20

Dienstagmorgen. Fife aalte sich im Sonnenschein.

Duff schwamm.

Mit kräftigen Brustzügen durchmaß er das kalte schwere Wasser des Sees.

Lange Zeit hatte er das Salzwasser des Flusses bevorzugt, es kam ihm leichter vor, darin zu schwimmen. Was seltsam war, da er erfahren hatte, dass einem Salzwasser mehr Auftrieb gab, was wiederum bedeutete, dass es eine höhere Dichte haben musste, also schwerer war als Süßwasser. Trotzdem hatte er bis vor Kurzem den Fluss bevorzugt, der nicht nur klirrend kalt war, sondern auch derartig verschmutzt, dass er sich jedes Mal ganz verdreckt fühlte, wenn er daraus auftauchte. Doch jetzt war er sauber. Er war früh aufgestanden, hatte auf dem kalten Holzfußboden neben dem Gästebett seine Übungen gemacht, Frühstück für die Familie zubereitet, Ewan ein kleines Geburtstagsständchen gebracht, die Kinder zur Schule gefahren und war anschließend mit Meredith die halbe Meile bis zum See spaziert. Sie hatte davon gesprochen, wie viele Äpfel die Bäume in diesem Herbst trugen, dass ihre Tochter ihren ersten Liebesbrief bekommen hatte – auch wenn es Meredith insgeheim schwer enttäuschte, dass er von einem Jungen stammte, der drei Jahre jünger war als sie – und dass sich Emily eine Gitarre zu ihrem zwölften Geburtstag wünschte. Ewan hatte sich auf dem Schulhof geprügelt und war mit einer Benachrichtigung an die Eltern nach Hause gekommen. Er hatte mit ihr verabredet, dass er es Dad selbst erzählen würde, dass es aber bis nach seiner heutigen Geburtstagsparty warten könne – anschließend würde reichlich Zeit dafür sein. Duff fragte sie, ob das Hinauszögern des schlimmen Augenblicks nicht bedeuten würde, dass Ewan sich unnötig lange davor fürchtete.

»Ich weiß bei ihm nie.« Meredith lächelte. »Freut er sich auf etwas oder fürchtet er sich davor? Der Junge, mit dem er sich gestern geprügelt hat, geht in die Klasse über ihm, und Ewan meinte, er hätte den kleinen Peter zuerst getreten.«

»Wen?«

»Ewans besten Freund.«

»Ach, der«, log Duff.

»Ewan meinte, es tue ihm leid, aber er hätte seinen Kumpel verteidigen müssen – Dad hätte dasselbe getan. Er ist also ziemlich gespannt, was du sagen wirst.«

»Dann muss ich ausgewogen sein. Sein Verhalten verurteilen, aber seinen Mut loben. Ihm sagen, dass es besser ist, auf den anderen zuzugehen, als gegen ihn in den Krieg zu ziehen. Versöhnung lautet die Devise, oder?«

»Das käme mir sehr entgegen.«

Und während Meredith und er durch das Wasser glitten, entschied Duff ein für alle Mal, dass er nirgendwo sonst mehr schwimmen gehen würde, nur noch in ihrem kleinen See in Fife.

»Hier ist es«, keuchte Meredith hinter ihm.

Duff drehte sich auf den Rücken, sodass er sie anschauen konnte, während er sich treiben ließ und dabei sachte Hände und Füße bewegte. Sein Körper war blass mit einem Stich ins Grünliche unter der Wasseroberfläche, wogegen ihrer, selbst bei diesem Licht, goldbraun schimmerte. Er verbrachte zu viel Zeit in der Stadt, musste öfter an die Sonne.

Sie schwamm an ihm vorbei und krabbelte auf einen großen, vom Wasser glatt gespülten Felsen.

Nicht irgendein Felsen. Ihr Felsen. Der Felsen, auf dem an einem Sommertag vor elf Jahren ihre Tochter gezeugt worden war. Damals waren sie nach Fife gefahren, um der Stadt für einen Tag zu entkommen. Auf den See waren sie ganz zufällig gestoßen. Sie hatten hier gehalten, weil ihnen eine verlassene kleine Farm ins Auge gefallen war, die Meredith süß fand. Von dem Bauernhaus aus sahen sie das Wasser glitzern, gingen ihm zehn oder fünfzehn Minuten entgegen und stießen schließlich auf den See. Obwohl sich lediglich zwei Kühe in der Nähe aufhielten, waren sie bis zu dem versteckten Felsen hinausgeschwommen, wo es unwahrscheinlich war, dass jemand sie sehen konnte. Einen Monat später hatte Meredith ihm gesagt, dass sie schwanger war. In völliger Euphorie waren sie an den Ort zurückgefahren, hatten das Bauernhaus zwischen See und Straße gekauft, und später, nachdem Ewan, ihr zweites Kind, zur Welt gekommen war, auch noch das Grundstück am See, auf dem jetzt ihre Sommerhütte stand.

Duff zog sich neben ihr auf den Felsen hinauf. Von hier aus konnten sie zu dem roten Häuschen hinübersehen.

Er legte sich auf dem sonnengewärmten Felsen auf den Rücken, schloss die Augen und fühlte wohlige Wellen durch seinen Körper gehen. Manchmal ist es gut zu frieren, um die Wärme anschließend umso mehr genießen zu können, dachte er.

»Bist du jetzt wieder zu Hause, Duff?«

Wenn man etwas verlor und es dann wiederfand, war die Freude daran größer als zuvor.

»Ja«, sagte er.

Ihr Schatten fiel über ihn.

Als sie sich küssten, fragte er sich, warum ihm erst jetzt auffiel, dass mit Süßwasser benetzte Frauenlippen besser schmeckten, als wenn sie feucht vom Salzwasser waren. Aber schließlich kam er zu dem Schluss, dass der Körper schlicht darauf reagierte, dass man Süßwasser trinken konnte und Salzwasser nicht.

Als sie später eng umschlungen und schweißgebadet von Sonne und Sex beieinanderlagen, sagte er ihr, dass er noch mal in die Stadt fahren müsse.

»Gut. Die Suppe gibt es zur üblichen Zeit.«

»Ich werde deutlich früher wieder hier sein. Ich muss bloß noch Ewans Geschenk abholen. Es liegt in meinem Schreibtisch im Büro.«

»Er hat sich das Undercover-Polizisten-Outfit gewünscht, oder?«

»Ja, aber ich muss auch noch was anderes so rasch wie möglich klären.«

Sie fuhr mit einem Finger über seine Stirn und die Nase. »Ist was vorgefallen?«

»Ja und nein. Ich hätte das schon vor Ewigkeiten klären sollen.«

»Dann würde ich sagen …« Ihr Finger, der ihn so gut kannte, liebkoste seine Lippen. »… tust du, was du glaubst, tun zu müssen. Ich werde hier auf dich warten.«

Duff stützte sich auf seine Ellenbogen und schaute zu ihr hinunter. »Meredith.«

»Ja?«

»Ich liebe dich.«

»Ich weiß, Duff. Du hattest es bloß eine Weile vergessen.«

Duff lächelte. Küsste noch einmal ihre Süßwasserlippen und stand auf. Wollte wieder ins Wasser springen, hielt aber inne. »Meredith?«

»Ja?«

»Hat Ewan gesagt, wer bei der Prügelei gewonnen hat?«


»Hat der Chief Commissioner gesagt, warum die zu ihrem Clubhaus gefahren werden sollen?«, fragte der Fahrer.

Der Gefängniswärter schaute auf sein Schlüsselbund hinunter, um den richtigen für die nächste Zelle zu finden. »Es gibt nicht genug Beweise, um sie in Gewahrsam zu halten.«

»Nicht genug Beweise? Verdammte Scheiße, die ganze Stadt weiß, dass es die Norse Riders waren, die den Stoff am Hafen abgeholt haben. Und alle wissen, dass es die Norse Riders waren, die den Polizisten und seinen Sohn umgebracht haben. Aber ich habe nicht gefragt, warum sie freigelassen werden – an den Quatsch bin ich ja gewöhnt –, ich habe mich gefragt, warum wir sie nicht einfach gehen lassen. Wenn ich Gefangene fahren muss, dann meistens von einem Gefängnis ins andere, nicht als beschissener Taxiservice, damit sie nicht zu Fuß nach Hause laufen müssen.«

»Frag mich nicht«, sagte der Wärter und schloss die Zelle auf. »Hey, Sean! Komm runter vom Bett, jetzt geht’s nach Hause zu deiner Frau und deiner Tochter!«

»Heil dir, Macbeth!«, tönte es ihm aus der Zelle entgegen.

Der Wärter schüttelte den Kopf und wandte sich dem Fahrer zu. »Du fährst den Bus am besten direkt zum Ausgang, und wir bringen sie alle da hin. Wir geben dir zwei bewaffnete Kollegen mit.«

»Warum? Sind die Jungs nicht auf freiem Fuß?«

»Der Chief Commissioner möchte sichergehen, dass sie auch wirklich am gewünschten Ort abgesetzt werden.«

»Darf ich ihnen Fußfesseln anlegen?«

»Offiziell nicht, aber das kannst du halten, wie du willst. Hey! Bind dir deine Schuhe zu, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.«

»Meinst du das ernst? Sind die guten Zeiten wieder da, wie unter Kenneth?«

»Haha. Es ist noch ein bisschen früh, um das zu sagen, aber wie man hört, entwickelt sich Macbeth ziemlich gut.«

»Sein Problem sind die ungelösten Polizistenmorde. Wenn er das nicht auf ’ne clevere Weise löst, ist er bald ziemlich am Arsch.«

»Vielleicht. Kite hat heute im Radio gesagt, Macbeth wäre die reinste Katastrophe.« Er wiederholte das Wort »Katastrophe«, wobei er das gerollte R besonders übertrieb. Der Fahrer musste lachen, erschauderte aber angesichts der Tätowierung auf der Stirn des Gefangenen, der jetzt aus der Zelle trat.

»Auf zum Viehtransport«, murmelte er, als der Wärter den Gefangenen in die richtige Richtung stieß.


Duff huschte rasch in sein Büro, stopfte sich das Paket für Ewan in die Jacke und eilte wieder hinaus. In der Kriminaltechnik im zweiten Stock sagte man ihm, dass sich Caithness in der Dunkelkammer in der Tiefgarage aufhielt. Er nahm den Fahrstuhl nach unten und ließ sich selbst hinein. Irgendwann, als Caithness sich noch eine Wohnung mit einer Freundin geteilt hatte, war es Duff gelungen, den Hausmeister davon zu überzeugen, dass der Leiter des Rauschgiftdezernats einen Schlüssel zur Garage haben sollte, wo die Kriminaltechnik über einen Schießstand für ballistische Analysen verfügte, ein Labor, eine Dunkelkammer, um Tatortfotos zu entwickeln, sowie über einen offenen Bereich, in dem sie größere Objekte abstellen konnten, etwa Autos, die nach Beweisen abgesucht werden mussten. Nach Dienstschluss machte kaum jemand Überstunden im kalten, feuchten Untergeschoss; wenn es nötig war, ging man in die Büros im zweiten Stock. Ein Jahr lang hatten sich Duff und Caithness hier unten nach der Arbeit zu heimlichen Rendezvous getroffen, zuzüglich zu ihren wöchentlichen Mittagspausentreffen im Zimmer 323 im Grand Hotel unter dem Namen Mittbaum. Seit Caithness in ihrer Dachwohnung lebte, hatte Duff diese heimlichen Stelldicheins merkwürdigerweise oft vermisst.

Als er nun die Tür öffnete und ihm die unangenehm kühle Luft entgegenschlug, kam ihm der Gedanke, dass sie sehr verliebt ineinander gewesen sein mussten. Mitten in der Garage stand Banquos von Kugeln durchsiebter Volvo. Er war mit einer Plane abgedeckt worden, vermutlich weil die Beifahrertür abgerissen worden war und man mögliche Beweise im Wageninneren vor den Ratten schützen wollte, die nachts im Untergeschoss ihr Unwesen trieben. Duff blieb vor der Dunkelkammer stehen und holte tief Luft. Die Entscheidung war gefallen. Nun musste sie nur noch in die Tat umgesetzt werden. Die Tat. Er drückte den Türgriff herunter und trat in die Dunkelheit. Schloss die Tür hinter sich. Atmete den Ammoniakgeruch der Entwicklerflüssigkeit ein und wartete darauf, dass seine Pupillen größer würden.

»Duff?«, hörte er aus der Dunkelheit. Dieselbe freundliche, leicht zaghafte Stimme, die ihn gestern im Konferenzraum aus seinen Gedanken gerissen hatte. Dieselbe freundliche, leicht zögerliche Stimme, die ihn an so vielen Morgen in ihrer Dachwohnung geweckt hatte. Die freundliche, zögerliche Stimme. Die er nicht mehr hören würde, nicht mehr auf diese Weise, nicht dort.

»Caithness, wir können nicht …«

»Roy«, sagte sie, »würden Sie uns einen Moment allein lassen?«

Duffs Augen gewöhnten sich gerade noch rechtzeitig an die Dunkelheit, um zu sehen, wie sich der Fotograf der Spurensicherung verabschiedete.

»Hast du die hier schon gesehen?«, fragte Caithness und strahlte mit einer Rotlichtlampe auf drei noch tropfnasse Fotos, die an einer Schnur hingen. Auf einem war Banquos Wagen zu sehen. Auf dem zweiten Banquos geköpfter Körper auf der Fahrbahn. Und auf dem dritten eine Großaufnahme von Banquos Halswunde. Sie deutete darauf. »Wir denken, dass eine große Klinge benutzt wurde, es könnte zum Beispiel Swenos Säbel gewesen sein, den du erwähnt hast.«

»Verstehe«, sagte Duff und starrte das Foto an.

»Wir haben noch Spuren von anderem Blut an seinem Rückgrat gefunden. Ist das nicht interessant?«

»Was meinst du?«

»Sweno, oder wer es auch gewesen sein mag, war offenbar nicht besonders sorgfältig bei der Reinigung seines Säbels. Hier, wo die Waffe das Rückgrat durchtrennt hat, ist altes, getrocknetes Blut von der Klinge abgeblättert. Wenn wir rausfinden können, um welche Blutgruppe es sich handelt, könnte uns das womöglich bei der Aufklärung eines weiteren Mordfalls helfen.«

Duffs Magen war kurz davor, sich umzudrehen, und er klammerte sich an die Werkbank.

»Geht’s dir immer noch schlecht?«, fragte Caithness.

Duff atmete mehrmals tief ein. »Ja. Nein. Ich musste einfach nur weg. Wir müssen reden.«

»Worüber?« An ihrer Stimme erkannte er, dass sie es bereits wusste. Vermutlich hatte sie es schon gewusst, als er hier hereingeplatzt war. Über die Fotos zu reden, war wohl eine Art Übersprungshandlung gewesen.

»Über unsere Treffen«, sagte er. »Das geht so nicht mehr.«

Er versuchte, ihr Gesicht zu sehen, aber es war zu dunkel.

»Mehr haben wir nicht getan?«, fragte sie. Tränen lagen in ihrer Stimme. »Haben wir uns nur getroffen?«

»Nein«, sagte er. »Nein, du hast natürlich recht – es war mehr als das. Umso richtiger ist es, damit aufzuhören.«

»Du willst Schluss machen, mich abservieren, hier bei der Arbeit?«

»Caithness …«

Ihr bitteres Lachen schnitt ihm das Wort ab. »Tja, das ist doch wirklich passend. Eine Beziehung, die an einem dunklen Ort geführt wurde, wird auch in einer Dunkelkammer beendet.«

»Es tut mir leid. Ich denke dabei einfach an …«

»Dich. Du denkst an dich, Duff. Nicht an die Kinder, nicht an die Familie, an dich. Du bist der egoistischste Mensch, den ich je kennengelernt habe, erzähl mir also bitte nicht, dass du dabei auf irgendjemand anderen Rücksicht nimmst als auf dich selbst.«

»Wie du meinst. Ich nehme Rücksicht auf mich.«

»Und für wen lässt du mich in Wirklichkeit sitzen, Duff? Gibt es eine noch jüngere, eine noch naivere Frau da draußen, die dich nicht nerven wird mit der Forderung, für sie etwas aufzugeben? Jedenfalls noch nicht.«

»Hilft es dir irgendwie, wenn ich sage, dass es mir nur um meine persönliche, egoistische Zufriedenheit geht, die ich hoffentlich empfinden werde, wenn ich mir vorstelle, das Richtige für diejenigen zu tun, denen ich mich verpflichtet fühle? Dass ich mich von dir trenne, weil ich eine höllische Angst davor habe, am Tag des Jüngsten Gerichts nicht in den Himmel zu kommen?«

»Glaubst du, das wirst du?«

»Nein. Aber die Entscheidung ist gefällt, Caithness, sag mir also, wie ich den Zahn ziehen soll – langsam oder in einem Ruck?«

»Warum sollte die Folter jetzt aufhören? Komm um vier in meine Wohnung.«

»Was willst du damit bezwecken?«

»Dass du mich weinen, fluchen und flehen hörst. Das kann ich hier nicht tun.«

»Ich habe versprochen, um fünf mit der Familie zu essen.«

»Wenn du nicht kommst, werde ich all deine Sachen auf die Straße werfen, dann rufe ich bei euch an und erzähle deiner Frau von deinen Eskapaden …«

»Sie weiß es schon, Caithness.«

»… und deinen Schwiegereltern. Erzähle ihnen, wie du ihre Tochter und ihre Enkel verarscht hast.«

Duff schluckte. »Caithness …«

»Vier Uhr. Wenn du brav zuhörst, schaffst du es auch zu deinem gottverdammten Essen.«

»Okay. Okay, ich komme. Aber glaub nicht, dass das irgendwas ändern wird.«

Als Duff hinaustrat, lehnte der Fotograf an der Garagentür und rauchte.

»Fiese Nummer, oder?«, fragte er.

»Wie bitte?«

»Jemandem so den Kopf abzuhauen.«

»Mord ist immer eine fiese Nummer«, sagte Duff und wandte sich dem Ausgang zu.


Lady stand im Schlafzimmer vor der Tür von Macbeths Kleiderschrank. Lauschte auf das Tapsen der nassen Ratten auf dem Holzfußboden. Sie sagte sich, dass es diese Geräusche nur in ihrer Einbildung gab, der gesamte Boden war dick mit Teppich ausgelegt. Eingebildete Geräusche. Bald würden es Stimmen sein. Die Stimmen, mit denen ihre Mutter geredet hatte, die sie nicht in Frieden gelassen hatten, dieselben Stimmen, die auch die Mutter ihrer Mutter gehört hatte. Es waren ihre Vorfahren, die ihnen befahlen, nachts zu schlafwandeln, dem eigenen Tod entgegen. Es hatte ihr solche Angst gemacht, beim Abendessen an der Tafel zu sehen, wie Macbeth halluziniert hatte. Hatte sie ihre einzige Liebe mit dieser Krankheit angesteckt?

Die Rattenfüße huschten nun schon seit geraumer Zeit durch ihre Fantasie, und sie wollten einfach nicht verschwinden.

Sie konnte nur eins dagegen tun, selbst hin und her huschen, fort von den Geräuschen, fort von ihrer Wahnvorstellung.

Sie öffnete die Kleiderschranktür.

Zog die Schublade auf. Ein kleiner Beutel mit einem Pulver lag darin. Macbeths Flucht. Funktionierte sie? Würde sie entkommen, wenn sie an denselben Ort flüchtete wie er? Sie glaubte es nicht. Schloss die Schublade wieder.

Schaute hinauf zur Hutablage, wo das Paket lag, das Jack ihr ausgehändigt hatte. Es war dick mit Packpapier und Schnüren umwickelt und steckte zudem noch in einer durchsichtigen Plastikhülle. Es war bloß ein Päckchen. Und doch kam es ihr vor, als starrte es auf sie herab.

Wieder öffnete sie die Schublade und nahm den Beutel heraus. Streute ein klein wenig von dem Pulver auf den Tisch vorm Spiegel und rollte einen Geldschein zusammen. Sie war sich nicht ganz sicher, wie das funktionierte, setzte aber das eine Ende des Röllchens an ihr Nasenloch, hielt das andere über das Pulver und atmete ein, halb mit der Nase, halb mit dem Mund. Als das auch nach einigen weiteren Versuchen nicht klappte, schob sie das Pulver zu einer Linie zusammen, steckte sich den Schein ins Nasenloch, fuhr über die Linie, atmete scharf ein und saugte dabei alles auf. Eine Weile saß sie nur da und betrachtete sich. Das Geräusch der krabbelnden Ratten verschwand. Dann ging sie zum Bett und legte sich hin.


»Da kommen sie ja!«, brüllte der Sergeant. Er blieb in der Toreinfahrt der Norse Riders stehen und sah zu, wie der gelbe Gefängnisbus die Straße heraufgefahren kam. Es war halb vier, pünktlich auf die Minute. Er warf den anderen, die sich im Nieselregen vor dem Clubhaus versammelt hatten, einen Seitenblick zu. Alle Clubmitglieder waren verpflichtet, die Verletzten bei ihrer Rückkehr willkommen zu heißen, schließlich hatten sie sie in jener Nacht der Polizei ausliefern müssen. Auch die Frauen waren erschienen – diejenigen, deren Männer zu den entlassenen Häftlingen gehörten, und die, die für alle da waren. Der Sergeant lächelte dem glucksenden Baby in Bettys Armen zu; Betty wartete auf ihren Sean. Selbst die Cousins aus dem Süden hatten sich entschieden, bei der Party dabei zu sein, die schon jetzt versprach, legendär zu werden. Sweno hatte angeordnet, dass es genug Alkohol und Stoff geben würde, um ein ganzes Dorf bei Laune zu halten, schließlich feierten sie mehr als bloß die Freilassung ihrer Kameraden. Durch Banquos Liquidierung hatten die Norse Riders die erlittenen Verluste gerächt und – noch wichtiger – eine neue goldene Allianz geschlossen. Sweno hatte es folgendermaßen ausgedrückt: Indem Macbeth persönlich bei ihnen im Clubhaus aufgekreuzt war, um einen Mord in Auftrag zu geben, hatte er seine Seele dem Teufel verkauft, und von diesem Handel gab es kein Rückzugsrecht. Jetzt hatten sie ihn ebenso in der Hand wie er sie.

Der Sergeant trat auf die Straße hinaus und bedeutete dem Busfahrer, vor dem Tor rechts ranzufahren. Nur zweifelsfrei ausgewiesene Mitglieder durften das eigentliche Gelände betreten, so lautete das neue Clubgesetz.

Und dann stiegen sie aus dem Bus, während die Stereoanlage im Clubhaus voll aufgedreht wurde. Let’s Spend the Night Together. Manche gingen, andere tanzten zum Tor, wo sie von den Kameraden mit Applaus und erhobenen Fäusten und von den Frauen mit Umarmungen und feuchten Küssen empfangen wurden.

»Das geht ja schon gut ab«, brüllte der Sergeant. »Aber den Schnaps gibt’s drinnen.«

Rufe und Gelächter. Sie gingen hinein, doch der Sergeant blieb in der Tür stehen, drehte sich um und ließ seinen Blick noch einmal über die Umgebung schweifen. Der Bus, der die Straße hinunterfuhr. Chang, der zusammen mit zwei anderen Männern das Tor bewachte. Die leeren Fabrikgebäude in der Nähe, die sie gründlich unter die Lupe genommen hatten, um sicherzugehen, dass niemand das Clubhaus beobachtete. Der Himmel, der im Westen tatsächlich so aussah, als könnte man bald mit ein wenig Blau rechnen. Vielleicht konnte er sich jetzt ein wenig entspannen. Womöglich hatte Sweno recht, und ihnen standen bessere Zeiten bevor.

Der Sergeant ging hinein, lehnte den Schnaps ab, den man ihm reichen wollte, und setzte stattdessen einen Bierkrug an die Lippen. Party hin, Party her, dies waren heikle Zeiten. Er schaute sich um. Sean und Betty knutschten in einer Ecke, das Baby zwischen ihnen derart eingequetscht, dass der Sergeant kurz darüber nachdachte, was für ein bizarres Ende dies für ein junges Leben wäre. Aber andererseits gab es eine Menge weitaus schlimmerer Dinge, als von stürmischer Liebe erstickt zu werden.

»Norse Riders!«, brüllte er. Die Musik wurde leiser gestellt, und die Gespräche versiegten.

»Dies ist ein wahrhaft glücklicher Tag! Und ein trauriger Tag. Wir haben die Gefallenen nicht vergessen. Aber es gibt eine Zeit, um zu weinen, und eine Zeit, um zu lachen, und heute lassen wir eine Party steigen. Prost!«

Jubel und gehobene Gläser. Der Sergeant nahm einen großen Schluck und wischte sich den Schaum vom Bart.

»Und dies ist erst der Anfang«, fuhr er fort.

»Von deiner Rede?«, brüllte Sean, und alle lachten.

»Wir haben ein paar Männer verloren«, sagte der Sergeant. »Der Stoff aus Russland ist unter der Brücke abgesoffen.« Kein Gelächter. »Aber wie ein Mann, dessen Namen ihr alle kennt, heute zu mir gesagt hat: Mit diesem neuen Irren als Chief Commissioner brechen bessere Zeiten für uns an.«

Noch mehr Jubel. Der Sergeant hatte das Gefühl, noch ziemlich lange weiterreden zu können, über den Club, über Kameradschaft und zu bringende Opfer. Aber er hatte schon genug Zeit und Platz für sich selbst in Anspruch genommen. Niemand außer ihm wusste, dass Sweno in diesem Augenblick im Hintergrund bereitstand. Es war Zeit für den großen Auftritt des Abends.

»Und mit diesen Worten«, sagte er, »übergebe ich das Wort an …«

In seiner dramatischen Pause hörte er etwas. Das tiefe Heulen eines Lasters mit kraftvollem Motor in zu niedrigem Gang. Nun, es gab eben jede Menge schlechte Fahrer da draußen.

»… an …«

Er hörte ein Dröhnen. Wusste, dass das Tor aus den Angeln geflogen war. Und dass der große Auftritt des Abends Konkurrenz bekommen hatte.


Duff stand vor dem großen fünfstöckigen Wohnblock. Er schaute auf seine Uhr. Fünf Minuten vor vier. Er konnte es immer noch bequem zur Geburtstagsparty schaffen. Er klingelte.

»Komm rauf«, sagte Caithness über die Gegensprechanlage.

Nach ihrem Gespräch in der Dunkelkammer war er ins Bricklayers Arms gefahren, hatte in einer der Nischen gesessen und ein Bier getrunken. Natürlich hätte er die Zwischenzeit auch nutzen können, um in seinem Büro zu arbeiten, aber Macbeth hatte ihm schließlich befohlen, zu Hause in Fife zu bleiben. Dann bestellte er sich ein zweites. Nahm sich die Zeit, um nachzudenken.

Jetzt ging er die Treppe hinauf, nicht mit den schweren Schritten von jemandem, der aufs Schafott steigt, sondern mit den schnellen, leichtfüßigen Schritten von jemandem, der eine Szene hinter sich bringen und überleben möchte. Und der ein anderes Leben hat, zu dem er zurückkehren will.

Die Wohnungstür stand offen.

»Komm rein«, hörte er Caithness rufen. Er stieß ein erleichtertes Seufzen aus, als er sah, dass sie all seine Sachen auf den Tisch im Flur gestellt hatte. Einen Kulturbeutel. Einen Rasierapparat. Ein paar Hemden und Unterwäsche. Den Tennisschläger, den sie ihm geschenkt hatte, als sie beide noch regelmäßig spielten, auch wenn er ihn nie benutzt hatte. Eine Kette und Perlenohrringe. Duffs Finger strichen über den Schmuck, den er ihr gekauft hatte. Er war oft getragen worden.

»Hier drin«, rief sie. Aus dem Schlafzimmer.

Die Stereoanlage lief. Elvis. Love Me Tender.

Duff ging auf die offene Schlafzimmertür zu, zögerte, war nicht mehr ganz so leichtfüßig. Er konnte ihr Parfum riechen.

»Duff«, sagte sie und zog die Nase hoch, als er im Türrahmen auftauchte. »Ich gebe dir zurück, was du mir gegeben hast, aber ich erwarte ein Abschiedsgeschenk.«

Sie lag in schwarzem Korsett und Nylonstrümpfen auf dem Bett. Auch dieses Outfit hatte er ihr geschenkt. Neben dem Bett stand ein Weinkühler mit einer offenen Champagnerflasche, von der sie offenbar schon einiges getrunken hatte. Er ließ ihren Anblick auf sich wirken. Sie war die atemberaubendste Frau, mit der er je zusammen gewesen war. Immer wenn er sie sah, verblüffte ihn ihre Schönheit wie beim ersten Mal. Und er spürte jede Zärtlichkeit, die sie ausgetauscht hatten, jeden ihrer wilden Ritte. Doch nun gab er dies auf. Ein für alle Mal.

»Caithness.« Er fühlte, wie sich ihm die Kehle zusammenzog. »Meine liebe, liebe, wunderschöne Caithness.«

»Komm her.«

»Ich kann nicht …«

»Natürlich kannst du. Du hast es so lange Zeit gekonnt, so oft. Es ist doch bloß das letzte Mal. Das bist du mir schuldig.«

»Du würdest keine Freude daran haben. Wir beide nicht.«

»Ich will keine Freude daran haben, Duff, ich will abschließen können. Ich möchte, dass du ausnahmsweise mal kriechst. Ich will, dass du deinen Stolz schluckst und tust, was ich will. Und das ist es, was ich will. Nur das. Anschließend kannst du zur Hölle fahren oder nach Hause zum Abendessen mit deiner Frau, die du nicht mehr liebst. Ich kann von hier aus sehen, dass du bereit bist für …«

»Nein, Caithness. Ich kann nicht. Du hast mir gesagt, du wärst mit dem zufrieden, was du von meinem Herzen haben kannst. Aber ich kann dir nicht bloß ein Stück davon geben. Dann würde ich gleich zweimal betrügen, dich und die Mutter meiner Kinder. Und dass ich sie nicht mehr liebe, stimmt nicht.« Er atmete ein. »Ich hatte es vergessen, aber dann fiel es mir wieder ein. Dass ich sie liebe und immer geliebt habe. Und dich habe ich mit meiner eigenen Frau betrogen.«

Er sah, wie die Worte sie trafen. Sah, wie die dünne, aufgesetzte Fassade der Verführung einem tiefen Schock wich. Dann schossen ihr die Tränen in die Augen. Sie krümmte sich zusammen und zog sich die Decke über den Körper.

»Auf Wiedersehen, Caithness. Du solltest mich hassen, das wäre nur richtig. Ich gehe jetzt.«

An der Wohnungstür nahm Duff seine Kleidungsstücke an sich und klemmte sich die Toilettensachen unter den Arm. Der alte Schläger konnte ruhig hierbleiben. In einem kleinen Bauernhaus auf dem Land spielte man kein Tennis. Dann blieb er stehen und betrachtete die Ohrringe und die Kette. Hörte Caithness’ schmerzerfülltes Schluchzen aus dem Schlafzimmer. Es war teurer Schmuck. Wenn er ehrlich war, hatte er mehr dafür bezahlt, als er sich leisten konnte. Aber jetzt, in seiner Hand, war er nichts wert. Es gab sowieso niemanden, dem er ihn geben konnte, höchstens dem Pfandleiher. Aber war er imstande, den Gedanken zu ertragen, dass dieser Schmuck von einer Fremden getragen wurde?

Er zögerte. Schaute auf seine Uhr. Dann legte er die anderen Sachen wieder ab, nahm den Schmuck und ging zurück ins Schlafzimmer.

Sie hörte auf zu weinen, als sie ihn sah. Ihr Gesicht war feucht von Tränen und schwarz von verlaufener Wimperntusche. Ihr Körper erzitterte von einem letzten Schluchzen. Einer ihrer Nylonstrümpfe war heruntergerutscht, ebenso wie einer der Träger.

»Duff …«, flüsterte sie.

»Caithness«, sagte er und musste schlucken. Zucker in seinem Bauch. Blut stieg ihm in den Kopf. Der Schmuck fiel zu Boden.


Der Sergeant griff nach dem Gewehr hinter der Bar und rannte zum Fenster, während die anderen Clubmitglieder bereits auf dem Weg zum Waffenschrank waren. Draußen stand ein Laster seitlich vor dem Clubhaus. Der Motor lief, und das Tor klebte immer noch an seiner Stoßstange. Ebenso wie Chang. Der Sergeant legte sich das Gewehr auf die Schulter, als die Plane auf der Ladefläche des Lasters abgeworfen wurde. SWATs kamen darunter zum Vorschein, in ihren hässlichen schwarzen Uniformen und mit erhobenen Waffen. Aber es war etwas noch Hässlicheres mit an Bord, etwas, das dem Sergeant das Blut in den Adern gefrieren ließ. Drei Monster. Zwei davon aus Stahl, auf einem Gestell aufgebockt, mit Munitionsgurt, rotierenden Trommeln und Kühlkammern. Das dritte Monster stand zwischen ihnen, ein kahlköpfiger, schlanker, sehniger Mann, den der Sergeant nie zuvor gesehen hatte. Doch er wusste, dass er ihn schon immer gekannt, ihm immer nahe gewesen war. Und nun hob dieser Mann die Hand und brüllte. »Treue, Brüderlichkeit!«

Die anderen antworteten: »Getauft in Feuer, vereint in Blut!«

Dann ein einzelnes Kommando: »Feuer!« Natürlich. Feuer.

Der Sergeant nahm ihn ins Visier und drückte ab. Ein Schuss. Der letzte.


Der Regentropfen fiel vom Himmel, durch den Nebel, auf den schmutzigen Hafen hinab. Auf ein Dachfenster zu, unter dem sich ein Mann und eine Frau liebten. Der Mann blieb stumm, während sich seine Hüften auf und ab bewegten, langsam, aber machtvoll. Die Frau krallte sich in die Laken, während sie ihn ungeduldig schluchzend in sich aufnahm. Die süße Melodie von der Schallplatte war schon vor einiger Zeit verklungen, und die Nadel stieß, im gleichen monotonen Rhythmus wie der Mann, immer wieder gegen das Plattenetikett mit seinem Love Me Tender-Befehl. Aber das schienen die Liebenden nicht zu bemerken, schienen nichts zu bemerken, bloß die repetitive Bewegung, in der sie gefangen waren. Nicht einmal einander bemerkten sie, während sie vögelten, die Dämonen fortvögelten, die Realität, die Welt um sie herum, die Stadt, den Tag, für diese wenigen Minuten, diese kurze Stunde. Der Regentropfen aber erreichte nie die Fensterscheibe über ihnen. Kalte Nordwestböen trugen den Tropfen in östlicher Richtung über den Fluss, der die Stadt der Länge nach teilte, dann in südlicher Richtung über die stillgelegte Bahnstrecke, die die Stadt diagonal durchschnitt. Er fiel auf den Fabrikbezirk, vorbei an den nicht mehr rauchenden Estex-Schornsteinen und weiter nach Osten auf das eingezäunte, niedrige Holzgebäude, das zwischen den geschlossenen Fabriken stand. Dort beendete der Tropfen seine Reise durch die Luft auf dem glänzenden Schädel eines schlanken Mannes, rann über seine Stirn, verharrte einen Augenblick an seinen kurzen Wimpern und lief dann eine Wange hinunter, die niemals echte Tränen gespürt hatte.


Seyton bemerkte nicht, dass er getroffen worden war. Weder von einem zufälligen Regentropfen noch von der Kugel des Sergeants. Er stand da, breitbeinig, die Hand erhoben, und spürte nur die Vibrationen, die durch den Laster gingen, während die Gatling-Gewehre ihre Ladung abfeuerten, spürte, wie sie sich von seinen Fußsohlen bis zu den Hüften ausbreiteten, wie der Klang gleichmäßig auf sein Trommelfell einschlug, ein Klang, der von einem schwatzhaften Gemurmel zu einem Brüllen anschwoll und schließlich zu einem entschlossenen Heulen, während die Magazine schneller und schneller Kugeln ausspuckten. Und die ganze Zeit, während das Clubhaus vor ihnen allmählich in Schutt und Asche geschossen wurde, spürte er die Hitze der beiden Gewehre. Zwei höllische Maschinen mit nur einer Funktion: das Metall zu verschlingen, mit dem sie gefüttert wurden, und es wieder auszuspucken wie bulimische Roboter, dies jedoch schneller als irgendetwas anderes auf dieser Welt. Bis jetzt hatten die Schützen an den Maschinengewehren noch keinen großen Schaden sehen können, doch nach und nach wurde er offensichtlich, da Fenster und Türen aus den Angeln fielen und sich Teile der Wände auflösten. Auf dem Boden hinter der Tür tauchte eine Frau auf. Teile ihres Kopfes fehlten, und ihr Körper zuckte, als würde man ihr Elektroschocks versetzen. Seyton bemerkte, dass er eine Erektion hatte. Musste an der Vibration auf dem Laster liegen.

Eines der Maschinengewehre stoppte den Beschuss.

Seyton wandte sich dem Schützen zu.

»Stimmt was nicht, Angus?«

»Die Sache ist erledigt«, schrie Angus zurück und strich sich den blonden Pony zur Seite.

»Niemand hört auf, bevor ich es sage.«

»Aber …«

»Ist das klar?«, brüllte Seyton.

Angus schluckte. »Für Banquo?«

»Das hab ich doch gesagt! Für Banquo! Na los!«

Angus’ Maschinengewehr eröffnete wieder das Feuer. Aber Seyton sah, dass Angus recht hatte. Die Sache war erledigt. Es gab keinen Quadratdezimeter vor ihnen, der nicht durchlöchert war. Es gab nichts, was nicht zerstört gewesen wäre. Nichts, was nicht tot war.

Er wartete trotzdem noch. Schloss die Augen und lauschte. Aber es war an der Zeit, den beiden Schönheiten eine Ruhepause zu gönnen.

»Stopp!«, schrie er.

Die Maschinengewehre verstummten.

Eine Staubwolke erhob sich von dem ausradierten Clubhaus. Seyton schloss noch einmal die Augen und atmete die Luft ein. Eine Wolke toter Seelen.

»Was ist los?«, lispelte Olafson vom hinteren Ende des Wagens.

»Wir sparen Munition«, sagte Seyton. »Wir haben heute Nachmittag noch einen Job.«

»Sie bluten, Sir! Ihr Arm.«

Seyton schaute an seiner Jacke hinab. Sie klebte an seinem Ellbogen, und aus einem Loch rann Blut. Er legte eine Hand auf die Wunde. »Das ist nicht schlimm«, sagte er. »Handfeuerwaffen bereithalten, alle Mann. Wir gehen rein und machen Inventur. Wer Sweno findet, sagt mir Bescheid.«

»Und wenn wir auf Überlebende stoßen?«, fragte Angus.

Jemand lachte.

Seyton wischte sich einen Regentropfen von der Wange. »Ich wiederhole. Macbeths Order lautete, keiner von Banquos Mördern darf überleben. Genügt Ihnen diese Antwort, Angus?«

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