7

Lady betrachtete Macbeth. Er sah so elegant aus in seinem Smokingjackett. Sie drehte sich um, überprüfte, ob der Kellner, wie von ihr verlangt, seine weißen Handschuhe angelegt hatte. Und dass auf dem Silbertablett die spitz zulaufenden Champagnerflöten standen. Sie hatte, hauptsächlich aus Spaß, einen kleinen, aber vornehmen silbernen Quirl mit aufs Tablett gelegt, auch wenn nur wenige Gäste so einen schon einmal gesehen hatten und noch weniger Gäste wussten, wozu er diente. Macbeth wiegte sich auf seinen Schuhen vor und zurück, sodass seine Hacken tief im Teppich des Inverness versanken, und starrte angespannt zur Eingangstür hinüber. Er hatte schon den ganzen Tag nervös gewirkt. Nur als sie die Details des Plans durchgegangen waren, hatte er seine Konzentration wiedergefunden, war zum Profi geworden, zum Mitglied einer schnellen Eingreiftruppe, und hatte vergessen, dass die Zielperson einen Namen hatte: Duncan.

Die Angestellten draußen öffneten die Tür, und ein Regenschauer wurde hereingeweht.

Die ersten Gäste. Lady knipste ihr glücklichstes, hocherfreutes Lächeln an und hakte sich bei Macbeth unter. Sie spürte, wie er instinktiv Haltung annahm.

»Banquo, alter Freund!«, rief sie aus. »Und du hast Fleance mitgebracht. Er ist ein so attraktiver junger Mann geworden. Da bin ich nur froh, dass ich keine Töchter habe.« Umarmungen und anstoßende Gläser. »Lennox! Sie und ich sollten mal ein bisschen plaudern, aber erst einmal etwas Champagner. Und da ist Caithness! Sie sehen hinreißend aus, meine Liebe! Warum finde ich nie solche Kleider? Deputy Chief Commissioner Malcolm! Also, Ihr Titel ist mir einfach zu lang. Wäre es in Ordnung, wenn ich Sie einfach Chief nenne? Verraten Sie’s keinem, aber manchmal sage ich Macbeth, er soll mich Generaldirektorin nennen, damit ich einfach mal höre, wie das klingt.«

Mit den meisten Gästen hatte sie zuvor kaum je ein Wort gewechselt, trotzdem gab sie allen das Gefühl, sie würden sich seit Jahren kennen. Weil sie in sie hineinschauen und erkennen konnte, wie sie gesehen werden wollten – das war der Segen, den der Fluch der gesteigerten Sensibilität mit sich brachte. Es bedeutete, dass sie das Auftaktgeplänkel überspringen und direkt zum Wesentlichen kommen konnte. Vielleicht war es ihre unaufgesetzte Art, die alle dazu brachte, ihr zu vertrauen. Sie brach das Eis, indem sie ihnen scheinbar intime Details aus ihrem Leben erzählte, sodass die Gäste selbst waghalsig wurden, und wenn sie bemerkten, dass ihre kleinen Geheimnisse mit einem »Ah« und verschwörerischem Gelächter belohnt wurden, wagten sie sich auch an etwas pikantere Geheimnisse heran. Es war unwahrscheinlich, dass irgendeine andere Person in dieser Stadt mehr über ihre Einwohner wusste als die Gastgeberin dieses Abends.

»Chief Commissioner Duncan!«

»Lady. Bitte entschuldigen Sie mein spätes Eintreffen.«

»Ich bitte Sie. Es ist uns eine Ehre. Wir wollen keinen Chief Commissioner, der als Erster auf eine Party kommt. Ich sorge immer dafür, dass ich als Letzte überall auftauche, nur für den Fall, dass jemand noch nicht begriffen hat, wer die Königin ist.«

Duncan lachte leise, und sie legte ihm eine Hand auf den Arm. »Sie lachen. Damit ist der Abend für mich bereits ein voller Erfolg. Aber Sie sollten unseren hervorragenden Champagner probieren, lieber Chief Commissioner. Ich nehme an, Ihre Leibwächter können nicht …«

»Nein, die werden wohl die ganze Nacht im Dienst bleiben müssen.«

»Die ganze Nacht?«

»Wenn man Hecate öffentlich droht, muss man mindestens mit einem offenen Auge schlafen. Ich lasse einfach beide offen.«

»Apropos schlafen. Ihre Leibwächter haben das Zimmer, das direkt an Ihre Suite angrenzt – mit einer Zwischentür, wie gewünscht. Die Schlüssel liegen an der Rezeption. Aber ich bestehe darauf, dass Ihre Wächter wenigstens meine hausgemachte Limonade kosten. Ich versichere Ihnen auch, dass ich nicht das Leitungswasser dieser Stadt dafür verwendet habe.« Sie gab dem Kellner ein Zeichen, worauf dieser ein Tablett mit zwei Gläsern brachte.

»Wir …«, sagte einer der Leibwächter und räusperte sich.

»Eine Ablehnung wird als persönliche Beleidigung aufgefasst«, unterbrach ihn Lady.

Die Leibwächter wechselten einen Blick mit Duncan, dann nahmen sie sich beide ein Glas, leerten es und stellten es zurück aufs Tablett.

»Es ist sehr großzügig, Ma’am, dass Sie diese Party ausrichten«, sagte Duncan.

»Es ist das Mindeste, was ich tun kann, nachdem Sie meinen Mann zum Leiter des Dezernats für Organisierte Kriminalität gemacht haben.«

»Ihr Mann? Ich wusste gar nicht, dass Sie verheiratet sind.«

Sie neigte den Kopf. »Sind Sie jemand, der auf Formalitäten Wert legt, Chief Commissioner?«

»Wenn Sie mit Formalitäten die Einhaltung der Gesetze meinen, dann bin ich es wohl. Das liegt in der Natur meiner Arbeit. So wie auch in Ihrer, nehme ich an.«

»Ein Casino steht und fällt damit, dass die Regeln ohne Ausnahme für alle gelten.«

»Ich muss zugeben, dass ich noch nie einen Fuß in ein Spielcasino gesetzt habe, Ma’am. Ich weiß, Sie haben Ihre Pflichten als Gastgeberin, aber dürfte ich Sie um eine kleine Führung bitten?«

»Mit Vergnügen.« Lady lächelte und hakte sich bei ihm unter. »Kommen Sie.«

Sie geleitete Duncan die Treppe hinauf zur Empore. Wenn seine Augen und geheimen Gedanken vom tiefen Schlitz in ihrem Kleid angezogen wurden, verbarg er es gut. Sie standen an der Balustrade. Es war ein ruhiger Abend. Vier Gäste am Roulettetisch, die Black-Jack-Tische leer, vier Pokerspieler am Tisch unter ihnen. Die anderen Gäste der Party hatten sich an der Bar versammelt, die sie fast für sich allein hatten. Lady beobachtete, wie Macbeth nervös mit seinem Wasserglas herumhantierte, während er bei Malcolm und Lennox stand und so tat, als würde er ihnen zuhören.

»Vor zwölf Jahren, nach dem Auszug der Bahnverwaltung, war das hier eine Ruine voller Wasserschäden. Wie Sie wissen, sind wir der einzige Bezirk des Landes, der Spielcasinos gestattet.«

»Dank Chief Commissioner Kenneth.«

»Gott segne seine schwarze Seele. Unser Roulettetisch wurde nach dem Monte-Carlo-Prinzip gebaut. Sie können Ihre Jetons auf identische Felder auf beiden Seiten des Rads setzen, das übrigens hauptsächlich aus Mahagoni und aus ein wenig Rosenholz und Elfenbein besteht.«

»Es ist, offen gesagt, sehr beeindruckend, was Sie hier auf die Beine gestellt haben, Lady.«

»Vielen Dank, Chief Commissioner, aber das hat seinen Preis.«

»Ich verstehe. Manchmal fragt man sich, was uns Menschen antreibt.«

»Sagen Sie mir, was Sie antreibt.«

»Mich?« Er überlegte ein, zwei Sekunden lang. »Die Hoffnung, dass diese Stadt eines Tages ein guter Ort zum Leben sein wird.«

»Abgesehen davon. Abgesehen von den edlen Prinzipien, die sich so einfach formulieren lassen. Was treibt Sie ganz egoistisch, ganz emotional an? Was ist ihr dunkler Wunsch, der Sie nachts heimsucht, nach all den feierlichen Reden, die Ihnen zu Ehren gehalten wurden?«

»Das ist eine ziemlich tief greifende Frage, Lady.«

»Es ist die einzig relevante Frage, mein lieber Chief Commissioner.«

»Vielleicht.« Er ließ die Schultern in seinem Abendanzug kreisen. »Und vielleicht brauchte ich solch einen starken Antrieb gar nicht. Mir wurden gute Karten zugespielt, als ich in einer ziemlich wohlhabenden Familie zur Welt kam, in der gute Schulbildung, Ehrgeiz und Karriere eine Selbstverständlichkeit waren. Mein Vater hat kein Geheimnis daraus gemacht, dass er jede Form von Korruption im öffentlichen Dienst ablehnte. Wahrscheinlich hat er es deshalb dort auch nicht allzu weit gebracht. Ich glaube, ich habe einfach da weitergemacht, wo er aufgehört hatte, und habe aus seinen Fehlern gelernt. Politik ist die Kunst des Möglichen, und manchmal muss man Böses einsetzen, um gegen das Böse zu kämpfen. Ich tue, was auch immer ich tun muss. Ich bin nicht der Heilige, als den mich die Presse gern porträtiert, Ma’am.«

»Heilige erreichen wenig, abgesehen davon, dass sie kanonisiert werden. Da ist mir Ihr taktischer Pragmatismus weitaus lieber, Chief Commissioner. So habe ich es schon immer gehalten.«

»Das verstehe ich. Ich kenne zwar keinerlei Details aus Ihrem Leben, aber ich weiß, dass Sie einen längeren und steileren Weg hinter sich haben als ich.«

Lady lachte. »In den ganz verstaubten Akten in Ihrem Archiv können Sie mich finden. Ich habe mich einige Jahre im ältesten Gewerbe der Welt durchgeschlagen – das ist kein wirkliches Geheimnis. Aber wir haben alle eine Vergangenheit und haben – wie Sie sagen – getan, was wir tun mussten. Spielt der Chief Commissioner? Wenn ja, dann gehen all Ihre Einsätze heute aufs Haus.«

»Herzlichen Dank für Ihre Großzügigkeit, Lady, aber wenn ich das Angebot annähme, müsste ich meine Regeln brechen.«

»Selbst als Privatperson?«

»Wenn Sie Chief Commissioner werden, hört Ihr Privatleben unverzüglich auf. Abgesehen davon spiele ich nicht, Ma’am. Ich verlasse mich nicht so gerne auf die Götter oder das Schicksal. Ich bevorzuge es, mir meine Gewinne selbst zu verdienen.«

»Und trotzdem sind Sie so weit gekommen – wie sie selbst sagen –, weil Ihnen die Götter bei Ihrer Geburt gute Karten zugespielt haben.«

Er lächelte. »Ich sagte, ich bevorzuge es. Das Leben ist ein Spiel, und man spielt entweder mit den Karten, die man bekommen hat, oder wirft sein Blatt weg.«

»Darf ich Ihnen etwas sagen, Chief Commissioner? Warum lächeln Sie?«

»Weil ich Sie wohl schwerlich davon abhalten kann.«

»Ich wollte Ihnen nur sagen, mein lieber Duncan, dass Sie ein durch und durch anständiger Mensch sind. Sie sind ein Mann mit Rückgrat, und ich respektiere, wer Sie sind und wofür Sie stehen. Nicht zuletzt, weil Sie einem unbeschriebenen Blatt wie Macbeth eine derart herausragende Position in Ihrem Leitungsteam gegeben haben.«

»Vielen Dank, Ma’am. Macbeth hat nur sich selbst dafür zu danken.«

»Sehen Sie seine Ernennung als Teil Ihres Kampfes gegen die Korruption?«

»Korruption ist wie ein Bettwanzenbefall. Manchmal muss man das ganze Haus abreißen, um die Plage loszuwerden. Und es dann mit unverseuchtem Material neu aufbauen. Wie Macbeth. Er gehörte nicht zum Establishment, er ist nicht infiziert.«

»Im Gegensatz zu Cawdor.«

»Im Gegensatz zu Cawdor, Ma’am.«

»Ich weiß genau, was Sie meinen. Ich hatte zwei unehrliche Angestellte in meinem Betrieb.« Sie lehnte sich über die Balustrade und nickte in Richtung Roulettetisch. »Ich habe sie gefeuert, aber dabei habe ich geweint. Sich von Geld und Wohlstand verführen zu lassen, ist eine weitverbreitete menschliche Schwäche. Und ich war zu weichherzig. Statt die Bettwanzen zu zertreten, habe ich sie ziehen lassen. Und was war der Dank? Sie haben meine Ideen benutzt, das Fachwissen, das ich ihnen vermittelt habe, und vermutlich auch noch Geld, das sie hier gestohlen haben, und damit ein dubioses Etablissement aufgezogen, das nicht nur den Ruf unseres Gewerbes zerstört, sondern uns, die wir diesen Markt überhaupt erst geschaffen haben, die Luft zum Atmen nimmt. Wenn Sie Bettwanzen bloß verscheuchen, kommen sie zurück. Nein, ich hätte genauso handeln sollen wie Sie, Chief Commissioner.«

»Wie ich, Ma’am?«

»Mit Cawdor.«

»Ich konnte ihn nicht damit durchkommen lassen, dass er mit Sweno gemeinsame Sache gemacht hat.«

»Ich meine, dass Sie die Geschichte richtig zu Ende gebracht haben. Sie hatten schließlich nur die Aussage eines Norse Riders gegen ihn in der Hand. Und selbst der dümmste Richter und die dümmsten Geschworenen hätten gewusst, dass der der Polizei alles gesagt hätte, nur um nicht ins Gefängnis zu müssen. Cawdor hätte davonkommen können.«

»Wir hatten noch ein bisschen mehr gegen ihn in der Hand, Ma’am.«

»Aber nicht genug für eine garantierte Verurteilung. Die Bettwanze Cawdor hätte zurückkommen können. Und damit hätte sich der Skandal endlos in die Länge gezogen. So ein Gerichtsverfahren hätte so viel Dreck aufgewirbelt, dass sicher ein paar Flecken übrig geblieben wären. Nicht gerade das, was die Polizei braucht, wenn sie versucht, das Vertrauen der Stadt zurückzugewinnen. Sie haben mein vollstes Verständnis, Chief Commissioner. Sie müssen sie zerquetschen. Einmal zutreten, und es ist vorbei.«

Duncan lächelte. »Das ist eine ziemlich detaillierte Analyse. Ich hoffe nur, Sie wollen nicht etwa andeuten, ich hätte etwas mit Cawdors vorzeitigem Ableben zu tun, Ma’am.«

»Nein, Gott bewahre.« Sie legte eine Hand auf den Arm des Chief Commissioners. »Ich sage nur, was Banquo normalerweise immer sagt: Es gibt verschiedene Wege, einer Katze die Haut abzuziehen.«

»Zum Beispiel?«

»Hhm. Zum Beispiel, indem man einen Mann anruft und ihm sagt, dass der Tag des Jüngsten Gerichts für ihn angebrochen ist. Dass die Beweise gegen ihn so erdrückend sind, dass das SWAT-Team in wenigen Minuten vor seinem Haus aufkreuzen wird. Dass eine öffentliche Demütigung auf ihn zukommt, dass er all seiner Ehrungen beraubt, dass sein Name durch den Dreck gezogen werden wird. Dass ihm nur noch wenige Minuten bleiben.«

Duncan musterte den Pokertisch unter ihnen. »Wenn ich einen scharfen Blick hätte oder ein Fernglas«, sagte er, »könnte ich denen da unten leicht in die Karten schauen.«

»Das könnten Sie.«

»Woher haben Sie Ihren scharfen Blick, Ma’am? Ein Wiegengeschenk?«

Sie lachte. »Nein, ich musste dafür bezahlen. Mit Erfahrung. Ich habe ihn teuer erkauft.«

»Natürlich habe ich nichts gesagt, aber Cawdor hat der Truppe viele Jahre gedient. Wie die meisten von uns war er weder zu hundert Prozent gut noch zu hundert Prozent schlecht. Vielleicht hatten er oder seine Familie es verdient, dass man ihm die Wahl ließ, welchen Weg er gehen wollte.«

»Sie sind ein edlerer Mensch als ich, Chief Commissioner. Ich hätte dasselbe getan, aber ausschließlich aus egoistischen Gründen. Santé.«

Sie hoben ihre Gläser und stießen an.

»Apropos scharfer Blick«, sagte Lady und nickte den anderen Gästen an der Bar zu. »Ich sehe, dass Inspector Duff und Caithness ihre Antennen aufeinander scharf gestellt haben.«

»Ach ja?« Duncan hob eine Augenbraue. »Soviel ich sehen kann, stehen sie, so weit es geht, voneinander entfernt.«

»Ganz genau. Sie halten maximalen Abstand. Und überprüfen alle fünfzehn Sekunden, was der andere gerade tut.«

»Sie bekommen wirklich ziemlich viel mit, was?«

»Ich habe auch etwas mitbekommen, als ich Sie nach Ihren dunklen, egoistischen Wünschen gefragt habe.«

Duncan lachte. »Können Sie auch im Dunkeln sehen?«

»Meine Wahrnehmungsfähigkeit im Dunkeln ist mir vererbt worden, Chief Commissioner. In finsterster Nacht schlafwandele ich, ohne Schaden zu nehmen.«

»Vermutlich kann man auch hinter der karitativsten Arbeit egoistische Motive finden, aber meine bescheidene Meinung ist, dass das Resultat die Motive rechtfertigt.«

»Dann hätten Sie also gern ein Denkmal wie das von Kenneth? Oder die Liebe der Bevölkerung, die er nicht bekommen hat?«

Duncan hielt ihrem Blick stand, dann stellte er sicher, dass die Leibwächter hinter ihm immer noch außer Hörweite waren. Er leerte sein Glas und räusperte sich. »Ich wünsche mir nur Seelenfrieden, Ma’am. Die Befriedigung darüber, meine Pflicht erfüllt zu haben. Oder das Haus meiner Vorfahren in Ordnung gehalten, es vielleicht sogar in einen besseren Zustand gebracht zu haben, wenn Sie so wollen. Ich weiß, das ist pervers, also verraten Sie es keinem.«

Lady atmete tief ein, stieß sich von der Balustrade ab, und ein breites, fröhliches Lächeln erhellte ihr Gesicht. »Aber was bin ich denn für eine Gastgeberin? Frage hier meine Gäste aus, wo wir doch eigentlich eine Party feiern wollen! Sollen wir uns nicht den anderen anschließen? Und dann gehe ich in den Keller und hole eine Flasche, die auf genauso einen Anlass gewartet hat.«


Nachdem er Malcolms ausführliche Analyse der Schlupflöcher im neuen Steuergesetz lange genug ertragen hatte, entschuldigte sich Duff und begab sich an die Bar, um sich mit einem Whiskey zu belohnen.

»Nun?«, sagte eine Stimme hinter ihm. »Wie war dein freier Tag mit der Familie?«

»Schön, danke«, sagte er, ohne sich umzudrehen. Deutete auf eine Flasche und gab dem Kellner mit zwei Fingern zu verstehen, dass er einen Doppelten haben wollte.

»Und heute Nacht?«, fragte Caithness. »Willst du immer noch … im Hotel übernachten?«

Das Codewort für ihr Bett. Aber er konnte an ihrer Frage hören, dass es nicht bloß um diese, sondern auch um zukünftige Nächte ging. Sie verlangte, dass er die alte Leier anstimmte: die Versicherung, dass er sie wollte und nicht zurück zu seiner Familie in Fife. Aber all das brauchte Zeit, es gab vieles zu bedenken. Es schien ihm unverständlich, dass Caithness ihn nicht besser kannte. Warum zweifelte sie daran, dass es genau dies war, was er wirklich wollte? Vielleicht antwortete er deshalb mit einem gewissen Trotz, dass ihm ein Zimmer im Casino angeboten worden war.

»Und willst du das? Hierbleiben?«

Duff seufzte. Was wollten Frauen eigentlich? Hatten sie alle vor, ihn anzubinden, ihn ans Bett zu fesseln, ihn in der Küche zu füttern und seine Brieftasche ebenso zu melken wie seine Hoden, um ihn mit noch mehr Nachwuchs und einem schlechten Gewissen in die Knie zu zwingen? »Nein«, sagte er und schaute zu Macbeth hinüber. Dafür, dass er der Mittelpunkt der Party war, machte er einen erstaunlich bedrückten Eindruck. Lastete die Verantwortung des neuen Postens bereits derart schwer auf ihm, dass sie den glücklichen, ausgelassenen Jungen in ihm erstickt hatte? Tja, nun war es zu spät, sowohl für Macbeth als auch für ihn. »Wenn du als Erste aufbrichst, warte ich eine Weile und komme dann hinterher.«

Er spürte, wie sie in seinem Rücken zögerte. Im Spiegel hinter den Regalen mit den Flaschen suchte er ihren Blick. Sah, dass sie kurz davor war, ihn zu berühren. Warf ihr einen mahnenden Blick zu. Sie ließ es bleiben und ging. Herrgott.

Duff kippte seinen Drink hinunter. Stand auf, um zu Macbeth hinüberzugehen, der sich ans Ende der Bar lehnte. Zeit, ihm ordentlich zu gratulieren. Aber genau in diesem Moment kam Duncan ihm zuvor. Die Leute scharten sich um ihn, und schon war Macbeth im Gedränge verschwunden. Als Duff ihn wiedersah, war Macbeth auf dem Weg nach draußen, eilte hinter Lady her, die gerade den Raum verließ.


Macbeth holte Lady ein, als sie den Weinkeller aufschloss.

»Ich kann es nicht tun«, sagte er.

»Was?«

»Ich kann nicht meinen eigenen Chief Commissioner töten.«

Sie schaute ihn an.

Sie griff nach dem Revers seines Sakkos, zog ihn hinein und schloss die Tür. »Enttäusch mich jetzt nicht, Macbeth. Duncan und seine Leibwächter sind in den abgesprochenen Zimmern untergebracht. Alles ist bereit. Du hast den Generalschlüssel, oder nicht?«

Macbeth zog den Schlüssel aus seiner Tasche und hielt ihn ihr vors Gesicht. »Nimm ihn zurück. Ich kann das nicht.«

»Kannst oder wirst es nicht?«

»Beides. Ich werde es nicht tun, weil ich nicht den Willen zu einer solchen Heimtücke aufbringen kann. Es ist falsch. Duncan ist ein guter Chief Commissioner, und ich werde nichts besser machen können als er. Was soll dies also, außer, dass mein Ehrgeiz befriedigt wird?«

»Unser Ehrgeiz! Denn nach Hunger, Kälte, Angst und Lust ist nichts so mächtig wie der Ehrgeiz, Macbeth. Weil Ehre der Schlüssel zum Respekt ist. Und dies hier ist der Generalschlüssel. Benutz ihn!« Sie hielt immer noch sein Revers fest, und ihr Mund war so nahe an seinem, dass er die Wut in ihrem Atem schmecken konnte.

»Liebling …«, begann er.

»Nein! Wenn du Duncan für einen derart ehrenwerten Mann hältst, dann hör dir an, wie er Cawdor umgebracht hat. Weil er sich selbst peinliche Offenbarungen ersparen wollte, die über ihn ans Licht gekommen wären, wenn Cawdor überlebt hätte.«

»Das ist nicht wahr!«

»Frag ihn selbst.«

»Du sagst das nur, um … um …«

»Um dir den Rücken zu stärken«, sagte sie. Sie ließ sein Revers los und presste stattdessen ihre Handflächen dagegen, als wolle sie seinen Herzschlag spüren. »Denk einfach daran, dass du einen Mörder umbringen wirst, genauso wie du den Norse Rider umgebracht hast. Dann wird es einfach sein.«

»Ich will nicht, dass es einfach ist.«

»Wenn jetzt deine Moral mit dir durchgeht, dann vergiss nicht, dass du durch das Versprechen gebunden bist, das du mir letzte Nacht gegeben hast, Macbeth. Oder willst du mir weismachen, dass das, was ich damals für Mut gehalten habe, als du Ernest Collum getötet hast, nur jugendlicher Leichtsinn war? Schließlich stand nicht dein Leben auf dem Spiel, sondern nur das meines Croupiers. Jetzt, da du für dich selbst ein Risiko eingehen musst, rennst du davon wie eine feige Hyäne?«

Ihre Worte waren unvernünftig, trafen aber einen wunden Punkt. »Du weißt, dass das nicht stimmt«, sagte er verzweifelt.

»Wie kannst du dann das Versprechen brechen, das du mir gegeben hast, Macbeth?«

Er schluckte. Suchte fieberhaft nach Worten. »Ich … Kannst du von dir behaupten, dass du all deine Versprechen hältst?«

»Ich? Ich?« Sie stieß ein durchdringendes, verblüfftes Lachen aus. »Um ein Versprechen zu halten, das ich mir selbst gegeben hatte, habe ich mir mein eigenes Baby von der Brust gerissen und seinen Kopf gegen die Wand geschleudert. Wie sollte ich da ein Versprechen brechen, das ich dir gegeben habe, dem einzigen Menschen, den ich liebe?«

Macbeth stand da und schaute sie an. Er atmete ihren Atem ein, ihren giftigen Atem, der ihn von Sekunde zu Sekunde schwächer machte. »Aber dir ist nicht klar, dass Duncan dir ebenso den Kopf abschlagen wird, wenn die Sache scheitert, oder?«

»Sie wird nicht scheitern. Hör zu. Ich werde Duncan ein Glas von diesem Burgunder einschenken, und ich werde darauf bestehen, dass seine Leibwächter ihn wenigstens probieren. Sie werden nichts merken, höchstens später am Abend ein bisschen benebelt sein. Und wie Steine schlafen, wenn sie ins Bett gehen …«

»Ja, aber …«

»Sch! Du wirst deine Dolche verwenden, sie werden also auf keinen Fall aufwachen. Danach schmierst du das Blut von den Klingen überall auf die Wächter und lässt die Dolche in ihren Betten liegen. Und wenn du sie später weckst …«

»Ich habe unseren Plan nicht vergessen. Aber er hat Schwächen und …«

»Es ist dein Plan, Liebster.« Sie griff mit einer Hand nach seinem Kinn und biss hart in sein Ohrläppchen. »Und er ist perfekt. Allen wird klar sein, dass die Leibwächter von Hecate gekauft wurden, dass sie nur zu betrunken waren, um die Spuren ihres Verbrechens zu beseitigen.«

Macbeth schloss die Augen. »Du kannst nur Jungs zur Welt bringen, oder?«

Lady stieß ein dumpfes Lachen aus. Küsste seinen Hals.

Macbeth griff nach ihren Schultern und stieß sie zurück. »Du wirst mein Tod sein, Lady, weißt du das?«

Sie lächelte. »Und du weißt, wohin du auch gehst, ich gehe mit dir.«

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