Fütterzeit

In der Zwischenzeit, während die Riesen gefangengenommen wurden, hatte es in England ein wildes Tun und Treiben gegeben. Alle Leute und Maschinen, die etwas mit Tiefbau zu tun hatten, waren zusammengetrommelt wor-den, um eine gigantische Grube auszuheben, in der die neun Riesen für alle Zeiten eingekerkert werden sollten. Zehntausend Männer und zehntausend Maschinen arbeiteten pausenlos die ganze Nacht durch unter riesigen Flutlichtlampen. Das gewaltige Werk konnte gerade noch rechtzeitig fertiggestellt werden.

Die Grube war etwa doppelt so groß wie ein Fußballplatz und hundertfünfzig Meter tief. Die Seitenwände stiegen senkrecht in die Höhe, und Bauingenieure hatten genau berechnet, daß kein Riese jemals aus dieser Grube herauskommen konnte, wenn man ihn erst einmal da hinuntergelassen hatte. Selbst wenn alle neun Riesen sich übereinander aufstellen würden, würde der neunte auf den Schultern des achten immer noch über fünfzehn Meter vom oberen Grubenrand entfernt sein.

Die neun Hubschrauber-Riesentransporter schwebten über dem gigantischen Loch. Einer nach dem andern wurden die Riesen auf den Grund hinabgelassen. Aber gefesselt waren sie immer noch, und so ergab sich jetzt die schwierige Aufgabe, wie man sie aus ihren Fesseln befreien konnte. Natürlich wollte kein Mensch nach unten gehen und die Sache erledigen, weil er dann nämlich selber erledigt gewesen wäre: Sobald ein Riese seine Fesseln los wäre, würde er sich im Handumdrehen den, der ihn losgebunden hatte, greifen und ihm den Hals umdrehen und dann mit Haut und Haar verspeisen.

Wie immer, so wußte auch hier der GuRie die Lösung. «Ich hab's euch ja schon früher gesagt», rief er. «Nie im Leben essen Riesen Riesen. Also geh ich nach da unten und mach ihnen die Schnürsenkel auf, bevor ihr bis drei gezählt habt - oder bis vier.»

Tausende von neugierigen Zuschauern, die Königin mitten unter ihnen, reckten die Hälse, als der GuRie erst an einem Transportseil in die Höhe gezogen und dann vorsichtig in den Abgrund hinuntergelassen wurde. Einen nach dem andern band er die Riesen los. Die richteten sich auf, reckten und streckten ihre steif gewordenen Glieder und vollführten wilde Sprünge in ihrer Wut und Verzweiflung. «Warum haben die uns hier in dieses kotzverdampfte Loch geschmeißt?» schnauzten sie den GuRie an. «Weil ihr eßt immer menschliche Leberwesen», antwortete der GuRie. «Ich hab euch immer gesagt, das dürft ihr nicht. Aber das war euch immer total Würstchen.» «Wenn das so ist», grölte der Fleischfetzenfresser, «dann schlag ich vor und zurück, daß wir jetzt als Ersatz dich auffressen!»

Der GuRie packte blitzartig das hin und her pendelnde Seil, und schon sauste er ab nach oben außer Reichweite der Riesen. Das war knapp, aber gerade noch rechtzeitig.

Der große prallvolle Sack, den er aus dem Land der Riesen mitgebracht hatte, lag oben am Grubenrand. «Was ist da drin?» fragte ihn die Königin. Der GuRie steckte einen Arm in den Sack und zog etwas heraus: etwas Großes, Schwarzes, mit weißen Streifen, ungefähr von der Größe eines ausgewachsenen Mannes. «Kotzgurken!» schrie er. «Das hier ist die ekelhaftbare Kotzgurke, Eure Majonese. Ab heute kriegen diese ab-scheußlichen Riesen nichts anderes zu essen als immer nur Kotzgurke!»

«Darf ich die mal probieren?» fragte die Königin. «Bloß nicht, Eure Majonese! Bloß das nicht!» rief der GuRie. «Die schmeckt nach Hurgelgurgel und Würgelrülps!» Mit diesen Worten schleuderte er die Kotzgurke zu den Riesen hinab.

«Da habt ihr was zu beißen!» rief er hinterher. «Prost Mahlzeit!» Er angelte noch mehr Kotzgurken aus dem Sack heraus und warf sie nach unten. Die Riesen in der Tiefe schrien und fluchten. Aber der GuRie lachte nur: «Das geschieht denen so richtig rechts, wo das Herz nicht ist!» sagte er dabei.

«Und womit füttern wir sie, wenn jene besonderen Gurken da aufgebraucht sind?» fragte ihn die Königin. «Die sind nie und nimmer aufgebraucht, Eure Majonese», erwiderte lächelnd der GuRie. «Ich habe hier in diesem Sack ein paar Händevoll Kotzgurkenpflanzen mitgebracht, die ich mit deiner königinlichen Benehmigung dem Ballast-Gärtner zum Einpflanzen gebe. Dann haben wir für immer und ewig Nachschub an diesen Ekeldingern, mit denen wir die durstblütigen Riesen füttern.» «Du bist aber wirklich ein kluges Kerlchen», sagte die Königin, indem sie an dem baumlangen GuRie hinaufsah. «Deine schulischen Leistungen lassen zwar ein klein wenig zu wünschen übrig, aber dumm bist du wahrhaftig nicht, das weiß ich genau.»

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