SIEBZEHN
Merkt denn außer mir niemand, dass dieser kleine Mensch zum Himmel stinkt? Im wahrsten Sinne des Wortes! Brrr, es ist unerträglich, meine empfindliche Dackelnase schmerzt schon richtig. Ich beschließe, der Ursache für dieses Problem selbst auf den Grund zu gehen, und zerre an Henris Hose. Kurz darauf halte ich sie in der Schnauze. Jetzt noch weg mit der Windel, so macht Carolin das schließlich auch immer. Apropos Carolin – in diesem Moment biegt sie um die Ecke und stürzt sich mit einem Schrei auf mich.
»Herkules, du böser, böser Hund! Komm sofort raus aus der Wiege!«
Sie packt mich am Nacken und gibt mir einen Klaps auf den Po. Beleidigt jaule ich auf und verkrieche mich in mein Körbchen. Luisa hat vollkommen Recht – für uns interessiert sich hier niemand mehr. Und dieses Baby macht nur Ärger! Dabei wollte ich doch bloß helfen. Schließlich hat Henri schon eine ganze Weile geheult. Kein Wunder, bei der vollen Windel. Ist bestimmt unangenehm am Po. Außer mir hat sich aber niemand gekümmert. Luisa ist bei einer Freundin, Marc ist in der Praxis, und Caro hat geschlafen. Mal wieder. Die macht ja kaum noch etwas anderes. Ob das jetzt für immer so bleibt? Grausam! Dann brauche ich dringend ein neues Zuhause!
Es klingelt, und entgegen meiner sonstigen Gewohnheit springe ich nicht auf, um zu gucken, wer uns besucht. Menschen sind sowieso alle blöd. Also, fast alle. Luisa natürlich nicht. Und Willi selbstverständlich auch nicht. Aber die beiden stehen bestimmt nicht vor der Tür. Denn Luisa hat einen Schlüssel, und Willi hat sich bisher noch nie hierhin getraut. Der weiß wahrscheinlich gar nicht, wo wir wohnen. Und alle anderen sollen mir mal gestohlen bleiben.
Es ist Daniel. Hat sich auch nicht gerade als treuer Freund erwiesen. Von wegen Ich kümmere mich um Herkules, wenn ihr mit dem Baby beschäftigt seid. Kein Stück! Hat doch nur noch die blöde Claudia im Kopf. Und seitdem Cherie für längere Spaziergänge ausfällt, ist Daniels Interesse daran auch schlagartig versiegt. So etwas von durchsichtig.
»Grüß euch!«, ruft er jetzt fröhlich in die Runde. »Claudia ist unten bei Cherie, und da dachte ich, schau ich doch mal kurz auf ein Getränk vorbei.«
Caro sieht ungefähr so euphorisch aus, wie ich mich fühle. Das kann ich selbst von meinem Körbchen aus erkennen.
»Hallo, Daniel. Du, ich bin total erledigt und hatte mich gerade etwas hingelegt.« Pöh. Glatt gelogen. Nach meinem Eindruck pennt die schon den ganzen Tag. »Und wenn Herkules nicht gerade einen Anschlag auf Henri verübt hätte, würde ich auch noch friedlich schlummern.« Wie bitte? Eine bodenlose Unverschämtheit! Wie kann sie nur so etwas behaupten? Ich bin empört! Daniel grinst.
»Na, aber wo du schon mal wach bist, kannst du mich doch ruhig hereinbitten, oder?«
Caro stöhnt.
»Aber nur, wenn du dich ein bisschen nützlich machst. In drei Stunden kommt Hedwig vorbei.«
»Ist doch klasse. Geht schließlich nichts über den Oma-Rettungsdienst.«
»Oma-Rettungsdienst? Man merkt, dass du Hedwig nicht gut kennst. Die wird hier erst mal mit dem Finger über sämtliche Möbel fahren und feststellen, dass schon seeehr lange nicht mehr Staub gewischt wurde. Vom restlichen Zustand der Wohnung ganz abgesehen. Wenn ich das also vermeiden will, muss ich gleich mal aufräumen.«
»Entspann dich. Vielleicht solltest du keinen Kaffee, sondern ein Glas Sekt trinken.«
Caro schüttelt den Kopf.
»Nein. Weder noch. Trinke ich einen Kaffee, schläft Henri mit Sicherheit noch schlechter, und dann drehe ich durch. Und Alkohol in der Stillzeit ist auch nicht das Wahre.«
»Aber vielleicht schläft Henri dann besser.«
Daniel klopft Caro auf die Schulter, die muss nun wenigstens lächeln. Ich habe den Zusammenhang von Kaffee, Sekt und Henri zwar nicht verstanden, freue mich aber, dass Daniel Caro ein bisschen aufzumuntern scheint.
»Komm, ich mach uns jetzt eine Flasche auf. Ich habe nämlich zufälligerweise eine gut gekühlte mit dabei.«
Er geht vor in Richtung Küche, Caro folgt ihm, und ich winde mich nun doch mal aus meinem Körbchen hoch. Beleidigt sein ist auf Dauer sehr langweilig.
Im Wohnzimmer angekommen, nimmt Daniel tatsächlich eine Flasche aus seiner großen Umhängetasche und stellt sie auf den Couchtisch.
»Hast du mal Gläser?«
»Äh, klar. Aber sag doch – gibt es irgendwas zu feiern?«
Daniel nickt.
»Ja. Es ist passiert.«
»Hä?«
»Ich bin verliebt.«
»Das hatte sich sogar schon zu mir rumgesprochen. In diese Claudia, richtig?«
»Ja. Aber es kommt noch besser. Sie ist es ebenfalls, und gestern haben wir den Schlüssel zu unserer neuen gemeinsamen Wohnung abgeholt. Claudia und ich – wir ziehen zusammen.«
»Bitte?«
»Super, oder? Komm, lass uns anstoßen.« Er füllt die Gläser, die Caro mittlerweile auf den Tisch gestellt hat, und drückt ihr eins in die Hand. »Auf die Liebe!«
»Ja, äh, auf die Liebe!«
Moment, Moment, Moment. Jetzt mal ganz langsam für kleine Dackel. Daniel und Claudia ziehen zusammen? So wie Marc und Caro es getan haben? Wow – das sind in der Tat Neuigkeiten. Auch Caro scheint tief beeindruckt, jedenfalls hat sie die Augen eben ganz schön weit aufgerissen.
»Aber, sag mal, so richtig lange kennt ihr euch noch nicht, oder? «
Daniel zuckt mit den Schultern.
»Na und? Eine Garantie gibt’s doch im Leben sowieso nicht. Ich liebe sie, sie liebt mich – und jetzt probieren wir es einfach aus. Claudia ist ein sehr spontaner Typ. Eine Wohnung brauchten wir ohnehin beide. Warum es also nicht einfach wagen.«
»Na ja, so gesehen …«
»Und letzte Woche haben wir die perfekte gefunden. Sogar mit einem kleinen Garten, und Hunde sind für den Vermieter kein Problem. Morgen können Cherie und die Welpen umziehen.«
»Klingt super. Gar kein Haken?«
»Ein klitzekleiner. Sie liegt in Volksdorf. Da habe ich natürlich demnächst einen ziemlich weiten Arbeitsweg. Aber Claudia arbeitet sowieso zu Hause, und der Wald ist gleich um die Ecke. Ist für sie also ideal. Kann sie mit Cherie immer schön raus. Die Innenstadtlage hier ist für einen Retriever eigentlich blöd. Immer nur Alster – da kann der sich ja gar nicht richtig austoben.«
»Tja. Wenn du meinst.«
Stopp, stopp, stopp – heißt das etwa, dass ich Cherie demnächst gar nicht mehr sehen werde? Also, ich meine, wenn wir ihre Gören los sind und sie endlich wieder klar denken kann? Aber … aber … aber damit tröste ich mich hier doch die ganze Zeit. Das ist gewissermaßen mein Licht am Ende des Tunnels! Das geht doch nicht!
»Mensch, was ist heute bloß mit dem Köter los? Herkules, warum jaulst du denn jetzt? Weißt du was – du nervst mich heute ganz schön.«
Quer über den Flur fängt Henri an zu schreien. Caro fährt sich mit den Händen durch die Haare. »Oh Gott, ich drehe heute noch durch.« Dann nimmt sie eines der Gläser und trinkt es in einem Zug aus. Daniel tätschelt ihren Arm.
»Pass auf, ich nehme den Kollegen hier mal mit. Ich fahre sowieso gleich in die Werkstatt, da kann er im Garten rumtoben, während wir Claudias restliche Sachen zusammenpacken. Ich meine, für Herkules ist es hier wahrscheinlich gerade uferlos langweilig. Und viel zu laut.«
Caro nickt.
»Danke, das ist nett. Mir ist es auch zu laut hier. Und dann auch noch Hedwig … womit habe ich das bloß verdient?«
Ja. Eine berechtigte Frage. Ich stelle sie mir auch gerade. Womit habe ich das bloß verdient?
»Das ist nicht dein Ernst? Ich meine, du bist ein Hund, keine Katze. Das ist dir klar, oder?«
Blöder Kater. Natürlich ist mir das klar.
»Ja, Beck. Ich bin ein Hund. Worauf willst du hinaus?«
»Das ist doch wohl offensichtlich: Es gibt hier in der Gegend jede Menge freilebender Katzen, aber ich habe noch keinen einzigen freilebenden Hund getroffen. Also, dein Plan, einfach abzuhauen, scheint mir noch nicht bis ins letzte Detail durchdacht. Wovon willst du zum Beispiel leben? Hast du schon mal ein anderes Tier gefangen und gefressen? In freier Wildbahn liegen Kaninchen nicht einfach morgens im Fressnapf.«
Okay. Ich hätte Herrn Beck nichts von meinem Plan erzählen dürfen. Es war vorhersehbar, dass er mir mit seiner negativen Art alles schlechtreden würde.
»Das lass mal meine Sorge sein. Meine Ahnen sind noch mit dem letzten Kaiser zur Jagd gegangen. Ich habe das einfach im Blut.«
Herr Beck kichert.
»Ja, vielleicht im Blut. Aber mit Sicherheit nicht im Köpfchen. Ich erinnere mich nur an die peinliche Geschichte mit dem Kaninchenbau im Park. Weißt du noch? Willi musste dich ausgraben.«
Wie könnte ich das vergessen. Ich bin jedoch nicht das einzige Raubtier, das sein Jagdtrieb schon mal in Schwierigkeiten gebracht hat.
»Beck, alter Freund, natürlich weiß ich das noch. Allerdings erinnere ich mich auch an einen fetten Kater, der bei der Jagd auf einen Wellensittich im Käfig stecken blieb. Aber ich glaube, er wurde gerettet. Von wem noch gleich? Äh … war es nicht von einem Dackel?«
Herr Beck zuckt mit den Schnurrbarthaaren.
»Okay. Eins zu eins. Trotzdem leuchtet mir dein Plan nicht ein. Ich verstehe, dass du genervt bist. Aber deswegen abhauen? Da landest du als Hund doch schneller im Tierheim, als du an einen Baum pinkeln kannst. Außerdem: Hast du mir nicht erzählt, dass Luisa auch so traurig ist? Die kannst du als treuer Hund doch nicht einfach allein zurücklassen. Dann hat das arme Kind ja niemanden mehr!«
Stimmt. Guter Punkt. Das hatte ich so gar nicht bedacht. Was wird aus Luisa, wenn ich nicht mehr da bin?
»Vielleicht hast du Recht«, räume ich zögerlich ein.
»Aber natürlich habe ich Recht. Und was Cherie anbelangt: Der Park ist voller Hunde. Früher oder später wirst du dich in eine andere Hündin verlieben und – schwupp! – hast du keinen Liebeskummer mehr!«
Herr Beck kennt sich mit Liebeskummer offensichtlich überhaupt nicht aus. Schwupp. Was für ein Unsinn! Wenn das so einfach wäre, hätte ich mir Cherie schon gleich am Anfang aus dem Herzen gerissen. War ja klar, dass das mit uns beiden nicht einfach werden würde. Aber so funktioniert mein Herz leider nicht. Es ist da sehr eigensinnig. Ob das daran liegt, dass es ein Dackelherz ist? Oder sind Herzen im Allgemeinen derart widerspenstige Geschöpfe? Über diese Frage muss ich kurz ein bisschen sinnieren. Ja, wahrscheinlich ist es so. Das Herz lässt sich vom Kopf nur schwer reinreden. Auch wenn der Kopf weiß, dass man besser die Pfoten von jemandem lassen sollte – das Herz sieht das noch lange nicht ein. Es lässt sich eben nicht bevormunden und will seine schlechten Erfahrungen selbst sammeln. Genauso war es auch, als ich noch ein passendes Herrchen für mein Frauchen gesucht habe. Caro wollte einfach nicht einsehen, dass der blöde Thomas nicht zu ihr gepasst hat. Bis ich sie endlich mit Marc zusammengebracht habe, hat es ganz schön gedauert. Und heute? Tja, da sind sie eine glückliche kleine Familie. So glücklich, dass sie gar nicht merken, wie es Luisa gerade geht. Und mir! Obwohl es diese Familie ohne mich gar nicht gäbe. Ist das nicht ungerecht?
Herr Beck knufft mich in die Seite. Und zwar ziemlich unsanft.
»He – was soll das?«
»Tut mir leid, aber ich kann deine Jaulerei nicht mehr hören. Lass uns eine Runde durch den Park stromern, das bringt dich bestimmt auf andere Gedanken!«
»Ich kann doch hier nicht einfach abhauen. Daniel ist bestimmt gleich fertig mit seinem Krams. Wenn er mich dann nicht findet, kriege ich garantiert Ärger.«
»Hey – eben wolltest du hier noch ganz den Stöpsel ziehen und dich für immer vom Acker machen. Und jetzt reicht es nicht einmal für eine Runde durch den Park? Was seid ihr Hunde doch für Feiglinge.«
Feigling? Das kann ich nicht auf mir sitzen lassen. Ich rapple mich auf, schüttle mich kurz und werfe meinen Kopf in den Nacken.
»Du willst los? Na gut. Auf geht’s!«
Ohne groß abzuwarten, ob Herr Beck mir folgt, renne ich auf das hintere Gartentörchen zu, welches unseren Garten von dem großen Park hinter unserem Haus trennt. Das Törchen ist eigentlich nie richtig abgeschlossen, und wenn man nur fest genug dagegendrückt, springt es auch gleich auf. So wie eben jetzt. Ich zwänge mich durch den Spalt und flitze los.
»Nun warte doch mal auf mich, Herkules!«
Schnaufend rennt Herr Beck hinter mir her. Ich werde langsamer und gucke über meine Schulter.
»Und? Womit willst du mich hier aufmuntern? Wollen wir Eichhörnchen jagen?« Kleiner Scherz meinerseits. Eichhörnchen sind für mich unerreichbar. Viel zu schnell und extrem gute Kletterer. Selbst eine Katze wie Herr Beck hat da ganz schlechte Karten – für ein flinkes Eichhörnchen ist der Kollege einfach viel zu dick und zu behäbig.
»Ha, ha, sehr witzig. Wenn du dir so viel zutraust, können wir es auch gleich mit ein paar Amseln versuchen!«
»Worauf du dich verlassen kannst!«
Wir sausen um die Wette auf der großen Wiese zwischen den Bänken hin und her. Der Rasen ist noch feucht von dem vielen Regen der vergangenen Tage, und ab und zu spritzt das Wasser hoch an meinen Bauch und kitzelt mich. Ein herrliches Gefühl! Wahrscheinlich bin ich nur so schwermütig, weil ich in den letzten Wochen so wenig an der frischen Luft war. Herr Beck scheint tatsächlich hinter ein paar Vögeln herzujagen, jedenfalls macht er große Sprünge auf ein paar Spatzen zu, die aufgeregt davonfliegen. Ich überlege, ob ich nach Kaninchen Ausschau halten soll, und schnüffele deswegen nach einer entsprechenden Fährte. Sollte ich wirklich irgendwann zum Selbstverpfleger werden, kann ich hier ruhig schon einmal üben. Mit zum Boden gesenkter Nase laufe ich deshalb weiter über die Wiese, als ich tatsächlich eine interessante Witterung aufnehme: Luisa! Täusche ich mich? Ich schnüffele noch einmal genau nach. Nein, kein Zweifel, das ist Luisas Fährte. Wie kommt die denn hierher?
Ich hebe den Kopf und schaue mich um. Im Park ist es recht voll, kein Wunder, ist es doch der erste sonnige Tag seit längerer Zeit. Große und kleine Menschen sind also unterwegs, gar nicht so leicht, hier eine bestimmte Person per Auge auszumachen. Deshalb verlasse ich mich lieber wieder auf meine Nase. Immer der Fährte nach trabe ich los. Mittlerweile hat auch Herr Beck gemerkt, dass ich etwas Bestimmtes suche.
»Hallo, wo läufst du denn hin?«, will er von mir wissen.
»Luisa muss hier irgendwo sein. Ich rieche es genau.«
»Tja, warum auch nicht? Schließlich ist schönes Wetter, und sie wohnt ganz in der Nähe.«
»Ja, aber sie hat Caro erzählt, dass sie sich mit einer Freundin verabredet hat.«
»Na und? Die Mädels können sich doch im Park treffen. Wo ist das Problem?«
»Ganz einfach: Dann hätte sie mich unter normalen Umständen doch mitgenommen. Nein, irgendwas ist hier komisch.«
»Herkules, es tut mir leid, das zu sagen: Du spinnst. Ich glaube, diese ganze Babynummer hat dich völlig durcheinandergebracht. Du siehst Gespenster, wo garantiert keine sind.«
Soll er nur reden, der Kater. Ich lasse mich nicht beirren und folge weiter der Spur. Ha! Jetzt kommt noch ein zweiter bekannter Geruch hinzu: Willi! Das ist nun garantiert kein Zufall mehr. Ich werde immer schneller, komme am Ende der Wiese an und biege auf den kleinen Kiesweg, der zum Kinderspielplatz führt. Die Fährte ist nun so deutlich und so sehr aus den Gerüchen von Luisa und Willi verwoben, dass ich bestimmt gleich über die beiden falle. Ich schaue nach vorne und: Bingo! Dort sitzen sie. Auf den beiden Schaukeln des Spielplatzes. Ob Herr Beck mich noch sieht oder nicht, ist mir vollkommen wurscht. Ich renne sofort zur Schaukel rüber.
»Herkules, mein Lieber! Wo kommst du denn her?« Luisa hüpft von ihrer Schaukel herunter und streichelt mich. »Hast du mich gesucht? Du bist ja lieb!«
Ich mache Männchen und lecke ihre Hände ab. Schön, dass sie wieder so gut gelaunt ist – trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, dass hier irgendwas Seltsames im Gange ist. Wieso trifft sich Luisa mit Willi und erzählt Caro, dass sie zu einer Freundin geht? Ich lege mich zwischen die beiden Schaukeln. Vielleicht erfahre ich mehr, wenn ich noch ein bisschen hierbleibe.
Mittlerweile ist auch Herr Beck angekommen, sehr zur Freude von Willi.
»Also, diese beiden sind wirklich das lustigste Pärchen seit Dick und Doof!«
Luisa kichert.
»Na, wer Dick ist, ist hier ziemlich klar. Dann muss Herkules wohl Doof sein.«
Beide lachen laut los. Versteh ich nicht. Was ist denn daran lustig? Auch Herr Beck versteht nicht, worüber sich Luisa und Willi so amüsieren. Irritiert schwenkt er seinen Schwanz hin und her.
»Reden die über uns? Ich finde ja menschlichen Humor selten komisch. Aber egal. So, mein Lieber, ich denke, wir sind auf der Suche nach einem Abenteuer. Das wirst du zu Füßen von Luisa und Willi kaum finden. Lass uns mal weiter.«
»Nein, warte. Ich habe das Gefühl, dass die beiden etwas Wichtiges besprechen.«
Herr Beck schnaubt.
»Menschenkram ist selten wichtig.« Er zögert kurz, aber als ich keine Anstalten mache aufzustehen, legt er sich neben mich.
Luisa sitzt nun wieder auf ihrer Schaukel. Während sie sich mit Willi unterhält, schwingt sie langsam vor und zurück.
»Nein, Willi. Das bilde ich mir nicht ein. Die sind total ungerecht zu mir, seit das Baby da ist. Es geht immer nur um Henri. Genau, wie meine Mama es vorher befürchtet hatte. Und du hast gesagt, ich soll zu dir kommen, wenn ich ein Problem habe. Also – du musst mir helfen! Ich weiß nicht, wen ich sonst fragen könnte.«
»Ja, das habe ich gesagt und dazu stehe ich auch – aber trotzdem finde ich, dass Abhauen keine gute Idee ist. Das löst das Problem doch nicht. Glaube mir, ich bin in meinem Leben schon vor vielen Problemen weggelaufen – und damit ganz schön auf die Schnauze gefallen. Also, rede mit deinem Vater, bitte!«
Luisa schüttelt so heftig den Kopf, dass die Schaukel nicht mehr vor und zurück schwingt, sondern von links nach rechts wackelt.
»Wenn ich mit ihm rede, wird er es mir verbieten. Oder denken, dass das Mamas Idee war. Das stimmt aber nicht, sie hat keinen Schimmer von meinem Plan. Nein, wenn du mir nicht hilfst, dann mache ich es eben allein. Ich komme schon irgendwie nach München. Und wenn ich erst wieder bei Mama bin, wird auch alles gut.«
»Luisa, bitte sei doch vernünftig – du bist noch ein Kind. Wie willst du das denn schaffen? Das ist doch viel zu gefährlich.«
»Nein, Willi. Ich haue ab. Mit oder ohne deine Hilfe.«
Dann springt sie von ihrer Schaukel auf und rennt zur anderen Seite des Parks, ohne sich noch einmal umzusehen.