Träume

Der Gute Riese saß in seiner Höhle am großen Tisch und machte seine Hausaufgaben.

Sophiechen hockte im Schneidersitz daneben auf der Tischplatte und sah ihm beim Arbeiten zu. Das Glas mit dem einzigen guten Traum, den sie an diesem Tag gefangen hatten, stand in der Nähe. Der GuRie malte mit viel Sorgfalt und Geduld Druckbuchstaben auf ein Stück Papier. Er tat das mit einem kolossalen Bleistift.

«Was schreibst du da?» fragte Sophiechen. «Jeder Traum hat einen Zettel auf seinem Glas», sagte der GuRie. «Sonst würde ich ja den richtigen nicht finden, wenn ich's eilig habe.»

«Aber kannst du denn sagen, was für ein Traum das ist, wenn du nur am Glas horchst?» fragte Sophiechen.

«Ja, kann ich», sagte der GuRie, ohne aufzublicken. «Aber wie machst du das? Gehst du danach, wie der Traum summt und brummt?»

«Beinah richtig», sagte der GuRie. «Jeder Traum auf der Welt macht seine eigene Musik. Und meine großen Segelohren hier, die können diese Musik hören.» «Meinst du mit Musik Melodien?» «Nein, keine Melodien.» «Was meinst du dann?»

«Die menschlichen Leberwesen machen ihre eigene Musik. Stimmt's oder hab ich recht?»



«Genau», sagte Sophiechen. « Viel Musik .» «Und manchmal sind die menschlichen Leberwesen ganz weg, wenn sie wunderwunderschöne Musiktöne hören. Dann läuft ihnen vor Wonne ein kalter Schlauer über den Rücken. Stimmt's oder hab ich recht?» «Genau», sagte Sophiechen.

«Also die Musik kann ihnen etwas sagen. Sie hat eine Bedeutung. Ich glaube nicht, daß die menschlichen Leberwesen wissen, was die Musik bedeutet, aber sie lieben sie trotzdem.»

«Das ist wohl richtig», sagte Sophiechen. «Aber ich mit meinen Flattersegelohren», sagte der GuRie, «ich kann die Musik der Träume nicht nur hören, ich kann sie sogar verstehen.»

«Was meinst du mit verstehen?» fragte Sophiechen.

«Ich kann sie begreifen», sagte der GuRie. «Sie sagt mir etwas. Sie ist für mich eine Sprache.»

«Das kann ich kaum glauben», sagte Sophiechen.

«Garantiert kannst du an Sterntaler auch kaum glauben», sagte der GuRie, «die aus dem Himmel runterfallen.»

«Kein bißchen glaube ich daran», sagte Sophiechen.

Der GuRie sah sie aus seinen riesengroßen Augen ernst an.

«Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel», sagte er, «wenn ich dir verrate, daß die menschlichen Leberwesen denken, sie sind sehr klug, sie sind es aber in Wirklichkeit nicht. Sie sind fast alle nur Summtöpfe und Piepstiesel.»

«Was sagst du da?» protestierte Sophiechen.

«Mit den menschlichen Leberwesen ist das so», erklärte der GuRie, «sie glauben an nichts, bis auf das, was sie direkt vor ihrer Nasenspitze haben. Aber natüllich gibt es Sterntaler! Ich seh sie oft. Ich kann sie doch sogar anfassen.» Mit vorwurfsvoller Miene wandte er sich jetzt von Sophiechen ab und widmete sich wieder seiner Schreibarbeit. Sophiechen krabbelte näher heran, um zu lesen, was er da schrieb. Die Buchstaben waren groß und kraftvoll hingemalt, wenn auch nicht gerade in Schönschrift. Der Text lautete folgendermaßen:

Dihser Draum handeld dafonn wie ich mainen Leerer baim Erdrinken redde. Ich binn in den Fluß geschprungen fonn einer hohen Brügge und ich schlepphe mainen Leerer ann den Schdrand und dann gehbe ich Mund zu Mund auf Beadmung ...



«Was gibst du ihm?» fragte Sophiechen.

Der GuRie hörte mit dem Buchstabenmalen auf und hob langsam den Kopf. Er schaute Sophiechen in die Augen und sagte in ruhigem Ton: «Das habe ich dir schon einmal gesagt: ich habe nie das Glück gehabt, in die Schule gehen zu dürfen. Ich bin voller Fehler. Aber das sind nicht meine Schulden. Ich gebe mir die größte Mühle. Du bist ein liebes Mädchen, aber Vergißmeinnicht, du bist nicht Frollein Allwissend.»

«Verzeih mir», sagte Sophiechen, «bitte verzeih mir. Es ist sehr ungezogen von mir, dich andauernd zu verbessern.»

Der GuRie blickte sie geraume Zeit an, ehe er den Kopf wieder neigte, um mit seiner langsamen mühevollen Schreibarbeit fortzufahren.

«Sag mal ganz ehrlich», begann Sophiechen, «wenn du diesen Traum in den Schlafsaal gepustet hättest, während ich schlief, hätte ich dann tatsächlich angefangen, davon zu träumen, wie ich meinen Lehrer vor dem Ertrinken rette, indem ich von der Brücke springe?» «Mehr», sagte der GuRie. «Viel mehr noch. Aber ich kann ja nicht den ganzen verflixten Traum auf ein verfitzeltes Fetzchen Papier kritzeln. Der Traum geht natürlich noch weiter.»

Der GuRie legte den großen Bleistift hin und hielt sein gewaltiges Flattersegelohr ganz dicht an das Glas. Etwa dreißig Sekunden lang lauschte er angestrengt. «Jaa», sagte er dann und nickte feierlich mit dem Kopf. «Dieser Traum geht sehr schön weiter. Und der Schluß ist obertoll.» «Was für ein Schluß?» fragte Sophiechen. «Bitte, bitte, erzähl ihn mir!»

«Du würdest dann träumen», sagte der GuRie, «daß du an dem Morgen, nachdem du den Lehrer aus dem Fluß gerettet hast, in die Schule kommst, und alle fünfhundert Schüler sitzen in der Aula und alle Lehrer auch. Und dann steht der Direkter auf und sagt: Und dann brüllt die ganze Schule wie verrückt Hurra und Bravo und Prima. Und wenn du dann die Mathearbeit verhaust und alles voller Fehler ist, dann gibt dir Herr Strebersberg trotzdem immer eine Eins und schreibt in dein Heft: Und dann wachst du auf.»

«Den Traum finde ich schön», sagte Sophiechen. «Na klar findest du den schön», sagte der GuRie. «Das ist ja auch ein Schlummy.» Er leckte das Etikett an und klebte es auf das Glasgefäß. «Meistens schreibe ich viel mehr auf so einen Zettel», sagte er. «Aber du schaust mir unentwegt auf die Fingerchen, und das macht mich nervös.» «Dann setze ich mich wohl besser woanders hin», sagte Sophiechen.

«Nein, nicht», sagte er. «Guck dir das Glas mal genau an, dann siehst du wahrscheinlich den Traum.» Sophiechen spähte durch die Glaswand und entdeckte im Inneren die zarten Umrisse von etwas, das sah aus wie ein Osterei. Es hatte eine schwache, durchscheinende Farbe: ein blasses kühles Grün, sanft schimmernd und sehr schön. Es ruhte auf dem Boden des Glases, dieses kleine, ovale, grünliche, fast durchsichtige Ding, und bewegte sich ganz sachte im Takt, es zog sich zusammen und dehnte sich aus, als würde es atmen.

«Er bewegt sich!» rief Sophiechen. «Der Traum ist lebendig!»

«Natüllich ist er lebendig.»

«Und was gibst du ihm zu essen?» fragte Sophiechen. «Der braucht doch kein Essen», erklärte der GuRie. «Das ist aber Traumquälerei», sagte Sophiechen. «Alles, was lebendig ist, muß zu essen kriegen. Auch die Bäume und sogar die Brennesseln.»

«Der Wind ist auch lebendig», sagte der GuRie. «Der Wind kann sich bewegen. Der Wind berührt dich im Gesicht und an den Händen. Aber füttern tut ihn keiner.» Sophiechen sagte nichts. Dieser unvergleichliche Riese brachte sie ganz durcheinander. Er weihte sie in Geheimnisse ein, auf die sie von alleine nie gekommen wäre. «Ein Traum braucht überhaupt nichts», sprach der GuRie weiter. «Wenn es ein guter Traum ist, wartet er still und zufrieden, bis er rausdarf und an seine Arbeit geht. Aber wenn es ein böser Traum ist, tobt er wütend herum, weil er immer nur rauswill.»

Der GuRie erhob sich, schritt zu einem der vielen Regale hinüber und stellte das neueste Glasgefäß zu den vielen tausend anderen Gläsern.

«Ob du mir wohl ein paar von den anderen Träumen zeigst?» fragte Sophiechen.

Der GuRie mußte nachdenken. «Andern habe ich noch nie meine Traumothek gezeigt», sagte er. «Aber vielleicht kann ich dich mal ein bißchen Kuckkuck machen lassen.» Und damit hob er sie vom Tisch auf und stellte sie auf eine seiner ungeheuer großen Hände. So trug er sie zu den Regalen. «Das hier sind gute Träume», sagte er. «Alles Schlummys.»

«Würdest du mich bitte etwas näher halten, damit ich die Aufschriften lesen kann?» bat Sophiechen. «Meine Zettel erzählen nur ein ganz kleines bißchen», sagte der GuRie. «Die Träume sind meistens viel länger. Die Zettel sollen mich nur daran verinnern.» Sophiechen begann sofort, die beschriebenen Etiketten zu lesen. Das erste erschien ihr lang genug. Die Aufschrift reichte um das ganze Glas herum, das sie beim Lesen ständig drehen mußte. Und sie las folgendes:

Heude sizze ich in meiner Glasse unt merge blözz-lich dass wenn ich meine Leererin auf so ne komische Waise gantz doli angugge kann ich si einschlafern. Ich gugge si allso immerzu ann biss ihr der Gobf auf den Disch gnalld unt sie einschlafjt unt laudhalz schnarchd. Da gommd herreinschba-zird der Diregder unt brülld laud: «Aufwachen, Frollein Haferbrei! Wie gönnen Sie nuhr fohr der gantzen Glasse laud lohsschnarrchen! Ferlassen Sie dihse Schuhle sofortissimo! Si sint endlassen!» Aba im nexden Momennt lasse ich den Diregder auch einschlaffen unt er sackt lanxam zu Bohden wie ein Klax Mammilahde unt ligd da herrumm unt fangt mit Schnarrchen ann noch fihl lauder als Frollein Haferbrei. Unt da höhr ich di Schdimme fonn meiner Mammi wi si sagd: «Wach auf das Früschdügg iss fettig.»



«Das ist ein witziger Traum», sagte Sophiechen.

«Das ist ein Aufwachholder», sagte der GuRie. «Der ist obertoll.»

Im Inneren des Glases konnte Sophiechen unter dem Etikett gerade noch den lustigen Traum erkennen, wie er da gemütlich auf dem Boden ruhte, sanft und schaukelnd, ungefähr so grün wie der andere, aber vielleicht eine Idee größer.

«Hast du für Jungen und Mädchen verschiedene Träume?» fragte Sophiechen.

«Aber natüllich», sagte der GuRie. «Wenn ich einem Jungen einen Mädchentraum gebe, und wenn der auch noch so schön ist, dann würde der Junge aufwachen und denken, was für ein saublöder, stinköder Kitschkram das war.» «Sehr wahrscheinlich würde er das denken», sagte Sophiechen.

«Auf diesem Brett hier, das sind alles Mädchenträume», sagte der GuRie.

«Darf ich mal einen Jungs-Traum lesen?» «Darfst du», sagte der GuRie und hob sie zu einem höheren Bord empor. Die Aufschrift auf dem ersten JungsTraum-Glas lautete folgendermaßen:

Ich hab mihr ein baar gans dolle Saugnapfschuhe gebassdeld. Wenn ich di annzih kann ich damidd di Kychenwant senkrechz hochlaufen unt gwehr über di Degge schbatzihren. Alz ich grahde mal ferkeerd herrumm ann der Degge herrummlauf gommd meine eldere Schwessder herrein unt brülld lohs:

Das iss doch di Höhe, was machsd du da ohben ann der Degge. Unt ich gugge auf si runder und muß si anngrinnsen unt sahg zu ir: Ich hob dihr doch ge-saagd, du brinxd mich ann di Degge unt daß hasd du jezz dafonn.



«Den Traum finde ich ziemlich doof», sagte Sophiechen.

«Aber Jungs nicht», sagte der GuRie mit einem Lächeln. «Das ist auch ein Aufwachholder. Vielleicht hast du jetzt genug gesehen?»

«Laß mich noch einen Jungs-Traum lesen», bat Sophiechen. Die nächste Aufschrift lautete:

Zu Hause glingeld das Deelefohn. Mein Faddy nimmd abb unt saachd midd seiner seer eindrux-follen Deelefohnihrschdimme: «Hir Meiermüllerschulze!» Imm nexden Momennd wird sein Ge-sichd keeseweis unt seine Schdimme glingd koh-misch wie er saachd: «Was? Wer?» Unt dann saachd er: «Jawoll, Herr Ähh, ich hab schohn ferschdanden aber sie wolln doch midd mihr bersöhnlich schbrechen unt nich midd mein klein Sohn bersöhnlich.» Mein Faddy sein Gesichd iß blözz-lich nich meer weis sonndern dunggelrod unt er muß schluggen alz obb er einen Hummer imm Halz hedde. Schließlich schdodderd er: «Jawoll, Sör, iß inn Oddnung, Sör, ich hohl ihn mal eben, Sör.» Unt er dreed sich nach mihr umm unt saachd midd einer faßd eerfurzfollen Schdimme: «Kenz du den Bresidendfonn Ameerika?» Unt ich saage:

«Nein, aber wascheinlich hadd der fonn mihr ge-höhrd.» Unt dann deelefohnihre ich schdunden-lang midd ihm unt saage dabei Sachen wi: «Ich mach das schon, Bresidend. Wenn Sie das übernee-men, geed ja doch alles schihf, Bresidend.» Da falln meim Faddy fassd di Augen aus dem Gobf und in dehm Momennd höhr ich wi mein Faddy midd seiner richdigen Schdimme zu mir saachd: «Aufschdehn, du fauler Belts, sonz kommsdu zu schbehd zur Schuhle!»

«Jungs sind bekloppt», sagte Sophiechen. «Laß mich den nächsten Zettel noch lesen.» Und da las sie nun folgendes:

Ich lihge inn der Bahdewanne unt da endegge ich daß wenn ich ganz feßd auf mein Bauchschnabel drügge dann grihge ich blözzlich so ein kohmisches Gefüül unt dann sint meine Beine nich meer da unt meine Ahme sint auch wegg. Ich hinn midd einmal ganz unt gar unsichtbar. Ich binn zwa noch da aba eß kann mich keiner seen. Ich mich selbs auch nich. Unt da gommd meine Mammy rein unt saachd: «Wo iß das Kinnd? Fohr einer Minuhde laag er noch hihr inn der Wanne. So schnell kann er sich doch unnmöklich gewaschen haben!» Unt da saage ich: «Hihr binnich.» Unt si saachd: «Woh?» Unt ich saag: «Hihr!» Unt da schreid sie: «Willi! Kom-mal schnell hehr!» Unt alz mein Faddy anngesausd kommd wasch ich mich schön gryntlich unt mein Faddy sihd den Saifenschaum inn der Luffd rummrudschen aba mich sihd er nadyllich nich. Unt er ruhfd: «Junge wobißdu?» Unt ich saage: «Hihr.» Unt er sachd: «Woh?» Unt ich saage: «Hihr.» Unt er sachd: «Wooh?» Unt ich saage: «Hiiihr!» Unt er saacht: «Di Saife! Junge, di Saife! Di schwehbd inn der Luffd!» Da drügg ich meinen Bauchschnabel unt auf einmahl binn ich wihder sichdbar. Mein Faddy rassded dodahl aus unt saachd: «Du bissd ja der Gnaabe midder Trankappe!» Da saag ich zu ihm: «Jezz mach ich eim-paa gans tholle Sachen.» Unt dann gledder ich aus-der Bahdewanne unt droggne mich abb unt zih mein Bahdemanndel ann unt meine Hauschu unt drügg wihder auf mein Bauchschnabel unt werd unsichtbar unt ich geh inn di Schdadd unt lauf auf der Schrahße schbatziren: Aha nadyllich iß nur mein Körrber unnsichtba aba nich di Sachen di ich annhabb. Unt wi di Loide seen daß da ein Bahde-manndel unt ein Paa Hauschue auf der Schrahße herrummhambeln wo kein Körrber drinniß da brichd eine Bahnick aus unt alle Schrein: «Ein Gaisd! Ein Gaisd!» Unt di Loide flychden nach allen Saithen unt schrein unt sogaa di langen schdaakhen Bollizissen renn umm ir Lehben. Unt amm schönsden iß: Ich see mein Matteleerer Herr Grollmann wi er aus einer Gneibe kommd unt ich schwehbe zu im hinn unt ruhf: «Buh!» Unt da schdösd er ein fürchderhaffdes Gehoil aus unt rahsd sofortissimo inndi Gneibe zurygg. Unt dann wachich auf unt fül mich so glügglich wi ein Glüggspils.

«Ziemlich lächerlich», sagte Sophiechen. Trotzdem: sie konnte einfach nicht der Versuchung widerstehen, mit der Hand nach ihrem Bauchnabel zu tasten und kräftig zu drücken. Und was geschah? - Nichts geschah. Leider. «Träume sind etwas sehr Geheimnisvolles», sagte der GuRie. «Die menschlichen Leberwesen verstehen sie überhaupt gar nicht. Sogar die allerklewwersten Professohren können sie nicht verstehen. Hast du jetzt genug gesehen?»

«Nur noch einen einzigen!» sagte Sophiechen. «Den hier.»

Und sie las folgendes:

Ich hob ein Buuch geschrihben das iß soo schban-nend daß mann middem lehsn eimfach nich auf-höhrn kann. Wenn mann di ersde Zeile gelehsen hadd iß mann soo gefesseld daß mann biss zur lez-den Saidhe weiderlehsen muß. Inn jehder Schdadd laufen di Loide sich auf der Schdrahsse über den Haufen weil si können ire Augen nichd lohsreisen fonn dehm Tex inn meim Buuch. Sogaa di Zaan-erze lehsn eß beim boan aba daß machd niggs weil di Bazienden auch immer lehsn. Di Audofarrer lehsn eß beim Audofahn unt nadyllich gnalld eß anndauernd überall. Di Gehirrnschirurgeln lehsn eß beim Gehirrnopperihren. Di Pielohden lehsn eß unt flihgen aus Ferseen nach Honnulolli schdadd nach Kingkong. Di Fußballschbihler lehsn eß auf dehm Schbihlfelld weil si eß eimfach nich wegglee-gen könn. Unt auch di Marratonnloifer auf der Ollümpchaade lehsn eß beim Marratonnlaufm. Alle alle alle wolln ummbedinkt wißn wihs weider geed inn meim Buuch. Unt wenn ich aufwach binn ich noch ganz schdollz unt aufgereekt weil ich binn der grösde Dichder aller Zeiden - biß meine Mammi reinkommd unt saachd: «Ich hob mihr gessdern ahbend mal dein Aufsazzheff anngekuckt unt ich muschschon sahgen deine Rechd-schreibung iß harschdroibend unt deine Inder-brunxion auch.»



«Das reicht für heute», sagte der GuRie. «Es gibt noch zahllose und aberzahllose davon, aber mein Arm wird lahm vom Hochhalten.»

«Was sind das da drüben für welche?» fragte Sophiechen. «Warum haben die so kleine Aufkleber?» «Das», erklärte der GuRie, «kommt daher, daß ich an einem Tag manchmal so viele Träume fange, daß ich keine Zeit habe oder keine Lust, große Zettel vollzuschreiben. Dann schreib ich nur im Tellegrampfstil ein paar Strichwörter auf, damit ich mich verinnern kann.» «Darf ich bitte mal sehen?» fragte Sophiechen. Geduldig trug der GuRie sie auf Händen quer durch die Höhle zu den Gläsern hinüber, auf die sie gezeigt hatte. Sophiechen las die Traumtelegramme schnell herunter, eines nach dem andern:

Ich gledder auf den Mannt Ewwerest gans alleine nuhr midd meiner Muschikazze.


Ich binn der Erfinnder fonn eim Audo daß midd Zaangrehm gedangd wird.


Ich kann di Lammbe ann unt ausmachen nuhr durch Wünnschen.


Ich binn ersd achd Jaare alld aba ich haap einen saagenhaffden follen Follbahd unt die andern sind gans neidisch.


Ich kann inn jehdem Hochhaus aus dehm höxden Fensder schbringen unt schwehbe lanxam nach unnden.


Ich besizze eine Bihne bei der gips wenn sie fliechd Roggmusiek.


«Ich frage mich», sagte Sophiechen, «wie du überhaupt schreiben gelernt hast.»

«Aha», sagte der GuRie. «Ich warte schon die ganze Zeit darauf, daß du mich danach fragst.»

«Wenn man denkt, daß du ja nie das Glück genossen hast, in die Schule gehen zu dürfen, dann finde ich das einfach ein Wunder», sagte Sophiechen. «Wie hast du das nur gelernt?»

Der GuRie durchquerte die Höhle und öffnete eine kleine Geheimtür in der Wand. Aus dem Geheimfach dahinter holte er ein Buch, das war sehr alt und zerfleddert. In der Hand eines Menschen wäre es ein ganz normales Buch gewesen, wie die meisten Bücher eben sind. Aber in der gewaltigen Riesenhand nahm es sich aus wie eine Briefmarke.


«Eines Nachts», sagte er, «hab ich einen Traum durch ein Fenster gepustet und sehe in dem Kinderzimmer dieses Buch hier auf dem Tisch liegen. Und ich hab mir das so furchtbar gewünscht, weißt du? Aber ich wollte es natürlich nicht stehlen. Stehlen würde ich niemals.» «Und wie hast du es dann trotzdem bekommen?» wollte Sophiechen wissen.

«Ich hab's mir nur geleiht», sagte der GuRie mit einem schlauen Lächeln. «Ich hab es mir nur schnell mal eben ausgeleiht.» «Und wie lange hast du es dir jetzt schon ausgeliehen?» fragte Sophiechen.

«Achtzig Jahre vielleicht, mehr bestimmt nicht», sagte der GuRie. «Ich werd es wohl allmählich mal zurückgeben müssen.»

«Und damit hast du dir das Schreiben beigebracht?» fragte Sophiechen.

«Das Buch habe ich bestimmt hundert und hundertmal gelesen», sagte der GuRie. «Und ich lese es immer wieder neu und lerne immer neue Worte und wie man sie schreiben muß. Die Geschichte in dem Buch ist aber auch extrasuper.»

Sophiechen nahm das Buch aus seiner Hand und las den Titel laut vor: «Der abenteuerliche Simplizissimus». «Von Himmels Grausen», ergänzte der GuRie. «Von wem?» fragte Sophiechen.

In diesem Moment war von draußen vor der Höhle ein ungeheueres Getrampel zu hören. «Was ist das?» schrie Sophiechen.

«Das sind die andern Riesen, die galoppieren jetzt los in irgendein Land, um da ordentlich menschliche Leberwesen zu spachteln», sagte der GuRie. Ruckzuck schob er Sophiechen in seine Westentasche, sprang zum Höhleneingang und rollte den Stein beiseite. Sophiechen linste durch das Guckloch hinaus und sah, wie die schrecklichen Riesen alle neune in vollem Galopp vorüberdonnerten.

«Wohin geht's denn heut abend?» rief der GuRie. «Heut abend machen mir alle einen Flitzer nach Eng-land», rief der Fleischfetzenfresser im Vorbeitrampeln. «England ist was für Schweinschmecker, und wir haben alle Hunger auf ein paar leckerschlotzige engländische Kinderchen.»

«Ich», brüllte der Mädchenmanscher, «ich weiß, wo da ein Kinderreim für Mädchen ist, und da haue ich mir den Bauch voll wie eine Haubitze!»

«Und ich kenn da ein Landschwulheim für Jungs!» grölte der Klumpenwürger. «Ich brauch nur die Hand auszustrecken und mir eine Handvoll genehmigen! Engländische Jungs schmecken ja so unheimlich leckerschlot-zig!»

Sekunden später waren die neun galoppierenden Riesen schon nicht mehr zu sehen.

«Was hat der gesagt?» fragte Sophiechen und reckte den Kopf aus der Westentasche heraus. «Ein Kinderreim für Mädchen - was ist das denn?»

«Damit meint er ein Hinternaht für Schülerinnen», sagte der GuRie. «Da will er gleich ganz viele Schülermädchen essen.»

«Nein!» schrie Sophiechen: «Nein!» «Und Jungs aus einem Jungs-Hinternaht», sagte der GuRie.

«Aber das dürfen sie nicht!» rief Sophiechen. «Wir müssen sie daran hindern! Wir können nicht einfach dasitzen und nichts tun!»

«Es gibt aber nichts, was wir tun könnten», sagte der GuRie. «Wir sind so ohnmächtig wie der Ochs vorm Berg.»

Er ließ sich auf einem großen blauen Felsen in der Nähe seines Höhleneingangs nieder, angelte Sophiechen aus seiner Westentasche und stellte sie neben sich auf den Stein. «Jetzt kannst du ruhig draußen sein, bis sie zurück sind», sagte er.

Inzwischen war die Sonne untergegangen, und es wurde dunkel.

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