Beißendes Licht kroch über den Morgenhimmel. Bolitho stützte sich auf die Reling des Achterdecks, sie fühlte sich vom vielen Salz so rauh an wie Sandstein. Die Truculent bewegte sich auf dem neuen Kurs etwas gleichmäßiger.
Die Sonne suchte den Dunst zu durchbrechen, der über der Kimm stand. Einzelne Wolken trieben am Himmel, so zerfasert wie die Nebelbänke daheim in Cornwall. Aus der Kombüse roch es noch immer nach heißem Fett. Die Männer, die an Deck arbeiteten, sahen jetzt besser aus nach einem warmen Frühstück und einer doppelten Portion Rum. Bolitho stellte sich die Seekarte vor. Die Fregatte segelte mit Südwestkurs platt vor dem Wind und schien über die mitlaufenden Seen zu hüpfen. Vierzig Meilen entfernt an Steuerbord lagen die düsteren Fjorde Norwegens und jenseits davon die offene See und die Arktis, die ihnen diesen beißenden Wind schickte. Dreißig Meilen voraus, so die Schätzung des Masters, lag an Backbord immer noch ein Stückchen Dänemark. Bis dahin reichte das Patrouillengebiet der Zest.
Bolitho schirmte die Augen ab und blickte achteraus. Ihr Verfolger war vom Deck aus nicht mehr zu sehen.
Inskip tauchte an seiner Seite auf, und er erkundigte sich höflich:»Geht es Ihnen jetzt besser, seit wir die offene See gewonnen haben?»
«Ja, aber das liegt mehr an Ihrem Mann Allday als am Seegang.»
Inskips sonst so blasses Gesicht war kräftig gerötet, und sein Atem roch nach Rum. Er räusperte sich umständlich.»Das Rezept hat er selbst erfunden, nehme ich an: heißer Haferschleim mit viel Rum.»
Ein paar Schritte entfernt standen Poland und der Erste ins
Gespräch vertieft. Immer wieder blickten sie zur Mastspitze hoch, und schließlich schickte Williams einen Decksoffizier mit einem Teleskop nach oben.
Inskip fragte beunruhigt:»Was hat das zu bedeuten?«Er deutete achteraus.»Der Franzose kann uns doch nicht mehr gefährlich werden?»
Bolitho rieb sich das Kinn, sah im Geiste wieder die Seekarte vor sich.»Die Korvette folgt uns wie ein Jagdhund. Oder wie ein Aasgeier, der wartet, was auf dem Schlachtfeld für ihn abfallt.»
Er hörte Poland rufen:»Klar bei Großsegel, Mr. Williams! Diesen Damenwind wollen wir doch nicht verschenken.»
Durch das Schiff ging ein Ruck, als der Wind in die zusätzliche Segelfläche faßte und es noch schneller durch die Seen jagte. Jenour stand am Kompaß. Ob er ahnte, warum Poland mehr Segel gesetzt hatte?
«Sie nehmen an, wir laufen in eine Falle?«Der Rum machte Inskips Fragen direkter.»Wie wäre das möglich — und wo ist sie gestellt?»
Leise antwortete Bolitho:»Man hat uns eine ganze Woche in Kopenhagen warten lassen. Warum wohl?»
Inskip dachte nach.»Es war eine schwierige, geheime Mission. Konnte da eine Woche dem Feind nutzen?»
«Erinnern Sie sich: Am 4. November letzten Jahres machte der Schoner Pickle in Falmouth fest und brachte uns die erste Nachricht vom Sieg bei Trafalgar und von Nelsons Tod. «Bolitho ließ sich Zeit mit seiner Erläuterung, es war wichtig, daß Inskip alles begriff.»Von Falmouth nach London reiste der Kommandant mit der Expreßkutsche, und am Morgen des 6. November erreichte er die Admiralität. Für diesen langen Weg brauchte er nur zwei Tage. Was glauben Sie, schaffen also französische Spione in einer ganzen Woche?»
Er blickte zum Himmel auf. Die Wolken wurden dünner, zwischen ihnen blinkte gelegentlich helles Blau.
«Kurs Südwest liegt an!«meldete der Rudergänger.
«Südwest ist gut, Sir Charles, aber wir haben noch vierhundert Meilen vor uns.»
Poland kam auf sie zu.»Ich würde gern mehr südlich laufen, Sir Richard. «Er schaute nach vorn in den Schaum, den ihre
Galionsfigur beim Einsetzen aufwarf.»Der Weg ist dann zwar länger, aber.»
«Dann würden wir niemals auf Leutnant Varian treffen, das wissen Sie doch. Warum also dieser Vorschlag?«Poland hielt sich sonst mit Empfehlungen immer zurück. Warum jetzt nicht mehr?» Haben Sie Grund, an Leutnant Varian zu zweifeln? Dann wäre es Ihre Pflicht, mir das zu melden, Kapitän!»
Poland sah unglücklich drein, aber der Admiral würde ihn jetzt nicht mehr davonkommen lassen. Also begann er:»Vor ein paar Jahren war ich als Erster Offizier unter Varian in der Karibik. Wir liefen nach Jamaika, auf Anforderung des dortigen Gouverneurs. Auf der Insel tobte ein Sklavenaufstand, und einige Weiße waren auf ihren Plantagen in höchster Gefahr.»
Bolitho erinnerte sich. Der Aufstand war in der Zeit des unsicheren Friedens von Amiens ausgebrochen, als man glaubte, der Krieg sei endgültig zu Ende und England und Frankreich seien ausgeblutet. Das bot eine Chance für die Sklaven auf der Insel, allerdings keine für die Offiziere, denn im Frieden wurden sie kaum befördert. Da kam ihnen ein Aufstand gerade recht — als langersehnte Chance, sich auszuzeichnen.
«Ich habe davon gehört«, sagte Bolitho.»Es gab viele Tote und eine blutige Rache.»
Poland schien ihn nicht gehört zu haben.»Ein Händler hatte gemeldet, ein großer Sklavenhaufen belagere eine Plantage. Sie lag zu weit von der Küste, wir konnten unsere Kanonen nicht einsetzen. Varian befahl mir deshalb, die Sklaven mit einer Gruppe bewaffneter Matrosen auszulöschen. «Er wischte sich den Mund.»Als wir ankamen, trafen wir auf keinen Haufen, sondern auf eine blutrünstige kleine Armee. Alle Weißen waren zerhackt worden. Und die Frauen«, er schauderte in der Erinnerung,»waren sicher dankbar gewesen, als sie endlich sterben durften.»
«Varian ging ankerauf und ließ Sie im Stich, nicht wahr?»
Poland sah ihn verblüfft an.»Aye, Sir Richard. Er nahm an, wir seien genauso zerstückelt worden wie die armen Leute auf der Plantage. Mit einer Niederlage wollte er auf keinen Fall in Verbindung gebracht werden. Also segelte er davon, berichtete dem Admiral, er hätte den Kontakt zu uns verloren und uns von See aus nicht mehr helfen können. Wenn nicht örtliche weiße Miliz uns schließlich rausgehauen hätte, wären wir wirklich zerstückelt worden.»
«An Deck! Die Korvette setzt mehr Segel!»
Poland schien den Ruf nicht gehört zu haben. Im selben sachlichen Ton fuhr er fort:»Varian war noch nie in einem richtigen Gefecht. Er hat Schmuggler gejagt und Piraten aufgebracht, mehr nicht. «Dann richtete sich Poland auf, seine alte Förmlichkeit schien zurückzukehren.»Ich hätte den Vorfall damals sofort melden müssen, unterließ es aber. Varian empfahl mich für ein eigenes Kommando, ich bekam die Truculent — und schwieg.»
Bolitho drückte sich den Hut tiefer in die Stirn. Selbst wenn nur die Hälfte von dem stimmte, was er soeben gehört hatte, war Kommandant Varian mit seiner Zest eine Gefahr für jeden, der sich auf ihn verließ. Seine Zest war auch am Kap der Guten Hoffnung nicht auf ihrer Station gewesen. Hätte die Miranda sonst überlebt? War Varian ein Feigling?
«An Deck! Segel in Luv voraus!»
Poland starrte nach oben und sah dann Bolitho an.»Tut mir leid, Sir Richard, ich habe Leutnant Varian diesmal wohl zu unrecht verdächtigt.»
Fürchtete er jetzt etwa die Folgen seines späten Bekenntnisses?
Inskip meldete sich räuspernd.»In Varian irren Sie sich beide. Der ist bestimmt da, wo wir ihn erwarten, und macht den Franzosen Beine.»
«An Deck! Das Schiff in Luv ist eine französische Fregatte, Sir!»
Die Stimme aus dem Ausguck war im ganzen Schiff zu hören. Bolitho bemerkte, wie alle Gesichter sich zu ihm kehrten, nicht zum Kommandanten.
Zest erwartete sie also nicht. Sie saßen in der Falle.
Bolitho sah in Inskips gerötetes Gesicht.»Ich fürchte, wir haben uns nicht geirrt, Sir Charles. «Er drehte sich zu Poland um.»Klar Schiff zum Gefecht, bitte.»
«An Deck! Zweites Segel hinter dem ersten!»
Der Rudergänger stöhnte laut auf.
«Die Korvette hat die Trikolore gesetzt!»
Poland fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Also zwei feindliche Schiffe auf Annäherungskurs und ein drittes wie ein Jagdhund in ihrem Kielwasser. An Steuerbord drückte der Wind mit ganzer Kraft, an Backbord drohte die dänische Küste. War die Truculent jetzt gefangen? Sollte er auf Land zulaufen bis zur
Strandung — oder sollte er sich stellen, um von dieser Übermacht zerschossen zu werden? Mit erloschenem Blick befahl er seinem Ersten Offizier:»Alle Mann an Deck und dann klar zum Gefecht!»
Die Trommler der Seesoldaten rannten an ihre Plätze. Allday überquerte das Deck, das Entermesser achtlos im Gürtel. Jenour rückte seinen Degen gerade und blickte entschlossen nach achtern, als die Trommeln zu wirbeln begannen.
«Und wenn die Zest doch noch kommt?«Nur Bolitho hörte Inskips Frage, als die Männer durch die Decks rannten und überall Zwischenwände abgeschlagen wurden, damit sie niemanden behinderten.»Warum sind es gleich drei Schiffe?«klagte er.
Bolitho sah an Gaffel und Großmast ihre Kriegsflagge auswehen. Die Aufforderung zum Gefecht war angenommen.
«Die Franzosen wußten von unserem Auftrag«, sagte er zu Inskip.»Einer der erfahrensten Gesandten Seiner Majestät war unterwegs nach Dänemark mit einem Flaggoffizier. Darauf hatten die Franzosen nur gewartet. Wenn man uns hier gefangennimmt, kann Napoleon die Dänen wegen ihrer Geheimgespräche mit uns unter Druck setzen. Und damit vielleicht Schweden und Rußland bewegen, auf seine Seite überzugehen.»
Inskip schwieg bedrückt und beobachtete die Männer an den Kanonen, wie sie die Zugseile lösten und mit Handspaken die Rohre in die richtige Position drückten. Quer über das Oberdeck wurden oben Netze aufgeriggt, um die Besatzung vor fallenden Trümmern zu schützen. Auch die Boote wurden von ihren Klampen gehievt und zu Wasser gebracht. Bei Beschuß waren sie eine Quelle gefährlicher Splitter — und nach dem Gefecht eine zusätzliche Beute für den Sieger. Für die meisten Matrosen aber bedeuteten sie eine Chance zu überleben, und mancher sah ihnen düster nach.
Die Seesoldaten luden ihre Musketen und pflanzten die Bajonette auf. Sie würden auch auf die eigene Besatzung schießen, falls einer in Panik davonlief.
«Schiff ist klar zum Gefecht!«meldete Williams mit entschlossenem Blick.
«Sehr gut, Mr. Williams«, antwortete Poland distanziert.»Aber noch nicht laden und ausrennen. «Seine Augen waren so starr, als sei er bereits tot.
Inskip berührte Bolitho am Ärmel.»Wollen Sie wirklich gegen drei Schiffe kämpfen?»
Bolitho antwortete ihm nicht direkt.»Heißen Sie meine Flagge im Vortopp, Kapitän Poland. Damit man weiß, wer an Bord ist.»
Inskip ließ die Schultern sinken. Deutlicher hätte die Antwort nicht ausfallen können.
Der Himmel klarte in der nächsten Stunde auf, die Sonne durchbrach die Wolken, brachte aber keine Wärme. Schaumflocken flogen über die Netze, und wen sie trafen, der erschauerte wie unter dem Anprall von Eis.
Bolitho bat den ältesten Midshipman um sein Teleskop und ging zu den Besanwanten. Ohne Hast enterte er in die Webleinen auf und beobachtete den Feind durchs Glas.
Die erste französische Fregatte war auf ihrem konvergierenden Kurs gut zu erkennen. Jedes Segel war gesetzt und stand prall im Wind. Sie war groß, Bolitho schätzte sie auf vierzig Kanonen. Die zweite war kleiner, etwa so groß wie die Truculent. Unschwer konnte er sich auf ihr den Lärm vorstellen, das gleiche Quietschen der Lafetten, die gleiche Ungeduld der Männer, die auf den Befehl zum Ausrennen warteten.
Um sich herum spürte er Stille. Jedermann an Deck beobachtete ihn, während er den Feind abschätzte. Die Franzosen ließen sich Zeit.
Er schob das Rohr zusammen, stieg nach unten und gab es dem Midshipman zurück.»Vielen Dank, Mr. Fellowes. «Der junge Mann lächelte geschmeichelt, denn der Admiral hatte sich an seinen Namen erinnert. Bolitho überquerte das Achterdeck. Neben Poland standen Inskip und Agnew, der kummervolle Sekretär. Alle drei erwarteten sein Urteil über die Lage.
Bolitho sprach nur mit Poland.»Lassen Sie bitte mehr Segel setzen. «Er sah nach oben in die Rahen.»Der Wind hat etwas nachgelassen, wir werden die Truculent also dadurch nicht entmasten.»
Er erwartete Protest, ein Gegenargument, doch dann sah er, als Poland sich an seinen Ersten wandte, etwas wie Erleichterung im Gesicht des Kapitäns. Die Toppgasten hasteten in die Takelage, und Bolitho sah die Großrah sich im achterlichen Wind spannen wie ein riesiger Bogen; Leinwand knallte, als die Royals gesetzt wurden.
Poland kam keuchend zurück.»Befehle, Sir?»
Bolitho wußte, er würde das kommende Gefecht durchstehen, egal wie es ausging.»Die Franzosen werden nach ihrer üblichen
Taktik vorgehen«, erläuterte er.»Die erste Fregatte wird nahe heransegeln und uns mit ihrem großen Kaliber bestreichen. «Polands düsterer Blick folgte seinem ausgestreckten Arm, als könne er auf der gegnerischen Fregatte schon die Mündungsfeuer sehen.»Ich glaube, daß ihr Kommandant seiner Sache sehr sicher ist. Vielleicht zu sicher.»
«Das wäre ich an seiner Stelle auch«, warf Inskip ein, aber Bolitho überhörte ihn.
«Er wird versuchen, die Truculent manövrierunfähig zu schießen, uns mit Ketten- oder Stangenkugeln die Rahen und Masten abzurasieren. Die zweite Fregatte wird unser Heck beharken wollen, denn so fahren die Franzosen üblicherweise einen Angriff mit zwei Schiffen gegen eins. Aber heute werden wir das verhindern. «Poland zuckte zusammen, denn an einem Mast war mit einem Knall wie ein Pistolenschuß eine Leine gebrochen.»Wenn sie uns erst entern, haben wir keine Chance mehr. «Er deutete nach achteraus.»Vergessen Sie nicht, da gibt es immer noch den lauernden Aasgeier, der auch seinen Teil zum Sieg beitragen möchte.»
«Was also tun wir?«fragte Poland mit trockenen Lippen.
«Kapitulieren, wenn Sie mich fragen!«warf Inskip ein.
Bolitho sah ihn direkt an.»Ich frage Sie aber nicht, Sir Charles. Wenn Sie sonst nichts zur Lösung beitragen können, schlage ich vor, Sie verschwinden mit Ihrem Sekretär unter Deck und bereiten sich darauf vor, dem Schiffsarzt zu helfen. «Mit Genugtuung sah er den Ärger in Inskips Gesicht.»Und falls Sie jemals wieder London erreichen, sollten Sie Ihren und meinen Dienstherren schildern, was sie von den Männern da unten verlangen — jedesmal, wenn ein Schiff des Königs ins Gefecht segelt!«Er deutete mit dem Arm auf die Artilleristen, die hinter ihren Kanonen hockten. Als er sich wieder umdrehte, waren Inskip und sein Sekretär verschwunden.
«Damit wären wir unter uns«, wandte er sich an den erstaunten Poland.»Ich ließ mehr Segel setzen, Kapitän, damit die Franzosen glauben, wir wollen fliehen. Nun setzen sie jeden Fetzen Leinwand, um uns aufzubringen. Eine gute Fregatte als Prise — das wollen sie sich nicht entgehen lassen.»
Langsam verstand Poland.»Sie wollen anluven und wenden, Sir Richard?»
«Ja. Lassen Sie uns ein bißchen auf und ab gehen, es dauert noch mindestens eine halbe Stunde, bis der Feind nahe genug ist. Ich finde, Bewegung lockert nicht nur die Muskeln, sondern auch die Gedanken. «Er lächelte. Die Besatzung sollte sehen, wie gelassen ihr Kommandant das alles nahm.
«Das Manöver muß dann ungeheuer schnell geschehen. Wenn Ruder gelegt wird, müssen die Segel schon gerefft sein. Dann können wir zwischen ihnen durchlaufen und beide unter Feuer nehmen!»
Poland nickte.»Sie wissen, daß meine Männer gut gedrillt sind.»
Bolitho verschränkte die Hände auf dem Rücken. Poland verstand. Er brauchte sich nur auf dieses erste Manöver zu konzentrieren.
«Ich würde vorschlagen, der Erste Offizier steht am Fockmast. So kann er jede Kanone kontrollieren und sie notfalls selber richten. Wir werden keine Zeit haben für einen zweiten Versuch.»
Als Poland zu Williams ging und die beiden miteinander sprachen, forderte Bolitho Jenour auf:»Begleiten Sie mich. Ich fürchte, es wird ein heißer Tag, also bleiben Sie immer in Bewegung.»
Allday rieb sich die Brust, denn die alte Narbe machte sich wieder bemerkbar. Plötzlich dachte er an Bolithos Angebot. Eine kleine Kneipe in der Nähe von Falmouth, mit einer rotbäckigen Witwe, die man in den Arm nehmen konnte… Nicht schlecht. Keine Gefechte mehr, nicht mehr den Donner der Kanonen, nicht mehr das Schreien der Sterbenden, das Brechen der Spieren.
«Das erste Schiff rennt aus!»
Poland schaute nur kurz zu Bolitho hin, dann kam sein Befehl:»Stückpforten auf! Steuerbordbatterie laden und ausrennen!»
Er hatte verstanden und tat das Richtige. Hätte er beide Batterien ausfahren lassen, hätte der Gegner seine Absicht so klar erkannt, als hätte er sie ihm durch Flaggensignale mitgeteilt.
«Noch nicht feuern!»
Quietschend wie eine aufgescheuchte Schweineherde rollten die Achtzehnpfünder zu ihren Pforten und steckten die Rohre ins Freie. Die Mannschaften beobachteten einander genau, damit die Breitseite gleichzeitig abgefeuert werden konnte.
Weit entfernt krachte es dumpf, und Augenblicke später stieg eine Wassersäule fünfzig Meter an Steuerbord voraus auf: ein Probeschuß, um die Entfernung zu messen.
Poland fuhr sich übers Gesicht.»Klar zur Wende, Mr. Hull!»
Bolitho ging langsam an den gespannt wartenden Rudergasten vorbei. Die Männer wußten, daß sie schon der kleinste Fehler bei soviel gesetzter Leinwand unter einem Berg gebrochener Masten und Spieren begraben würde. Der junge Zweite am Kartentisch richtete sich auf, als Bolithos Schatten über das Logbuch fiel, in das er gerade den Zeitpunkt des ersten Schusses eingetragen hatte.
«Kann ich etwas für Sie tun, Sir Richard?»
«Ich habe nur aufs Datum gesehen. Vielen Dank. «Bolitho berührte das Medaillon unter seinem Hemd. Heute war Catherines Geburtstag. Möge die Liebe dich immer schützen, stand auf dem Medaillon eingraviert, das sie ihm geschenkt hatte. Ihm war, als höre er sie diese Worte laut aussprechen.
Polands Faust knallte in die offene Hand.»Jetzt. Ree!«Sekunden später waren die Segel dichtgeholt, und die See lag vor ihnen wie eine Bühne, vor der sich ein Vorhang gehoben hatte.
«Ruder nach Lee. Hart nach Lee, verdammt noch mal!»
Rufe schallten übers Deck, als die Männer sich in die Brassen warfen, um die Rahen rundzuholen, bis das Deck sich nach dem abrupten Kurswechsel auf die andere Seite neigte. Mannschaften verließen ihre Kanonen und rannten nach Backbord, um den Kameraden dort zu helfen. Als die Pfortendeckel aufschlugen, rannten sie die Kanonen aus, was auf dem schräg nach unten geneigten Deck leichter ging. Gischt sprühte durch die Luken, und mancher glotzte verwundert, als vor seinen Augen eine Fregatte auftauchte, die eben noch auf der anderen Seite gewesen war.
«Ziel erfassen!«Leutnant Williams hob seinen Degen, während er von der Bugkarronade aus seine Geschütze musterte.»Eine Guinee für den ersten Treffer!»
Midshipman Brown neben ihm schrie:»Ich verdopple den Preis!«Sie grinsten einander an.
«Feuer!»
Die Batterie krachte wie eine einzige Kanone. Die ohrenbetäubenden Stimmen der langen Achtzehnpfünder übertönten die Antwort des Feindes. Der französische Kommandant wurde durch das Manöver der Truculent völlig überrascht, nur die Hälfte seiner Kanoniere hatte überhaupt ein Ziel erfaßt. Seine Segel waren nur ein Berg wild killender Leinwand. Die Toppgasten versuchten, sie zu zähmen, um der Truculent auf ihrem neuen Kurs zu folgen.
Am Kompaßhäuschen fühlte Bolitho das Deck zittern, als einige
Kugeln des Franzosen in den hölzernen Rumpf schlugen. Das Wasser spritzte hoch auf, als die Kettenkugeln wirkungslos herabfielen, die dem Rigg der Truculent gegolten hatten.
«Ziel erfassen an Steuerbord, Mr. Williams!«rief Poland nach vorn. Die Männer eilten an ihre Geschütze zurück, wie sie es oft genug exerziert hatten. Die Entfernung zur zweiten Fregatte war viel größer. Auch sie lag mit flatternden Segeln im Wind, ihr Kommandant versuchte das gleiche Manöver.
Williams musterte die Steuerbordbatterie, dann schnitt sein Degen durch die Luft.
«Feuer!»
Bolitho hielt den Atem an, als das Mündungsfeuer der Breitseite aus den Kanonen leckte. Eine gut geplante Salve, doch der Gegner lag noch im Wind und zeigte sich von vorn: ein schmales Ziel auf zwei Kabellängen Entfernung.
Wie ein großer Baum neigte sich der Fockmast der zweiten Fregatte langsam unter dem Druck des Windes nach vorn. Er neigte sich weiter, zog brechende Wanten und Stagen hinter sich her, und dann rauschte auch der Großmast nach unten und begrub das ganze Deck unter Leinwand und Trümmern. Wahrscheinlich hatte die letzte Breitseite der Truculent das besorgt. Doch auch ein einziger Glückstreffer aus einem Achtzehnpfünder reichte aus dafür.
Bolitho sah Poland ins rauchverschmierte Gesicht.»Jetzt stehen unsere Chancen schon besser, Kapitän.»
Die Matrosen an den Neunpfündern auf dem Achterdeck jubelten heiser. Allday sah durch den Pulverrauch, daß die erste Fregatte langsam wieder Fahrt aufnahm. Sie lag jetzt an Backbord, ihr Großsegel war aufgetucht, die anderen Segel hatten Kanonenschüsse durchlöchert. Bolitho hatte den Franzosen den Windvorteil genommen. So war das damals auch bei den Saintes gewesen auf ihrem ersten Schiff, der Phalarope. Bolitho war immer noch der wagemutige Schiffsführer von damals, trotz seines hohen Ranges.
Aber die Männer jubelten zu früh. Allday sah nach drüben und packte sein Entermesser fester. Hier kommt die Antwort, dachte er.
Williams hob seinen Degen und blickte nach achtern.»Feuerklar an Backbord, Sir!»
«Feuer!»
Das Schiff wankte und legte sich unter dem Rückstoß der
Kanonen auf die Seite. Der Wind trug ihren Pulverrauch zum Feind hinüber. Dann hörte es sich an, als rutsche die Truculent über ein Riff oder grabe sich in eine Sandbank. Aber es war die Breitseite des Gegners, die ihren Rumpf traf und durchs Rigg jaulte. Blöcke und gebrochenes Tauwerk fielen auf die Netze. Ein Seesoldat in rotem Rock stürzte vom Großmast und blieb mit ausgebreiteten Armen und Beinen im Netz über einer Stückmannschaft hängen.
Bolitho hustete wegen des Rauchs. Was Inskip unten in der Dunkelheit des Orlopdecks wohl machte? Die ersten Verwundeten wurden schon nach unten getragen, aber wie durch ein Wunder war nichts Wichtiges am Schiff getroffen worden. Nur Jenour schien aus der Fassung gebracht, er wischte sich immer wieder das Gesicht.
«Kapitän Poland, bitte ändern Sie Kurs und laufen Sie genau West«, befahl Bolitho. Aber als er durch den dünner werdenden Rauch nach ihm sah, lag Poland auf den Planken, ein Bein seltsam verbogen unter sich. Mit beiden Händen griff er sich an die Kehle, als wolle er das Blut stillen, das wie rote Farbe über seine Uniform strömte. Bolitho kniete sich neben ihn.»Bringen Sie ihn nach unten!«Aber Poland schüttelte so heftig den Kopf, daß Bolitho die offene Halswunde sah, die ihm ein Splitter gerissen hatte. Er starb, erstickte beim Sprechen an seinem eigenen Blut.»Gott verdamme Varian, den feigen Hund!«waren seine letzten Worte.
Leutnant Munro stand bleich neben Bolitho.»Ihr Kapitän ist gefallen«, sagte dieser.»Melden Sie das dem Ersten!»
Selbst noch im Tod blickten Polands Augen zornig und ablehnend. Er war mit einem schrecklichen Fluch auf den Lippen gestorben.
Bolitho sah zu Williams nach vorn — er stand da ohne Hut, mit dem Degen noch in der Faust. Ein Matrose bedeckte die Leiche Polands mit einem Stück Segeltuch.
Bolitho erhob sich und trat an die Querreling. Das Schiff erzitterte unter ihm, als eine weitere Breitseite abgefeuert wurde.»Varian ist wirklich ein feiger Hund«, murmelte er.
«Die Korvette, Sir!«meldete Jenour.»Sie greift uns an.»
«Danke, ich seh's. Melden Sie's der Steuerbordbatterie und auch den Seesoldaten. Niemand wird dieses Schiff entern. Mein Befehl gilt: niemand!»
Jenour gab den Befehl weiter an einen Gehilfen des Bootsmannes. Er hatte einen Bolitho gesehen, den er bisher nicht kannte: einen Mann ohne Furcht, ohne Haß, aber auch ohne Hoffnung. Jetzt suchte Bolithos Blick in den Rauchschwaden seinen Bootssteurer Allday. Jenour sah, wie die beiden einander zulächelten, als die Kanonen feuerten. Wie zwei uralte Freunde, die wußten, was kam, ohne sich davor zu furchten.
Bolitho hatte Jenours Erstaunen bemerkt, vergaß es aber sofort. Die Kanonen fingen sich beim Rückstoß in ihren Brocktauen. Wie Besessene stürzten sich die Kanoniere über sie, wischten die rauchenden Rohre aus, rammten Pulverladungen hinein und schließlich die bösartig glänzenden Kugeln. Pulverrauch hatte ihre nackten Rücken geschwärzt, und trotz des scharfen Windes schnitt Schweiß dünne Rinnsale in den Schmutz.
Blut färbte das Deck, das von den französischen Kanonenkugeln tiefe Risse davongetragen hatte. Einer der riesigen Achtzehnpfünder war umgestürzt und hatte einen Mann unter sich begraben. Seine Haut rauchte noch unter dem glühend heißen Lauf. Andere Tote waren zur Seite gezerrt worden, um Platz für die Pulverjungen zu machen, die von Kanone zu Kanone hetzen und ihre Kartuschen fallen ließen, ohne nach links und rechts zu sehen. Zwei Körper, die fliegende Metallsplitter so zugerichtet hatten, daß nichts an ihnen mehr an einen Menschen erinnerte, wurden über die Netze gehoben und ins Wasser geworfen. Ihre Bestattung war ebenso brutal wie der Tod im Gefecht. Im Teleskop beobachtete Bolitho die andere Fregatte. Sie war bestimmt so oft getroffen worden wie die Truculent, aber sie schoß immer noch. Bolitho spürte die Einschläge unter sich im Rumpf. Dazwischen hörte er das Arbeiten der Pumpen. Wenn Poland noch lebte, hätte er jetzt sicher einem seiner Offiziere befohlen, für noch schnelleres Lenzen zu sorgen.
Auf dem Achterdeck seines Gegners entdeckte Bolitho im Glas den französischen Kommandanten, der ihn selber mit dem Teleskop beobachtete. Er bewegte das Glas und sah drüben am Ruder Tote und Sterbende. Williams Breitseiten hatten also fürchterliche Ernte gehalten. Doch die Truculent mußte weiterfeuern, die Fregatte manövrier- oder kampfunfähig machen, damit sie nicht selber zusammengeschossen wurde.
Er senkte das Glas und rief Williams zu:»Zielen Sie hinter ihren Großmast! Feuern in der Aufwärtsbewegung!»
Einschläge übertönten seine Worte, aber ein Unteroffizier hatte sie verstanden und rannte mit dem Befehl nach vorn. Mit gefletschten Zähnen grüßte Williams bestätigend. Rechnete er damit, das Kommando zu übernehmen? Hatte er Furcht vor dem Tod? Bolitho wußte wenig von diesem Mann da vorn im feindlichen Feuer.
Stücke des Schanzkleids surrten durch die Luft und wirbelten angesengte, aufgeschlitzte Hängematten wie kopflose Körper übers Deck. Metall schlug gegen eine Kanone, Männer daran brachen zusammen und wanden sich zuckend in ihrem eigenen Blut. Der junge Midshipman neben Williams wurde mit weggerissenem Gesicht beiseitegeschleudert.
Bolitho dachte an die Grabsteine auf dem Friedhof von Falmouth. Für den jungen Midshipman würde man sicher auch einen errichten, wenn die Nachricht von seinem Tod in England eintraf: gefallen für König und Vaterland. Wie würden es seine Angehörigen aufnehmen?
«In der Aufwärtsbewegung!«Die Kanonen brüllten, Bolitho wurde fast von den Füßen geschleudert. Spieren regneten aus dem Kreuzmast des Franzosen, ein weiteres Marssegel flog in Fetzen davon. Aber seine Flagge wehte noch, der Kampf ging weiter.
«Sie kommt näher, Sir Richard!«schrie Leutnant Munro. Bolitho nickte und zuckte zusammen, als eine Kugel einen Seesoldaten in zwei Teile riß. Er hatte den Niedergang bewacht, der unter Deck führte. Midshipman Fellowes stopfte sich die Faust in den Mund, um nicht zu erbrechen oder nicht zu schreien — beides wäre verständlich gewesen.
Munro senkte sein Glas.»Die andere Fregatte treibt, aber sie kappen die Trümmer.»
«Ja. Wir müssen die hier erledigen, ehe sie wieder in den Kampf eingreifen kann.»
Es krachte laut hinter ihnen. Splitter heulten durch die Luft und schlugen ins Holz. Etwas traf Bolithos linke Epaulette und riß sie fort. Sie fiel an Deck wie ein verächtlich weggeworfenes Taschentuch. Nur einen Fuß tiefer, und der Eisensplitter hätte sein Herz durchschlagen. Er streckte stützend die Arme aus, als Munro gegen die Reling sank, eine Hand unter der Jacke. Helles Blut strömte darunter auf seine weiße Weste und seine weißen Breeches. Allday fing Munro auf und legte ihn sanft auf das Deck.
«Laß den Arzt kommen!«befahl Bolitho.
Der Leutnant starrte mit weitgeöffneten Augen in den leeren blauen Himmel, als begreife er nicht, was geschah.
«Nein, Sir, bitte nicht. «Er keuchte, als der Schmerz kam, Blut lief ihm aus einem Mundwinkel.»Ich will in Ruhe sterben.»
Allday stand auf und sagte heiser:»Keine Chance, Sir Richard. Glatt durchschossen!»
Jemand rief um Hilfe, ein anderer schrie auf vor Schmerz, als wieder Kugeln in den Rumpf schlugen. Bolitho fühlte sich wie gelähmt. Das alles war wie damals auf der Hyperion. Wie damals hielt er die Hand eines Sterbenden, der erstickt stammelte:»Warum ich?»
«Ich bin ja da, Mr. Munro«, sagte Bolitho.»Gleich geht es Ihnen besser.»
Munros Augen wurden groß, dann wich alles Verstehen aus ihnen.
Hull, der Master, der mit Wind und Ruder sein eigenes Gefecht geführt hatte, rief:»Korvette nimmt Fregatte in Schlepp, Sir!»
Bolitho erhob sich.»Warum denn das?«Er stellte die Schärfe seines Glases nach.
Hinter Rauchfahnen entdeckte er die beiden Schiffe. Ein Beiboot brachte die Schlepptrosse zur Fregatte. An einer Rah der Korvette wehten Signalflaggen aus, und als er sich umdrehte, sah er Signalflaggen auch über den Mündungsblitzen der kämpfenden Fregatte. Dieser Kommandant gab den Kampf bestimmt nicht auf, warum also schleppte die Korvette das große Schiff aus dem Feuerbereich? Das war doch unsinnig.
Die Rahen des Franzosen bewegten sich plötzlich, und wie durch Zauberei blähten sich alle seine Segel.
«Die Fregatte wendet, Sir Richard!»
Bolitho brüllte durch die hohlen Hände nach vorn:»Mr. Williams, feuern Sie auf ihr Heck, wenn sie wendet!»
Allday schien genauso verblüfft.»Warum bricht sie den Kampf ab? Wenn die drei uns…»
Plötzlich war es fast still. Man hörte nur die Kommandos der Stückführer und das Saugen der Pumpen. Von irgendwo oben kam die Stimme eines Seesoldaten:»An Deck! Segel in Luv!»
Der Franzose nahm Fahrt auf, während er drehte. Bleiches Sonnenlicht lag auf seinem zerschossenen Heck. Der Name L'Intrepide war zum erstenmal zu erkennen.
«Nach oben, Mr. Lance, so schnell Sie können! Ich möchte wissen, wer sich da nähert«, befahl Bolitho.
Der Leutnant enterte in wilder Hast auf. Nur einmal verhielt er, als Williams Kanonen wieder schossen und Qualm nach oben stieg.
«Die setzen noch mehr Segel«, rief Allday.
Männer traten verwirrt an die Reling. Was sollte das bedeuten? Verwundete krochen übers Deck, um zu erspähen, was drüben geschah. Sie blieben ohne Antwort.
«Achtung — sie will uns mit den Heckkanonen bestreichen!«rief Bolitho warnend. Er hatte gesehen, wie sich im Heck der Fregatte zwei Klappen öffneten und zwei Mündungen sich hervorschoben. Sie zielten auf die Truculent, obwohl sich die Entfernung zwischen den beiden Schiffen schnell vergrößerte.
«Klar zum Feuern!«brüllte Williams wieder.
Als ob ihn der Kampf da unten überhaupt nichts anginge, meldete sich Leutnant Lance von oben:»Es ist eine englische Fregatte. Setzt gerade ihre Kennung.»
«Bestimmt die Zest«, knurrte Allday.»Aber verdammt zu spät!»
Lancer, der sein Signalbuch mit nach oben genommen hatte, rief verblüfft herunter:»Es ist die Anemone, Sir Richard. Unter Kapitän
Bolitho!»
In diesem Augenblick feuerte L'Intrepide beide Heckkanonen ab. Eine Kugel schlug ins Achterdeck, streckte zwei Rudergänger nieder, deren Blut Hull bespritzte, und zertrümmerte die Reling. Die letzte Kugel traf den Kreuztopp und ließ gebrochenes Holz und Blöcke herabregnen. Lance blieb oben.
Bolitho fühlte sich fallen, aber keinen Schmerz. Er versuchte zu verstehen, was Lance da gerufen hatte, doch das Denken fiel ihm zu schwer.
Kräftige Hände hielten ihn besorgt und zartfühlend.»Langsam, Sir«, hörte er Alldays Stimme.»Ein Block hat Sie getroffen.»
Dann eine fremde Stimme, ein unbekanntes Gesicht. Der Schiffsarzt tastete seinen Kopf ab.»Ist nicht schlimm, Sir Richard. Aber wenn er Sie voll erwischt hätte, hätte er selbst Ihren harten Schädel zertrümmert.»
Er hörte Männer jubeln. Da ließ er sich von Jenour und Allday vorsichtig hochheben und stützen. Jetzt kam auch der Schmerz. Bolitho stand zwischen den Trümmern, die der letzte Schuß des Franzosen auf der Truculent hinterlassen hatte, und mußte sich übergeben.
Williams schrie:»Eine englische Fregatte, Männer! Wir haben gewonnen.»
«Es ist nur eine Gehirnerschütterung, Sir Richard«, sagte Allday beruhigend.
Bolitho deckte sein linkes Auge ab und wartete darauf, daß der Rauch des Gefechts sich verzog.
Adam war gekommen und hatte sie gerettet.
Er drehte sich zu Allday um.»Es hat geblitzt!»
«Wieso geblitzt? Ich verstehe nicht. «Allday war verwirrt.
«In meinem Auge«, sagte Bolitho.»In meinem Auge ist etwas passiert. Ich kann nicht mehr klar sehen.»
«Halten Sie ihn fest«, sagte Allday zu Jenour.»Ich besorge uns einen Schluck, den brauchen wir jetzt alle. Captain Adam ist gleich da, Sir Richard.»
Er sah über die zerrissenen, blutigen Planken, über die Toten und Verwundeten hinaus auf die kalte Nordsee. Irgendwo schrie ein Mann vor Schmerzen.
Das war die Wirklichkeit. Wenn der Sieg schon vergessen war, blieb immer noch der Schmerz.