VIII Im Mondlicht

Bryan Ferguson wischte sich Schweiß von der Stirn und lehnte sich gegen den Zaunübertritt, bis er wieder ruhiger atmete. Der Seewind konnte nichts ausrichten gegen die starke Sonne, die auf Pendennis Castle niederbrannte und sich so grell auf dem Wasser spiegelte, daß man nicht lange aufs Meer schauen konnte.

Hier konnte er gar nicht oft genug stehen und den Ausblick genießen. Er lächelte. Seit zwanzig Jahren schon war er Bolithos Gutsverwalter — wirklich so lange? Das Haus lag hinter ihm am Hang eines Hügels, über den sich Äcker hinzogen, deren Ränder von Feldblumen überquollen. Das hohe Gras daneben wogte wie Wellen im Wind. Er kniff die Augen zusammen. Ein Pfad führte an der Klippe nach unten zum Strand, und auf halber Höhe stand dort die Frau an einer Biegung, an einem scharfen Knick, der gefährlich war des nachts oder wenn man ausrutschte. Dann wäre man unten nur noch tot angekommen.

Die Lady hatte ihn gebeten, oben beim Zaun zu bleiben. Wollte sie, daß er Atem schöpfte, oder wollte sie allein sein? Bewundernd schaute er auf sie hinunter. Ihr Haar, nur locker zusammengebunden, wehte im Wind, der ihr das Kleid an den Körper preßte. Sie sah aus wie eine Fee aus alten kornischen Sagen.

Bolithos Bedienstete hatten Catherine nur zögernd angenommen, doch mit niemandem im Ort über ihren Status getratscht. Inzwischen war jeder bereit, sie so zu schützen, wie es Bolitho angeordnet hatte. Allerdings hatten Ferguson und seine Frau, die den Haushalt führte, erwartet, daß Bolithos Lady sich fernhielt von der Bewirtschaftung des Gutes. Doch kaum war sie nach Bolithos Abschied aus Portsmouth zurückgekehrt, hatte sie großes Interesse an allem geäußert, dabei jedoch immer gefragt, nie Befehle gegeben. Lady Belinda hatte es früher genau umgekehrt gemacht.

Catherine war mit Ferguson sogar zu den umliegenden Katen geritten, die zum Gut gehörten. Dabei hatte er ihr verraten, daß der Besitz ursprünglich viel größer gewesen war, damals in den Tagen von Bolithos Vater. Aber um die Schulden von Richards Bruder Hugh zu decken, der aus der Royal Navy desertiert war und mit den Amerikanern gegen die Krone kämpfte, hatte sehr viel Land verkauft werden müssen.

Der Wind spielte mit Fergusons leerem Ärmel. Den Arm hatte er in der Schlacht bei den Saintes verloren, auf der Fregatte Phalarope, unter Bolithos Kommando. Wie Allday war er seinerzeit in die Marine gepreßt worden, aber jetzt, zwanzig Jahre später, immer noch bei Bolitho.

Oft war Catherine wie heute mit Ferguson zu Fuß unterwegs. Beim Gang über die Felder hatte sie von ihm alles wissen wollen: Was wurde angebaut, was kostete Samen, auf welchen Märkten wurden Getreide und Gemüse des Gutes verkauft? Nein, so eine Lady wie sie hatte Ferguson noch nie kennengelernt.

Schon in den ersten Tagen begriff er, was für eine charakterstarke Frau sie war. Er hatte sie durch das alte Herrenhaus geführt, vorbei an den nachgedunkelten Porträts von Bolithos Vorfahren. Kapitän Julius, der erste Bolitho, war in Falmouth gefallen, als er die Blockade der Cromwellschen Truppen bei Pendennis Castle sprengen wollte. Aufmerksam studierte sie ihn und alle anderen. In einem kleinen Schlafraum hing das verhüllte Porträt Cheneys, die Bolithos erste Frau gewesen war. Catherine hatte Ferguson gebeten, es ans Fenster zu stellen, damit sie es besser sehen konnte. Das Bild berührte sie tief, Ferguson hörte sie in der stillen Kammer laut atmen.»Warum hängt das Bild hier unter einem Tuch?«Er suchte eine Erklärung, doch sie unterbrach ihn:»Lady Belinda hat darauf bestanden, stimmt's?«Und nach kurzem Zögern beschloß sie:»Wir werden das Bild reinigen lassen — und alle anderen auch. «Ihre Augen blitzten dabei, und er fühlte sich wie ein mit ihr Verschwörener.

Ja, Lady Catherine konnte gewiß jedem Mann den Kopf verdrehen, wenn sie nur wollte. Aber sie verstand es ebensogut, mit Pistolen, Pulver und Schrot umzugehen, wie Allday ihm verraten hatte.

Lady Cheney hatte Bolitho damals mit dem Porträt überraschen wollen, wenn er aus dem Krieg zurückkehrte. Doch als er schließlich heimkam, fand er nur noch das Porträt vor. Lady Cheney und ihr ungeborenes Kind waren bei einem Unfall mit der Kutsche ums Leben gekommen.

Als Ferguson ihr davon berichtete, ergriff Catherine seinen Arm.»Sie haben sie heimgetragen, ich weiß. «Sie sah auf seinen leeren Ärmel nieder.»Sie haben alles getan, was ein Mensch nur tun kann.»

Jetzt hing Lady Cheneys Bild wieder dort, wo es ursprünglich gehangen hatte, gegenüber dem Fenster, das auf die See blickte, die so grau war wie die Augen der ersten Mrs. Bolitho.

Lady Catherine kam den Pfad herauf, Ferguson reichte ihr die Hand und half ihr beim Zaunübertritt. Ihr Haar hatte sich gelöst, am

Rocksaum sah er Staub und nassen Sand. Sie war größer als Ferguson, nicht viel kleiner als Bolitho. Er spürte ihren festen Händedruck, als sie fragte:»Warum liegt das Land da drüben brach?»

«Zu viele Steine vom Hügel, da kommt kein Pflug durch. Und dann ist da noch das Dickicht. «Sie nickte.»Wir haben einfach nicht genügend Leute, Mylady. Die Preßkommandos, wissen Sie? Entweder sind unsere Männer auf See oder bei den Soldaten. Nur Alte und Krüppel gibt's hier noch.»

Er war überrascht über die Wärme in ihren Augen.»Sie sind aber kein Krüppel, Ferguson. Zusammen werden wir beide etwas aus diesem Land machen. «Ihre Stimme klang plötzlich hart.»Ich werde nicht tatenlos zusehen, wie alle gut in diesem Land leben — nur Bolitho nicht. Sein Schwager, der Squire, scheint keine Probleme zu haben. Der hat immer genügend Männer auf den Feldern!»

«Französische Gefangene, Mylady. Vergessen Sie nicht, er ist Friedensrichter. «Ferguson war froh, als Catherine das Thema fallenließ. Denn gut von diesem Land lebte vor allem Lady Belinda in ihrem herrschaftlichen Haus in London.

«Der Squire nutzt seine Stellung aus. Ich mag vor allem seine Frau, sie ist Sir Richards Lieblingsschwester, nicht wahr?»

Ferguson mußte sich Mühe geben, mit ihr Schritt zu halten.»Aye. Aber Miss Nancy, so hieß sie früher, hatte sich ursprünglich in Sir Richards besten Freund verliebt.»

Sie hielt inne und sah ihn an.»Sie wissen aber auch alles. Ich beneide Sie darum. Ich beneide Sie um jede Stunde, die Sie ihn länger kennen als ich. «Sie ging weiter und pflückte dabei eine Blume aus der Hecke.»Sie mögen ihn sehr, nicht wahr?»

Ferguson grüßte einige Feldarbeiter.»Ich würde für keinen anderen arbeiten.»

Überrascht stellte sie fest, daß die meisten Leute auf dem Feld Frauen waren. Nur der einbeinige Vanzell war da und warf sein ganzes Gewicht in die Zugleine eines Karrens. Ferguson sah einen Schatten über Lady Catherines Gesicht huschen. Sie kannte offenbar wirklich das Elend der Menschen. Schließlich hatte Bolitho sie aus Wailes geholt, dem Londoner Schuldgefängnis.

Ihr Mann hatte damals falsch ausgesagt, um sie in eine Strafkolonie abschieben zu lassen. Aber nach allem, was Ferguson von Allday gehört hatte, wäre sie eher gestorben, als sich nach New

South Wales schicken zu lassen. Bolitho hatte sie vor diesem Schicksal bewahrt, und Vanzell, damals in Wailes Gefängniswärter, hatte ihm dabei geholfen. Vanzell, der früher unter ihm gedient und dabei ein Bein verloren hatte. Nun lebte er auf dem Gut. Die meisten, die hier arbeiteten, waren auf seinen Schiffen gefahren oder aber die Witwen und Waisen Gefallener.

«Wir haben viel vor uns«, sagte sie,»aber wir werden das Land wieder fruchtbar machen, Sie und ich. Schottland — braucht Schottland nicht Getreide?»

Ferguson grinste.»O ja. Aber Schiffe sind teuer.»

Sie sah ihn nachdenklich an.»Das waren sie schon immer. «Dann verstummte sie, weil sie das Gatter zum Hof erreicht hatten.

Trotz des in Cornwall verbrachten Winters war ihre Haut immer noch sonnengebräunt. Doch Ferguson blieb später dabei, daß sie in diesem Augenblick bleich geworden war wie eine frisch gekalkte

Wand.

«Mylady! Was ist?»

Sie griff sich an die Brust.»Der Postbote!»

Ein junger Mann mit Dreispitz stand schwatzend bei Matthew, dem Kutscher. Ferguson winkte ihn heran.

Der Junge kam, hob grüßend zwei Finger zum Hut, zeigte beim Lächeln eine große Zahnlücke und sagte:»Ein Brief für Sie, Madam!»

«Danke. «Sie wandte sich ab und starrte auf den Umschlag nieder.»Er trägt keine Marke…»

«Den hat ein Amtsschreiber verfaßt, nehme ich an.»

Ferguson sah ihre verstörten Augen und teilte plötzlich ihre Angst.»Es ist etwas passiert. Etwas Schlimmes«, hörte er sie flüstern.

Der Postbote, der nichts begriff, versuchte zu erklären:»Der Brief kam mit der Postkutsche, verstehen Sie? Jemand muß dafür unterschreiben. Daß er den Brief bekommen hat, verstehen Sie?«Er sah in ihre ängstlichen Gesichter.»Aus London ist er. Aus London kommt der Brief.»

«Kommen Sie, Mylady. «Behutsam nahm Ferguson ihren Arm.»Wir gehen ins Haus.»

Aber da hatte sie den Umschlag schon aufgerissen. Ein zweiter Brief befand sich darin, versiegelt.

Ferguson hörte, daß seine Frau die Treppe herunterlief, und wagte kaum zu atmen. So kamen die Hiobsbotschaften wohl immer an. Es war stets die gleiche Geschichte. Nicht ein einziger Bolitho lag in Falmouth beerdigt, alle waren auf See gefallen. Selbst Kapitän Julius hatte man nicht mehr gefunden, nachdem sein Schiff vor Falmouth in die Luft geflogen war, damals im Jahr 1646.

Catherine sah Ferguson an und dann seine Frau. Dabei flüsterte sie:»Er ist in London!«Sie hielt den Brief so vorsichtig wie etwas Zerbrechliches.»Kapstadt hat sich ergeben. Der Feldzug ist zu Ende.»

Die Köchin Grace Ferguson legte einen warmen Arm um ihre Herrin und sagte leise:»Gott sei Dank. Und so soll es immer für Sie sein!»

Ferguson wollte wissen, wann der Brief geschrieben worden war. Catherine straffte sich.»Hier steht kein Datum. «Aber Bolithos Handschrift verriet, daß er es eilig gehabt hatte.

Ferguson gab dem Postboten ein Trinkgeld. Der offizielle äußere Umschlag hatte offenbar den wahren Inhalt verbergen sollen. Man hätte sich nur wieder das Maul zerrissen über die beiden, wenn man Bolithos Handschrift erkannte.

Aber der Botenjunge hatte ihnen noch etwas mitzuteilen.»Der Postkutscher hat gesagt, der Brief wär' längst hier, wenn ihm nicht unterwegs ein Rad gebrochen wär'. Das hat den Brief aufgehalten.»

Catherines Gesicht drückte jetzt unverhohlene Freude aus. Ferguson bestärkte sie darin:»Sir Richard ist vielleicht morgen schon hier, Mylady. Er wird zunächst in der Admiralität Bericht erstattet haben, und das dauert ja. «Er erinnerte sich, wie verärgert Bolitho immer war über die vielen Berichte, die es nach jedem Einsatz zu verfassen galt.

Hufschlag erklang auf der Straße zur Stadt, die am Friedhof vorbeiführte und an der Kirche, wo die Gedenktafeln für die gefallenen Bolithos hingen. Matthew lauschte gespannt.»Kein Pferd von uns.»

Aber da lief Catherine schon auf die Straße, die Arme weit ausgestreckt. Sollten die Leute doch reden und glotzen, was machte das schon! Aber wie war er so schnell nach Falmouth gekommen?

Als Bolitho aus dem Sattel glitt und sie in die Arme nahm, hörte er sie flüstern:»Eigentlich wollte ich mich dafür besonders schön machen. Wie sehe ich bloß aus?»

Er hob ihr Kinn und sah sie lange an.»Wunderschön. «Nein, das alles war kein Traum.»Unterwegs brach ein Rad, aber ich konnte nicht warten und nahm mir ein Pferd. Wenn du nicht mehr hier gewesen wärst.»

Sie legte ihm einen Finger auf die Lippen.»Aber ich bin hier, Liebster.»

Er schob ihren Finger beiseite und fand ihre Lippen mit seinem Mund.

«Habe ich dich zu lange warten lassen?»

Bolitho wandte sich vom Fenster ihr zu. Sie kam die Treppe herauf, das Haar immer noch offen, doch über die Schultern zurückgekämmt. Dazu trug sie ein einfaches grünes Kleid.

Er hielt sie auf Armeslänge von sich ab.»Selbst in einer Seemannsbluse wärst du noch wunderschön.»

«Wie du mich anschaust! Ich werde gleich rot wie ein Schulmädchen. «Ihre Blicke wanderten über sein Gesicht.»Und du? Was macht dein Auge?»

Er küßte sie auf die Wange, spürte die Wärme ihres Körpers. All seine Ängste verflogen. Catherine war hier. Sie hatten sich nie getrennt. Sie im Arm zu halten, mit ihr zu sprechen — für nichts anderes gab es jetzt Platz in seinen Gedanken.

«Es geht besser. Ich hatte keine Probleme in der Sonne da unten.»

Sie verbarg ihre Erleichterung. Noch wollte sie ihm nicht zeigen, wie sehr sie sich um ihn gesorgt hatte.

«Und du?«fragte er.»War es schlimm so allein?»

Sie lachte, schüttelte ihr Haar.»Ich glaube, man mag mich hier. «Damit schob sie den Arm unter seinen und führte ihn ins nächste Zimmer.»Es gibt aber auch unangenehme Nachrichten. Deine Schwester Nancy sagte mir vor acht Tagen, daß deine andere Schwester aus Indien zurückgekehrt ist.»

«Felicity? Ach!«Er versuchte, sich an diese Schwester zu erinnern, die zwei Jahre älter war als er. Als er zum Leutnant befördert worden war, hatte er sie zum letzten Mal gesehen. Damals war sie mit einem Offizier des 81. Infanterieregiments verheiratet gewesen, das zum Dienst in der Ostindischen Handelsgesellschaft abgestellt wurde. Seltsamerweise erinnerte er sich an seinen Schwager besser als an seine Schwester. Er war ein leiser, angenehmer Mann gewesen, der Felicity kennengelernt hatte, als seine Kompanie in Cornwall stationiert gewesen war.

«Ihr Mann ist tot, Richard. Sie will jetzt in Cornwall leben.»

Bolitho ahnte, daß noch mehr auf ihn zukommen würde.»Sie hat zwei Söhne, nicht wahr? Einer dient im Regiment des Vaters, der andere in der Flotte der Handelsgesellschaft, wenn ich mich recht erinnere. Wie starb der Vater?»

«Ein Pferd warf ihn ab.»

«Hast du sie schon kennengelernt?»

Catherine hob das Kinn.»Sie wollte Nancy nicht begleiten. Meinetwegen!»

Er nahm sie in die Arme, streichelte ihr Gesicht.»Wenn ich doch hiergewesen wäre…»

«Mach dir nichts draus, Richard. Jedenfalls noch nicht. Nicht heute. «Er fühlte, wie sie zitterte, und zog sie wortlos enger an sich.

«Und wie war es bei dir?»

Er versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Da gab es all die vielen Gesichter von Kapstadt: Tyacke, Segrave, Poland, Varian, Warren. Doch in den Fluren der Admiralität waren sie wie weggewischt gewesen.

«Wir haben gute Männer verloren«, sagte er.»Aber es hätte noch schlimmer kommen können. Ich habe Admiral Godschale in London schon berichtet. Das heißt, jetzt ist er ja Lord Godschale.»

Catherine nickte.»Ich weiß. Für manche lohnt es sich, zu Hause zu bleiben, während andere draußen ihr Leben einsetzen.»

«Das hat mir auch Nelson mal geschrieben. «Er ergriff ihre Hand.»Ich merke schon, du willst mich wieder verteidigen — meine Tigerin.»

Sie lächelte trotz ihrer Verbitterung.»Und ob!»

Bolitho sah die vielen Blumen draußen, hörte die Blätter an den Bäumen rascheln. Wie ungewohnt ihm das alles war!» Ich wollte schnell weg aus London, wollte hierher zu dir. Allday kommt nach mit unserem Gepäck.»

«Es ist ungewohnt, dich ohne ihn zu sehen.»

«Er versteht's schon. In Madeira haben wir gebunkert, und ich habe dort Spitzen für dich gekauft. Allday bringt sie mit. Hoffentlich gefallen sie dir. Ich bin vielleicht ein guter Seemann, aber bestimmt kein guter Einkäufer.»

Damit erhob er sich und holte einen silbernen Fächer aus seiner Uniformjacke.»Der stammt aus Portugal. «Er sah ihre Freude, beobachtete, wie sie den Fächer öffnete, ihn gegen die Sonne hielt.

«Wie schön er ist!«Sie sah Bolitho an, ihre dunklen Augen hielten ihn fest.»Ich habe solche Sehnsucht nach dir. Ich habe so sehr auf dich gewartet. «Sie lehnte den Kopf an seine Schulter.»Vielleicht sagt eine anständige Frau so etwas nicht, aber ich kann's nicht länger ohne dich aushallen. «Damit löste sie sich von ihm und verschwand im Schlafzimmer.

Als er eintrat, stand sie im Gegenlicht am Fenster, das aufs Kap hinausging. Sie hielt den Vorhang hoch und trug nichts als ein weißes Hemd, am Hals gehalten von einer goldenen Kette. Das Haar fiel ihr offen über die Schultern. Sie bewegte sich nicht, als er näherkam und sie in die Arme nahm. Beide blickten aus dem Fenster, und Catherine spürte seine streichelnden Hände. Sie flüsterte:»Hör nicht auf, bitte. Nie wieder!«Sie dehnte sich, als seine Hände ihre Brüste fanden und die Goldkette lösten, vorauf das weiße Hemd zu Boden glitt. Dann lag er neben ihr, und seine Hände glitten über ihre nackte Haut, während sie ihn küßte. Ihre Finger entdeckten das kurze Haar in seinem Nacken, wo vor der Abreise noch sein Zopf gewesen war. Sie wollte ihn so vieles fragen: Warum war der Zopf gefallen? Wie lange konnte er in der Heimat bleiben? Aber ihr Körper wollte nicht warten. Es war kurz, und einmal schrie sie laut auf. Denn auch Bolitho kannte keine Geduld mehr.

Viel später öffnete er die Augen und fand sich in ihren Armen liegen, als hätten sie sich nie bewegt. Mondlicht schien ins Zimmer.»Wie lange liegen wir hier schon?»

Sie küßte ihn.»Nicht lange genug. Weißt du, daß du einen hellen Fleck am Nacken hast, wo früher der Zopf Schatten warf?«»Gefällt es dir?»

Sie zog seinen Kopf an ihre Brust.»Ich werde mich schon daran gewöhnen. Der Mann, den ich liebe, ist jedenfalls unverändert. «Sie streichelte sein Haar.»Ich bringe dir gleich was zu essen. Die Leute im Haus schlafen längst.»

Bolitho stand auf, und gemeinsam gingen sie zum Fenster, spürten die warme Nachtluft um ihre nackten Körper streichen und hörten die See unten friedlich um die Felsen rauschen.

Er legte den Arm um ihre Hüften und spürte, wie ihr Körper ihm antwortete. Der Mond schien auf sie herab wie ein großes silbernes Medaillon.

«Du hast mir Tag und Nacht gefehlt«, sagte er.»Ich brauche dich so sehr.»

«Und ich dich auch, Liebster.»

Er schloß das Fenster.»Siehst du den Ring um den Mond? Wir werden vor Morgengrauen Sturm bekommen.»

Sie zog ihn an sich. Als er sie umarmte, spürte sie sein Herz hämmern. Später lag er neben ihr, atmete tief und schlief endlich ein.

Sie sah aus dem Fenster. Der Mond schien so hell wie immer, der Himmel war ganz klar. Die Sterne blitzten wie ferne Lichter.

Es gab keinen Ring um den Mond. Bolitho mußte sich geirrt haben. Das verletzte Auge hatte ihm einen Streich gespielt. Ihre Angst war wieder da.

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