VIERUNDZWANZIG

Der Geruch von Salami kitzelt in meiner Nase und weckt mich. Er erinnert mich gleichzeitig daran, dass ich ziemlich hungrig bin. Ich öffne die Augen, um zu schauen, ob mir ein freundliches Wesen vielleicht einen Wurstzipfel unter die Nase hält und ich lediglich zuzuschnappen brauche. Aber Fehlanzeige: Luisa und Willi haben nur die Brote ausgepackt, die ihnen Daggi noch beim Frühstück geschmiert hatte. Jaul, denkt denn niemand an die Vierbeiner hier im Wagen? Oder wenigstens an den Hund?

»Guck mal, ich glaube, Herkules ist aufgewacht. Meinst du, er hat auch Hunger?« Luisa ist eben ein sensibles Kind, die gute Freundin.

»Das kann schon sein«, entgegnet Willi, »aber ich glaube, wir haben nichts, was wir ihm so auf der Fahrt geben könnten.« Na super – wie fürsorglich von euch!

»Und außerdem«, mischt sich Norbert ein, »will ich nicht, dass mir das Viech während der Fahrt das Fahrerhaus vollkotzt. Ich hatte mal einen Köter, dem durftest du vor der Fahrt rein gar nichts geben. Hat er in der ersten Kurve alles wieder ausgespuckt. Nee, nee, lass mal lieber warten. Bis München werden die beiden schon nicht verhungern. Sehen ja ganz wohlgenährt aus.«

Wie bitte? Werde ich hier etwa gerade mit dem fetten Kater über einen Kamm geschoren? Ich glaub’s ja nicht! Beleidigt jaule ich auf und hüpfe zu Herrn Beck in den Fußraum. Wenn man uns so direkt nebeneinander sieht, muss doch selbst einem Blinden auffallen, dass unsere Gewichtskategorien geradezu Welten trennen.

Luisa sieht das zum Glück ganz ähnlich.

»Ich glaube, Herkules hat richtig Hunger. Und er ist auch längst nicht so dick wie Herr Beck.«

Letzterer ist mittlerweile auch wieder wach und schnaubt empört.

»Kann mir mal jemand sagen, warum hier ständig auf meinem Gewicht herumgehackt wird? Ich bin ein gestandener Kater! Und ich habe übrigens auch Hunger.«

Norbert hat leider keine so sensiblen Antennen wie Luisa für unsere tierischen Bedürfnisse und reagiert nur sehr verhalten auf ihre Anmerkung.

»Also, wenn es unbedingt sein muss, können die beiden etwas fressen, wenn ich eine Pause mache. Kurz nach Schweinfurt mache ich immer einen längeren Stopp, weil ich dann sowieso meine Lenkpause einhalten muss.«

Schweinfurt – ein verheißungsvoller Name! Ich schäme mich zwar ein bisschen dafür, weil es ja immerhin ein Schwein war, das uns heute Morgen gerettet hat – aber bei dem Wort »Schwein« denke ich jetzt zuallererst an einen lecker gefüllten Fressnapf. Und nicht an meine neue Freundin Virginia. Verstohlen blicke ich nach oben, anscheinend hat niemand meine schändlichen Gedanken erraten. Stattdessen erläutert Norbert noch immer langatmig seine Pausenpläne.

»… ja, und da fahre ich von der Autobahn runter und esse etwas bei einem alten Kumpel. Mannis Futterkrippesensationelle Küche! Richtig was auf’m Teller und supergünstig.« Norbert schnalzt mit der Zunge, offenbar ist allein der Gedanke an Mannis Kochkünste schon sehr verheißungsvoll. Mein Magen beginnt zu knurren – und zwar so laut, dass sogar Norbert mir einen kurzen Blick zuwirft.

»Könnte mir vorstellen, dass der Manni auch was für eure kleinen Freunde parat hat.«

Na also. Warum nicht gleich so? Herr Beck stupst mich in die Seite.

»Meinst du, es dauert noch lange bis Schweinfurt? Komischer Name, nicht wahr?«

»Och, ich finde, der klingt ganz gut. So, als ob es da wirklich ordentlich was zu essen gäbe.«

Herr Beck rollt mit den Augen.

»Dackel, du bist unmöglich. Heute Morgen lässt du dir noch von einem Schwein den – verzeih – Arsch retten, und jetzt das! Gut, man kann von uns schlecht erwarten, dass wir aus Dankbarkeit Vegetarier werden, aber ein bisschen Pietät schadet trotzdem nicht.«

Okay, den ersten Teil des Vorwurfs verstehe ich, der Gedanke kam mir ja auch schon. Der zweite Teil hingegen ist mir völlig unklar. Was schon daran liegt, dass ich weder weiß, was Vegetarier noch was Pietät bedeutet. Um aber nicht als Trottel dazustehen, sage ich mal vorsichtshalber nichts.

Herr Beck mustert mich.

»Oder findest du nicht?«

»Äh, doch, doch.«

»Du gibst mir Recht?«

»Hm.«

Herrn Becks Schnurrbarthaare beginnen zu zucken.

»Du weißt gar nicht, wovon ich rede, richtig?«

»Natürlich weiß ich das. Ich bin schließlich nicht blöd.«

»Und was ist ein Vegetarier?«, will Beck in absolutem Oberlehrerton von mir wissen.

»Auf ein Frage- und Antwortspiel habe ich keine Lust. Dafür musst du dir jemand anderen suchen«, winde ich mich heraus.

»Aha«, entgegnet Beck nur vielsagend, und ich ärgere mich, dass mir keine schlauere Antwort eingefallen ist. Vegetarier. Vegetarier. Vielleicht jemand, der irgendwas mit Wegen macht? Der seiner Wege geht? Abhaut? Hm. Und Pietät? Ich kenne von Caro und Nina nur Diät. Ist das etwas Ähnliches? Also, wenig essen, weil man in einen Bikini passen will – was auch immer das sein mag? Und dabei sehr schlecht gelaunt sein? Hm. Heißt das, dass wir aus Dankbarkeit zwar nicht abhauen müssen, aber weniger essen sollten? Vor allem weniger Schweinefleisch. He, he! Ich weiß nämlich doch, was der fette Kater meint! Musste nur einen Moment darüber nachdenken, aber das wird wohl noch erlaubt sein.

»Ich gelobe, ich werde in Zukunft weniger Schweinefleisch essen«, schiebe ich jetzt noch hinterher und freue mich, dass Herr Beck tatsächlich sehr erstaunt guckt. Hunde sind eben doch nicht dümmer als Katzen, auch wenn der Kater das immer behauptet!

Seitdem das Wort »Schweinfurt« gefallen ist, scheinen auch unsere mitreisenden Menschen über Schweine nachzudenken.

»Willi, meinst du, dass die Schweine auf dem Bauernhof tatsächlich krank sind?«, will Luisa wissen. Willi zuckt mit den Schultern.

»Ich weiß nicht. Warum fragst du?« Na, das liegt doch auf der Hand! Weil es ein interessantes Thema ist! Ich beschließe, mich wieder neben Luisa und Willi zu setzen, und hopse aus dem Fußraum nach oben.

Norbert dreht sich kurz zur Seite und wirft einen Blick auf Luisa.

»Wieso? Welche Krankheit haben Kallis Schweine denn?«

»Ob sie wirklich krank sind, wissen wir doch gar nicht, aber …«, beginnt Willi sehr langsam.

Da ist Luisa deutlich schneller.

»Karl-Heinz hat Angst, dass seine Schweine die Pest haben.« Sie überlegt kurz. »Genau. So heißt die Krankheit. Schweinepest.«

»WAAAS?«, brüllt Norbert regelrecht und bremst gleichzeitig so stark, dass ich mich nur mit Müh und Not auf dem Sitz halten kann. »Die SCHWEINEPEST?« Okay. Das scheint Norbert jetzt irgendwie problematisch zu finden. »Ihr kommt von einem Hof, auf dem es Verdachtsfälle von Schweinepest gibt, und setzt euch in aller Gemütsruhe in einen Viehtransporter? Seid ihr wahnsinnig? Wisst ihr, was das für mich bedeutet?«

Willi schüttelt langsam den Kopf.

»Äh, nein, nicht so richtig.« Pfui, Willi! Das ist glatt gelogen! Selbst ich habe ja verstanden, dass diese Schweinepest eine ganz böse Geschichte ist. Warum sonst hätte Karl-Heinz noch mal nachgefragt, ob Norbert heute wirklich keine Schweine transportiert, und warum hätten Willi und Luisa sonst im Auto ihre Klamotten wechseln müssen? Die Schuhe hat Daggi mit einem Lappen abgewischt, den sie vorher in eine beißend riechende Flüssigkeit getaucht hatte, und selbst Becks und meine Pfoten hat sie abgetupft. Und jetzt hat Willi anscheinend Angst, dass sich Norbert sonst noch mehr aufregt, und gibt den Ahnungslosen. Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts – so hat der alte von Eschersbach diese Taktik immer genannt.

»Ach, was rede ich auch mit euch. Ihr habt ja sowieso keine Ahnung. Ich muss sofort diesen Vollpfosten von Karl-Heinz anrufen. Da vorne fahr ich raus.«

Ich merke, wie der Lastwagen langsamer wird, abbiegt und schließlich anhält. Norbert fummelt sein Handy aus der Tasche, schnappt sich eine Packung Zigaretten und springt aus der Fahrerkabine. Obwohl er draußen steht, können wir alle sehr gut hören, was er Karl-Heinz erzählt, denn er spricht immer noch sehr laut.

»Sachma, Kalli, spinnst du jetzt komplett? Ich höre, ihr habt die Schweinepest auf dem Hof, und du Irrer schickst mir Leute von dir in die Viehvermarktung? Willst du, dass ich meinen Job verliere?« Kurze Pause. Offenbar versucht Karl-Heinz, sich zu verteidigen, kann Norbert aber nicht überzeugen. »Das ist mir schietegal, mein Lieber. Du weißt, wie streng die Vorschriften sind. Keiner rein und keiner raus ohne Veterinär. Morgen fahre ich mit diesem Transporter vielleicht Schweine, was meinst du, was da los ist, wenn das jemand mitkriegt?« Wieder Pause. »Also war das blinder Alarm?« Pause. »Schweine sind wieder friedlich? Okay.« Pause. »Aha. Hat nicht einmal eine Blutprobe genommen? Na ja, dann scheint wirklich alles in Ordnung zu sein. Gott sei Dank – ich habe gerade den Schock meines Lebens bekommen. Gut, ich muss weiter – über die Geschichte unterhalten wir zwei beiden uns noch mal, wenn ich wieder zurück bin. Tschüss!«

Norbert klettert wieder in die Fahrerkabine und startet den Motor. Eine ganze Weile sagt er nichts, sondern trommelt nur mit seinen Fingern auf dem Lenkrad herum. Erst als wir wieder auf der Straße fahren, auf der alle so schnell unterwegs sind, fängt er an zu sprechen.

»Das ist ja auch wieder typisch mein Schwager. Wenn es um seinen Öko-Krams geht, dann kann ihm kein Gesetz streng genug sein. Alle anderen sind dann böse Tierquäler und Verbrecher, und nur bei ihm sind die Schweine glücklich. Zumindest, bis sie dann natürlich auch in der Wurst landen. Aber wenn er sich mal an ein Gesetz halten soll, das uns alle schützt, dann sind wir die spießigen Korinthenkacker, die sich mal nicht so anstellen sollen.«

Willi räuspert sich.

»Es tut mir leid, dass wir dich in Schwierigkeiten gebracht haben. Da haben wir nicht richtig nachgedacht.«

»Nee, nee, euch mach ich keinen Vorwurf. Ihr seid ja nicht vom Fach. Aber mein lieber Schwager, der hätte das wissen müssen. Wusste er auch bestimmt. Na ja, es scheint ja alles in Ordnung zu sein mit den Schweinen. Trotzdem ärgert es mich. Ich bin es leid, immer der Buhmann zu sein. Ist ja nicht nur Karl-Heinz mit seinem Öko-Tick. Wenn die Leute hören, dass ich Viehtransporte fahre, kriege ich meistens nur dumme Sprüche. Scheinheilig ist das. Jeder will glückliche Tiere, aber trotzdem soll das Schnitzel ganz billig sein. Wer kauft denn schon das Fleisch bei Karl-Heinz? 35 Euro pro Kilo! Das kann sich doch kaum jemand leisten. Aber Fleisch wollen heute alle essen. Und zwar nicht so wie früher, von wegen Sonntagsbraten. Nee, täglich.«

Norbert regt sich richtig auf, und ich verstehe nur noch Sonntagsbraten. Das klingt allerdings in meinen Ohren sehr erfreulich. Wo also ist das Problem?

Jetzt mischt sich Luisa ein.

»Wisst ihr, ich glaube, ich werde Vegetarierin. Dann muss kein Tier mehr für mich leiden.« Wuff – da ist das Wort schon wieder. Wenn es allerdings »Abhauen« bedeutet, dann wundere ich mich über Luisa. Sie ist doch längst abgehauen. Und was, bitte schön, hat das mit dem Leiden der Tiere zu tun? Den Schweinen ist es doch – pardon – wurscht, ob Luisa in Hamburg oder München wohnt. Offenbar bedeutet Vegetarier also etwas anderes, aber ich würde mir eher die Zunge abbeißen, als mein Unwissen zuzugeben und Herrn Beck nach der wahren Bedeutung des Wortes zu fragen.

Norbert schüttelt den Kopf. Ob er auch nicht genau weiß, was Luisa meint?

»Nee, Lütte, das ist nun echt keine Lösung. So ein schönes Stück Schweinebraten ist doch was ganz was Feines. Wenn wir gleich bei Manni sind, lade ich euch ein. Seine Frau Angela macht nämlich einen ganz hervorragenden Schweinekrustenbraten nach bayerischer Art. Überhaupt können die Bayern gut kochen. Manni hat früher auch bei der Viehvermarktung gearbeitet, dann hat er seine Angela geheiratet und ist in den Süden gezogen. Seitdem hat er mindestens dreißig Kilo zugenommen.« Norbert lacht.

»Ist Schweinfurt nicht eher Franken?«, erkundigt sich Willi.

»Franken, Bayern – das ist doch das Gleiche. Auf alle Fälle schmeckt es dort super. Werdet ihr gleich merken.«

»Kriegen die Kühe auf dem Transporter in der Pause eigentlich auch etwas zu fressen?«, will Luisa wissen.

»Die haben eine Tränke im Wagen, und Heu haben sie auch, um die brauchst du dir keine Sorgen machen.«

»Und wohin fährst du die?«

»Nach Italien. Dort werden die meisten geschlachtet, aber ein paar werden auch in andere Länder weiterverkauft. Ist aber alles ganz legal.«

Luisa runzelt die Stirn. »Legal?«

»Na, erlaubt. Das ist alles hundertprozentig korrekt, keine Sorge.«

Nun sagt Luisa nichts mehr, und diesem Schweigen entnehme ich, dass sie sich sehr wohl Sorgen um die Tiere macht. Sie ist eben ein liebes Kind.

Norberts Lastwagen wird wieder langsamer, wahrscheinlich haben wir Mannis Futterkrippe bald erreicht. Ich richte mich zu voller Größe auf und gucke aus dem Fenster. Die Landschaft, die draußen vorüberzieht, sieht anders aus als zu Hause. Irgendwie … sanfter. Während bei uns alles ganz flach ist und man selbst als Dackelmischling ziemlich weit gucken kann, gibt es hier lauter kleine Hügel. Das sieht eigentlich sehr nett aus. Der einzige Hügel, den ich persönlich kenne, ist der Rodelhang im Helvetiapark hinter Caros Werkstatt. Hier kann man bestimmt viel besser rodeln, wobei ich kein ausgesprochener Freund dieser Sportart bin. Das eine Mal, das mich Luisa auf ihren Schlitten gezerrt hat, habe ich noch in sehr unguter Erinnerung.

Der Lastwagen hält, und Norbert steigt aus.

»So«, er öffnet die Tür auf Willis Seite, »jetzt machen wir erst mal ein Stündchen Pause. Kommt mit, ich stelle euch Manni und Angela vor.«

Willi steigt auch aus, hebt dann mich nach unten und hilft schließlich Luisa heraus. Er will gerade die Tür schließen, als ein für Katzenverhältnisse geradezu lautes Fauchen ihn daran erinnert, dass wir noch einen weiteren Mitreisenden haben.

»Oh, tut mir leid, dich hätte ich fast vergessen, Dickerchen!« Wäre ich ein Mensch, würde ich jetzt grinsen. Dickerchen – das wird Herr Beck sicherlich gerne hören. Willi bückt sich tief in das Wagenhäuschen und fischt meinen Kumpel heraus. Dem sträuben sich tatsächlich gerade die Nackenhaare, ich hoffe sehr, es gibt nun etwas Leckeres zu fressen für ihn! Und natürlich auch für mich!

Wir lassen den nach Rindviech duftenden Transporter hinter uns und laufen über einen riesigen Parkplatz hinter Norbert her. Hier stehen viele Lastwagen, einige noch größer als der von Norbert. Es riecht nach Benzin. Norbert geht direkt auf ein sehr niedriges Haus mit großen Fenstern zu. Auf dem Dach blinken verschiedene Lichter. Als wir näher kommen, höre ich durch die geöffnete Türe schon eine Mischung aus Stimmengewirr und Musik. Scheint mächtig was los zu sein in Mannis Futterkrippe!

Dieser Eindruck hat nicht getäuscht – im Haus findet offenbar gerade eine Art Party statt. Jedenfalls stehen viele Menschen herum, lachen, reden und hören laute Musik. Ich habe in meinem noch kurzen Dackelleben noch nicht so viele Menschenpartys erlebt, um hier verallgemeinern zu können: Aber laute Musik und alkoholische Getränke gab’s da immer. So ist es auch hier, allerdings mit der Besonderheit, dass auch einige Menschen an Tischen sitzen und etwas essen. Tatsächlich riecht es sehr lecker – ganz so, wie von Norbert versprochen. Ich merke, dass mein Hunger mittlerweile so riesig ist, dass ich ganz dringend etwas in den Napf brauche. Hoffentlich ist das meinen Menschen auch klar!

Ein sehr dicker Mann steuert auf Norbert zu, umarmt ihn kurz und klopft ihm auf die Schulter. Das muss Manni sein.

»Grüß dich, Nobbi! Pünktlich wie ein Uhrwerk! Auf dich ist eben Verlass.«

»Hallo Manni! Klar, dein Laden ist für mich immer der Höhepunkt meiner Südtour. Das habe ich auch gerade meinen Passagieren hier erzählt. Darf ich vorstellen – Willi und Luisa. Freunde von meinem bekloppten Schwager. Kalli, kennst du doch noch, oder?«

»Klar. Das ist doch der Bio-Fritze, oder?«

Norbert nickt kurz und guckt grimmig.

»Aber egal. Ich habe Willi und Luisa jedenfalls von Angelas original bayerischem Schweinsbraten vorgeschwärmt, und ich hoffe sehr, der steht heute auf der Karte.«

»Uiuiui, das lass die Angie aber mal nicht hören.«

»Wieso? Ist doch ein Kompliment!«

»Ja, aber die Angie ist doch Fränkin, nicht Bayerin – ein Riesenunterschied!«

Norbert verdreht die Augen.

»Für mich nicht.«

Manni knufft ihn in die Seite.

»Psst! Sonst kriegst du hier Ärger. Denn schlimmer als Bayern sind nur Preußen, die den Unterschied nicht auf die Reihe kriegen.«

Das soll jetzt mal einer verstehen. Bayern, Franken, Preußen? Ich sehe nur Menschen. Und die schauen für mich im Großen und Ganzen alle gleich aus. Will uns Manni jetzt etwa weismachen, dass es da auch solche Unterschiede wie zwischen Dackel, Retriever oder Foxterrier gibt? Das ist doch Unsinn! Und ich hätte es schon längst gemerkt.

Norbert seufzt.

»Na gut. Aber was ist jetzt? Gibt es den leckeren Schweinsbraten mit Kruste?«

Manni grinst.

»Klaro. Das ist das Schöne an deiner regelmäßigen Tour – wir wissen genau, wann du kommst, und sind gut vorbereitet. Also, setzt euch!«

Halt, halt, halt! Was ist denn nun mit Beck und mir? Ich fange an zu bellen. Ist sonst nicht meine Art, aber ohne Proviant ist so eine Flucht wirklich kein Spaß. Manni schaut zu mir herunter.

»Ach, dich sehe ich ja jetzt erst. Bist du auch mit dem Nobbi gekommen? Und was ist mit der Katze? Gehört die auch dazu?«

Norbert nickt.

»Ja, mein Transporter ist heute fast die Arche Noah. Und ich glaube, Bello und Maunz haben auch mächtig Hunger. Wenn du für die beiden auch etwas hättest?«

Bello und Maunz? Ich höre wohl nicht richtig. Aber wenn es zu etwas Essbarem führt, soll mir selbst das recht sein.

»Natürlich. Mannis Futterkrippe verlässt niemand hungrig!«

Manni, du bist mein Mann!


Ob bayerisch oder fränkisch – diese Küche ist wirklich genial. Völlig vollgefressen liege ich neben dem Tisch, an dem Willi, Luisa und Norbert immer noch versuchen, ihre Teller zu leeren. Ein aussichtsloses Unterfangen. Angie hat die riesigen Teller so vollgehäuft, dass ich selbst vom Boden aus die Fleischberge noch sehen kann. Schade, dass ich so satt bin. Selbst wenn nun etwas übrig bleibt, kann ich es garantiert nicht mehr essen.

»Uah, ich glaube, ich habe mir eine Magenerweiterung zugezogen«, jammert Herr Beck. Ihm geht es demnach genauso wie mir. »Ich bin ganz froh, wenn ich mich nun nicht mehr bewegen muss, sondern gleich einfach wieder in den LKW hüpfe und mich nach München kutschieren lasse. Ich werde bestimmt wundervoll schlafen. Fresskoma!«

»Fresskoma? Was ist das denn?«

»Kennst du das nicht? Das ist der Zustand, wenn du so satt bist, dass du fast nicht mehr klar denken kannst, nein – wenn du gar nicht mehr denken und dich auch nicht mehr rühren kannst. Herrlich!«

»Du vergisst, dass ich normalerweise mit einem Tierarzt zusammenwohne. Dass Marc mein Futter nicht abwiegt, ist noch alles. Ich kann schon froh sein, wenn mir Oma Hedwig ab und zu einen Fleischwurstzipfel zusteckt.«

Herr Beck kichert. »Vielleicht sollten wir doch dauerhaft nach Bayern auswandern. Hier scheinen mir die Menschen genussfreudiger zu sein.«

»Ich dachte, hier sei Franken«, gebe ich mit meinem neu erworbenen Wissen an.

»Was auch immer – hier könnte ich bleiben.«

»Ja, schlecht ist es nicht«, gebe ich Herrn Beck Recht. »Die Landschaft ist auch ganz hübsch, findest du nicht?«

»Keine Ahnung. Konnte ich vom Fußraum aus schlecht beurteilen.«

»Dann lass uns doch draußen eine kleine Runde drehen. Unsere Menschen sind mit der Nahrungsaufnahme bestens beschäftigt, die brauchen bestimmt noch eine Weile. Mir würde ein bisschen Bewegung sehr guttun – Stichwort Fresskoma .« Ich rapple mich hoch, Beck tut es mir gleich.

»Stimmt. Nicht, dass uns im Wagen noch schlecht wird.«

Wir traben zur Tür, die immer noch einen Spalt geöffnet ist, und mogeln uns ins Freie. Draußen angekommen, hole ich erst einmal tief Luft. Zu viel Fleisch drückt auf meinen Magen. Komisch, während es hier vorhin noch arg nach Benzin roch, hat sich nun etwas anderes in die Luft gemischt. Fast, als seien wir nicht direkt neben einer großen Straße, sondern auf dem Land. Es riecht nach … Kuh. Genau. Es riecht nach Kuh. Und zwar nicht der Hauch, der die ganze Zeit unseren Transporter umwehte, sondern richtig penetrant. Ich schaue vor mich. Zuerst sehe ich einen großen Kuhfladen, der den Geruch erklärt. Und dann sehe ich: Kühe. Eine ganze Herde. Zwischen den Lastwagen von Mannis Gästen stehen lauter Rindviecher. Wo kommen die denn auf einmal her? Ich schaue mich um – dann bleibt mein Blick an Norberts Laster hängen.

Die hintere Ladeklappe ist heruntergelassen. Eine Kuh steht noch auf der Rampe und sieht sich unsicher um. Heilige Fleischwurst – irgendjemand hat die Kühe aus Norberts Lastwagen rausgelassen!

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