Der GuRie hatte die Strecke schon Tausende von Malen zurückgelegt im Laufe der Jahre, aber noch nie in seinem Leben war er ins Land der Riesen so wie diesmal gerast, als neun gewaltige Hubschrauber im Tiefflug hinter ihm herdröhnten. Er war auch noch nie am hellichten Tage unterwegs gewesen. Das war viel zu riskant. Aber diesmal war es ja etwas anderes. Schließlich tat er es nun auf Bitten der Königin von England höchstpersönlich, und da brauchte er sich natürlich vor keinem mehr zu fürchten. Als er so durch die Lande galoppierte und das Hubschraubergeschwader über seinem Kopf daherdonnerte, blieben die Leute stehen und gafften und fragten: «Was ist da denn los?» So etwas hatten sie noch nie gesehen. Und so etwas würden sie auch nie wieder zu sehen bekommen. Hin und wieder konnten die Hubschrauberpiloten ein kleines Mädchen mit Brille erkennen, das sich im rechten Ohr des rasenden Riesen zusammengekauert hatte und zu ihnen hinaufwinkte. Natürlich winkten die Piloten jedesmal zurück. Sie staunten über das Tempo des Riesen, der breite Flüsse und ragende Hochhäuser im Sprung überquerte.
Aber das war noch gar nichts. Mit dem Staunen sollte es jetzt erst so richtig losgehen.
«Halt dich jetzt gut, gut fest!» sagte der GuRie. «Nun werden wir so schnell wie ein geölter Blitz!» Der GuRie schaltete auf sein sagenhaftes Spitzentempo, und sofort schoß er dahin, als hätte er Raketen an den Füßen. In riesigen Sprüngen jagte er über die Erde, wobei er kaum noch den Boden zu berühren schien. Wie immer mußte Sophiechen sich ganz flach in ihre Reiserille im Riesenohr hineinschmiegen, sonst wäre sie im Nu weggeweht worden. Die neun Hubschrauberpiloten merkten plötzlich, daß sie nicht mehr mitkamen. Der Riese hatte sie abgehängt. Da traten sie aufs Gas und gaben volles Rohr. So konnten sie bei dem Tempo wenigstens einigermaßen mithalten und fielen nicht noch weiter zurück.
An der Spitze der Hubschrauberflotte knatterte die Kommandomaschine, darin saß neben dem Piloten der Oberkommandierende der Luftstreitkräfte. Auf seinem Schoß lag ein Weltatlas aufgeschlagen, und der Oberkommandierende starrte unentwegt erst in seinen Atlas und dann auf das Land unter ihm, um herauszufinden, wohin die Reise ging. In wilder Verzweiflung blätterte er in seinem Atlas herum. «Wo zum Teufel fliegen wir denn hin?» schimpfte er.
«Nicht die blasseste Ahnung», antwortete der Pilot. «Die Königin hat Befehl gegeben, immer dem Riesen zu folgen. Und genau das tue ich.»
Der Pilot war ein junger Fliegermajor mit einem buschigen Schnurrbart. Auf diesen Schnurrbart war er sehr stolz.
Außerdem war er sehr mutig und liebte gefährliche Abenteuer. Für ihn war das hier ein erstklassiges Abenteuer. «Macht Spaß, mal 'ne neue Gegend kennenzulernen», sagte er.
«Neue Gegend?» schnauzte der Oberkommandierende der Luftstreitkräfte. «Was zum Geier meinen Sie mit neue Gegend?»
«Diese Gegend, über die wir jetzt gerade wegfliegen, ist im Atlas nicht drin, oder?» sagte der Pilot mit einem Grinsen.
«Völlig richtig: nicht drin in diesem verdammten Atlas hier!» bullerte der Oberkommandierende der Luftstreitkräfte. «Wir sind einfach aus der letzten Landkarte rausgeflogen!»
«Vermute, der alte Riese da unten weiß schon, wo er hingeht», sagte der junge Pilot.
«Das führt noch zur Katastrophe!» schrie der Oberkommandierende der Luftstreitkräfte. Er zitterte vor Angst. Hinter ihm saß der Oberkommandierende der Landstreitkräfte, der noch viel mehr Angst hatte. «Sie wollen mir doch wohl nicht weismachen, daß wir irgendwie vom Atlas abgekommen sind», zeterte er und machte einen langen Hals, um selber zu gucken. «Genau das ist es, was ich Ihnen weismachen will!» bellte der Luftwaffenmann zurück. «Gucken Sie doch selber! Das hier ist die letzte Karte in diesem ganzen vermaledeiten Malefiz-Atlas hier! Und vor mindestens einer Stunde sind wir hier über den Kartenrand hinausgeflogen!» Er schlug die Seite um. Wie in jedem Atlas waren die beiden letzten Seiten unbedruckt: völlig weißes Papier. «Wir müssen also ungefähr in dieser Gegend hier sein», sagte er und tippte mit dem Finger irgendwo auf die leere Seite. «Wo Gegend hier?» meckerte der Oberkommandierende der Landstreitkräfte.
Der junge Pilot zeigte immer noch sein breites Grinsen. Er sagte: «Deswegen läßt man doch hinten im Atlas die beiden letzten Seiten frei. Die sind für neue Länder, die man sich selber aufmalen soll.»
Der Oberkommandierende der Luftstreitkräfte stierte angestrengt nach unten. «Seht euch doch bloß mal diese gottverlassene Wüste an!» rief er. «Bäume alle tot und Felsen alle blau!»
«Riese hat angehalten», sagte der junge Pilot. «Winkt uns ein, der Riese.»
Die Piloten drosselten ihre Maschinen, und alle neun Hubschrauber landeten sauber in dem großen gelben Wüstenland. Sofort wurden die Laderampen nach unten geklappt, und schon rollten neun Jeeps die Rampen runter, aus jedem Hubschrauber einer. Jeder Jeep hatte sechs Soldaten als Besatzung und war beladen mit Unmengen von dicken Seilen und schweren Ketten.
«Riesen sehe ich keine», bemerkte der Oberkommandierende der Landstreitkräfte.
«Die Riesen sind da hinten. Alle nicht zu sehen», erklärte ihm der GuRie. «Aber wenn du deine Ratterklapperkisten von Pups-Räubern näher ranbringst, sind die Riesen natül-lich alle sofortissimo knallwach. Und dann gips Tort- und Brotschlacht.»
«Wir sollen also mit den Jeeps angreifen?» fragte der Oberkommandierende der Landstreitkräfte. «Jawoll», sagte der GuRie. «Aber ihr müßt alle ganz, ganz wannsinnig mucksmäuschenstille sein. Wehe, wenn die Motoren rumbrummen! Wehe, es wird rumgeschrien! Wehe, es wird rumgefummelt! Wehe, es werden schweinige Witze gerissen!»
Der GuRie - mit Sophiechen im Ohr - schritt voran, die Jeeps rollten in Kolonne hinterher.
Plötzlich hörte jeder ein grauenvolles dumpfes Grum-meln. Der Oberkommandierende der Landstreitkräfte wurde erbsengrün im Gesicht. «Kanonendonner!» rief er. «Irgendwo da vorne tobt eine Schlacht! Kehrtmachen, alle Mann! Bloß weg hier!»
«So ein Schweigling!» sagte der GuRie. «Da donnern doch keine Kanonen!»
«Aber sicher sind das Kanonen!» bollerte der Oberkommandierende der Landstreitkräfte. «Ich bin Soldat, und ich kann Kanonen am Klang erkennen. Das Ganze kehrt-um!»
«Das sind doch nur die Riesen, die beim Schlafen so schnarchen», sagte der GuRie. «Ich bin Riese, und ich kann Riesen am Schnarchen erkennen.» «Bist du dir da ganz sicher?» fragte der Oberkommandierende der Landstreitkräfte ängstlich. «Sicherer geht's nicht», sagte der GuRie.
«Langsam vorrücken!» lautete der Befehl des Oberkommandierenden der Landstreitkräfte. Alle setzten sich in Bewegung. Und dann konnte man sie endlich sehen! Sogar aus der Entfernung jagten sie den Soldaten einen fürchterlichen Schrecken ein. Aber als sie nahe genug herankamen und erkannten, was das für Riesen waren, brach allen der Angstschweiß aus. Neun grausig häßliche, halbnackte, sechzehn Meter lange Ungetüme lagen schief und krumm am Boden herum. Sie schliefen abgrundtief, und ihr Geschnarche hörte sich wirklich an wie Kanonendonner in der Schlacht.
Der GuRie hob eine Hand. Alle Jeeps machten stop. Die Soldaten sprangen ab.
«Und was passiert, wenn einer von denen aufwacht?» flüsterte der Oberkommandierende der Landstreitkräfte, wobei er vor Angst nur so schlotterte. «Wenn einer aufwacht, hat er dich verputzt, bevor du auch nur Piep sagen kannst», antwortete der GuRie und strahlte übers ganze Gesicht. «Ich bin der allereinzigste, der nicht verputzt wird, weil Riesen essen nie und nimmer Riesen. Ich und Sophiechen sind die allereinzigsten, die sicher sind, weil ich verstecke sie einfach, wenn was passiert.»
Der Oberkommandierende der Landstreitkräfte zog sich einige Schritte zurück. Dasselbe tat der Oberkommandierende der Luftstreitkräfte. Verdächtig schnell kletterten sie in ihren Jeep zurück, fest entschlossen, im Notfall sofort Gas zu geben und abzuhauen. «Vorwärts, Männer!» rief der Oberkommandierende der Landstreitkräfte. «Los, vorwärts! Seid tapfer und tut, was eure Pflicht ist!» Die Soldaten robbten vorwärts mit ihren Seilen und Ketten. Alle hatten das große Zittern. Und keiner sprach auch nur ein Sterbenswörtchen.
Der GuRie und Sophiechen, die jetzt auf seiner Handfläche saß, schauten sich die spannende Aktion aus der Nähe an. Eines mußte man den Soldaten ja lassen: an Mut fehlte es ihnen wirklich nicht. An jedem Riesen arbeiteten immer sechs gut trainierte, tüchtige Soldaten. Es vergingen keine zehn Minuten und acht von den neun Riesen lagen gefesselt da und schnarchten weiter im Tiefschlaf. Der neunte Riese - es war zufällig der Fleischfetzenfresser - bereitete den Soldaten einige Schwierigkeiten, weil sie an seinen rechten Arm nicht herankamen, der unter seinem gewaltigen Körper lag. So konnte man unmöglich seine beiden Handgelenke und Arme zusammenbinden. Dazu mußte man erst einmal den rechten Arm unter dem Körper hervorzerren.
Mit unendlicher Vorsicht begannen die sechs Soldaten, die dem Fleischfetzenfresser zugeteilt waren, an dessen mächtigem Arm zu ziehen, um ihn freizulegen. Der Fleischfetzenfresser blinzelte mit seinen winzigen schwarzen Schweinsäuglein.
«Welcher Jauchebauch rüttelt denn da an meinem Armchen?» brummelte er. «Bist du das, Menschenpresser, du Armleuchter?»
Plötzlich sah er die Soldaten. Ruckzuck saß er aufrecht da und schaute sich um. Immer mehr und mehr Soldaten tauchten vor ihm auf. Mit einem wilden Schrei sprang er auf die Füße. Die Soldaten erstarrten vor Angst und konnten sich nicht vom Fleck rühren. Waffen hatten sie nicht bei sich. Der Oberkommandierende der Landstreitkräfte schaltete seinen Jeep auf Rückwärtsgang. «Leberwesen!» brüllte der Fleischfetzenfresser. «Was macht denn ihr hier in unserm Riesenland, ihr komischen kleinen Leberfleischklümpchen auf Beinen?» Er schnappte sich einen Soldaten und hielt ihn hoch in die Luft. «Bei mir gips heute Ahmbrot schon am Nachmittag!» verkündete er laut, indem er den armen Soldaten in seiner grausigen Klaue zappeln ließ und dazu vor Lachen schrie.
Sophiechen stand jetzt auf GuRies Handteller und war vor Schreck wie gelähmt. «Tu doch was!» rief sie. «Beeil dich! Sonst frißt er ihn gleich auf!»
«Du sollst das menschliche Leberwesen hinlegen!» befahl der GuRie.
Der Fleischfetzenfresser drehte sich um und glotzte den GuRie an. «Was machst du denn hier mit diesen miesen Mickerlingen?» polterte er. «Du machst mich aber sehr mißtraurig!»
Der GuRie unternahm einen Angriff auf den Fleischfetzenfresser, aber der sechzehn Meter dreiundzwanzig hohe Koloß fegte ihn einfach beiseite mit einer kleinen Armbewegung. Dabei stürzte Sophiechen von GuRies Hand zu Boden. Ihr Geist arbeitete fieberhaft. Sie mußte irgend etwas tun! Sie mußte einfach! Sie mußte un-be-dingt! Da erinnerte sie sich an die Brosche mit dem Saphir, die ihr die Königin an die Brust geheftet hatte. Mit fliegenden Fingern machte sie die Brosche auf.
«Dich werd ich ganz schön gemütlich und langsam aufspachteln!» sagte der Fleischfetzenfresser zu dem Soldaten in seiner Faust. «Und dann verspachtel ich noch zehn oder zwanzig mehr von euch kleinen Zappelkrabben da unten! Vor mir könnt ihr nicht weglaufen, weil ich kann fünfzigmal schneller rennen als ihr!»
Geschmeidig wie ein Indianer schlich Sophiechen sich hinter den Fleischfetzenfresser. Die Brosche hielt sie jetzt in der Hand. Als sie direkt vor den großen, nackten, borstenbestandenen Riesenbeinen stand, rammte sie die lange starke Nadel der Brosche, so fest sie konnte, in Fleischfetzenfressers rechtes Fußgelenk. Die Nadel bohrte sich tief ins Fleisch und blieb da stecken.
Der Riese schrie auf vor Schmerzen und sprang hoch in die Luft. Den Soldaten ließ er fallen und griff mit beiden Pratzen nach seinem rechten Fußgelenk. Der GuRie, der genau wußte, was für ein Feigling der Fleischfetzenfresser war, packte die günstige Gelegenheit beim Schopfe. «Eine Schlange hat dich gebeißt!» rief er laut. «Ich hab gesehen, wie sie dich gebeißt hat! Das war eine fürchterhafte giftige Schlange! Eine todesgefährliche Kreuzotter war das sogar!»
«Hilfää! Hilfäää!» schrie der Fleischfetzenfresser. «Laßt die Alarmrosinen heulen! Ich bin gebeißt von einer sterbensgefährlichen Kreuzotter!» Er stürzte zu Boden, vergoß eimerweise Tränen und umklammerte ängstlich mit beiden Händen sein verwundetes Fußgelenk. Seine Finger ertasteten die Brosche. «Die Zähne der sterbensgefährlichen Hakenkreuzotter stecken immer noch in mir drin!» jammerte er. «Ich fühl die Zähne, wie sie in mein Fußgelenk beißen!»
Das war die zweite günstige Gelegenheit, die der GuRie beim Schopfe packen konnte. «Wir müssen die Otterzähne rausziehen, und zwar sofortissimo!» rief er. «Sonst bist du tot wie nix! Komm, ich helf dir!»
Der GuRie kniete neben dem Fleischfetzenfresser. «Du mußt dein Fußgelenk fest mit beiden Händen anfassen!» befahl er. «Dadurch werden die Giftsäfte haltgestoppt und können nicht dein Bein hochfließen in dein Herz!» Der Fleischfetzenfresser packte sein rechtes Fußgelenk mit beiden Händen.
«Und jetzt mach die Augen zu, beiß die Zähne zusammen und sag die zehn Gebete auf, dabei ziehe ich dir die Zähne der sterbensgiftigen Kreuzotter raus», sagte der GuRie. Zu Tode erschrocken tat der Fleischfetzenfresser alles, was ihm befohlen worden war.
Der GuRie gab Zeichen mit der Hand, daß er jetzt das Seil brauche. Ein Soldat brachte es ihm im Laufschritt. Und weil der Fleischfetzenfresser mit beiden Händen sein Fußgelenk umklammerte, war es für den GuRie eine Kleinigkeit, den Fuß und die Hände mit einem strammen Knoten zu fesseln.
«Ich zieh jetzt die fürchterhaften Otterzähne raus!» sagte der GuRie, als er den Knoten strammzog.
«Schnell, schnell!» stöhnte der Fleischfetzenfresser. «Sonst giftet sich das Ottergift noch bis in mein Herz, und ich geh tot!»
«So, das war's», sagte der GuRie beim Aufstehen. «Du kannst jetzt wieder deine Riesenäuglein aufmachen.» Sowie der Fleischfetzenfresser sah, daß er bewegungsunfähig in Fesseln lag, stieß er einen so gellenden Schrei aus, daß der ganze Himmel dröhnte.
Er zuckte und er zappelte, er strampelte und hampelte, er tobte und raste, er zog und zerrte, keuchte und knurrte. Aber es half alles nichts. «Hast du toll gemacht!» jauchzte Sophiechen. «Du hast es toll gemacht, einfach obertoll!» sagte der GuRie und lächelte zu dem kleinen Mädchen hinunter. «Du hast uns allen das Leben gerettätät!» «Würdest du mir bitte die Brosche wiedergeben?» bat Sophiechen. «Sie gehört nämlich der Königin.» Der GuRie zog die wunderschöne Brosche aus Fleischfetzenfressers Fußgelenk heraus. Der Fleischfetzenfresser brüllte vor Schmerz. Der GuRie wischte das Blut von der Nadel und gab die Brosche Sophiechen. Seltsamerweise war keiner von den acht anderen Riesen wachgeworden bei diesem Radau. «Wenn man am Tag nur ein oder zwei Stunden schläft, schläft man dreimal so tief wie sonst», erklärte der GuRie.
Die Oberkommandierenden der Landstreitkräfte und der Luftstreitkräfte fuhren mit ihrem Jeep wieder ein Stück nach vorn. «Ihre Majestät wird mit mir sehr zufrieden sein», sagte der Oberkommandierende der Landstreit-kräfte. «Höchstwahrscheinlich bekomme ich einen Orden verliehen. Was machen wir als nächstes?»
«Als nächstes fahrt ihr alle zu meiner Höhle und ladet sämtliche Gläser aus meiner Traumothek auf», sagte der GuRie.
«Mit solchem Mumpitz können wir doch nicht unsere kostbare Zeit verplempern», schnarrte der Oberkommandierende der Landstreitkräfte.
«Befehl der Königin!» rief Sophiechen. Sie stand jetzt wieder oben auf der Handfläche des GuRie. Sofort surrten die neun Jeeps über den Wüstenboden zur Höhle des GuRie hinüber, und die große Aktion TraumTransport begann.
Insgesamt mußten fünfzigtausend Glasgefäße verstaut werden, in jedem Jeep über fünftausend Stück, und das war eine Menge Arbeit, die über eine Stunde in Anspruch nahm.
Während die Soldaten mit dem Verladen der Träume beschäftigt waren, verschwanden der GuRie und Sophiechen hinter den Bergen, weil sie noch etwas Geheimes zu erledigen hatten. Als sie zurückkehrten, trug der GuRie einen Sack am Band über der Schulter, der war so groß wie ein ganzes Gartenhäuschen.
«Was ist da drin?» begehrte der Oberkommandierende der Landstreitkräfte zu wissen.
«Naseweis fällt auf die Nase», gab der GuRie zur Antwort und drehte dem aufgeblasenen Obergeneral den Rücken zu.
Als er nachgesehen hatte, daß alle seine kostbaren Träume heil und sicher verstaut waren auf den Jeeps, sagte der GuRie: «Jetzt fahren wir zurück zu den Pups-Räubern und nehmen die fürchterbaren Riesen mit.» Die Jeeps fuhren zurück zu den Hubschraubern. Die fünfzigtausend Träume wurden sorgfältig Glas für Glas auf die Hubschrauber umgeladen. Die Soldaten kletterten in die Maschinen. Nur der GuRie und Sophiechen blieben am Boden zurück. Alsdann setzten sich alle in Bewegung und zogen dahin, wo die neun Riesen lagen. Es war ein großartiger Anblick, wie die großen, starken Militärhubschrauber über den gefesselten Riesen in der Luft stillstanden. Ein noch großartigerer Anblick war es, wie die Riesen aufgeweckt wurden von dem wahnsinnigen Krach der Motoren über ihnen. Und der allergroßartigste Anblick war, wie diese neun scheußlichen Scheusale sich zuckend am Boden wanden und wälzten wie ein Haufen Schlangen oder Drachen, weil sie unbedingt die Seile und Ketten loswerden wollten.
«Man hat mich beschummeltuppt!» brüllte der Fleischfetzenfresser.
«Man hat mich bemogelfoppt!» keifte der Kinderkauer. «Man hat mich bedummschüsselt!» blökte der Knochenknacker.
«Man hat mich beschwipsduselt!» heulte der Menschen-presser.
«Man hat mich beschuftschwindelt!» ächzte der Hackepeter.
«Man hat mich beneppgaunert!» kreischte der Mädchen-manscher.
«Man hat mich besternhagelt!» winselte der Klumpenwürger.
«Man hat mich bemistfinkelt!» gurgelte der Blutschluk-ker.
«Man hat mich beknallmauschelt!» meckerte der Metzgerhetzer.
Die neun Hubschrauber-Riesentransporter verteilten sich auf die neun Riesen und blieben direkt darüber in Position. Superstarke Stahltrossen mit schweren Stahlhaken wurden vorne und hinten aus jeder Maschine herabgelassen. Der GuRie verankerte die Haken ruckzuck in den Kettenfesseln, immer einen an den Füßen und den anderen in der Schultergegend. Dann wurden die Riesen ganz langsam hochgehievt, bis sie waagrecht über der Erde baumelten. Die Riesen brüllten und kreischten, aber das half ihnen gar nichts.
Der GuRie, bei dem Sophiechen sich nun wieder gemütlich in die Ohrmuschel gekuschelt hatte, sauste in gestrecktem Galopp zurück nach England. Alle Hubschrauber schwenkten in eine Linie und brausten hinterher. Es sah einfach irrsinnig aus, wie die neun Hubschrauber in Kolonne durch die Luft schwirrten, und jeder hatte unter sich einen sechzehn Meter langen gefesselten Riesen baumeln. Die Riesen werden das selber auch höchst spannend gefunden haben. Sie brüllten ununterbrochen, wenn auch ihr Geschrei im Dröhnen der Motoren unterging. Bei Einbruch der Dunkelheit schalteten die Hubschrauber starke Scheinwerfer ein und strahlten damit den pfeilschnell dahinsausenden Riesen an, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Und so flogen sie die ganze Nacht durch. Als sie England erreichten, graute der Morgen.