Kapitel 6

»Aber wer, zum Teufel«, fragte Page, »sollte denn Farnleigh umbringen?«

Er mußte seine Gedanken vollkommen neu ordnen. Später wurde ihm klar, daß die Vorstellung, es sei Mord gewesen, in diesem Augenblick reine Suggestion war. Und auch als eine andere Vorstellung an ihre Stelle trat, blieb sie doch gegenwärtig: Wenn es Mord wäre, dann wäre es ein raffiniert ausgedachter. Wie bei einem Zauberkunststück waren aller Augen und Ohren auf Kennet Murray gerichtet. Alle im Haus waren in ihren Gedanken ganz bei Murray. Keiner würde sagen können, wo die anderen zur Tatzeit gewesen waren, weil ja alle nur auf Murray geachtet hatten. Ein Täter, der in diesem Vakuum zuschlug, konnte es unbemerkt tun, solange das Opfer nicht Murray war.

»Farnleigh umbringen?« wiederholte Burrows mit gepreßter Stimme. »Was redest du denn da? Wach auf, Junge! Nimm dich zusammen! Und jetzt komm.«

Noch immer mit einem Tonfall, als gebe er jemandem Anweisungen zum Einparken, eilte er mit großen Schritten voraus. Der Strahl der Taschenlampe zitterte nicht. Dennoch schaltete er sie aus, kurz bevor sie am Teich anlangten – wohl, weil er das Licht des Himmels noch hell genug fand, vielleicht aber auch, weil auch er in diesem Moment die Dinge nicht allzu deutlich sehen wollte.

Der Teich war von einem Weg aus gestampftem Sand umgeben, etwa anderthalb Meter breit. Umrisse, sogar Gesichter, zeichneten sich noch ab. Farnleigh lag bäuchlings im Wasser, ein wenig nach rechts gedreht, wenn man vom Haus zum Hinterende des Gartens hin blickte. Der Teich war eben tief genug, daß sein Körper sich im Wasser wiegte, das noch immer hin und her und über die gerundete Einfassung schwappte und über den Boden lief. Auch eine dunklere Färbung im Wasser war zu erkennen, die immer weiter nach oben kam und ihn zusehends umgab; doch welche Farbe es war, sahen sie erst, als sie die weißen Seerosen nahe beim Körper erreichte.

Das Wasser schwappte von neuem, als Page sich daranmachte, ihn herauszuziehen; Farnleighs Absatz hing an der Kante der niedrigen Einfassung. Doch nach ein paar Augenblicken, die er später gern aus seinem Gedächtnis gelöscht hätte, erhob Page sich wieder.

»Wir können nichts mehr für ihn tun«, sagte er. »Seine Kehle ist durchschnitten.«

Beide standen noch unter dem Einfluß des Schocks und sprachen wie in Trance.

»Ja. Ich hatte es schon befürchtet. Es ist …«

»Es ist Mord. Oder«, fügte Page abrupt hinzu, »Selbstmord.«

Sie sahen sich im Dunkel an.

»So oder so«, sagte Burrows und versuchte, sachlich und milde zugleich zu klingen, »wir müssen versuchen, ihn herauszubekommen. Daß man nichts anrühren soll, bis die Polizei kommt, ist schön gesagt, aber wir können ihn doch nicht so liegenlassen. Das wäre nicht anständig. Außerdem haben wir seine Lage ohnehin schon verändert. Sollen wir …?«

»Ja.«

Es war, als habe der Tweedanzug, jetzt schwarz und dick, eine ganze Tonne Wasser aufgesogen. Unter großen Mühen rollten sie Farnleigh über die Kante, wobei eine kleinere Flutwelle über sie schwappte. Die friedliche Abendstimmung des Gartens, allem voran der Rosenduft, waren nie unwirklicher und romantischer gewesen als inmitten dieser Realität. Page dachte nur immer wieder: Das ist John Farnleigh, und er ist tot. Das ist unmöglich. Und es wäre ja auch unmöglich gewesen, wäre ihnen nicht eines von Sekunde zu Sekunde klarer geworden.

»Es war Selbstmord«, sagte Burrows und wischte sich die Hände ab. »Den Mord haben wir uns einreden lassen; aber schöner ist das, was wir hier haben, ja nicht. Du siehst, worauf es hinausläuft, nicht wahr? Darauf, daß er der Hochstapler war. Er spielte sein Spiel bis zuletzt und hoffte wider alle Vernunft, daß Murray doch ohne Fingerabdrücke käme. Als die Abdrücke genommen waren, konnte er den Gedanken an die Folgen nicht ertragen. Also kam er hier heraus, stellte sich an den Rand des Teiches und …« Burrows fuhr sich mit der Hand über den Hals.

Alles paßte zusammen.

»Ich fürchte, du hast recht«, gab Page zu. Er fürchtete es? Ja. War das denn nicht das Schlimmste, dessen man einen toten Freund beschuldigen konnte? Alles ihm zur Last legen, nun, wo er sich nicht mehr verteidigen konnte? Widerstand regte sich wie ein dumpfer Schmerz, denn John Farnleigh war sein Freund gewesen. »Aber was soll man anderes glauben? Was, um Himmels willen, ist hier geschehen? Hast du gesehen, wie er es tat? Womit hat er es getan?«

»Nein, gesehen habe ich es nicht. Jedenfalls nicht genau. Ich kam gerade durch die Tür aus der Eingangshalle. Ich hatte mir diese Lampe« – Burrows schaltete sie ein und aus und hielt sie in die Höhe – »aus der Schublade dort geholt. Du weißt ja, ich sehe im Dunkeln nicht gut. Als ich die Tür öffnete, sah ich Farnleigh dort stehen – nur die Umrisse natürlich –, am Rand des Teiches, den Rücken zu mir. Dann schien er etwas zu tun, bewegte sich hin und her – ich konnte es nicht erkennen. Die Laute wirst du selbst gehört haben. Als ich das Platschen hörte – und das schlagende Geräusch, das war ja noch schlimmer. Hat man je etwas Entsetzlicheres erlebt?«

»Aber es war niemand in der Nähe?«

»Nein«, sagte Burrows und preßte sich die Spitzen der ausgestreckten Finger an die Schläfen. »Jedenfalls nicht – wirklich. Diese Hecken reichen einem bis zur Taille, und …«

Page kam nicht dazu nachzuforschen, was es zu bedeuten hatte, wenn für den notorisch peniblen Nathaniel Burrows etwas »nicht wirklich« war. Stimmen und Schritte drangen vom Haus herüber, und er sprach hastig.

»Du hast Autorität hier. Sie kommen alle herüber. Molly darf das nicht sehen. Du mußt ihr entgegentreten und sie aufhalten.«

Burrows räusperte sich ein paarmal, wie ein nervöser Redner, der zu einer Ansprache ansetzt, und nahm die Schultern zurück. Mit eingeschalteter Taschenlampe ging er in Richtung Haus. Der Strahl traf auf Molly und Kennet Murray, der ihr nachfolgte; er leuchtete ihnen jedoch nicht ins Gesicht.

»Es tut mir leid«, sagte Burrows in hohen, unnatürlich schneidenden Tönen. »Aber Sir John ist etwas zugestoßen, und Sie sollten besser nicht dort hinübergehen …«

»Reden Sie keinen Unsinn«, sagte Molly mit harscher Stimme. Energisch stapfte sie hinüber zum Teich. In dem Dunkel konnte sie zum Glück das ganze Ausmaß der Tat nicht erkennen. Sie gab sich ruhig, doch Page konnte hören, wie sie den Absatz in den Sand bohrte. Er legte ihr tröstend den Arm um die Schulter; sie lehnte sich dagegen, und er spürte, wie sie in heftigen Stößen atmete. Doch was sie mit einem Schluchzen hervorstieß, blieb rätselhaft. Molly sagte:

»Zum Teufel mit ihm, er hat es gewußt

Der Ton verriet Page, daß sie damit nicht ihren Mann meinen konnte. Doch der Satz verwirrte ihn so, daß ihm nichts darauf einfiel. Dann verbarg sie ihr Gesicht selbst vor dem Dunkel und ging mit schnellen Schritten zum Haus.

»Lassen Sie sie gehen«, sagte Murray. »Das ist besser für sie.«

Doch Murray schien bei der Bewältigung einer solchen Aufgabe nicht so fähig, wie man gedacht hätte. Er zögerte. Er nahm Burrows die Taschenlampe aus der Hand und richtete den Lichtstrahl auf den Toten am Teich. Dann stieß er einen Pfiff aus, und Zähne blitzten zwischen gestutztem Schnurrbart und Bart.

»Haben Sie belegen können«, fragte Page, »daß Sir John Farnleigh nicht Sir John Farnleigh war?«

»Wie bitte?«

Page wiederholte die Frage.

»Ich habe«, antwortete Murray mit großem Nachdruck, »nicht das geringste belegt. Mein Vergleich der Abdrücke war noch nicht abgeschlossen; ich hatte ja kaum wirklich begonnen.«

»Wie es scheint« – Burrows sagte es matt –, »wird es nun nicht mehr nötig sein, ihn zu Ende zu bringen.«

Und so schien es ja wirklich. Niemand konnte ernsthaft daran zweifeln, daß Farnleigh sich selbst das Leben genommen hatte. Page sah, daß Murray in seiner manchmal zerstreuten Art nickte – nickte, als sei er in Gedanken mit etwas ganz anderem beschäftigt, und dazu fuhr er sich mit der Hand über den Bart wie ein Mann, der versucht, sich an etwas zu erinnern. Er rang zwar nicht physisch mit seiner Erinnerung, aber den Eindruck vermittelte er doch.

»Große Zweifel können Sie doch nicht haben, oder?« hakte Page noch einmal nach. »Was würden Sie sagen, welcher von beiden war der Falsche?«

»Wie ich Ihnen bereits gesagt habe …« hob Murray ärgerlich an.

»Ja, ich weiß, aber ich wollte doch nur wissen, welchen von beiden Sie für den Hochstapler gehalten haben. Sie haben doch sicher ein Gefühl gehabt, nachdem Sie mit beiden gesprochen hatten. Darauf kam es doch letzten Endes an, bei der Erbschaftssache und auch bei dem, was wir jetzt hier haben, und ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie wirklich noch Beweise brauchten. Wenn Farnleigh der Hochstapler war, dann hatte er guten Grund, sich umzubringen, und dann können wir davon ausgehen, daß es Selbstmord war. Aber wenn es denkbar ist, daß er derjenige war …«

»Sie vermuten …«

»Nein, nein, ich frage nur. Wenn er der echte Sir John Farnleigh gewesen wäre, hätte er keinen Grund gehabt, sich die Kehle durchzuschneiden. Also muß er der Hochstapler gewesen sein, oder?«

»Die Tendenz zu gedanklichen Kurzschlüssen ohne jede Berücksichtigung der Sachlage«, hob Murray in einem Ton zwischen Tadel und gemütlicher Plauderei an, »ist bei nicht-akademischen Geistern weit verbreite…«

»Gut, ich ziehe die Frage zurück«, sagte Page.

»Aber nicht doch, da verstehen Sie mich miß.« Murray hob beschwörend die Hand wie ein Hypnotiseur; anscheinend irritierte ihn die Verwirrung, die in das Gespräch geraten war. »Sie suggerieren, daß es sich um Mord handeln könne, weil – ähm – der unglückliche Gentleman, der hier vor uns liegt, sich nicht selbst umgebracht hätte, wenn er der echte John Farnleigh wäre. Aber ganz gleich, ob er nun der echte Johnny war oder nicht, warum hätte ihn denn jemand anderes töten sollen? Wenn er ein Betrüger war, warum ihn umbringen? Das Gesetz hätte sich schon um ihn gekümmert. Und wenn er der echte war, warum ihn umbringen? Er hatte niemandem etwas getan. Sie sehen, ich versuche nur, die Sache von beiden Seiten zu sehen.«

»Daran ist dieses ganze Gerede über Scotland Yard und die arme Victoria Daly schuld«, sagte Burrows finster. »Ich habe mich ja immer für einen halbwegs vernünftigen Menschen gehalten, aber das hat mir die abstrusesten Gedanken eingegeben, die ich schnellstens wieder aus dem Kopf verbannen muß. Und diesen verfluchten Garten habe ich noch nie ausstehen können.«

»Geht dir das genauso?« fragte Page.

Murray beobachtete die beiden aufmerksam.

»Einen Moment«, sagte er. »Dieser Garten – warum mögen Sie ihn nicht, Mr. Burrows? Gibt es Erinnerungen, die Sie damit verbinden?«

»Erinnerungen kann man nicht sagen.« Burrows überlegte; es schien ihm peinlich. »Aber wenn uns jemand eine Gespenstergeschichte erzählt hat, dann war sie hier draußen immer doppelt so gruselig wie anderswo. Eine ist mir noch im Gedächtnis geblieben – aber das tut nichts zur Sache. Ich hatte immer das Gefühl, daß hier die bösen Geister hinter den Hecken lauern, und ich meine das wörtlich. Aber auch dafür ist jetzt keine Zeit. Wir haben zu tun. Wir können nicht einfach hier stehen …«

Murray riß sich aus seinen Gedanken; nun schien er beinahe erregt. »Ah, ja. Die Polizei«, sagte er. »Ja, da ist eine ganze Menge zu tun, in der – ähm – praktischen Welt. Ich nehme an, Sie werden nichts dagegen haben, wenn ich das übernehme. Würden Sie wohl mitkommen, Mr. Burrows? Und Sie, Mr. Page, wenn Sie so freundlich sein wollen und bei der – ähm – Leiche bleiben, bis wir zurück sind?«

»Warum?« fragte Page mit seinem praktischen Sinn.

»Es ist das Übliche. O ja. Es ist sogar unbedingt erforderlich. Überlassen Sie Mr. Page Ihre Taschenlampe, mein Lieber. Und nun hier entlang. Als ich noch hier lebte, gab es kein Telefon im Haus, aber ich nehme an, inzwischen wird eins installiert sein? Gut, gut, gut. Einen Arzt brauchen wir auch.«

Er eilte geschäftig davon und schob Burrows vor sich her, und Page blieb allein am Teich zurück mit dem, was von John Farnleigh geblieben war.

Nun, wo der Schrecken nachließ, stand Page im Dunkeln und dachte darüber nach, wie die ganze Geschichte immer komplizierter und zugleich immer sinnloser wurde. Andererseits lag ja durchaus nahe, daß ein Hochstapler sich umbrachte. Besonders verwirrte ihn, daß er nicht wußte, woran er bei Murray war. Wie leicht wäre es für Murray gewesen zu sagen: »Ja, dieser hier ist der Hochstapler, ich habe es von Anfang an gewußt«, und Murrays ganze Art hatte ja den Eindruck erweckt, daß er genau das dachte. Aber er hatte geschwiegen. War es nichts weiter als sein Hang zum Geheimnis, oder steckte mehr dahinter?

»Farnleigh!« sagte Page laut. »Farnleigh!«

»Haben Sie mich gerufen?« fragte eine Stimme in nächster Nähe.

Page trat im Schreck einen Schritt zurück, so daß er beinahe über den Toten gestolpert wäre. Inzwischen war es so dunkel, daß nicht einmal Formen und Umrisse mehr zu erkennen waren. Man hörte einen Schritt auf dem Sandboden, dann das Geräusch eines Streichholzes, das angerissen wurde. Die Flamme des Streichholzes loderte über der Schachtel, von zwei Händen beschirmt, und in ihrem Licht zeigte sich in einem Durchlaß der Eibenhecke das Antlitz des Herausforderers – Patrick Gore, John Farnleigh –, den Blick auf die Fläche neben dem Teich gerichtet. Er kam mit seinem ein wenig schleppenden Gang heran.

Der Herausforderer hatte eine dünne schwarze Zigarre in der Hand, die ihm halb aufgeraucht ausgegangen war. Nun zündete er sie bedachtsam neu an, dann blickte er auf.

»Haben Sie mich gerufen?« fragte er noch einmal.

»Nein«, erwiderte Page grimmig. »Aber trotzdem gut, daß Sie antworten. Sie wissen, was geschehen ist?«

»Ja.«

»Wo sind Sie gewesen?«

»Spazieren.«

Das Streichholz verlosch, doch Page konnte ihn noch leise atmen hören. Dem Mann war anzumerken, daß er erregt war. Er kam näher, die Arme in die Seiten gestemmt, die glimmende Zigarre im Mundwinkel.

»Der arme Gauner«, sagte der Herausforderer und blickte zu Boden. »Und eine Tat, vor der man Achtung haben muß. Ich bedaure wirklich sehr, daß ich es herbeigeführt habe. Gewiß ist er zum puritanischen Glauben seiner Vorväter zurückgekehrt, hat Jahre der Reue verbracht und doch an dem Besitz festgehalten. Er hätte ja weiterposieren und ein besserer Gutsherr sein können, als ich je sein werde. Doch die Beweise waren erdrückend, und so griff er zum letzten Mittel.«

»Selbstmord.«

»Ohne jeden Zweifel.« Der Herausforderer nahm die Zigarre aus dem Mund, und der Rauch, den er ausstieß, kräuselte sich in der Dunkelheit wie ein Geist, der Gestalt annimmt.

»Ich nehme an, inzwischen hat Murray die Abdrücke verglichen. Sie waren ja bei der kleinen Befragung dabei. Sagen Sie mir: Ist Ihnen aufgefallen, an welchem Punkt unser – verstorbener Freund sich vertan und uns verraten hat, daß er nicht John Farnleigh war?«

»Nein.«

Plötzlich ging es Page auf, daß die Erregtheit des Herausforderers vor allem seiner Erleichterung zuzuschreiben war.

»Murray wäre nicht Murray«, sagte er mit einer gewissen Trockenheit, »wenn unter den Fragen nicht eine gewesen wäre, bei der ein Trick war. So war er schon immer. Ich hatte schon darauf gewartet, ja es sogar befürchtet: für den Fall, daß es keine Fangfrage war, sondern etwas, das ich wirklich vergessen hatte. Aber dann war es doch recht offensichtlich. Sie werden sich erinnern. ›Was ist das Rote Buch von Appin?‹«

»Ja. Sie haben beide etwas niedergeschrieben …«

»Natürlich gibt es nichts dergleichen. Es würde mich interessieren, welchen Unsinn mein verstorbener Rivale als Antwort hingekritzelt hatte. Und um so spannender, als Murray, das Gesicht finster wie eine Eule, ihm ja versicherte, die Antwort sei korrekt. Es wird Ihnen aufgefallen sein, daß gerade diese Bestätigung meinen Rivalen beinahe aus der Fassung gebracht hätte. Ach, sei’s drum«, sagte er und machte mit der brennenden Zigarre eine Handbewegung in der Luft, die wie ein kurioses Fragezeichen aussah. »Lassen Sie uns einmal sehen, was der arme Teufel mit sich angestellt hat. Darf ich die Taschenlampe haben?«

Page reichte sie ihm und trat einen Schritt zurück, während der andere sich mit der Lampe niederbeugte. Es herrschte lange Schweigen, nur ab und zu ein Brummen. Dann erhob der Herausforderer sich wieder. Er bewegte sich mühsam, und er schaltete dabei die Lampe ein und aus.

»Mein Freund«, sagte er mit neuer Stimme, »so geht das nicht.«

»Was geht nicht?«

»Das hier. Ich sage es nicht gern, was ich jetzt sagen muß. Aber ich würde schwören, daß dieser Mann sich nicht selbst umgebracht hat.«

(Ein Punkt für Suggestion, Intuition oder den Einfluß eines gewissen Gartens im Zwielicht.)

»Wieso das?« fragte Page.

»Haben Sie ihn sich näher angesehen? Dann kommen Sie her und tun Sie es. Schneidet ein Mann sich die Kehle mit drei vollständigen Schnitten durch, von denen jeder einzelne die Drosselader durchtrennt hat, jeder einzelne tödlich? Wäre das überhaupt möglich? Das kann ich nicht sagen, aber ich würde es bezweifeln. Vergessen Sie nicht, meine Karriere hat im Zirkus begonnen. Und so etwas habe ich nicht mehr gesehen, seit ein Leopard Barney Poole zerfetzte, den besten Dompteur westlich des Mississippi.«

Ein nächtlicher Wind strich durch den Irrgarten und ließ die Rosen rascheln.

»Wo mag wohl die Waffe geblieben sein?« redete er weiter. Er ließ den Strahl der Lampe über das trübe Wasser wandern. »Wahrscheinlich in dem Teich hier, aber da sollten wir sie wohl auch besser lassen. Das ist womöglich viel eher ein Fall für die Polizei, als wir gedacht haben. Es wirft ein – neues Licht auf die Sache. Ein Licht, das mir Sorgen macht«, sagte der Herausforderer, als müsse er etwas eingestehen. »Warum sollte jemand einen Hochstapler umbringen?«

»Oder, wenn man das überlegt, einen echten Erben«, fügte Page hinzu.

Page spürte, daß der andere ihn daraufhin aufmerksam beobachtete. »Sie glauben doch nicht etwa immer noch …«

Sie wurden von Schritten unterbrochen, die rasch und aufgeregt aus der Richtung des Hauses kamen. Der Herausforderer lenkte den Strahl der Lampe auf Welkyn, den Anwalt, den Page zuletzt bei den Fischpastetensandwiches im Eßzimmer gesehen hatte. Welkyn, jetzt offensichtlich von größter Angst gepackt, hielt die Hände an den Ausschnitt seiner Weste geklammert, als wolle er eine Rede halten. Doch dann überlegte er es sich anders.

»Sie sollten besser zum Haus zurückgehen, meine Herren«, sagte er. »Mr. Murray möchte Sie sprechen. Ich hoffe nur« – er sagte es mit einem sinistren Unterton und blickte den Herausforderer eindringlich an –, »ich hoffe nur, daß keiner von Ihnen beiden im Haus gewesen ist, seit diese Dinge sich hier ereignet haben.«

Patrick Gore fuhr herum. »Sagen Sie nicht, es ist schon wieder etwas geschehen.«

»O doch«, erwiderte Welkyn barsch. »Offenbar hat jemand sich unsere Verwirrung zunutze gemacht. Während Mr. Murray hier draußen war, ist jemand in die Bibliothek eingedrungen und hat das Heft mit den Fingerabdrücken entwendet – unseren einzigen Beweis.«

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