zu überraschen.«

Die Magusch sprang vom Pferd und zog Tarnal voller Freude in ihre Arme. Dann folgte sie ihm in den steilen, gewundenen Tunnel; die anderen schlossen sich ihnen an. Sie ließen ihre müden Reittiere in der Stallhöhle, wo ein junger Nachtfahrer sich sogleich ihrer annahm. Als Aurian sich noch einmal umdrehte, sah sie, daß der Junge ihnen mit unverhohlener Neugier und offenem Mund nachsah; zweifellos fragte er sich, wer diese seltsamen Besucher sein mochten.

Die gewaltige, von Fackeln erleuchtete Höhle mit ihrem breiten Kiesstrand war voller Menschen, die eifrig ihr Tagewerk versahen, Fischernetze und Segel flickten, notwendige Reparaturen an den vor Anker Hegenden Schmugglerbooten vornahmen und Ballen und Kisten von einem der Schiffe ans Ufer beförderten. Anschließend wurden die Waren dann in Lagerhöhlen untergebracht, deren Tunneleingänge die hintere Wand der riesigen Höhle säumten. Tarnal hielt ein kleines Mädchen an, das mit der ernsten Miene eines Menschen, der einen wichtigen Auftrag zu erfüllen hat, an ihm vorbeilaufen wollte. »Kannst du Zanna holen …?« begann er, aber das Kind fiel ihm ins Wort. »Sie ist doch direkt da drüben.«

Zanna war genauso gekleidet wie die anderen Nachtfahrer, mit weichen, wasserdichten Stiefeln und kräftiger Seemannskleidung. Sie beugte sich über einen der Ballen, der anscheinend beim Transport aufgebrochen war und schüttelte den Kopf. »Nein, hier hat das Wasser zu großen Schaden angerichtet. Dieser Stoff ist voller Flecken. Bei allem, was heilig ist, Gevan – kannst du nicht besser aufpassen? Der ganze Ballen ist ruiniert. Damit können wir nicht mehr handeln – wir müssen es wohl für uns selbst gebrauchen …« In diesem Augenblick schaute sie auf und sah die Magusch. »Aurian!«

Zum ersten Mal kam Aurian wirklich zu Bewußtsein, wie viele Jahre während ihrer Abwesenheit verstrichen waren. Zanna war jetzt eine Frau: tüchtig, selbstbewußt und überaus dominant. Sie hatte sich das Haar kurz geschnitten, und ihre Haut war braun und wettergegerbt von Meer und Wind. Aber viele der feinen Linien, die ihr Gesicht zeichneten, rührten vom Lachen, und in ihren Augen standen Humor und Klugheit. Überglücklich fielen die beiden Frauen einander in die Arme, bis Zanna, als sei ihr die Neugier der Umstehenden plötzlich zu Bewußtsein gekommen, mit einemmal zu ihrem interessierten Publikum herumfuhr. »He, ihr da – kein Grund, mit offenem Mund hier rumzustehen. Ihr werdet unsere Besucher noch früh genug kennenlernen. Wenn irgend jemand keine Arbeit mehr hat, kann ich ihm schnell welche besorgen«, fügte sie drohend hinzu. Die Menge zerstreute sich wie durch Zauberhand.

Aurian kicherte. »In diesen Worten erkenne ich Dulsina wieder«, neckte sie die andere Frau.

Ein flüchtiger Schatten legte sich für einen Augenblick über Zannas Lächeln und war, fast bevor die Magusch ihn überhaupt bemerken konnte, gleich wieder verschwunden. Die Nachtfahrerfrau zuckte die Achseln. »Wenn ein Trick funktioniert, warum soll man ihn dann nicht übernehmen?« Danach wandte sie sich an die anderen. »Wie wunderbar, euch wiederzusehen, Anvar, Hargorn …« Ihre Worte verloren sich, als ihr Blick auf Grince und die stille, verhüllte Gestalt Finbarrs fiel.

»Gehen wir irgendwohin, wo wir ungestört reden können«, schlug Aurian mit leiser Stimme vor. »Wir haben dir und Tarnal viel zu erzählen.«

Zanna nickte. »Das kann ich mir vorstellen. Außerdem müßt ihr zu Dulsina gehen – ich sollte sie besser wissen lassen, daß wir Besuch haben, sonst erfährt sie es noch von jemand anderem. Yanis ist im Augenblick auf See, aber wir erwarten ihn in ein oder zwei Tagen zurück …« Während sie sprach, geleitete sie Aurian und die anderen auch schon den Strand hinauf und in einen der Tunnel, den Aurian wiedererkannte. Er führte in die behagliche Höhle mit der großen Feuerstelle, den die Nachtfahrer als Gemeinschaftsraum und Treffpunkt benutzten. Zanna legte eine Hand an den Türrahmen, hielt dann aber noch einmal inne. »Übrigens, ich habe eine Überraschung für euch. Vor wenigen Wochen ist noch ein Besucher angekommen.« Sie öffnete die Tür und trat zur Seite, um die Magusch vorgehen zu lassen.

Aurian blieb wie vom Donner gerührt auf der Schwelle stehen. Dort am Feuer saß ganz allein ein Kind des Himmelsvolks.

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