Als sein Boot an den Holzpfählen der Landungsbrücke festgemacht hatte, kletterte Bolitho vom Hecksitz hinauf und warf zunächst einen Blick zurück auf die Bucht. Erst vor zwei Stunden hatte Pelham-Martins Geschwader hier geankert, doch in dieser kurzen Zeit hatte sich das Wetter bereits erheblich verändert. Der Himmel war mit einem düsteren Schleier überzogen, der das nachmittägliche Sonnenlicht zu einem bösen Funkeln verzerrte und die unregelmäßig laufenden Wellenkämme bräunlich verfärbte. Als er seine Augen mit der Hand beschattete und die Schiffe musterte, bemerkte er, daß sie unruhig an ihren Ankertrossen zerrten, als hätten sie Angst vor der Nähe des Ufers.
Boote fuhren geschäftig zu den Schiffen hinaus und wieder zurück zu den an Land wartenden Seeleuten, die frisch gefüllte Wasserfässer und schnell eingekaufte Früchte in Körben zu ihnen hinunterreichten und sich dann wieder landeinwärts entfernten, um weitere Ladung zu beschaffen.
Inch und Gossett kletterten zu Bolitho hoch und standen in den vom Wind aufgewirbelten Staubwolken, die ihre Gesichter und Anzüge in Sekundenschnelle mit einer grauen Schicht bedeckten.
Der Master sagte mit rauher Stimme:»Der Wind kommt immer noch aus Nordost und nimmt weiter zu, Sir. «Er schüttelte den Kopf.»Ich werde mich wohler fühlen, wenn wir erst wieder in See sind.»
Bolitho folgte seinem Blick und sah, wie sich die Wellen an der schützenden Kette von Riffen östlich der Bucht brachen.»Ich stimme Ihnen zu.»
Er drehte sich um und marschierte über die staubige Straße in Richtung des undeutlich an ihrem Ende sichtbaren Gouverneurssitzes. Er ging schnell, obwohl er sich bewußt war, daß die anderen Mühe hatten, ihm zu folgen; die Dringlichkeit seiner Sache trieb ihn voran. Vierundzwanzig Stunden hatten die Schiffe trotz Einsatzes sämtlicher Segel für die Rückfahrt nach St. Kruis gebraucht, und während er fiebernd auf die endgültige Entscheidung des Kommodore gelauert hatte, war Pelham-Martin, nur von Kapitän Mulder von der Telamon begleitet, an Land gegangen, um sich mit de Block zu besprechen.
Während des Ankerns der Hyperion hatte Bolitho bemerkt, daß ihre vermißte Korvette schon unterhalb der Landzunge vor Anker lag. Als ihr Kommandant keinen Erfolg bei seiner Suche nach der Spartan gehabt hatte, traf er wohl die einzig mögliche Entscheidung, nach St. Kruis zurückzukehren. Aber inzwischen war einige Zeit verflossen, Zeit, die man hätte nutzen können, die Korvette eilends loszuschicken, um andere, stärkere Kräfte zu alarmieren und von Lequillers möglichen Absichten zu unterrichten.
Kleine Gruppen Eingeborener standen in den Eingängen ihrer Häuser und Hütten, als sie vorbeieilten. Nur wenige Leute lächelten ihnen zu oder grüßten, die meisten schienen die See hinter den
Riffen zu beobachten. In einem Monat würde die Hurrikansaison beginnen, und damit mußten diese Leute mehr zu schaffen haben als mit dem Krieg: einem Krieg, den andere angezettelt hatten und dessen Ziel sie nicht kannten, der ihnen aber nur weitere Ängste und Sorgen bringen würde.
Schließlich erreichte Bolithos Trupp das große Steintor, das ihnen Schutz vor den Staubwolken bot. Noch ganz außer Atem fragte Inch:»Soll Mr. Selby hier draußen warten, Sir?»
Bolitho wandte sich zu ihnen um. Als die Nachricht endlich an Bord eingegangen war, daß der Kommodore alle Kommandanten, Ersten Offiziere und Master zu sich befahl, hatte er sofort gewußt, daß eine Entscheidung gefallen sein mußte. Und er hatte vorausgesehen, daß Pelham-Martin den einzigen Mann zu sehen wünschte, den Bolitho als Lotsen für die Fregatte, die durch das Riff fahren sollte, empfohlen hatte. Trotzdem beunruhigte ihn dieser Befehl.
Jetzt stand Hugh hier, drei Schritte hinter Inch und Gossett, und wartete mit unbeweglichem Gesicht auf Bolithos Antwort.
«Ja, er kann hier warten. «Doch er setzte hinzu:»Er wird sicher noch nicht gebraucht.»
Er sah Fitzmaurice und seine beiden Begleiter von der Straße auf sie zueilen.
«Dann wollen wir uns nicht länger hier aufhalten.»
Als er in den langgestreckten Raum über dem Ufer eintrat, fühlte er, daß seine Hände feucht waren, aber im Haus war es kühl, verglichen mit der heißen, staubigen Straße. Jeden Augenblick würde sein Bruder den anderen gegenüberstehen. Die Aussicht, entdeckt zu werden, stieg dementsprechend.
Er nickte den bereits Anwesenden zerstreut zu und nahm ihren Gruß oder ihre Bemerkungen nur halb wahr. Die Kommandanten der beiden Korvetten unterhielten sich leise vor dem Fenster, während Farquhar und sein Erster Offizier die Karte auf dem Tisch studierten.
Ein Eingeborenenmädchen kam mit einem vollen Tablett zu Bo-litho. Er nahm ein Glas und nippte daran. Es war irgendein Wein und eiskalt.
Auch Inch nahm ein Glas und lächelte dem Mädchen, das ihn mit unverhohlener Bewunderung ansah, schüchtern zu. Fitzmaurice trat ein und schüttelte den Staub von seiner Kleidung. Seine Stimme wirkte sehr laut in dem bisherigen Schweigen. Er hustete dröhnend und nickte der Dienerin zu, die immer noch Inch anlächelte und nur zögernd mit ihrem Tablett herüberkam.
Eine andere Tür öffnete sich, und Pelham-Martin ging langsam und schwerfällig zum Tisch. De Block und Mulder begleiteten ihn, letzterer wirkte abgespannt und gereizt, als er darauf wartete, daß Pelham-Martin zu sprechen begann.
Bolitho musterte ihn sorgenvoll. Die Bewegungen des Kommodore waren schleppend, aber seine Augen, die jetzt den Kommandanten der zweiten Korvette fixierten, flackerten nervös.
«Schön, Appleby. «Er zog einen dicken Umschlag aus seiner Rocktasche.»Hier sind meine Berichte. Sie gehen mit der Nisus sofort Anker auf und übergeben sie dem ersten Flaggoffizier, dem Sie begegnen. «Als er den Umschlag Appleby entgegenstreckte, bemerkte Bolitho, daß seine Hand heftig zitterte.»Möglicherweise treffen sie ein Geschwader der Kanalflotte, wenn nicht, segeln Sie weiter nach Plymouth, und zwar so schnell Sie können.»
Der Kommandant steckte den Umschlag in die Innentasche seines Uniformrocks und machte auf dem Absatz kehrt. Nur einen Augenblick schweifte sein Blick über die Versammelten hinweg, als mustere er sie zum letzten Mal.
Pelham-Martin sah ihm nach, bis er durch den Torweg verschwunden war. Bolitho fragte sich, ob er wohl überlege, ihn jetzt noch zurückzurufen und die Berichte zurückzufordern, die so leicht seinen Ruin bedeuten könnten.
«Meine Herren, ich habe Sie zusammengerufen«, Pelham-Martin räusperte sich und trank erst einmal einen Schluck Wein,»zur letzten Konferenz, bevor wir lossegeln.»
Er beendete das allgemeine Gemurmel, indem er fortfuhr:»Angesichts der spärlichen Informationen, die wir besitzen, sehe ich keine andere Lösung, als den Plan anzunehmen, den Kapitän Bo-litho unterbreitet hat. «Er senkte den Blick, zwei Schweißtropfen rannen an seinen Schläfen herunter.»Es sieht inzwischen so aus, als wäre dieser Plan mehr wert, als es anfangs den Anschein hatte. «Er schaute zu de Block hinüber.»Der Gouverneur von St. Kruis hat mich über das Verschwinden seines Schoners Fauna informiert. Er war mit Versorgungsgütern zu einigen Nachbarinseln unterwegs und ist nicht zurückgekehrt. «Er sah Bolitho an, bevor er fortfuhr:»Eine seiner Stationen sollten die Pascua-Inseln sein.»
Bolitho fragte ruhig:»Ich dachte, die seien unbewohnt?»
De Block nickte.»Da gibt es nur eine Mission und ein paar Fischer. Sie pflegen hierher zurückzukehren, wenn die Stürme einsetzen.»
Pelham-Martin sagte:»Also fahren wir fort. Wir haben noch viel zu tun und nur wenig Zeit.»
Bolitho war von der Schärfe seines Tons überrascht. Es schien, als könne es Pelham-Martin nun, da er sich festgelegt hatte, nicht schnell genug gehen.
«Sowie die Konferenz beendet ist, wird Kapitän Farquhar Anker auf gehen und nach Nordwesten vorstoßen. Da er durch die Lücke in den Riffen eindringen soll, muß die Spartan morgen bei Tagesanbruch auf ihrer Ausgangsposition stehen. «Pelham-Martin schaute wieder auf Bolitho.»Ich setze meine Flagge auf der Hyperion, und gemeinsam mit der Hermes werden wir uns auf eine Position nordöstlich von den Inseln begeben. Das wird uns den Windvorteil sichern, falls und wenn der Feind ausbrechen will. «Er warf dem Kommandanten der Dasher einen Blick zu.»Ihre Korvette hält sich weiter südlich. Wenn er flieht, werden Sie Fühlung mit ihm halten, so gut Sie können.»
Er machte eine Pause und nippte an seinem Glas.
De Block fragte:»Sie haben die Telamon nicht erwähnt?»
«Richtig. «Pelham-Martin studierte die Karte, während er antwortete.»Ich kann das Schiff nicht länger bei mir einreihen. Nach dem Verlust des Schoners ist die Telamon Ihre einzige Verbindung mit der Außenwelt; Ihr einziger Schutz gegen Seeräuber und Kaperschiffe. Außerdem ist sie — bei allem Respekt — recht alt. Ihre Zeit in der Schlachtlinie ist vorbei.»
Bolitho betrachtete die beiden Männer und fühlte die Spannung ringsum.
Es war schwierig, Pelham-Martins wahre Gründe zu erahnen. Er mochte noch immer nach einem Entschuldigungsgrund für seine spätere Verteidigung suchen. Ohne die Telamon, altmodisch und unterarmiert wie sie war, konnte er später einen möglichen Rückzug angesichts großer Übermacht rechtfertigen.
De Block antwortete sanft:»Weder ich noch ihr Kommandant haben irgendwelche Bedenken, bei Ihnen mitzumachen. Als Sie St. Kruis vor Lequiller retteten, wußten wir alle, daß wir einmal eine Schuld zurückzuzahlen haben würden. Falls Lequiller entkommen und in seine Heimat zurückgelangen sollte, sieht unsere Zukunft sowieso düster aus. Wenn er dort erst berichtet, wie wir ihm widerstanden haben, wer kann dann voraussagen, was aus uns wird?»
Danach schaute er Bolitho traurig an.»Kapitän Mulder hat mir berichtet, was Sie gesagt haben. Es scheint so, als ob unsere beiden Länder bald im Krieg gegeneinander stehen werden. Es kommt, wie es muß, aber ich hätte gern ein kleines bißchen Rühmenswertes, an das ich mich mit Stolz erinnern kann, wenn alles vorüber ist.»
Farquhar sagte:»Dann ist also alles geregelt, Sir. Vielleicht könnte ich jetzt diesen Steuermannsmaaten kennenlernen?»
Seine Unterbrechung wirkte wie ein Kaltwasserguß, aber Bolitho war sie nichtsdestoweniger willkommen. Je schneller es vorbei war, desto eher konnten sie wieder in See gehen.
Als sein Bruder den Raum betrat, preßte Bolitho den Rücken gegen die Stuhllehne und bemühte sich, woanders hinzusehen, sobald Hugh sich dem Tisch näherte.
Der Kommodore fragte:»Man hat mir gesagt, Sie könnten die Spartan durch die Riffe auf der Westseite der Inseln lotsen?»
«Aye, Sir.»
Farquhar beugte sich über die Karte.»Es gibt hier aber nur wenige Anhaltspunkte, Mr. Selby. «Ausnahmsweise hatte er damit Gefühle offenbart, die Gefühle eines Kommandanten, der sein Schiff — und möglicherweise seine Karriere — in die Hände eines Mannes legen sollte, der ihm völlig unbekannt war.
Alle schauten zu, als der Steuermannsmaat mit seinem Finger einen Kurs auf der Karte andeutete.
«Hier verläuft ein guter Kanal, Sir: tiefes Wasser in zwei engen Furchen zwischen den Riffs. Ich rate, die Boote auszusetzen, falls der Wind abflauen sollte. Sie könnten uns dann hindurchschleppen. «Er rieb sich das Kinn.»Und wir brauchen zwei gute Lotgasten in den vorderen Rüsten. «Er brach ab, weil er bemerkte, daß Farquhar in anstarrte.»Sir?»
Farquhar fragte:»Wissen Sie genau, daß Sie noch nie unter mir gefahren sind?»
«Ganz genau, Sir.»
«Also dann…«Farquhar beobachtete ihn immer noch nachdenklich.»Woher stammt Ihre gute Kenntnis dieser Gewässer?»
Bolitho packte die Seitenarme seines Stuhls und fühlte, wie sich Schweiß über seinen Augenbrauen sammelte, als er darauf wartete, daß Farquhars Stutzen sich in plötzliches Erkennen verwandeln würde.
Aber Hughs Antwort war ruhig und selbstsicher:»Von der alten Pegasus, Sir. Wir haben hier vor ein paar Jahren Vermessungen ausgeführt.»
Farquhars Miene entspannte sich.»Dann haben Sie Ihre Zeit damals nicht verschwendet, Mr. Selby. Dachten Sie nie daran, sich um ein Offizierspatent zu bemühen?»
«Ich bin zufrieden, Sir. «Hugh beugte sich wieder über die Karte.»Und Sie kennen die Redensart, Sir: >Für die achtern die Ehre, für die vorn den Respekt!»«
Einen Augenblick dachte Bolitho, Hugh sei zu weit gegangen. Farquhar trat einen Schritt zurück, weil ihm plötzlich bewußt wurde, daß er sich zu nahe mit einem Untergebenen eingelassen hatte. Sein Mund verengte sich zu einer dünnen Linie.
Dann machte er eine wegwerfende Bewegung.»So, sagt man das?»
Pelham-Martin stand auf.»Wir haben alles besprochen, meine Herren. «Er holte tief Luft, als suche er nach einem kernigen Abschlußwort, dessen sie sich später erinnern würden.»Falls wir Le-quiller finden, sorgen Sie dafür, daß Ihre Leute tapfer kämpfen und daß der Gedanke an eine Niederlage nicht erst aufkommt. «Er setzte sein Glas ab und starrte mit leerem Blick darauf nieder.»Gehen Sie jetzt auf Ihre Schiffe, und rufen Sie auch alle Boote zurück. Wenn wir klar vom Riff und auf die Luvseite von Pascua kommen wollen, dürfen wir keine Zeit mehr verlieren.»
Als die anderen den Raum verlassen hatten, kehrte Bolitho zum Tisch zurück.»Das war eine gute Entscheidung, Sir. Und — wenn ich das sagen darf — auch eine tapfere.»
Pelham-Martin blickte mit undurchschaubarem Ausdruck an ihm vorbei.»Der Teufel soll Sie holen, Bolitho!«Sein Ton blieb dabei ganz ruhig.»Wenn wir uns mit diesem Ort geirrt haben und dort nichts finden, können mich auch die allerbesten Absichten nicht retten. «Sein Blick irrte herum und blieb dann auf Bolithos Gesicht haften.»Das könnte aber auch für Sie gelten. Wenn Sie — was ich sehr bezweifle — so lange am Leben bleiben, werden Sie eines Tages entdecken, daß Tapferkeit allein nicht immer genügt. Ich hoffe, daß Sie diesem Tag dann gewachsen sein werden.»
Bolitho ergriff seinen Hut.»Danke, Sir.»
Als er die Treppenstufen hinunterging, stand ihm noch immer Pelham-Martin vor Augen, und seine Worte erschienen ihm wie eine Grabinschrift.
Vielleicht sollte man Pelham-Martin wegen seiner Befehlsbefugnisse eher bemitleiden als respektieren. Im Unterschied zu den anderen Führern zur See war er ungeheuer ängstlich. Es war nicht die Angst zu sterben oder einen Fehler zu machen, doch fürchtete er, zu versagen und seine eigene Unentschlossenheit zu zeigen. Aber das waren Dinge, die Bolitho nur ahnte. Pelham-Martin hatte sicher seine Schwäche schon immer gekannt, aber sich von einem System dennoch nach oben schieben lassen, das er weder verstand noch beherrschte.
Noch nie in seinem Leben war es wahrscheinlich so darauf angekommen. Aber jetzt, in diesem Augenblick, da die kleine Nisus Segel setzte und die Bucht hinter sich ließ, sah er nichts als Schande voraus und — noch schlimmer — die Verachtung jener, denen er bisher nachgeeifert hatte.
Inch fragte:»Sind Sie soweit, Sir?»
Bolitho warf einen Blick über die Landungsbrücke und sah Far-quhar, der mit seinem Ersten Offizier sprach, während sie auf ihr Boot warteten. Sein Bruder stand etwas abseits, die Arme verschränkt, den Blick auf die weit entfernte Fregatte gerichtet, die unruhig an ihrer Ankertrosse dümpelte. Dann bemerkte Hugh, daß Bolitho ihn beobachtete, und ging ihm langsam entgegen.
Bolitho wartete, bis Inch und Gossett außer Hörweite waren, und sagte dann wütend:»Du Narr! Beinahe hättest du alles verdorben!»
«Er hat mich geärgert. Wenn er wüßte, wer ich bin, würde dieser Narr sein Schiff lieber scheitern lassen, als mir das Ruder zu übergeben. «Er lächelte traurig.»Du wirst dich um den Jungen kümmern, wenn mir etwas zustößt, nicht wahr?»
Bolitho sah ihn einen Augenblick forschend an.»Du hast es gewußt?»
Er hörte Farquhar schreien:»Bringen Sie das Boot endlich längs-seit, verdammt noch mal!«Plötzlich drängte die Zeit, und Bolitho mußte an sich halten, daß er nicht den Arm seines Bruders drückte.»Paß auf dich auf!»
Dann drehte er sich um und ging zu den anderen zurück.
Inch sagte fröhlich:»Der arme alte Selby! Immer von einem Schiff auf das nächste!»
«Konzentrieren Sie sich lieber darauf, den Kommodore an Bord zu empfangen, Mr. Inch!»
Bolitho drehte ihm den Rücken zu und beobachtete das näherkommende Boot. So sah er nicht Inchs Verwirrung und Gossetts schadenfrohes Grinsen. Sein kurz aufflammender Zorn war nur ein Deckmantel für seine Unsicherheit und für die Tatsache, daß er sich um seinen Bruder sorgte, der vielleicht über ihn und alle ihm bevorstehenden Gefahren lachte. So war es immer zwischen ihnen beiden gewesen. Nicht einmal die Drohung mit Gefängnis und dem Strick für seinen Verrat hatte daran etwas geändert.
Allday stand im Boot und nahm seinen Hut ab, als die Offiziere hineinkletterten.
«Wenn Sie uns an Bord abgesetzt haben, fahren Sie bitte gleich zurück, um den Kommodore abzuholen.»
Allday nickte.»Aye, aye, Käpt'n. «Er gab dem Bugmann ein Zeichen.»Absetzen! — Riemen bei!«Er studierte Bolithos Hinterkopf, als könne er dort dessen Stimmung ablesen.»Rudert an! — Zugleich!»
Bolitho saß steif im Heck und blickte starr auf die dunkle Silhouette der oberen Rahen seiner Hyperion. Er hatte die Blicke bemerkt, die sich die Ruderer bei seinen Anweisungen zugeworfen hatten — wie Vertrauenspersonen, denen eine ungeheure Information zuteil wurde. Wie sahen diese Männer eigentlich ihre Vorgesetzten? fragte er sich. Was ging hinter den verschlossenen Gesichtern beim Vollzug einer Prügelstrafe vor, oder wenn ein Mann zu ihm in seine bequeme Kajüte kam, in diese Welt, die so fern und unberührt war von der Überfüllung in den unteren Decks? Und in der Schlacht, gab es da ein Gefühl menschlichen Verbundenseins und Mitempfindens zu ihm, den sie nur als schemenhafte Gestalt auf dem Achterdeck sahen?
Er rief sich in Erinnerung, wie diese gleichen Leute reagiert hatten, als Pelham-Martin seine Flagge auf der Hyperion niederholen ließ. Da waren sie empört und gekränkt gewesen, als ob sie selber oder ihr Schiff dadurch mißachtet würden. Jetzt wußten sie, daß die Flagge zurückkam, und freuten sich. Was mochten sie über den Mann unter dieser Kommandoflagge denken? Einen Mann, der so in seinen inneren Zweifeln und persönlichen Sorgen befangen war, daß er beim nächsten Rückschlag vielleicht zusammenbrach.
Bolitho blickte auf und sah die steile Bordwand über sich, die scharlachroten Röcke der Seesoldaten an der Einlaßpforte, die im Sonnenlicht blitzenden Bootsmannsmaatenpfeifen.
Als Allday ans Fallreep heransteuerte, erinnerte er sich plötzlich an das, was Hugh gesagt hatte: >Sie werden dir überall hin folgen.< Aber Männer, die folgen, müssen richtig geführt werden. Es hatte keinen Zweck, Mitleid mit Pelham-Martin zu haben, weil die Aufgabe über seine Kräfte ging. Diese Männer brauchten Führung. Er runzelte die Stirn. Nein, sie hatten einen Anspruch darauf.
Er kletterte das Fallreep hoch und dachte immer noch an PelhamMartin, selbst als er die Ehrenbezeigungen erwiderte und sich seinen Weg nach achtern zur Hütte bahnte.
«Käpt'n, Sir!»
Bolitho öffnete die Augen und starrte noch benommen auf die Karte, die unter seinem Arm lag. Die Hängelampe schaukelte in dem geschlossenen Kartenraum und warf geisterhafte Schatten hierhin und dorthin. Bolitho spürte sofort, daß die Bewegungen des Schiffes zugenommen hatten.
Allday stand neben dem Tisch und drückte eine riesige Kaffeekanne an sich.
«Wieviel Uhr haben wir?»
«Sieben Glas, Käpt'n. «Allday nahm einen Becher vom Bord und goß, vorsichtig die Schiffsbewegungen ausbalancierend, schwarzen Kaffee ein.
Drei Uhr früh. Bolitho lehnte sich im Stuhl zurück und rieb sich die Augen. Er war fast ununterbrochen an Deck gewesen, seit die Schiffe die Bucht von St. Kruis verlassen und den Kampf mit einem ständig zunehmenden Wind aufgenommen hatten. Dann hatte er für zwei Stunden versucht, etwas zu ruhen, um seine überanstrengten Nerven bis zum ersten Tageslicht wieder etwas zu beruhigen. Er ächzte. Die Mittelwache dauerte noch eine knappe Stunde.
Allday trat etwas zurück und sah zu, wie er trank.»Meldung von Mr. Inch: Der Wind frischt auf.»
«Weiterhin von Nordosten?»
«Aye. «Er goß mehr Kaffee in den Becher.
«Schön, dafür sollten wir dankbar sein. «Wenn der Wind jetzt räumte,[4] konnten sie weiter von den noch verborgenen Inseln abhalten. Ohne freien Spielraum mochten sie sonst vom Feind überrascht werden. Und wenn der Wind schralte[5] oder gar ganz herumsprang, würden sie beim ersten Tageslicht gesichtet werden; dann konnte Lequiller ausreißen oder die Schlacht nach seinen eigenen Bedingungen und mit Übermacht annehmen.
Er setzte den Becher heftig auf den Tisch. Falls… wenn… Er fing schon an, wie der Kommodore zu denken.
Allday half ihm in seinen Mantel.»Soll ich den Kommodore wecken, Käpt'n?»
«Nein. «Er verließ den Kartenraum und stolperte fast über den Kajütsteward, der zusammengekauert auf dem Gang hockte und schlief.
Er sagte:»Lassen Sie ihm den restlichen Kaffee. «Er warf einen Blick auf die geschlossene Tür der Kajüte, vor der der Ehrenposten im schwachen Laternenlicht wie ein Spielzeugsoldat hin und herschwankte.»Er kann ihn nachher dem Kommodore anbieten. «Er schläft sicher nicht, dachte er. Wahrscheinlich liegt er nur da, starrt auf die Decksbalken über sich und lauscht aufjeden Ton im Schiff.
Das Achterdeck lag in völliger Dunkelheit. Die Geräusche von Wind und Wellen sagten ihm augenblicklich, daß die Kräfte dahinter zunahmen.
Inch tastete sich zu ihm.»Wir müssen wieder Segel kürzen, Sir.»
Bolitho ging das schrägliegende Deck hoch und hielt eine Hand über das Kompaßgehäuse. Kurs Süd zu West. Er erinnerte sich ihrer verzweifelten Bemühungen, seit sie St. Kruis verlassen hatten. Immer im Kampf mit dem Wind, der sich im Kreise drehte, und die meiste Zeit mit beiden Wachen an Deck. Nun segelten sie also wieder nach Süden, und die Inseln lagen irgendwo an Steuerbord voraus. Da sie den Wind jetzt von achtern hatten, würden sie gegenüber einem Gegner, der aus seinem Versteck herauskam, den Vorteil der Luvposition haben. Es mußte aber alles verderben, wenn sie über ihre vorgesehene Position hinaussegelten.
«Schön, Mr. Inch, lassen Sie ein weiteres Reef einstecken. «Er fragte sich, ob die Spartan jetzt wohl schon vor der trügerischen Durchfahrt stand. Ob sein Bruder sich nach so langer Zeit noch erinnern konnte. Doch er besann sich, als Inch meldete:»Die Hermes ist noch auf ihrem Platz, Sir. Wir haben sie bei sechs Glasen noch dichtauf hinter uns gesehen. «Er mußte schreien, um sich bei dem Wind verständlich zu machen. Sein mit Wasserspritzern bedecktes Gesicht glitzerte im schwachen Kompaßlicht.
«Und die Telamon?»
«Keine Spur, Sir. «Inch brach ab, um einige herumstehende Leute auf Trab zu bringen, die offenbar die Bootsmannsmaatenpfeifen überhört hatten.
Über ihnen schlugen und knallten die Segel unerbittlich, während die Matrosen heroisch kämpften, um sie in der völligen Finsternis zu bändigen. Bolitho konnte sich gut vorstellen, wie fürchterlich es jetzt dort oben war. Doch sie hatten ausgezeichnetes Segelwetter. Wenn sie sich bloß von diesen elenden Inseln hätten freimachen können! Es war ein Jammer, gerade jetzt die Kraft aus den alten Segeln nehmen zu müssen, da sie solchen gewaltigen Vorwärtsdrang zeigten.
Inch schrie:»Was glauben Sie, wie Mr. Selby zurechtkommt, Sir?«Es war eine unschuldige Frage, und er bemühte sich offenbar, etwas gutzumachen, was er während ihres Wartens auf dem Boot falsch gemacht hatte.
«Der schafft das schon.»
Inch nickte vage.»Er hat seinen eigenen Kopf. Genau wie Kapitän Farquhar, kam er auch mir zuerst bekannt vor.»
Bolitho erstarrte. Inch konnte sich doch unmöglich an Hugh erinnern. In St. Clar war sein Bruder bei seinem endgültigen Abzug doch nur im Dunkeln an Inch vorbeigegangen und hatte ihm einen Ring gegeben, den Ring ihrer Mutter, den er Bolitho als heimliches Erkennungszeichen und Beweis, daß er noch lebte, bringen sollte.
Inch sagte:»Der Mann muß etwas Besonderes an sich haben, Sir. «Er grinste unsicher.»Auch der junge Mr. Pascoe ist ganz von ihm eingenommen und schien sehr besorgt, als er das Schiff verließ. Eigenartig, wie so etwas kommt.»
Eigenartiger als du glaubst, dachte Bolitho. Laut antwortete er:»Wenn Sie dann fertig sind, Mr. Inch, würden Sie vielleicht so freundlich sein, den Kommodore zu wecken und ihn über die Wetterlage zu unterrichten. Wenn der Wind weiter zunimmt, können wir vielleicht etwas anluven und noch mehr freien Seeraum gewinnen.»
Inch hielt noch einmal an, als Bolitho kühl hinzufügte:»Melden Sie dem Kommodore nur das Notwendigste, bitte. Ich bin sicher, er ist zu so früher Stunde nicht in der Stimmung für eine leichte Unterhaltung.»
Er sah einen Schatten, der sich an der Leereling bewegte, und rief:»Mr. Gascoigne! Wie gefällt Ihnen Ihre erste Wache als frischgebackener Offizier?»
Gascoigne arbeitete sich das schiefliegende Deck hoch und fiel beinahe hin, als das Schiff in ein tiefes Wellental sackte.
«Ganz gut, Sir. «Er schluckte heftig und fügte etwas lahm hinzu:»Allerdings nur, wenn Mr. Inch an Deck ist. Als er mich einen Augenblick allein ließ, bekam ich große Angst, daß das Schiff mit mir und allen Seelen an Bord gegen eine unsichtbare Wand fahren würde. «Er schüttelte sich.
«Das ist nur natürlich. «Bolitho packte die Reling. Sie war kühl und naß.»Wenn Sie erst über diesen Punkt hinweg sind, werden Sie anfangen zu lernen, wie Sie ein solches Schiff in die Hand bekommen, ohne darauf zu warten, was ein anderer befiehlt und für Sie tut. Sie fangen an, es zu >fühlen<, entdecken seine guten und schlechten Launen, lernen, ihm seinen Willen zu lassen, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet.»
Gascoigne grinste.»So habe ich das noch nie betrachtet.»
Er entfernte sich, als Inch zurückkam.
«Nun?»
Inch antwortete:»Ich habe es ihm gesagt, Sir.«»Hat er geschlafen?»
«Nein, Sir. «Es klang verlegen.»Er saß auf der Fensterbank. Das ist der unbequemste Platz im ganzen Raum, meiner Meinung nach. Und er ist in voller Uniform. Sir. Sitzt nur einfach so da. «Seine Stimme verlor sich.
Bolitho klopfte ihm auf die Schulter.»Das ist das Vorrecht des höheren Dienstgrads, mein Junge!«Dann ging er hinüber zur Luvseite, bevor Inch seinen Gesichtsausdruck sehen konnte.
Es war also noch schlimmer, als er befürchtet hatte. PelhamMartin brachte es nicht fertig, sich hinzulegen, geschweige denn, zu schlafen. Gestalten eilten über das Hauptdeck, und einmal hörte er einen Mann lachen — ein seltsamer Ton in dem Konzert, das der Wind und die unter hohem Druck stehende Takelage aufführten. Er wäre gern auf und ab gegangen, um seine Unruhe zu meistern, aber die Schiffsbewegungen waren zu stark dafür. Hier, genau auf diesem Achterdeck, waren — wenige Fuß von ihm entfernt — zwei Admirale gefallen. Der eine war tapfer, aber dumm gewesen, der andere starb, ohne über seine Wunden zu klagen. Er war ebenso mutig wie hartnäckig bei der Ausführung eines falschen Entschlusses gewesen, aber nie hatte es bei ihm ein Schwanken in dem gegeben, was er für seine Pflicht hielt. Und vor diesen beiden waren hier vielleicht schon andere Flaggoffiziere gefallen. Die Glücklicheren, um gleich auf See beigesetzt oder in einem Faß mit Alkohol heimgebracht zu werden, wo ihre weinenden Angehörigen sie in der Familiengruft beisetzen konnten. Die weniger Glücklichen aber hatten sich noch gequält, um dann unter dem Messer des Chirurgen doch zu sterben.
Er schlug mit der Faust auf die Reling und starrte dabei in den an der Bordwand hochsteigenden Gischt. Aber keiner war bisher vor Angst gestorben, obwohl das die größte Gefahr in einer Schlacht war.
Bolitho stand immer noch an der Reling, als zwei Stunden später das Tageslicht seine ersten grauen Fühler über den Horizont ausstreckte und die Gesichter der Männer um ihn herum aufhellte.
Allday erschien mit einer neuen Kanne.»Kaffee, Käpt'n?«Er hielt ihm den Becher entgegen, wobei sein kräftiger Körper einen Winkel zum schräg liegenden Deck bildete.
Bolitho trank langsam und fühlte, wie die heiße Flüssigkeit ihn belebte.
Zu Gascoigne sagte er:»Sorgen Sie dafür, daß auch Ihre Leute ein heißes Getränk in den Magen bekommen, bevor das Kombüsenfeuer gelöscht wird. «Und zu Inch gewandt, fügte er hinzu:»Wir werden in einer halben Stunde die Gefechtsstationen besetzen. Das wird die Leute munter machen und die Müdigkeit aus ihren Knochen treiben.«»An Deck! Land voraus in Lee!»
Er warf Allday den Becher zu.»Hinauf mit Ihnen, Mr. Carlyon! Melden Sie, was Sie sehen, und etwas lebhaft, bitte!»
Gossett tänzelte über das Deck, die Hände tief in den Taschen seines unförmigen Wachmantels.»Die Sichtmeldung kam zur rechten Zeit, Sir. «Es klang ziemlich selbstgefällig.»Abstand etwa fünf Meilen, schätze ich.»
Carlyon glitt an einem Backstag herunter und sprudelte hervor:»Mehrere Inseln, Sir, südwestlich von uns.»
Er bemerkte, daß Bolitho stumm geblieben war, und fuhr fort:»Sie überlappen einander, aber auf der vorderen ist ein großer Hügel. «Er rieb sich die Nase und fügte etwas zögernd hinzu:»Sieht aus wie ein Stück Käse, Sir.»
Gossett zischte:»Allmächtiger Gott!»
Bolitho machte ein grimmiges Gesicht.»Lassen Sie's gut sein, Mr. Gossett. Das war eine sehr einprägsame Beschreibung und entspricht der Karte. Ein >Stück Käse<, das paßt ausgezeichnet.»
Er bemerkte, wie Inch Haltung annahm, und sah im Umdrehen die massige Gestalt des Kommodore hinter der Hüttenleiter hervortreten.
Er tippte an seinen Hut.»Wir haben die Inseln gesichtet, Sir. Ich wollte gerade die Leute auf Gefechtstationen schicken. «Er machte eine Pause und sah die tiefen Schatten um Pelham-Martins Augen.»Haben Sie schon Kaffee bekommen, Sir?»
Pelham-Martin ging unsicher zur Reling und hielt sich an ihr fest.»Ich möchte keinen. «Er drehte den Kopf und schielte nach den niedrig hängenden Wolken.»Wo ist die Hermes?»
«Auf ihrem Platz, Sir. «Bolitho stellte sich so neben ihn, daß er sein Gesicht den anderen gegenüber verdeckte.»Sie kann Ihre Signale leicht erkennen.»
«Und der Holländer?»
«Noch nicht gesichtet, Sir.»
Der kleine Kopf schien sich unabhängig von dem massiven Körper nach allen Richtungen zu drehen.
«Was?«Pelham-Martin schaute auf das schräge Hauptdeck hinab.»Wo ist er?«Er schrie benahe.»Er sollte doch hier sein!»
Bolitho sagte:»Wir mußten während der Mittelwache mehrmals über Stag gehen. Die Stengen und Rahen der Telamon sind für solche Belastungen bei diesem Wind vielleicht zu alt. Sie hat wahrscheinlich mit weniger Segeln ihren alten Kurs beibehalten. «Er sprach in Anbetracht der aufmerksamen Zuschauer ringsum leise.»Aber Kapitän Farquhar wird sicher in seiner Ausgangsposition sein. Auf der Leeseite der Inseln hatte er ruhigeres Wasser.»
Pelham-Martin schien ihn nicht zu hören. Er starrte aufs Wasser, das von dem zunehmenden Licht aufgehellt wurde. Der Horizont trat nun klar hervor und auch ein dunkler, unregelmäßiger Streifen Land, der vom immer wieder in die Wellen eintauchenden Klüverbaum wie ein Stück Seetang mitgeschleppt zu werden schien.
«Leer!«Er wühlte in seiner Manteltasche, als wolle er sein seidenes Schnupftuch hervorholen.»Nichts!»
Es gab ein leises Klicken, als der Schiffsjunge das Halbstundenglas neben dem Kompaß umkippte.
Bolitho nickte Inch zu.»Schicken Sie die Leute auf Gefechtstationen!»
Der Kommodore starrte ihn verzweifelt an.»Nur zwei Schiffe!«Er verstummte, als die Trommeln zu dröhnen begannen und Matrosen und Seesoldaten an Deck strömten und auf ihre Plätze rannten.
Bolitho sagte:»Sie reichen völlig aus. Sir.»
Er konnte die Angst des Mannes fast fühlen. Es schien, als habe der Anblick der aufgewühlten See und des Wirrwarrs von Inseln ihm die Last seiner Verantwortung erst richtig bewußt gemacht. Im nächsten Augenblick mochte er den Rest seiner Selbstbeherrschung verlieren. Das war genauso, wie der junge Gascoigne es beschrieben hatte, als ihm bei seiner ersten Wache die Dinge über den Kopf zu wachsen und außerhalb jeder Kontrolle zu geraten schienen.
Er sagte barsch:»Es ist ein guter Tag dafür, Sir. Und falls die Franzosen hier sind, werden sie wahrscheinlich noch schlafen, wenn die Spartan ihnen ihren Besuch abstattet.»
Bolitho registrierte, daß die Schläge und Stöße unter Deck aufgehört hatten, und als er über die Querreling nach vorn schaute, sah er die Männer auf ihren Gefechtstationen sitzen. Als einzige bewegten sich die Schiffsjungen, die eifrig von Geschütz zu Geschütz liefen und Sand aufs Deck streuten. Die Kanoniere würden einen festen Halt für ihre Füße brauchen, wenn der Wind noch weiter zunahm.
Pelham-Martin sagte tonlos:»Würden Sie bitte jemanden schik-ken, der meinen Degen holt?«Er knöpfte ungeschickt an seinem schweren Mantel herum und legte ihn schließlich ganz ab.
Bolitho sah, daß er dieselbe goldbestickte Uniform trug, in der er an Bord gekommen war. In der er auch die Nacht verbracht hatte.
Einer der Seeleute von der Backbordbatterie, der gerade dabei war, sich das Halstuch um die Ohren zu binden, sah den Kommodore und schwenkte es impulsiv über dem Kopf.»Ein Hoch, Leute! Hurra!»
Bolitho sagte ruhig:»Sehen Sie, Sir: Alle schauen heute auf Sie!»
Dann wandte er sich ab, weil er nicht zusehen mochte, wie All-day den Gurt um die umfangreiche Taille des Kommodore schlang. Sein Gesicht schien bei dem einsamen Hochruf noch stärker zusammengeschrumpft zu sein. Es war der Ausdruck eines Mannes unter dem Galgen.