Bolitho stieß die Tür zum großen Empfangszimmer auf, sah Catherine am Fenster stehen und trat zu ihr. Er preßte die Lippen in ihr Haar und murmelte:»Es ist soweit.»
Sie nickte und lehnte sich an ihn.»Mehr darf ich nicht verlangen. Es waren wunderbare Wochen. «Sie drehte sich in seinen Armen um, suchte Trost in seinen Augen.
Bolitho hörte, wie jemand seine Seekiste polternd die Treppen hinunterschleppte. Draußen warf der Abend lange Schatten — ein früher Herbst meldete sich.
«Diesmal bleibe ich nicht lange weg. Mein Einsatz ist kurz. «Er haßte diese Lügen, doch man hatte ihm gesagt, der Auftrag sei geheim. Er sollte sich nach Dover begeben, nicht nach Portsmouth oder Chatham wie sonst, und von dort nach Kopenhagen. In Dover würde man ihm alles weitere erklären.
«Wenn es denn sein muß«, sagte sie leise und legte ihm die Fingerspitzen auf die Lippen.
«Ich bin in spätestens zwei Wochen wieder zurück. Bleib in
London. Lord Browne ist auf Jamaika, wir können hier so lange wohnen, wie wir wollen.»
«Geht Jenour mit?»
«Ja, er wartet in Dover auf mich.»
«Dann hat er mehr Glück als ich!»
Er spürte, wie sie sich an ihn drängte, als draußen Kutschräder über das Pflaster rollten.»Ozzard wird sich um deine Wünsche kümmern, und Yovell wird dir alles sagen, was du wissen willst. Ich würde dir gern auch Allday lassen, aber.»
«Das würde ich nie erlauben. Du ohne deinen Schatten, nein!»
Die Tür öffnete sich einen Spalt breit, und ein Diener meldete:»Die Kutsche ist da, Sir Richard!»
Bolitho legte ihr den Arm um die Schultern.»Komm«, sagte er,»wir gehen zusammen hinunter. Ich habe dir noch soviel zu sagen, aber es wird mir erst auf dem Weg nach Dover einfallen.»
Catherine sah die Treppe an und erinnerte sich, wie Bolitho sie hier zärtlich nach oben getragen hatte, nachdem er sie aus dem Gefängnis befreit hatte: eine barfüßige, schmutzige Frau. Jetzt sah sie den anderen Bolitho — den Mann in Uniform.
Der Abend war kühl. Bolitho nahm sie in den Arm.»Nichts kann uns trennen, aber dieser Einsatz muß sein. Vielleicht läßt Val Keene sich hier sehen, ich habe ihm geschrieben. «Hinten auf der Kutsche sah er den vierschrötigen Umriß Alldays sitzen.
Sie bückte sich und reichte ihm ein Blatt, das der Wind gegen ihren Fuß geweht hatte.»Erinnerst du dich an das Efeublatt? Dies hier soll dich zu mir zurückbringen. Komm bald wieder, Liebster! Ich habe dich doch gerade erst gefunden.»
Er küßte sie, als könne er sich nie mehr von ihr lösen. Und dann waren sie plötzlich getrennt. Allday grüßte und hielt den Wagenschlag auf. Bolitho bemerkte weder Initialen noch Wappen auf der Tür. Man behandelte seinen Auftrag in der Tat als Geheimsache.
Catherine reichte Allday Bolithos Bootsmantel.»Bitte kümmere dich um ihn, Allday, so treu wie immer.»
Allday lächelte mitfühlend.»Wir sind schneller zurück, als Sie glauben, Mylady. «Er stieg auf seinen Sitz. Bolitho beugte sich aus dem Fenster.»Mein Herz bleibt bei dir«, sagte er,»ich. «Doch da lösten sich schon die Bremsen, die Peitsche knallte und das Geschirr der Pferde klirrte. Die Kutsche rollte über die Steine davon.
Catherine sah ihr lange nach. Als die Abendkühle sie schaudern ließ, trat sie ins Haus. Wie leer es ohne ihn war! Sie würde also nicht nach Falmouth zurückkehren, sondern hier auf ihn warten. Sein geringes Gepäck deutete in der Tat auf eine kurze Reise. Für einen längeren Auftrag hätte er mehr von den Seidenhemden mitnehmen müssen, die sie ihm in London gekauft hatte.
In der Halle traf sie Yovell.»Würden Sie mir bitte einen Gefallen tun?«fragte sie ihn.»Und heute abend mit mir essen?»
Er war überrascht.»Das ist eine große Ehre für mich«, sagte er schließlich und versuchte, den Blick von ihrem offenen Haar zu wenden, von ihren lächelnden Augen.
«Sie müssen aber auch dafür bezahlen«, sagte sie.»Sie müssen mir dabei alles über den Mann erzählen, den ich liebe.»
Er setzte seine Brille ab und polierte sie. Dann nickte er. Was war das nur für eine wunderbare Frau, die der Admiral da gefunden hatte, dachte er. Alles Gerede, all die Gerüchte konnten seinetwegen zum Teufel gehen.
Um vier Uhr morgens stieg Bolitho in Dover aus der Kutsche. Die schnelle Fahrt hatte ihn durchgeschüttelt. Er reckte die steifen Glieder und schmeckte die salzige Luft.
Zwei Seeleute waren aus der Dunkelheit aufgetaucht und trugen unter Alldays Aufsicht seine Seekiste ins Wachhäuschen. Er blickte zum Himmel. Dover Castle dort oben sah aus wie ein Teil des Berges und erinnerte ihn an den Tafelberg bei Kapstadt.
Allday keuchte und unterdrückte einen Hustenanfall. Der war sicher genauso froh, heil in Dover angekommen zu sein. Die Straße war zum Glück leer gewesen, denn der Kutscher hatte die Pferde wie wild angetrieben. Offenbar war er solche nächtlichen Fahrten mit Kutschen gewöhnt, die niemand sehen sollte und die weder Namen noch Wappen trugen.
«Halt! Stehenbleiben! Wer da?»
Bolitho ließ den Mantel von den Schultern gleiten, trat in den Lichtschein einer erhobenen Laterne und zeigte seine Schulterstücke. Gleich darauf hörte er Jenours Stimme und sah seine hellen Kniehosen ihm entgegeneilen.»Willkommen, Sir Richard! Wer hat Ihnen denn Flügel verliehen?»
Er schüttelte Jenours Hand, die so kalt war wie seine. Der kühle Herbst kündigte einen nahen Winter an.
Der Leutnant der Wache trat zu ihnen und tippte grüßend an seinen Hut.»Willkommen in Dover, Sir Richard.»
Bolitho spürte in der fremden Stimme Eifer und Neugier. Er hatte Dover nie sonderlich gemocht. Schon vor dreizehn Jahren war er hier gewesen, kurz vor Ausbruch des Krieges. Das Fieber, das ihn in der Südsee überfallen und beinahe getötet hatte, schwächte ihn damals noch. Trotzdem hatte er den undankbaren Auftrag bekommen, Seeleute zu rekrutieren und Deserteure zu fangen, die sich als Schmuggler betätigten. Aber vor allem hatte er damals in Dover gegen Geschäftemacher gekämpft, die mit den Schmugglern unter einer Decke steckten.
Jetzt merkte er erschreckt, daß die anderen auf ihn warteten.»Welches Schiff?«fragte er den Wachoffizier.
«Die Truculent, Sir Richard, unter Kapitän Poland. Sie liegt draußen vor Anker.»
So war das also. Entweder verlor man ein Schiff ganz aus den Augen, oder man traf es immer wieder. Er wußte, daß Truculent und Zest seinem Nordseegeschwader zugeteilt worden waren. Aber wann wurde die Black Prince endlich fertig? Und gab es irgendetwas bei diesem Geschwader, das Keen zum Schweigen brachte?
«Hier ist das Boot, Sir Richard. «Der Wachoffizier ging mit der Laterne voran. Sie war abgeblendet, als wimmle der Hafen von holländischen Spionen und französischen Agenten. Froh, wieder bei Bolitho zu sein, nahm Jenour seinen schnellen Schritt auf. Er hatte bei seinen Eltern in Southampton Urlaub gemacht und sich, als der Bote aus London kam, fast erleichtert gefühlt.
Als sie um die Ecke eines Proviantschuppens bogen, packte sie der Seewind mit gewohnter Macht. Bolitho verharrte an der Mole und musterte die Schiffe im Hafen. Der Gedanke ließ ihn frösteln: Von hier war der Feind keine zwanzig Meilen entfernt. Dover mußte ihm standhalten unter seinem dünnen Schirm von Kanonenbooten und einer schwachen Landwehr. Die Menschen an der Südküste dankten wahrscheinlich mehr als alle anderen in England den Blockadeschiffen, daß sie die Franzosen in ihren Häfen festhielten.
«Wie läuft die Tide?»
«Hochwasser in zwei Stunden, Sir Richard. «Der Mann schien überrascht von der präzisen Frage.
Also ein schneller Start. Aber wer würde ihm die Nachricht bringen, auf die es ankam?
«Seien Sie weiter wachsam, Leutnant. Das zahlt sich hier immer aus.»
Damit stieg er ins Beiboot, das ihm so gut bekannt war, setzte sich und begrüßte den Leutnant im Heck:»Sie haben wohl nicht erwartet, mich so bald wiederzusehen, was, Mr. Munro?»
Jenour hatte seinen Eltern immer wieder beschrieben, wie wichtig Bolitho seine Leute nahm. Sie dankten es ihm, wenn der Admiral sich an ihre Namen erinnerte und an das letzte Zusammentreffen. Auch Munro, der junge Zweite Offizier, würde nicht vergessen, daß der Admiral ihn mit Namen angesprochen hatte. Jenour schauderte trotz seines warmen Mantels. Eine durchwachte Nacht, Schiffe unbeleuchtet vor der Küste, ein geheimer Auftrag: dahinter konnte Gefahr und Tod lauern. Wie hielt Bolitho diese Spannung auf die Dauer aus?
«Da ist sie, Sir Richard!»
Bolitho drehte sich um, Wasser spritzte ihm von den Riemen ins Gesicht und vertrieb die Müdigkeit aus seinem Kopf. Über sich sah er Masten vor den ziehenden Wolken aufragen, hörte die Geräusche des Schiffes, das auf ihn wartete. Befehle hallten durch die Nacht, getragen von einem Wind, der bald kräftig zulegen und auf Südwest drehen würde. Blöcke quietschten und Pfeifen schrillten, signalisierten den Männern auf dem schlüpfrigen Deck oder auf den nassen Rahen, was sie zu tun hatten. Bolitho schaute hoch. Da oben war kein Platz für Ungeübte. Jemand schrie auf vor Furcht, aber ein Schlag ließ ihn verstummen. Kapitän Poland hatte hier sicherlich seine Besatzung aufgefüllt. Jedenfalls waren Landratten an Bord, die nun auf schmerzhafte Weise zu lernen begannen.
Bolitho dachte an Catherine. Die Zeit mit ihr war wieder viel zu kurz gewesen. Er hatte nicht lange genug nach einem Schmuck für sie suchen können, auch für eine Konsultation beim Arzt hatte die Zeit nicht gereicht, so wenig wie für seine Tochter Elisabeth, die er vor Jahren das letzte Mal gesehen hatte: ein Püppchen, das ihm kaum einen Blick schenkte.
«Boot ahoi!«scholl es durch die Nacht.
Alldays kräftige Stimme antwortete:»Flagge. Für Truculent!»
Bolitho konnte sich vorstellen, was jetzt an Bord geschah. Ohne Zweifel würde Kapitän Poland Offiziere und Männer auf Trab bringen, um den Admiral gebührend begrüßen zu können.
Der Buggast hakte an den Großrüsten ein, andere packten zu, um das Dümpeln des Bootes in der kräftigen Strömung zu dämpfen. Bolitho kletterte hinauf und trat durch die Pforte. Poland stand mit seinen Offizieren wie erwartet da, dem Anlaß entsprechend in großer Uniform — selbst zu dieser Nachtstunde.
Er schüttelte Poland die Hand.»Ich gratuliere Ihnen, Kapitän Poland.»
Im schwankenden Licht einer Laterne glitzerten jetzt zwei Epauletten auf den Schultern des Kommandanten. Er hatte endlich seinen vollen Kapitänsrang erreicht.
«Besten Dank, Sir Richard. Ihrem Bericht verdanke ich meine Beförderung.»
Bolitho sah, wie die Gig hochgehievt, über die Netze gehoben und in ihren Klampen festgezurrt wurde. Er spürte, wie schnell alles ging und wie eilig es die Fregatte hatte, Anker zu lichten.
«Das hier wird ganz anders als in Afrika«, sagte er.
Poland richtete sich auf, schien kurz zu prüfen, ob in Bolithos Worten eine Falle steckte, fand keine und gab zu:»Ich weiß nur das Ziel unserer Reise, Sir Richard, mehr nicht.»
Tröstend berührte Bolitho seinen Arm. Armer Poland. Wie so viele Kapitäne hatte er geglaubt, mit diesem Rang nun zum Kreis derer zu gehören, denen die da oben alles mitteilten. Aber dem war nicht so. Man bekam mit der zweiten Epaulette nur mehr Verantwortung, nicht mehr Informationen.
Poland wandte sich an seinen Ersten:»Stellen Sie genügend Männer ans Ankerspill. Wir segeln, sobald die Tide kentert. «Und an Bolitho gewandt:»Wenn Sie mir bitte folgen würden, Sir Richard? Ein Gast wird mit uns reisen.»
Während die Fregatte in der Dunkelheit zum Leben erwachte, betrat Bolitho die Achterkajüte, die er in langen einsamen Wochen so gut kennengelernt hatte. Als erstes entdeckte er eine gelockte Perücke auf einem Ständer, dann sah er einen Mann auf sich zukommen, der sich offensichtlich noch nicht an die Bewegungen des Schiffs gewöhnt hatte.
Er sah älter aus, gebeugter. Oder lag das nur an den schwankenden Laternen? Sein schütteres Haar war zu einem altmodischen, dünnen Zopf geflochten. Der Mann war bestimmt sechzig, wenn nicht älter. Er legte den Kopf schräg und beäugte Bolitho wie ein neugieriger Vogel.»Es ist Jahre her, seit wir uns das letzte Mal sahen, Sir Richard.»
Bolitho ergriff die ausgestreckte Rechte mit beiden Händen.»Charles Inskip! Wie könnte ich das jemals vergessen. Sie berieten mich damals, als ich in diplomatischem Auftrag unterwegs war — ebenfalls nach Kopenhagen.»
Sie betrachteten einander lächelnd.»Der König hat geruht, meine Dienste ebenso zu honorieren wie die Ihren, Sir Richard. Ich bin jetzt Sir Charles Inskip — dank seiner Güte!«Sie lachten beide.
«Ja, diese Zeremonie kostet Nerven!«Ob Seine Majestät in dem Augenblick, als er Inskip geadelt hatte, seinen Namen genauso vergessen hatte wie zuvor den Bolithos?
Kopenhagen… Bolitho war damals hingeschickt worden, um mit den Dänen zu verhandeln. Napoleon hatte verlangt, daß die gesamte dänische Flotte den französischen Admirälen übergeben wurde. Man konnte sich nicht einigen, und so kam es zur Schlacht von Kopenhagen. Dabei hatte Nelson den Befehl seines Oberkommandierenden mißachtet und den Angriff allein vorgetragen.
Rufe ertönten von oben und dann das Knattern von Leinwand, die endlich befreit wurde. Er spürte, wie die Truculent sich überlegte und Fahrt aufnahm.
Inskip beobachtete ihn.»Sie wären wohl selber gerne oben und würden das Schiff führen?«Bolitho nickte und setzte sich. Ein Diener trat ein, ein Tablett mit Gläsern und Weinkaraffe balancierend.
Inskip seufzte.»Wir kehren an den Ort unserer Taten zurück, Sir Richard. «Er schlug auf seine Rocktaschen.»Hier trage ich eine Zusage, in der anderen eine Drohung. Ich werde Ihnen sagen, um was es diesmal geht. «Er unterbrach sich, als die Fregatte sich stark überlegte.»Oh — ich war wohl zu lange an Land. Mein Magen läßt mich wieder im Stich.»
Auch der Diener, offensichtlich mit Inskip aus London gekommen, hatte seine Schwierigkeiten. Mit unbewegtem Gesicht bemühte er sich, den Wein ohne Pannen einzuschenken.
Bolitho tastete in seiner Tasche nach dem Fächer, den Catherine ihm als Souvenir mitgegeben hatte.»Ich höre Ihnen gerne zu, Sir Charles, aber welche Rolle ich dabei spielen soll, ist mir noch schleierhaft.»
Inskip hob das Glas gegen das Licht. Er war ein erfahrener
Regierungsvertreter für skandinavische Angelegenheiten, doch in diesem Augenblick sah er aus wie ein Dorfschulmeister.
«Sie kennen ja die Dänen«, begann er.»Es gibt vernünftige Männer in Kopenhagen, aber leider auch viele, die einen Kompromiß mit Napoleon befürworten. Doch das wäre nur ein anderes Wort für Unterwerfung, denn Napoleons Armee steht an den Grenzen Dänemarks.»
Bolitho sah auf das Gold an seinem Ärmel nieder. Also wieder einmal eine undankbare Aufgabe.
Im ersten Morgengrauen stand der Vizeadmiral auf der Luvseite des Achterdecks und sah sich um. Die nachlaufenden Seen ließen das Schiff unruhig gieren, und immer wieder schlug Spritzwasser an Deck. Kapitän Poland kam in triefendem Ölmantel über die glatten Planken heran.
«Wir werden bei Tagesanbruch im Kleinen Belt stehen, Sir Richard«, rief er. Seine roten Augen verrieten Mangel an Schlaf. Für ihn war es eine harte Reise gewesen. Kein weiter Ozean unter freundlich blauem Himmel mit stetigem Passatwind, kein Tafelberg als weithin sichtbare Landmarke. Truculent war durch den engen Kanal geprescht und hatte dann mit Nordostkurs die Nordsee überquert, auf Dänemark zu. Unterwegs waren ihnen nur ein englischer Schoner und eine englische Fregatte begegnet. Erkennungssignale wurden ausgetauscht, dann hatten Regenböen die Schiffe verschluckt. Sie mußten sehr sorgfältig navigieren, vor allem als sie ins Skagerrak liefen und dann nach Süden abdrehten. Es war bitterkalt, Bolitho schauderte unter seinem Bootsmantel.»Eine schwierige Passage, Kapitän«, sagte er. Polands rotgeränderte Augen musterten ihn fragend, suchten vergeblich nach verborgener Kritik.»Ich gehe unter Deck. Rufen Sie mich, wenn Sie etwas Wichtiges sichten.»
Catherine würde sich grämen, denn die Reise dauerte doch länger. Eine ganze Woche hatten sie allein bis hierher gebraucht.
Unter Deck war es sehr ruhig nach dem heulenden Wind und dem Gurgeln der Seen. Am Posten vorbei betrat Bolitho seine Kajüte. Auch sie war feucht und kühl, und die Heckbank unter den Fenstern glänzte naß, als stünde sie oben an Deck.
Sir Charles Inskip saß am Tisch unter der schwankenden Lampe und las Papiere, die ihm sein Diener reichte. Er sah auf, als Bolitho sich dazusetzte.»Kommt dieses Schiff denn nie zur Ruhe?»
Bolitho reckte die Arme, um sich zu entspannen.»Schauen Sie mal auf die Karte«, riet er Inskip.»Da, wo ich gestern ein Kreuz machte, stehen wir jetzt. Bald werden wir Helsingör sehen.»
«Dort erwartet uns ein dänisches Begleitschiff. «Inskip schien nicht sehr glücklich darüber.»Danach sind wir ganz in ihren Händen. Hoffentlich nicht allzu lange!»
Sie sahen alle auf, als draußen ein Schrei ertönte, den der Wind davontrug.»Was war das?«fragte Inskip.»Land in Sicht«, lächelte Bolitho. Inskip bat seinen Diener, ihm den schweren Mantel zu holen.»Ich gehe nach oben.»
Allday legte ein Handtuch um Bolithos Hals. Poland würde sich erst melden, wenn es wirklich Helsingör war. Während Allday ihn rasierte, schloß Bolitho die Augen. Wie der erste Becher Kaffee am Morgen, so war ihm auch die Rasur ein Anlaß, sich zu sammeln und nachzudenken. Allday hob die Klinge und wartete, daß die Schiffsbewegungen ruhiger wurden. Er hatte sich immer noch nicht an Bolithos kurzen Haarschnitt gewöhnt. Aber er hatte den abgeschnittenen Zopf gerettet, ungesehen in einem Tabaksbeutel nach Hause gebracht und ihn Lady Catherine überreicht. Ihre Augen hatten vor Freude und Überraschung geblitzt.
Als Allday nach getaner Arbeit sein Messer zusammenklappte, trat Poland ein.»Wir haben Helsingör voraus, Sir Richard. «Eine Pfütze bildete sich um seine Füße, er wartete.
«Sehr gut. Ich komme gleich. «Poland verschwand, und Bolitho ließ sich in seinen schweren Mantel helfen. Wieder schlug ein Schwall Wasser übers Skylight. Die Tür ging auf, Inskip und sein Sekretär kamen von Deck zurück. Sie öffneten ihre Seekisten und riefen nach dem Diener. Für die erste Begegnung mit den Dänen wollten sie die passende Kleidung tragen.
Inskip sagte atemlos:»Wir haben ein Schiff gesichtet. Gewiß unseren dänischen Begleiter. «Bolitho hörte das Poltern der Lafetten, Poland ließ also die Laschings der Kanonen lösen und sie für alle Fälle laden. Typisch für ihn — er ging kein Risiko ein.
«Dann wollen wir mal«, sagte Bolitho. Allday zupfte ihm ein Fädchen vom Rock und schritt prüfend um seinen Admiral. Die breiten goldenen Litzen, die Medaille für die Teilnahme an der Schlacht von Abukir, der alte Degen — Bolitho sah aus wie einer seiner Vorfahren auf den Porträts im alten Herrenhaus.
«Dann wollen wir mal sehen«, meinte er,»was da auf uns zukommt.»