19 »Bringt mir eine schwarze Ziege!«

Das nun folgende Gespräch ging um so nebensächliche Dinge, daß ich mich seiner nicht mehr recht entsinne. Aus irgendeinem Grund, vielleicht um Leo ihre Identität und ihren Charakter noch nicht zu offenbaren, sprach Ayesha nicht so ungezwungen wie sonst. Plötzlich teilte sie Leo jedoch mit, daß am Abend zu unserer Unterhaltung ein Tanz stattfinden werde. Ich war darüber ziemlich erstaunt, da ich gedacht hatte, die Amahagger seien ein viel zu düsteres Volk für solche Frivolitäten; doch wie sich bald herausstellen sollte, hatte ein Amahagger-Tanz mit solchen Festlichkeiten in anderen Ländern, ob wild oder zivilisiert, nur wenig gemein. Als wir uns dann zurückziehen wollten, fragte sie Leo, ob er nicht Lust habe, einige von den Wundern der Höhlen kennenzulernen, und als er freudig zustimmte, brachen wir, begleitet von Job und Billali, auf. Eine Schilderung dieses Besuches würde zum großen Teil lediglich eine Wiederholung des bereits Gesagten bedeuten, wenngleich die Gräber, die wir besichtigten, von einer anderen Art waren, da der ganze Felsen von ihnen durchsetzt war wie ein Bienenstock von Waben.[17] Danach begaben wir uns zu der Knochenpyramide, die mich Vergangene Nacht im Schlaf verfolgt hatte, und von dort durch einen langen Gang zu einem der großen Gewölbe, in denen die Leichen der ärmeren Bürger des kaiserlichen Kor bestattet waren. Diese waren nicht annähernd so gut erhalten wie die der Reichen. Viele trugen kein Totengewand, und überdies lagen von ihnen zwischen fünfhundert und tausend in einem einzigen großen Gewölbe, zum Teil hoch aufeinandergetürmt wie ein Haufen Erschlagener.

Dieser erstaunliche, unvergleichliche Anblick erregte bei Leo natürlich stärkstes Interesse und stachelte seine Phantasie an. Dem armen Job hingegen gefiel er gar nicht. Seine durch unsere vorangegangenen Erlebnisse bereits arg in Mitleidenschaft gezogenen Nerven wurden, wie man sich denken kann, durch diese Massen dahingeschiedener Menschen noch mehr zerrüttet, und es beruhigte ihn auch nicht, als ihm der alte Billali beschwichtigend sagte, er solle diese Toten doch nicht fürchten, denn nur allzubald würde doch auch er einer von ihnen sein.

»Es ist wirklich nicht schön, einem so etwas zu sagen«, rief er, als ich ihm Billalis Bemerkung übersetzte; »aber was kann man von einem alten Kannibalen schon anderes erwarten? Doch eigentlich hat er ja nicht ganz unrecht«, fügte er seufzend hinzu.

Nach der Besichtigung der Höhlen kehrten wir zurück und verzehrten unsere Mahlzeit, denn es war vier Uhr nachmittags, und wir alle waren hungrig und müde - besonders Leo. Um sechs Uhr begaben wir uns zusammen mit Job zu Ayesha, die unseren armen Diener noch mehr verängstigte, indem sie ihm auf dem Wasser in dem beckenärtigen Gefäß Bilder zeigte. Als ich ihr erzählte, daß er sechzehn Geschwister hatte, forderte sie ihn auf, sich all seine Brüder und Schwestern im Geiste daheim in der väterlichen Hütte vorzustellen. Dann befahl sie ihm, ins Wasser zu blicken, und auf seiner Oberfläche zeigte sich das längst vergangene Bild, dessen Job sich erinnerte. Einige der Gesichter waren ganz deutlich, andere bloße Schatten und Flecken oder in einigen Zügen stark übertrieben, was davon kam, daß Job sich in diesen Fällen des Äußeren der betreffenden Personen nicht mehr genau entsann oder nur einen bestimmten Zug im Gedächtnis behalten hatte, und das Wasser konnte nur widerspiegeln, was er vor seinem geistigen Auge sah. Man darf nicht vergessen, daß Ayeshas Macht in dieser Hinsicht sehr begrenzt war; offenbar konnte sie nur, von seltenen Fällen abgesehen, auf das Wasser projizieren, was eine der anwesenden Personen sich innerlich vorstellte, und auch dies nur mit deren Willen. War sie jedoch mit einer Örtlichkeit persönlich vertraut, so konnte sie, wie sie dies mit uns und dem Walboot getan hatte, deren Bild sowie das, was zu dieser Zeit dort geschah, auf dem Wasser erscheinen lassen. Diese Macht erstreckte sich jedoch nicht auf die Vorstellungen anderer. So konnte sie mir, zum Beispiel, das Innere der Collegekapelle so zeigen, wie ich es im Gedächtnis hatte, jedoch nicht so, wie es im gleichen Augenblick war; denn in bezug auf andere Personen war ihre Macht strikt auf die Tatsache oder Erinnerungen beschränkt, die in deren Bewußtsein im gleichen Augenblick gegenwärtig waren. So war denn auch, als wir ihr zu ihrer Unterhaltung die Bilder bekannter Baulichkeiten, wie etwa der St. Pauls-Kathedrale oder des Parlamentsgebäudes, zu zeigen versuchten, das Ergebnis höchst unvollkommen; denn wir konnten uns natürlich ihr Aussehen im großen und ganzen gut vorstellen, waren jedoch nicht imstande, uns die architektonischen Einzelheiten ins Gedächtnis zu rufen, und dadurch mangelte es dem Bild an der erwünschten Genauigkeit. Es war uns nicht möglich, Job dies begreiflich zu machen, und da er nicht dazu bewogen werden konnte, eine natürliche Erklärung für den Vorgang zu akzeptieren, der, so seltsam er auch erscheinen mochte, doch nichts weiter war als ein Beispiel perfekter Telepathie, erblickte er in dem Phänomen nur eine Manifestation schwärzester Magie. Nie werde ich den Entsetzensschrei vergessen, den er ausstieß, als ihm die mehr oder weniger deutlichen Porträts seiner längst in alle Welt verstreuten Brüder aus dem Wasser entgegenstarrten, und ebensowenig das glockenhelle Lachen, mit dem Ayesha seine Bestürzung quittierte. Auch Leo schien das Ganze nicht recht geheuer; er fuhr sich mit den Fingern durch seine blonden Lok-ken und flüsterte mir zu, daß ihn grusele.

Nachdem wir uns etwa eine Stunde lang - mit Ausnahme Jobs, der sich bereits früher entfernte - auf diese Weise unterhalten hatten, teilten die Stummen Ayesha durch Zeichen mit, daß Billali auf eine Audienz warte. Als er hereingekrochen war, was er wieder überaus unbeholfen tat, verkündete er, daß alles zum Tanz bereit sei. Ob es der Herrscherin und den weißen Fremdlingen beliebe, daran teilzunehmen? Gleich darauf erhoben wir uns, und nachdem Ayesha einen dunklen Mantel über ihr weißes Gewand geworfen hatte (es war übrigens das gleiche, das sie getragen hatte, als ich sie am Feuer ihre Verwünschungen ausstoßen sah), brachen wir auf. Der Tanz sollte im Freien stattfinden, auf dem glatten Felsplateau vor der großen Höhle, und dorthin begaben wir uns. Etwa fünfzehn Schritte vom Höhleneingang waren drei Stühle für uns bereitgestellt, auf denen wir Platz nahmen und warteten, denn von den Tänzern war noch nichts zu sehen. Da der Mond noch nicht aufgegangen war, herrschte nahezu völlige Finsternis, und so fragten wir uns, wie wir wohl imstande sein würden, den Tanz zu sehen.

»Das wirst du gleich verstehen«, sagte Ayesha leise lachend, als Leo sie danach fragte; und so war es in der Tat. Kaum hatte sie dies geäußert, als aus allen Richtungen dunkle Gestalten herbeieilten, von denen jede eine riesige brennende Fackel zu tragen schien, deren Flammen einen Meter oder noch höher über die Träger emporschlugen. An die fünfzig dieser Gestalten stürzten heran, und mit ihren flackernden Lasten sahen sie aus wie der Hölle entsprungene Teufel. Leo entdeckte als erster, was diese Fackeln in Wahrheit waren.

»Großer Gott!« rief er laut, »das sind brennende Leichen!«

Ich starrte und starrte, und es stimmte wirklich -die Fackeln, welche das Schauspiel beleuchten sollten, waren menschliche Mumien aus den Höhlen!

Weiter rannten die Träger der brennenden Leichen, zu einer etwa zwanzig Schritte von uns gelegenen Stelle, wo sie ihre gräßliche Last zu einem riesigen Scheiterhaufen zusammenwarfen. Himmel! Wie sie prasselten und flackerten! Kein Teerfaß hätte so brennen können wie diese Mumien. Doch dies war noch nicht alles. Plötzlich sah ich, wie ein großer Bursche einen brennenden menschlichen Arm, der sich von seinem Körper gelöst hatte, packte und damit ins Dunkel stürzte. Dann blieb er stehen, und eine Feuersäule schoß hoch empor und erhellte das Dunkel und die Lampe, der sie entsprang. Diese Lampe war die an einen Pfahl gebundene Mumie einer Frau, deren Haar er angezündet hatte. Er lief weiter und setzte eine zweite in Brand und sodann eine dritte und vierte, bis wir schließlich auf allen drei Seiten von einem großen Ring hell lodernder Leiber umgeben waren, welche die Essenz, mit der sie einbalsamiert worden waren, so leicht entzündlich gemacht hatte, daß ihnen die Flammen buchstäblich in langen Zungen aus den Mündern und Ohren hervorschossen.

Nero beleuchtete seine Gärten mit lebendigen, in Teer getauchten Christen, und wir wurden nun -vermutlich zum erstenmal seit seiner Zeit - Zeugen eines ähnlichen Schauspiels, wenn auch zum Glück unsere Lampen nicht lebendig waren.

Obwohl dieses grauenhafte Element fehlte, übersteigt dennoch die Aufgabe, das sich uns bietende unheimliche und entsetzliche Schauspiel zu schildern, dermaßen meine armseligen Kräfte, daß ich den Versuch kaum wage. Es war etwas überaus Furchtbares und, dennoch höchst Faszinierendes daran, daß man die Toten aus ferner Vorzeit dazu verwendete, die Orgien der Lebenden zu beleuchten; ja fast schien es wie eine Satire, auf die Lebenden sowohl wie auf die Toten. Cäsars Staub - oder war es der Alexanders? - mag ein Spundloch füllen, doch diesen toten Cäsaren der Vergangenheit war es bestimmt, einem wilden Fetischtanz zu leuchten. So tief mögen dereinst vielleicht auch wir sinken, so gering werden vielleicht die emsigen Nachkommen, die wir zeugen, uns schätzen, von denen viele, weit davon entfernt, unser ehrfürchtig zu gedenken, uns dafür verfluchen werden, daß wir sie in dieses irdische Jammertal setzten.

Abgesehen von der moralischen hatte dieses schaurigschöne Schauspiel freilich auch eine physische Seite. Jene alten Bürger von Kor brannten ebenso lustig, wie sie, nach ihren Skulpturen und Inschriften zu urteilen, gelebt hatten, und es herrschte, was auch erwähnt werden muß, kein Mangel an ihnen. Sowie eine Mumie bis auf die Fußknöcheln niedergebrannt war, nach etwa zwanzig Minuten, stieß man die Füße weg und legte eine andere an ihren Platz. Auf ebenso großzügige Weise wurde der Scheiterhaufen mit neuer Nahrung versorgt, dessen Flammen zischend und knatternd zwanzig oder dreißig Fuß hoch emporschossen und das Dunkel, durch welches die schwarzen Gestalten der Amahagger hin und her huschten wie Teufel, weithin erhellten. Entgeistert standen wir da und starrten - entsetzt und doch gebannt - auf dieses seltsame Schauspiel, und es hätte uns nicht gewundert, wenn die Geister der lodernden Toten aus den Schatten hervorgekrochen wären, um sich an diesen Frevlern zu rächen.

»Ich habe dir einen seltsamen Anblick versprochen, mein Holly«, sagte lachend Ayesha, die allein völlig ungerührt schien. »Siehst du, ich habe Wort gehalten. Man kann jedoch auch eine Lehre daraus ziehen. Baue nicht auf die Zukunft, denn wer weiß, was die Zukunft bringen mag! Genieße darum den Tag und strebe nicht, dem Staub zu entrinnen, der des Menschen Ende zu sein scheint. Was, glaubst du, würden jene längst vergessenen edlen Herren und Damen gefühlt haben, hätten sie gewußt, daß ihre anmutigen Körper dereinst brennen würden, um dem Tanz von Wilden zu leuchten? Doch seht, dort kommen die Tänzer; ein lustiges Völkchen, nicht wahr? Die Bühne ist beleuchtet, nun mag das Spiel beginnen.«

Während sie sprach, sahen wir, wie zwei Reihen von Gestalten, die einen Männer, die anderen Frauen, nur mit den üblichen Leoparden- und Hirschfellen bekleidet, um den Scheiterhaufen aus Menschenleibern zogen. Sie gruppierten sich in tiefem Schweigen zu zwei Reihen, so daß sie zwischen uns und dem Feuer einander gegenüberstanden, und dann begann der Tanz - eine Art infernalischen Cancans. Ihn zu beschreiben, ist völlig unmöglich, doch schien es uns, trotz allen Beinewerfens und Herumgeschiebes, eher ein Spiel denn ein Tanz zu sein, und wie alles bei diesen schrecklichen Menschen, deren Seelen die Farbe der Höhlen, in denen sie leben, angenommen zu haben scheinen und deren Scherze und Belustigungen den unerschöpflichen Vorratskammern mumifizierter Toter entstammen, mit denen sie zusammen hausen, war sein Thema überaus unheimlich. Er stellte, soviel ich begriff, zuerst einen Mordversuch dar, dessen Opfer sodann lebendig begraben werden sollte und dem Grab zu entrinnen suchte. Den Abschluß eines jeden Aktes dieses schaurigen Dramas, das in tiefstem Schweigen vorgeführt wurde, bildete ein wilder und höchst widerlicher Tanz um das Opfer, das sich im roten Schein des Feuers am Boden wälzte.

Plötzlich jedoch wurde dieses hübsche Stück unterbrochen. Eine leise Unruhe entstand, und ein großes kräftiges Weib, welches mir als eine der leiden-schaftlichsten Tänzerinnen aufgefallen war, taumelte, trunken von gottloser Ekstase, auf uns zu und kreischte:

»Ich möchte eine schwarze Ziege, ich muß eine schwarze Ziege haben, bringt mir eine schwarze Ziege!«, und dann stürzte sie, Schaum vor dem Mund, unter gräßlichen Zuckungen und schreiend nach einer schwarzen Ziege verlangend, vor uns nieder -das abscheulichste Schauspiel, das man sich denken kann.

Sogleich umringten sie die meisten Tänzer, und nur einige blieben im Hintergrund und schlugen weiter ihre Kapriolen.

»Der Teufel ist in sie gefahren«, rief einer von ihnen. »Schnell, holt eine schwarze Ziege. Still, Teufel, still, ganz still! Gleich wird man dir die Ziege bringen. Man holt sie schon, Teufel.«

»Ich will eine schwarze Ziege, ich muß eine schwarze Ziege haben!« kreischte wieder das sich auf dem Boden wälzende Weib.

»Schon gut, Teufel, die Ziege wird gleich da sein, sei still. Teufel, sei brav!«

Und so ging es fort, bis die Ziege, aus einem Nachbarkraal geholt, endlich eintraf und man das mek-kernde Tier an den Hörnern zu ihr zerrte.

»Ist es eine schwarze, ist es eine schwarze?« schrie die Besessene.

»Ja, ja, Teufel, schwarz wie die Nacht«, und dann zur Seite: »Stell dich vor sie, damit der Teufel nicht sieht, daß sie einen weißen Fleck am Steiß und einen auf dem Bauch hat. Nur eine Minute noch, Teufel. So, jetzt schneide ihr rasch den Hals durch. Wo ist die Schüssel?«

»Die Ziege! Die Ziege! Die Ziege! Gebt mir das Blut meiner schwarzen Ziege! Ich brauche es, seht ihr denn nicht, daß ich es brauche! Oh! Oh! Oh! Gebt mir das Blut der Ziege!«

In diesem Augenblick verriet ein jämmerliches »Bäh«, daß die arme Ziege geopfert war, und gleich darauf rannte ein Weib mit einer Schüssel voller Ziegenblut herbei. Die Besessene, deren Raserei sich zum Äußersten gesteigert hatte, ergriff sie, trank sie aus und war im gleichen Augenblick geheilt, ohne daß von ihrer Hysterie oder Epilepsie oder Besessenheit oder an welcher schrecklichen Krankheit sie auch immer leiden mochte, auch nur eine Spur zurückblieb. Sie reckte die Arme, lächelte leise und ging ruhig wieder zu den Tänzern, die sich nun in zwei Reihen wieder zurückzogen, so daß der Platz zwischen uns und dem Scheiterhaufen wiederum leer war.

Ich dachte, die Vorstellung sei nun vorüber, und wollte, da mir ziemlich übel war, >Sie< eben fragen, ob wir gehen dürften, als plötzlich ein Pavian, den ich auf den ersten Blick für echt hielt, um das Feuer herum hüpfte, und gleich darauf auf dessen anderer Seite ein Löwe erschien, oder richtiger ein in ein Löwenfell gehüllter Mann. Dann erschien eine Ziege und darauf ein Mann in einer Ochsenhaut, deren Hörner komisch hin und her schlenkerten. Ihm folgten ein Bläßbock, ein Impala, ein Kudu und dann weitere Ziegen und viele andere Tiere, darunter ein Mädchen, das in die schillernde Schuppenhaut einer Boa constrictor eingenäht war und ein mehrere Meter langes Stück von dieser hinter sich über den Boden herzog. Als alle sich versammelt hatten, verfielen sie in einen plumpen, unnatürlichen Tanz, wobei sie die

Laute der Tiere, die sie darstellten, ausstießen, bis die Luft voll war von all dem Gebrüll und Geblök und Schlangengezisch. So ging dies geraume Zeit, bis ich endlich, der Pantomime müde, Ayesha fragte, ob sie etwas dagegen habe, wenn Leo und ich die menschlichen Fackeln näher betrachteten. Als sie nichts einwandte, zogen wir beide, uns nach links wendend, los. Nachdem wir uns einen oder zwei der lodernden Leiber angesehen hatten, wollten wir, da uns die groteske Scheußlichkeit des Schauspiels zutiefst abstieß, wieder zurückkehren, doch wurde unsere Aufmerksamkeit auf einen besonders lebhaften, als Leopard verkleideten Tänzer gelenkt, der sich von den übrigen >Tieren< abgesondert hatte und in unserer Nähe herumsprang, sich dabei immer mehr einer dunklen Stelle zwischen zwei brennenden Mumien nähernd. Neugierig folgten wir ihm, als er plötzlich an uns vorüber in den Schatten sprang und mit einer Stimme, in der wir die Ustanes erkannten, »kommt!« flüsterte. Ohne mich auch nur zu fragen, wandte Leo sich ab und lief ihr ins Dunkel nach, und Böses ahnend, folgte ich den beiden. Der Leopard kroch weiter, bis er außerhalb des Scheines des Feuers und der Fackeln war und Leo ihn oder besser Ustane einholte.

»Oh, mein Gebieter«, hörte ich sie flüstern, »endlich habe ich dich gefunden. Die Herrscherin >Sie< trachtet mir nach dem Leben. Der Pavian hat dir gewiß erzählt, wie sie mich fortjagte? Ich liebe dich, mein Gebieter, und gemäß dem Brauch des Landes bist du mein. Ich habe dir das Leben gerettet! Willst du mich nun verstoßen, mein Geliebter?«

»Natürlich nicht«, stieß Leo hervor. »Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, wo du wohl bist. Laß uns zur Königin gehen und ihr alles erklären.«

»Nein, nein, sie würde uns töten. Du kennst ihre Macht nicht - der Pavian dort, der kennt sie, er hat alles mit angesehen. Nein, es gibt nur einen Weg: wenn du zu mir stehen willst, dann mußt du sogleich mit mir durch die Sümpfe fliehen. Nur so können wir vielleicht entkommen.«

»Um Himmels willen, Leo«, fiel ich ein, doch sie unterbrach mich ...

»Nein, höre nicht auf ihn. Schnell - schnell - jeder Augenblick, den wir zögern, kann uns den Tod bringen. Vielleicht hört >Sie< uns bereits jetzt«, und ohne weitere Umstände schickte sie sich an, ihn zur Unterstützung ihrer Argumente zu umarmen. Dabei rutschte der Leopardenkopf von ihrem Haar, und ich sah darauf, fahl im Licht der Sterne schimmernd, die drei weißen Fingerspuren. Wieder wollte ich, die Aussichtslosigkeit dieser Lage einsehend, dazwischentreten, wußte ich doch, daß Leo gegenüber Frauen von nicht sehr großer Festigkeit war, doch da hörte ich - o Schrecken! - hinter mir ein silberhelles leises Lachen. Ich fuhr herum, und da stand >Sie< mit Billali und zwei stummen Dienern. Der Atem stockte mir, und fast wäre ich zu Boden gesunken, denn ich wußte, daß diese Situation mit einer furchtbaren Tragödie enden mußte, deren erstes Opfer aller Wahrscheinlichkeit nach ich sein würde. Ustane ließ den Geliebten los und bedeckte ihr Gesicht mit den Händen, während Leo, den ganzen Ernst der Lage nicht erfassend, nur errötete und töricht dreinblickte, wie es ein auf diese Weise ertappter Mann zu tun pflegt.

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