VIER
Du hast was? Ein Hausverbot bei Karstadt?«
»Na ja, Hausverbot ist vielleicht ein bisschen übertrieben. Sagen wir mal so: Ich konnte meinen Einkauf dort nicht wie geplant fortsetzen.«
Wie wahr. Denn Bleckede war zwar in der Tat ein Zwerg. Aber er konnte trotzdem was. Nämlich zwei weitere Herren hinzubitten und uns dann den Weg zur Tür zeigen. Sehr unangenehm, sehr unangenehm. Soweit ich das vom Boden aus beurteilen konnte, haben alle anderen Menschen auf dem Weg zur Tür ziemlich geguckt. Gott sei Dank unterhielt sich Luisa direkt vor dem Kaufhausdings mit dem dicken falschen Weihnachtsmann und ging uns bei der ganzen Aktion nicht verloren. Ich hätte nicht Carolins Gesicht sehen mögen, wenn wir nicht nur ohne Geschenk, sondern auch ohne Luisa wieder aufgekreuzt wären.
Auch so ist Carolin nicht sonderlich begeistert vom Verlauf unserer kleinen Einkaufstour. Interessanterweise scheinen es Menschenweibchen nicht sehr zu schätzen, wenn die Männer aneinandergeraten. Während die durchschnittliche Dackeldame von einem ehrlichen Kampf Rüde gegen Rüde durchaus angetan und einem Rendezvous mit dem daraus hervorgehenden Sieger bestimmt nicht abgeneigt ist, kommt bei Carolin schon die Schilderung von Marcs kleinem Wortgefecht mit Bleckede überhaupt nicht gut an. Dabei haben sich die beiden nicht mal gehauen. Oder wäre das besser gewesen? Andererseits – man kann nicht wirklich sagen, dass Marc als Sieger vom Platz gegangen ist. Vielleicht ganz gut, dass es bei ein bisschen Rumgeschrei geblieben ist.
Die Stimmung im Hause Wagner-Neumann ist jedenfalls richtig schlecht. Man kann die Anspannung fast mit Pfoten greifen. Ob das auch irgendetwas mit dem Weihnachtsmann zu tun hat? Marc ist sonst nicht aufbrausend, ich habe jedenfalls noch nie erlebt, dass er sich quasi aus dem Nichts heraus so mit anderen Menschen gestritten hat wie mit Zwerg Bleckede. Was hat diese Frau Winkelmann noch gesagt? Das Fest der Liebe? Das passt alles irgendwie nicht zusammen. Oder es ist Carolins schwere Krankheit, die Marc verzweifeln lässt.
Marc und Carolin schweigen sich derweil ein bisschen an, von Versöhnung keine Spur. Ich beschließe, meinen Zweitlieblingsplatz vor dem Sofa aufzugeben und mich zu verziehen. Luisa scheint es ähnlich zu gehen, die ist bereits in ihr Kinderzimmer abgetaucht. Am besten leiste ich ihr ein wenig Gesellschaft, geteiltes Leid ist halbes Leid. Mit der Vorderpfote kratze ich an der Zimmertür, sofort macht Luisa auf.
»Na, Süßer? Doof, wenn die sich streiten, oder? Komm rein, ich kraul dich ein bisschen.«
Das muss sie mir nicht zweimal sagen! Kaum, dass sich Luisa auf ihr Bett gesetzt hat, hüpfe ich mit einem Satz auf ihren Schoß und drehe mich dann auf den Rücken. Zirkusreif, möchte ich meinen, denn so ein Satz ist mit meinen kurzen Beinen gar nicht so leicht. Sie sind zwar ein klein wenig länger als bei reinrassigen Dackeln, aber immer noch ziemlich kurz – kein Vergleich etwa zu Cheries Beinen. Cherie ist eine Golden-Retriever-Dame mit unglaublich schlanken Fesseln und außerdem die schönste Hündin, die ich jemals gesehen habe. Aber das ist eine andere Geschichte. Mit dem Weihnachtsmann hat sie jedenfalls nichts zu tun.
Luisa krault mich unter dem Kinn und am Bauch, ich zucke vor Vergnügen mit den Pfoten. Herrlich, am liebsten würde ich schnurren, aber ich habe bis heute nicht herausgefunden, wie Beck das immer hinkriegt. Also schlecke ich einmal kräftig um meine Schnauze, in der Hoffnung, Luisas Finger zu erwischen. Das klappt und Luisa kichert.
»Mach dir keine Sorgen um Papa und Carolin, die vertragen sich schon wieder.« Redet Luisa jetzt mit sich selbst oder mit mir? Ich fühle mich thematisch natürlich sofort angesprochen, denn genau darüber mache ich mir gerade Gedanken. Herr Beck vertritt allerdings die These, dass Menschen im Grunde genommen immer Selbstgespräche führen, wenn sie mit Tieren reden. Nur, dass sie sich dabei besser fühlen, weil es schon etwas komisch ist, wenn so gar niemand zuhört. Will sich Luisa also nur selbst trösten? Ich versuche, in ihr Gesicht zu schauen. Weil Menschen ihre Haare nicht im Gesicht, sondern nur darüber tragen, kann man aus ihrer Mimik immer eine ganze Menge über ihren Seelenzustand ableiten. Hochgezogene Mundwinkel bedeuten gute Laune, heruntergezogene schlechte. Kommen dann noch Tränen dazu, wird es ganz finster. Ich bin vielleicht noch kein solcher Experte wie Herr Beck, aber zu einer gewissen Kennerschaft bei der Beurteilung von menschlichen Gemütszuständen habe ich es mittlerweile auch schon gebracht.
Ich betrachte Luisas Gesicht – nein, traurig sieht sie nicht aus. Eher ganz zufrieden mit sich und der Welt. Also redet sie wirklich mit mir. Toll, offensichtlich geht die Kennerschaft inzwischen auch in die andere Richtung, und Luisa kann sich ganz gut in meine Gedankenwelt einfinden. Um ihr zu signalisieren, dass sie auf dem richtigen Weg ist, wedele ich mit dem Schwanz. Auf dem Rücken liegend ist das gar nicht so einfach, und ich fange dabei auch ganz schön zu rudern an, um nicht von Luisas Schoß zu fallen. Bevor aber noch ein Unglück passiert, ist die Botschaft angekommen. Luisa nimmt mich in ihre Arme und flüstert mir ins Ohr.
»Herkules, so ist das an Weihnachten. Alles soll schön sein, und das ist manchmal ganz schön anstrengend.«
Das scheint mir auch so – die entscheidende Frage ist nur: warum? Und was ich nach wie vor nicht verstehe: Ich habe doch schon zweimal Weihnachten mit Marc und Carolin gefeiert, und da wurde im Vorfeld nicht einmal halb so viel Gewese betrieben wie jetzt. Und nur, weil Luisa dieses Mal dabei ist und vielleicht der Weihnachtmann kommt, diese ganze Aufregung? Was ist bloß mit meinen Menschen los? Sind die alle verrückt geworden? Wenn sich selbst der sonst so entspannte Marc in diesem Kaufhausdings schon fast eine Schlägerei liefert? Offenbar wirke ich für Dackelverhältnisse und trotz der vielen Haare um meine Schnauze herum extrem skeptisch, denn Luisa legt noch mal nach.
»Weißt du, ich glaube, Papa hat Angst, dass ich Weihnachten hier nicht schön finde. Die letzten beiden Jahre habe ich immer mit der Mama gefeiert. Und weil sich Papa und Mama ja nicht so gut verstehen, befürchtet Papa vielleicht, dass ich dann Heimweh bekomme und wieder nach München will. Verstehst du?«
München? Ich knurre ein bisschen, was mir gerade bei dem Gedanken an Marcs Exfrau besonders leichtfällt. Sabine, diese falsche Schlange, hatte im vorletzten Sommer doch tatsächlich versucht, Marc meiner Carolin wieder abspenstig zu machen. So schön kann Weihnachten mit dieser furchtbaren Frau beim besten Willen nicht sein!
»Keine Sorge, Herkules«, interpretiert Luisa mein Knurren richtig, »ich freue mich, dass ich dieses Jahr hier bin. Auch wenn das mit dem Weihnachtsmann nicht klappt.« Weihnachtsmann? Ich strample mich frei, springe von Luisas Arm, hocke mich direkt vor ihre Füße und mustere sie interessiert. Jetzt wird es spannend! Was weiß Luisa über den Weihnachtsmann?
»Es ist nämlich so, Herkules: Ich glaube gar nicht mehr an den Weihnachtsmann. Schon seit letztem Jahr nicht mehr. Da war ich doch zur Klassenfahrt im Schullandheim, und Paulis Klasse war auch da, und abends haben wir Flaschendrehen gespielt. Und weil ich verloren habe, musste ich ein Geheimnis verraten. Da habe ich erzählt, dass ich weiß, wo der Weihnachtsmann wohnt. Weil ich nämlich in München gesehen habe, dass unser Nachbar den Weihnachtsmannanzug an seiner Garderobe hängen hatte und dann später mit Rauschebart und einem großen Sack über den Flur gehuscht ist. Als ich das erzählt habe, haben sich alle totgelacht. Am meisten Pauli. Dabei finde ich den so toll! Na, und dann haben mir alle erzählt, dass es den Weihnachtmann gar nicht gibt. Alle waren sich einig, dass sich die Erwachsenen das nur ausdenken, damit wir Kinder brav sind, und dass unser Nachbar keinesfalls der echte Weihnachtsmann war. Pauli konnte gar nicht mehr aufhören zu lachen. Richtig ätzend war das. Tja, seitdem weiß ich das. Und letzte Woche habe ich gehört, wie Papa Carolin erzählt hat, dass er wahrscheinlich niemanden mehr aufgetrieben kriegt, der bei uns zu Weihnachten den Weihnachtsmann spielt. Es stimmt also.«
Kann das wahr sein? Das wäre ja sensationell, SENSATIONELL! Nicht, dass mir die Existenz des Weihnachtsmanns irgendetwas bedeuten würde, aber zum ersten Mal in meinem Leben als Haustier wüsste ich etwas über Menschen, was Herr Beck noch nicht herausgefunden hat. Es gibt keinen Weihnachtsmann! Ich spüre ein triumphales Gefühl in mir hochsteigen, fast wäre ich versucht, sofort zu Carolins Werkstatt zu laufen, um Herrn Beck das unter die Nase zu reiben. Von wegen die Menschen warten auf den Weihnachtsmann. So’n Quatsch! Tun sie eben nicht!
Wobei: Worauf warten sie dann? Und wieso sind sie alle so nervös? Es war ja nicht nur Marc, der kurz davor war, die Nerven zu verlieren. Alle anderen Zweibeiner machten auch einen sehr angespannten Eindruck. Gut, bei Marc führe ich das auf Carolins schlechten Gesundheitszustand zurück. Aber bei Herrn Bleckede? Oder Frau Goldberg? Und all den anderen, die momentan so kopflos durch die Gegend rennen? Nur an der Geschenkearie kann es ja nicht liegen, denn wenn die meisten Erwachsenen wissen, dass es keinen Weihnachtsmann gibt, haben sie doch ausreichend Zeit, sich auf Weihnachten vorzubereiten und die Geschenke selbst zu besorgen. Wenn ich das richtig verstanden habe, ist das schließlich jedes Jahr und kommt somit nicht überraschend. Das dürfte die Menschen nicht vor allzu große Probleme stellen.
»Weißt du, Herkules, auch ohne Weihnachtsmann freue ich mich dieses Jahr besonders. Denn diesmal feiern wir als richtig große Familie! Oma kommt, und Carolins Eltern kommen auch. Die sind ja auch so ein bisschen wie Oma und Opa für mich. In München habe ich immer nur mit Mama und Jesko zusammen gefeiert. Da gibt’s natürlich viel weniger Geschenke. Ach, das wird bestimmt schön, wenn sich Oma und die Fast-Oma endlich kennen lernen! Ich mag die beiden so sehr, also mögen sie sich bestimmt auch gleich. Und meine beiden echten Opas sind ja schon tot, da ist es doch super, dass ich jetzt noch einen Ersatz-Opa bekomme, nicht?«
Ich muss an meinen eigenen Opa denken. Opili war der schneidigste Dackel, den die Welt je gesehen hatte. Schlau, furchtlos und gütig. Ein exzellenter Jäger. Ein treuer Kamerad. Ich habe nie erlebt, dass sich der alte von Eschersbach jemals zu einer Gefühlsregung hat hinreißen lassen. Aber als Opili einmal von einer Wildsau angegriffen und verletzt wurde, da hat sich der Alte wirklich Sorgen um seinen treuen Jagdhund gemacht, so hat es Opili mir erzählt. Opili hatte eine große Wunde, die genäht werden musste, und der Alte hat zwei Nächte an seinem Korb gewacht. So wichtig war Opili für ihn. Und für mich: Er ist immer noch mein großes Vorbild. Alles, was ich über die Jagd weiß, weiß ich von ihm.
Wenn der Ersatz-Opa auch nur halb so bedeutend für Luisa wird, wie Opili es für mich war, dann hat sie wirklich Glück und kann bestimmt viel von ihm lernen. Wobei ich mir gerade nicht so sicher bin, was Menschenkinder überhaupt von ihren Ahnen lernen. Wenn ich es richtig verstanden habe, lernt Luisa die meisten Sachen in der Schule. Dort geht sie gemeinsam mit vielen anderen Kindern hin und lernt – ja, was eigentlich? Ich würde vermuten, auf alle Fälle die Sache mit dem Lesen und Schreiben. Darum beneide ich sie. Denn damit können die Menschen sehr viele Sachen machen, die kein Hund jemals bewerkstelligen würde. Zum Beispiel kann man sich miteinander verständigen, ohne sich zu sehen. Aber nicht wie am Telefon. Also, die Menschen sprechen nicht miteinander. Sondern sie schreiben ihre Gedanken auf ein Blatt Papier. Und dann kann ein anderer Mensch sie lesen. Und obwohl die beiden Menschen vielleicht kein Wort miteinander gewechselt haben, weiß der Leser, was der Schreiber gedacht hat. Mal angenommen, ich könnte schreiben. Dann würde ich auf einen Zettel schreiben »Bin im Garten.« Und wenn Herr Beck dann auch noch lesen könnte, würde er auf den Zettel gucken und wüsste, wo er mich findet. Faszinierend, oder? Und diese Fähigkeit, die lernen Kinder in der Schule. Das bedeutet, nicht jedes Kind lernt für sich alleine von Mutter oder Vater, sondern alle zusammen von irgendeinem anderen Menschen. Eines muss ich den Zweibeinern lassen – effektiv sind sie schon. Allerdings fangen sie für meinen Geschmack mit der so gewonnenen Zeit nichts Sinnvolles an. Wie etwa entspanntes Rumliegen. Stattdessen rennen sie gleich wieder los und machen die nächste Sache. Auch Marc und Carolin liegen sehr selten einfach nur rum, und das, obwohl sie doch so ein schönes Sofa haben. Eins steht fest: Gut tut das den Menschen nicht. Womit ich wieder beim Ausgangspunkt meiner Überlegungen wäre: Was macht dieses Weihnachten bloß mit den Zweibeinern? Die sind wirklich noch hektischer als sonst. Und das, obwohl sie doch anscheinend gar nicht auf den Weihnachtsmann warten.
Die Gelegenheit, die Frage mit dem eigentlich unangefochtenen Meister in puncto Menschenkenntnis zu diskutieren, ergibt sich früher als erwartet. Carolin beschließt, heute doch noch in die Werkstatt zu gehen, und nimmt mich mit. Schon vor dem Hauseingang begegne ich Herrn Beck.
»Kumpel, ich habe sensationelle Neuigkeiten«, raune ich ihm im Vorübertraben zu.
»Alles klar, ich komme mit.« Beck heftet sich an unsere Fersen und folgt uns bis zur Eingangstür der Werkstatt.
»Na? Ist Frauchen nicht da? Oder Sehnsucht nach vierbeiniger Gesellschaft?«, will Carolin von ihm wissen. Gewissermaßen als Antwort drückt sich Beck noch näher an ihr Bein, sie schließt die Tür auf und lässt uns hineinschlüpfen, bevor sie selbst geht. Wir verziehen uns gleich in Richtung Küche.
»Hey, Herkules, noch so geschwächt von deinem Einkaufsbummel mit Marc, dass du eine kleine Stärkung brauchst?« Carolin folgt uns und holt tatsächlich eine Dose aus dem Schrank. Oje, hoffentlich wird ihr nicht gleich wieder schlecht! Aber als Carolin die Dose öffnet, passiert rein gar nichts – außer der Tatsache, dass sie meinen Fressnapf mit einem Häufchen Futter füllt. Dann verlässt sie die Küche, und ich mache mich über den Napf her. Herr Beck schnauft.
»Nun sag bloß, die sensationelle Neuigkeit ist, dass du auf einmal gerne Dosenfutter frisst.«
Hastig schlinge ich den letzten Bissen hinunter, dann schüttle ich den Kopf.
»Natürlich nicht. Ich habe nur einen so anstrengenden Vormittag hinter mir, dass ich mich kurz stärken musste. Aber jetzt kommt’s!« Der Bedeutung meiner Entdeckung angemessen recke ich mich zu voller Größe und schaue Herrn Beck direkt an. »Es gibt gar keinen Weihnachtsmann.«
Herr Beck sagt erst einmal nichts. Allerdings schaut er so skeptisch, wie es ein alter, fetter Kater nur kann.
»Wirklich. Das ist mein voller Ernst. Es gibt keinen Weihnachtsmann. Worauf auch immer die Menschen warten, wenn sie Kerzen anzünden und Schokolade essen – der Weihnachtsmann ist es jedenfalls nicht.«
»Hm.«
Bitte? Ist das etwa alles? Ein schlichtes Hm? Ich bin enttäuscht. Blöder Beck. Der will doch nur nicht zugeben, dass ich etwas über die Menschen herausgefunden habe, was er noch nicht wusste. Ich setze noch einen drauf.
»Also bringt er auch keine Geschenke. Nicht einmal für die Kinder. Wenn man welche haben will, muss man sie selbst besorgen. Und dann kann man einen anderen Menschen engagieren, der so tut, als sei er der Weihnachtsmann. Ist er aber gar nicht. Weil es ihn ja, wie gesagt, überhaupt nicht gibt.« Ha! Und jetzt kommst du, Kater!
»Herkules. Ich habe ihn selbst gesehen. Mit eigenen Augen. Er hatte einen langen, weißen Bart und sehr buschige Augenbrauen. Und er war sehr echt.«
»War er eben nicht. Wie ich schon sagte: Wenn man einen will, muss man ihn engagieren. Und ein anderer Mensch muss so tun, als ob er der Weihnachtsmann sei. Von mir aus auch mit langem Bart und buschigen Brauen.«
»Ich habe noch nie einen Menschen mit so langem Bart gesehen«, kontert Beck. Kein schlechter Einwand. Ich denke einen Moment darüber nach. Aber nur einen kurzen. Dann fällt mir wieder ein, dass ja auch der Weihnachtsmann vor dem Kaufhaus einen solchen Bart hatte.
»Also, der Typ vor dem Kaufhaus hat auch einen Bart. Und du hast selbst gesagt, dass das ein falscher Weihnachtsmann war. Wahrscheinlich hat der sich den Bart nur angeklebt. Wenn es um ihr nicht vorhandenes Fell geht, sind Menschen doch immer sehr einfallsreich.« In diesem Punkt bin nun wieder ich der Experte. Schließlich lebe ich seit geraumer Zeit mit einer Frau zusammen, die Stunden damit zubringen kann, ihren Haaren auf dem Kopf eine andere Form zu geben. Das kann man bestimmt auch mit Haaren an anderen Stellen des Körpers machen.
Beck guckt finster. Kein Wunder. Er hasst es, mal nicht im Recht zu sein.
»Und wie willst du das jetzt herausgefunden haben, Spürnase Superdackel?«
Pöh, das perlt doch an mir ab.
»Luisa hat es mir erzählt. Sie sagt, der Weihnachtsmann sei nur eine Erfindung der Erwachsenen, damit die Kinder schön brav sind und sich auf Weihnachten freuen.«
»Luisa hat es dir erzählt. Natürlich. Deine kleine Freundin.«
»Ja. Genauso war es.« Auf das Beck’sche Menschen-redennicht-mit-Tieren-Geunke gebe ich längst nichts mehr.
»So, so. Und was hat sie noch erzählt, die liebe Kleine?«
»Na, dass Marc dieses Jahr vergessen hat, einen Weihnachtsmann zu engagieren. Und dass das aber gar nicht schlimm ist, weil sie dieses Mal Weihnachten endlich alle zusammen feiern: Marc. Und Carolin. Und Marcs Mutter und die Eltern von Carolin, also die Ersatz-Oma und der Ersatz-Opa.«
»Aha.«
»Glaubst du mir jetzt?«
»Vor allem glaube ich jetzt, dass du dann dieses Jahr etwas kennen lernen wirst, was ohnehin viel schlimmer ist als das Auftauchen des echten oder des falschen Weihnachtsmannes.«
»Hä?«
»Eine richtige, echte Familienfeier.«