Wie sich herausstellte, war sie im Besitz sowohl der 10-Minuten-Fassung, die ausgestrahlt worden war, als auch des halbstündigen Originals.
»Haben Sie die Sendung gesehen?« sagte Rose.
Ich schüttelte den Kopf.
»Dann sollten Sie sich die zuerst anschauen.«
Sie hatte mich in einen kleinen Raum geführt, in dem ein Halbkreis aus bequemen Sesseln vor einem Fernseher gruppiert war. Zu beiden Seiten des Apparates standen Videogeräte verschiedenen Typs auf Tischen, und dazwischen ringelten sich Verbindungskabel in scheinbarer Unordnung.
»Man bringt oder schickt uns unverlangte Bänder von Dingen, die passiert sind«, erklärte Rose beiläufig. »Alle möglichen Aufzeichnungen. Loch-Ness-Monster kübelweise. Das meiste ist Schrott, aber man kann nie wissen. Wir haben schon mehr als einen Knüller auf diese Art gekriegt. Der große weiße Häuptling schwört darauf. Wir zeichnen auch selber auf. Einige unserer Reporter interviewen gern mit Videokameras, ich auch mitunter. Es bringt genau die Atmosphäre wieder, wenn man den Beitrag erst nach einer längeren Zeit schreibt.«
Während sie sprach, schloß sie die Enden zweier langer Kabel an die Rückseite des Fernsehgeräts und schaltete alles ein. Jede ihrer Bewegungen wurde von metallischem
Geklimper und Geklirr begleitet, und ihr Lilienduft erfüllte den Raum. Sie nahm eine Kassette, die auf dem Tisch hinter einem der Videogeräte gelegen hatte, und schob sie in den Schacht.
»Also. Auf geht’s.«
Wir setzten uns in zwei Sessel, wobei sie sich nach der Seite flegelte, um mein Gesicht sehen zu können, und der Bildschirm begann sein Werk sofort mit einem interessanten Schneemuster. Zehn Sekunden totale Stille folgten, bevor das Maynard-Porträt aus Handel heute in gestochenen Farben mit dazugehörigem Ton anfing. Während des einführenden Kommentars kamen wir dann in den Genuß von Maynard, wie er sanft und gebildet dreinschaute, und hatten Zeit, die handgenähten Revers und die seidene Krawatte zu bewundern.
Der Interviewer stellte mehrere harmlose Fragen, und Maynards leicht herablassende Antworten wurden durch häufige Schwenks auf den nickenden und lächelnden Frager unterbrochen. Der selbst war mir unbekannt, vielleicht Mitte Dreißig, mit leicht zu vergessenden Zügen bis auf die berechnenden Augen mit ihrer kühlen Distanz. Ein Ankläger, dachte ich; und mochte ihn nicht.
Als Antwort auf die Frage, wie er reich geworden war, sagte Maynard, »ein- oder zweimal« sei er einem kränkelnden, aber grundsätzlich gesunden Unternehmen zu Hilfe gekommen, habe es mit Finanzspritzen wieder auf die Beine gebracht und es in der Folge dann erworben, um seine Schließung zu verhindern, wenn es ihm sein Geld nicht zurückzahlen konnte. Zum Nutzen aller Beteiligten, betonte er mild.
»Bis auf die früheren Inhaber?« erkundigte sich der Interviewer; doch die Frage war ohne Biß gestellt, als diene sie nur der Information.
Maynards Stimme erwiderte, daß die Inhaber selbstverständlich eine großzügige Abfindung erhalten hätten.
»Und was dann?« fragte der Interviewer in der gleichen Form wie vorher.
Natürlich, sagte Maynard, hatte er seinerseits verkauft, wenn ein gutes Angebot kam; er konnte das Geld dann zur Rettung einer anderen bedürftigen Firma einsetzen. Der Kauf, Verkauf und Zusammenschluß von Firmen sei ratsam, wenn Arbeitsplätze erhalten und ein annehmbarer Gewinn erzielt werden könne. Er habe sein bescheidenes Bestes für die Wirtschaft getan und vielen einen Broterwerb gesichert. Vom Menschlichen her sei es überaus lohnend gewesen.
Weder Maynard noch der Interviewer hob die Stimme über einen kultivierten Einheitston hinaus, und als Unterhaltung war es fad. Der Beitrag endete damit, daß der Interviewer sich bei Maynard für ein höchst interessantes Gespräch bedankte, und es folgte eine letzte Einstellung, in der Maynard edel aussah.
Der Bildschirm kehrte, als ob er die Nase voll hätte, zu schwarzweißem Schnee zurück.
»Allardeck, der Menschenfreund«, sagte Rose mit klimpernden Armreifen und wechselte den Überschlag ihrer langen Beine.
»Kennen Sie ihn?«
»Ja.«
»Gut, jetzt zu Allardeck, dem gefräßigen Tyrannen.«
»Den kenne ich auch«, sagte ich.
Sie gab mir einen spöttischen Blick und sah zu, wie ich den Schneesturm beobachtete, bis wir plötzlich wieder Maynards Charme, die Einführung und die harmlosen Eröffnungsfragen vor uns hatten. Erst als der Interviewer anfing, sich nach den Übernahmen zu erkundigen, wurde es spannender; und in dieser Version war die Stimme des Interviewers scharf und kritisch in der Absicht, eine strikt abwehrende Haltung hervorzurufen.
Maynard war eine Zeitlang ruhig geblieben, hatte eher selbstgerecht als gereizt reagiert, und diese Antworten waren gesendet worden. Am Ende zerfiel jedoch seine Höflichkeit, er wurde laut und drohte mit dem Zeigefinger.
»Ich tue nichts Illegales«, beschied er den Interviewer mit schwerer Stimme. »Ihre Anspielungen sind unerhört. Wenn ein Schuldner nicht zahlen kann, ist man berechtigt, sein Eigentum zu übernehmen. So macht es der Staat. Die Gerichte erzwingen es. Es ist das Gesetz. Ich will Ihnen ein Beispiel aus dem Rennsport geben: Wenn da jemand seine Trainingskosten nicht aufbringt, ist der Trainer berechtigt, das Pferd zu verkaufen, um zu seinem Geld zu kommen. Es ist das Gesetz, ja mehr noch, es ist ein Naturrecht.«
Der Interviewer erwähnte schurkische Hypothekengläubiger, die zwangsvollstreckten und ihre Mieter vertrieben. War es nicht so, fragte er, daß Maynard einem in Bedrängnis geratenen Familienbetrieb Geld geliehen hatte, der einen Wohnblock besaß, dessen Unterhaltungskosten die Mieteinkünfte überstiegen, so daß man sich die von den Behörden verlangten Reparaturen nicht leisten konnte? Und hatte Maynard nicht nach Abschluß der Reparaturarbeiten sein Geld zurückgefordert? Und hatte er, als die Familie nicht zahlen konnte, nicht gesagt, er würde statt dessen die Wohnungen nehmen, die für die Familie sowieso ein Verlust seien? Und waren danach nicht geheimnisvolle Risse im Gemäuer aufgetreten, so daß der Bau für unbewohnbar erklärt wurde und die ganzen armen Mieter gehen mußten? Und hatte er danach dann nicht die Wohnungen abgerissen und das Eigentumsrecht an dem
Land einer Siedlungsgesellschaft verkauft, für das Zehnfache seines ursprünglichen Reparaturdarlehens?
Das inquisitorische Wesen des Interviewers lag jetzt völlig offen zutage, und die Fragen wurden als Anschuldigungen herausgeschleudert, auf die Maynard jeweils mit zunehmender Wut antwortete: »Das geht Sie nichts an.«
»Das Gebäude war wegen Erschütterungen durch die U-Bahn abgesackt.«
»Die Familie war froh, eine erdrückende Verpflichtung los zu sein.«
»Ich beantworte diese Fragen nicht.«
Die letzte Äußerung war praktisch ein Brüllen. Der Interviewer machte beruhigende Gesten mit der Hand, lehnte sich in seinen Sessel zurück, wie um sich zu entspannen, und dieses ganze Beschwichtigungsverhalten führte dazu, daß Maynard eher gärte als brodelte. Ein finsterer Gesichtsausdruck blieb dennoch. Edelmut war nirgends zu erkennen.
Der Interviewer sagte freundlich, mit versteckter List: »Sie haben Rennpferde erwähnt. Stimmt es, wenn ich meine, daß Ihr Vater Pferdetrainer war und daß Sie eine Zeitlang sein Assistent gewesen sind?«
Maynard sagte ungnädig: »Ja.«
»Verraten Sie uns, was Sie von Investitionen in Vollblüter halten.«
Maynard sagte, man könne dabei verdienen, wenn man Experten zu Rate ziehe.
»Aber in Ihrem Fall«, meinte der Interviewer, »dürften Sie Ihr eigener Experte sein.«
Maynard zuckte die Achseln. »Vielleicht.«
Der Interviewer sagte aalglatt: »Erzählen Sie uns mal, wie Sie zu Ihrem Rennpferd Metavane gekommen sind?«
Maynard entgegnete knapp: »Ich nahm ihn als Schuldenausgleich.«
»So wie bei Ihren anderen Geschäften?«
Maynard antwortete nicht.
»Metavane erwies sich als ein großartiges Pferd, nicht wahr? Und Sie haben ihn für mindestens vier Millionen Pfund an ein Konsortium gebracht ... das muß bei weitem Ihr größter Coup gewesen sein ... größer noch als die Patente der Gebrüder Bourne. Wollen wir auf diese beiden Unternehmungen eingehen? Sagen Sie mir doch zunächst einmal, wieviel Sie Metavanes früheren Besitzern oder den Gebrüdern Bourne von den laufenden Erträgen Ihrer Umtriebe abgeben.«
»Hören Sie mal«, sagte Maynard wütend, »wenn Sie einen Bruchteil meines Geschäftssinns hätten, würden Sie irgendwo etwas Nützliches tun, anstatt blaß vor Neid hier herumzusitzen und andern am Zeug zu flicken.«
Er stand jäh und heftig auf und marschierte entschlossen aus dem Bild, wobei er das Mikrofon herunterriß, das er am Schlips trug, und es auf den Boden warf. Der Interviewer machte keinen Versuch, ihn aufzuhalten. Statt dessen blickte er in die Kamera und erklärte mit sorgfältig demonstriertem Widerwillen, einige der großen und kleinen Firmen, die bekanntlich Nutzen aus Mr. Allardecks Rettungsmissionen gezogen hätten, seien Downs & Co. (eine Druckerei), Benjy’s Schnellrestaurant, Healthy Life (Sportartikelhersteller), das Applewood Gartencenter, Purfleet Electronics und die Gebr. Bourne (Gerätebau).
Unter den Vermögenswerten der Gebrüder Bourne, sagte er, hatten sich seit langem übersehene Patente für ein Spezialventil befunden, für das erst in jüngster Zeit ein Bedarf in der Industrie entstanden war. Sobald es ihm gehörte, hatte Maynard es auf Lizenzbasis dem Meistbietenden überlassen und seitdem ordentlich kassiert. Die Gebrüder Bourne? Der Interviewer schüttelte den Kopf. Den Gebrüdern Bourne war erst aufgegangen, was ihnen gehört hatte, nachdem sie sich unwiderruflich davon getrennt hatten. Aber wußte Maynard, was er von ihnen bekam? Fast mit Sicherheit ja. Der Interviewer lächelte boshaft und stieß das Messer voll hinein. Wenn Maynard den Brüdern Bourne gesagt hätte, was da bei ihnen in einem Ordner verstaubte, hätten sie sich selbst doppelt und dreifach retten können.
Das selbstgefällig sarkastische Gesicht des Interviewers verschwand in einem neuerlichen Blizzard, und Rose Quince erhob sich träge, um alles auszuschalten.
»Nun?« sagte sie.
»Übel.«
»Ist das alles?«
»Warum haben die in Handel heute nicht das ganze Band gezeigt? Sie wollten offensichtlich gegen Maynard sticheln. Warum haben sie das Ergebnis zurückgehalten?«
»Ich dachte, das fragen Sie nie.« Rose lehnte die Hüfte an einen Tisch und betrachtete mich mit bissiger Belustigung. »Ich würde meinen, Allardeck hat sie dafür bezahlt, daß sie’s nicht zeigen.«
»Wie bitte?«
»Sie sind ein Unschuldslamm, was? Dieser Interviewer und sein Regisseur haben auch früher schon einen Dummen gefunden und in die Pfanne gehauen, ohne daß die Rauferei je auf den Bildschirm kam. Ein Politiker, das weiß ich mit Sicherheit, wurde von dem Regisseur eingeladen, sich sein hoffnungslos vernichtendes Band vor der Ausstrahlung anzusehen. Er war völlig entsetzt und fragte, ob es irgendein Mittel gebe, wie er den Regisseur überreden könne, es zu schneiden. Klar, meinte der Regisseur, das älteste Mittel der Welt, Ihre Brieftasche.« »Woher wissen Sie das?«
»Der Politiker hat es mir selbst gesagt. Er wollte, daß ich darüber schreibe, so aufgebracht war er, aber ich konnte nicht. Er erlaubte mir nicht, seinen Namen zu nennen.«
»Maynard«, sagte ich langsam, »hat eine echte Begabung für den Erwerb von Vermögen.«
»Allerdings. Und nichts Illegales. Es sei denn, er hätte nachgeholfen, damit die Züge die Grundfesten des Wohnblocks erschüttern.«
»Was niemals nachzuweisen wäre.«
»Unmöglich.«
»Wo hat denn der Interviewer das alles ausgegraben?«
Rose zuckte mit den Schultern. »Aus Akten. Aus Archiven. Wie wir alle es tun, wenn wir an einer Story sind.«
»Er hat sich eine ganze Menge Arbeit gemacht.«
»Weil er sich eine ganze Menge Lohn erhoffte.«
»Mm«, sagte ich. »Wenn Maynard da schon auf die Adelung aus war, hätte er jede Summe hingeblättert. Sie hätten vermutlich mehr bei ihm holen können, als sie geholt haben.«
»Die werden sich kringeln wie Zitronenschale, jetzt, wo sie das wissen.« Der Gedanke gefiel Rose sehr.
»Woher haben Sie das Band?« fragte ich neugierig.
»Von dem Regisseur gewissermaßen. Er schuldete mir einen großen Gefallen. Ich sagte ihm, ich wollte Allardeck zerpflücken, und bat ihn, das Interview noch mal sehen zu dürfen - nach Möglichkeit ungeschnitten -, und er war richtig entgegenkommend. Ich mußte ihm ja nicht erzählen, daß ich über seine kleine Trickkiste Bescheid wußte, nicht wahr?«
»Eine Kopie«, sagte ich langsam, »könnte ich wohl nicht bekommen?«
Rose gab mir einen langen kühlen Blick, während sie darüber nachdachte. Ihre Augenlider, bemerkte ich, waren violett getönt, ein dunkler Kontrast zu den hellblauen Augen.
»Was würden Sie damit anfangen?« sagte sie.
»Weiß ich noch nicht.«
»Es ist urheberrechtlich geschützt«, sagte sie.
»Mm.«
»Sie dürften es nicht haben.«
»Nein.«
Sie beugte sich zu dem Videogerät hinüber und drückte die Ausstoßtaste. Die große schwarze Kassette glitt leise und sacht in ihre Hand. Sie steckte sie in die Hülle, hielt sie mir hin, ließ ihre Goldketten klimpern.
»Nehmen Sie das hier. Es ist eine Kopie. Ich hab sie selbst angefertigt. Die Originale verlassen niemals das Studio, da passen sie wie der Teufel auf bei dem Fernsehsender, aber ich bin ziemlich fix in solchen Sachen. Die haben mich bei der Vorführung in einem Schneideraum allein gelassen, und da waren Leerkassetten in einer Ecke gestapelt; das war ihr großer Fehler.«
Ich nahm die Kassette, die ein breites weißes Etikett trug mit der Aufschrift: »Nicht abspielen.«
»Nur, daß wir uns verstehen, Sportsfreund - wenn man Sie damit erwischt, bringen Sie mich nicht in Verlegenheit, klar?«
»Klar«, sagte ich. »Möchten Sie sie zurück?«
»Ich weiß nicht, warum ich Ihnen vertraue«, meinte sie wehmütig. »Einem gottverdammten Jockey. Wenn ich sie zurückhaben will, bitte ich drum. Bewahren Sie sie irgendwo sicher auf. Lassen Sie sie um Gottes willen nicht herumliegen. Obwohl ich Ihnen noch sagen sollte, daß sie auf einem gewöhnlichen Video nicht läuft. Es ist ein Profiband, dreiviertel Zoll breit, für erhöhte Bildschärfe. Sie brauchen ein Gerät, das sich für diese Größe eignet.«
»Was hatten Sie selbst damit vor?« fragte ich.
»Es löschen«, sagte sie entschieden. »Ich habe es mir gestern morgen besorgt und hier mehrmals abgespielt, um sicherzugehen, daß ich Allardeck in der Zeitung nicht die Worte aus der ungekürzten Fassung in den Mund lege. Auf eine Klage kann ich verzichten. Dann schrieb ich meinen Beitrag, und heute hatte ich zu tun ... aber wenn Sie einen Tag später gekommen wären, wäre alles gelöscht gewesen.«
»Glück gehabt«, sagte ich.
»Ja. Was noch? Akten? Auf dem Band ist zwar mehr, aber Bill sprach von Akten, also können Sie Akten bekommen.«
»Bill?«
»Bill Vaughnley. Wir haben zusammen gearbeitet, als wir jung waren. Bill fing unten an, weil der alte Lord es wollte. Ich ebenfalls. Man nennt einen nicht Sir, wenn man bei der Nachtschicht die Kippen mit ihm geteilt hat.«
Sie war seine Geliebte gewesen, dachte ich. Es klang aus ihrer Stimme.
»Er meint, ich hätte ein Maul wie eine Viper«, sagte sie, ohne gekränkt zu sein. »Das hat er Ihnen wohl erzählt?«
Ich nickte. »Klapperschlange.«
Sie lächelte. »Wenn er ein aufgeblasener Idiot ist, lasse ich’s ihn wissen.«
Sie stand auf, braun und klimpernd wie ein Mobile im Wind. Wir gingen aus dem Vorführraum, einen Gang hinunter, um ein paar Ecken herum und fanden uns in einem
Saal wieder, der einer Bibliothek ähnelte: Regale bis zur Decke, aber nicht gefüllt mit Büchern, sondern mit Akten aller Art. Über das Ganze herrschte ein streng blickender junger Mann mit Brille, der uns eintrug, in der Kartei nachschaute und uns an die Abteilung verwies, die wir brauchten.
Die Akte über Maynard war, wie Rose schon gesagt hatte, weniger informativ als das Videoband. Es gab allerlei Fotos von ihm, hochglänzende Schwarzweißabzüge, die meisten bei Rennmeetings aufgenommen, wo vermutlich relativ leicht an ihn heranzukommen war. Drei, die inzwischen mehrere Jahre alt waren, zeigten ihn, wie er sein Prachtpferd Metavane nach den Siegen im 2000 Guineas, im Goodwood Mile und dem Champion Stakes vorführte. Nähere Angaben und Daten waren mit dünnen Papierstreifen auf die Rückseiten der Fotos geklebt.
Es gab zwei Packen mit Zeitungsausschnitten, einer vom Towncrier, einer von anderen Quellen wie der Financial Times und der Sporting Life. Anscheinend war vor der Attacke in der Flag nichts Kritisches über ihn geschrieben worden. Die Artikel waren überwiegend fad: Maynard, aus einer der ältesten Rennsportfamilien ... Maynard, stolzer Besitzer ... Maynard, Mitglied des Jockey-Clubs ... Maynard, gewiefter Geschäftsmann ... Maynard, Stütze wohltätiger Vereinigungen . Maynard, der Große und Gute. Beifällige Adjektive wie kühn, barmherzig, weitsichtig und verantwortungsbewußt tauchten auf. Die öffentliche Schokoladenseite.
»Bringt einen bald zum Kotzen«, bemerkte Rose.
»Mm«, sagte ich. »Meinen Sie, Sie könnten Ihren Freund, den Regisseur, mal fragen, wie er auf Maynard als Zielscheibe gekommen ist?«
»Vielleicht. Warum?« »Irgendwer hat Maynard auf dem Kieker. Dieses Fernsehinterview war vielleicht ein Angriff, der an Bestechung und Korruption gescheitert ist. Der Angriff in der Flag hat aber gut geklappt. Sie selber haben ihn hübsch unterstützt. Also wer ist an die Flag herangetreten? Und haben dieselben Leute sich auch an den Regisseur gewandt?«
»Ich nehme es zurück«, sagte sie. »Einige Jockeys sind schlauer als andere.«
»Die wenigsten sind dumm.«
»Sie reden einfach eine andere Sprache?«
»Genau.«
Sie stellte die Akte an ihren Platz zurück. »Sonst noch was? Irgendeine winzige Kleinigkeit?«
»Ja«, sagte ich. »Wie käme ich ins Gespräch mit Sam Leggatt, der die Flag herausgibt?«
Sie stieß einen Atemzug aus, ein Mittelding zwischen Husten und Lachen. »Sam Leggatt? Überhaupt nicht.«
»Wieso?«
»Der läuft mit einer kugelsicheren Weste herum.«
»Im Ernst?«
»Im übertragenen Sinn.«
»Kennen Sie ihn?«
»Klar, ich kenne ihn. Kann nicht behaupten, daß ich ihn mag. Er war politischer Korrespondent beim Record, bevor er zur Flag ging, und er hat sich schon immer für Gottes Geschenk an die Fleet Street gehalten. Er ist ein Spötter von Natur. Die Flag und er sind verwandte Seelen.«
»Könnten Sie ihn telefonisch erreichen?« fragte ich.
Sie schüttelte über meine Naivität den Kopf. »Die druk-ken jetzt schon die erste Ausgabe, aber er wird damit beschäftigt sein, für die zweite noch mal alles zu überprüfen.
Wird Sachen hinzufügen. Plätze vertauschen. Da wäre er nicht mal für Moses zu sprechen, geschweige denn für ... für eine Springbohne.«
»Sie könnten sagen«, regte ich an, »Sie seien die Sekretärin Ihres Chefredakteurs und es sei dringend.«
Sie sah mich ungläubig an. »Und warum zum Teufel sollte ich?«
»Weil Sie in Gefälligkeiten handeln.«
»Herrgott.« Sie kniff die hellblauen Augen zusammen.
»Kein Problem«, sagte ich. »Ich revanchiere mich. Ich bin davon ausgegangen, daß dies ...«, ich hielt das Band hoch, »auf Rechnung geht.«
»Das Telefon«, meinte sie, »wäre Gefallen Nr. 2.«
»In Ordnung.«
Sie sagte belustigt: »Gewinnen Sie auf die Tour Ihre Rennen?« Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte sie sich um und brachte uns ungefähr wieder dorthin, wo wir hergekommen waren, aber in ein kleines kahles Kämmerchen, das nur mit drei oder vier Stühlen, Tischen und Telefon ausgestattet war.
»Interviewzimmer«, sagte Rose. »Allzweck. Nicht viel benutzt. Braucht keiner zu hören, daß ich dieses Gespräch führe.«
Sie setzte sich auf einen der Stühle und sah dabei exotisch sinnlich aus, obwohl sie so angemessen handelte wie nur irgendeine Angehörige des Mittelstandes; die bizarre Fassade als Abschreckung, die vernünftige Frau dahinter.
»Sie werden allenfalls zehn Sekunden haben«, sagte sie und streckte die Armreifen nach dem Hörer. »Leggatt schnallt sofort, daß Sie nicht unser Chef sind. Unser Chefredakteur stammt aus Yorkshire und hört sich immer noch so an.«
Ich nickte.
Sie ging auf eine Außenleitung und tippte mit langen roten Nägeln die Nummer der Flag ein, die sie auswendig kannte, und nach einer Minute, in der sie jeden Iren an Schmus übertroffen hätte, reichte sie mir stumm den Hörer.
»Tag, Martin, was gibt’s?« fragte eine wenig begeisterte Stimme.
Ich sagte langsam und deutlich: »Owen Watts hat seine Kreditkarten in Bobby Allardecks Garten liegenlassen.«
»Bitte? Ich verstehe nicht ...« Dann ein plötzliches Schweigen.
»Wer spricht da?«
»Jay Erskine«, sagte ich, »hat seine Presseclubkarte am selben Ort vergessen. Wem soll ich diese Verluste melden? Dem Presserat, der Polizei oder meinem Abgeordneten?«
»Wer ist da?« fragte er einfach.
»Ich spreche von einem Apparat im Towncrier aus. Unterhalten Sie sich in Ihrem Büro mit mir, oder soll ich dem Towncrier einen Knüller servieren?«
Eine lange Pause trat ein. Ich wartete. Dann sagte seine Stimme: »Ich rufe Sie zurück. Geben Sie mir Ihre Durchwahl.«
»Nein«, sagte ich. »Jetzt oder nie.«
Eine weit kürzere Pause. »Also schön. Kommen Sie zum Empfangsschalter. Sagen Sie, Sie sind vom Towncrier.«
»Ich bin gleich da.«
Er knallte den Hörer auf, sowie ich ausgeredet hatte, und Rose starrte mich an, als bange sie um meinen Geisteszustand.
»So redet man nicht mit Chefredakteuren«, sagte sie.
»Tja ... nun, ich arbeite nicht für ihn. Und irgendwann im Leben habe ich gelernt, keine Angst vor Leuten zu haben. Vor Pferden hatte ich nie Angst. Bei Menschen war es schwieriger.«
Sie sagte mit einem ernsten Unterton: »Menschen können Ihnen schaden.«
»Das können sie sicher. Aber mit Sanftheit käme ich bei Leggatt nicht weit.«
»Wohin wollen Sie denn?« fragte sie. »Was ist das für ein Knüller, den Sie dem Towncrier vorenthalten?«
»Nichts Besonderes. Nur ein paar schmutzige Tricks, die sich die Flag erlaubt hat, um ihre Allardeck-Story für die Intimen Details zu bekommen.«
Sie zuckte die Achseln. »Ich bezweifle, ob wir das druk-ken würden.«
»Vielleicht nicht. Wie weit gehen Journalisten, um an eine Story zu kommen?«
»Unbegrenzt. Den Everest hoch, auf Kriegsschauplätze, in die Gosse, wo immer ein Skandal sie hinführt. Ich habe meine Kreuzfahrerzeit in vergammelten Gesundheitsfarmen, korrupten Gemeindeverwaltungen und verrückten Kirchen abgeleistet. Ich habe mehr Dreck, mehr Hunger, mehr Armut, mehr Tragödien miterlebt als nötig. Ich habe Nächte mit den Eltern ermordeter Kinder durchwacht und bin in einem Küstendorf bei Witwen von Seenothelfern gewesen, die ihre Toten beweinten. Und dann erwartet irgend so ein verdammter Hansnarr, daß ich mich auf ein vergoldetes Stühlchen hocke und in irgend ’nem Pariser Salon über Rocklängen in Ohnmacht falle. Ich hab noch nie für die Damenwelt geschrieben und fange weiß Gott auch jetzt nicht damit an.«
Sie unterbrach sich, lächelte verzerrt: »Mein Feminismus schlägt durch.«
»Erklären Sie, daß Sie nicht mitmachen«, sagte ich. »Wenn es eine Degradierung ist, lehnen Sie ab. Sie haben es in der Hand. Niemand erwartet, daß Sie über Mode schreiben, und ich stimme Ihnen zu, Sie sollten es nicht.«
Sie bedachte mich mit einem langen Blick. »Ich würde nicht rausfliegen, aber er ist neu, er ist ein Chauvinist, und er könnte mir gewiß das Leben schwermachen.«
»Sie«, sagte ich, »sind doch eine sehr gefragte Dame. Fahren Sie die berühmten Giftzähne aus. Ein paar Spritzer könnten Wunder wirken.«
Sie stand auf, reckte sich in die Höhe, legte die Hände auf ihre Hüften mit dem schweren Gürtel. Sie sah aus wie eine zum Kampf gerüstete Amazone, aber ich konnte trotzdem die Unentschlossenheit im Inneren spüren. Ich stand ebenfalls auf, gleich groß wie sie, und küßte ihre Wange.
»Sehr brüderlich«, meinte sie trocken. »Ist das alles?«
»Das ist alles, was Sie wollen, oder nicht?«
»Ja«, sagte sie leicht überrascht. »Sie haben verdammt recht.«
Die Daily Flag, nicht weit entfernt vom Towncrier in der Fleet Street, war entweder viel später erbaut oder aber in modernem Pomp renoviert worden.
Im Foyer gab es einen Springbrunnen, der negative Ionen versprühte und, soweit die Decke reichte, Lüster aus dünnen vertikalen Glasstäben, die schimmerten und am unteren Ende Licht ausstrahlten. Dazu einen Marmorboden, futuristische Sitzmöbel und einen Wachschalter, besetzt mit vier kräftigen Männern in einschüchternden Uniformen.
Ich erklärte einem von ihnen, ich sei vom Towncrier gekommen, um Mr. Leggatt zu sprechen, und war halb darauf gefaßt, sie würden mich hochkant hinauswerfen. Das einzige, was passierte, war jedoch, daß man mich nach Überprüfung einer Liste mit dem gleichen Mangel an Interesse nach oben wies, der mir auch auf freundlicherem Territorium schon begegnet war.
Oben ging es weiter mit dem dekorativen Kontrast. Die Wände der Flag waren hellorange mit roten Tupfern, die Arbeitstische leuchtendgrüner Kunststoff, der Teppichboden mit roten und orangen Zickzacklinien gemustert, das Ganze eine Studie in Ruhelosigkeit. Zorn auf jeder Seite, dachte ich, und kein Wunder.
Sam Leggatts Büro hatte eine undurchsichtige Glastür mit der Aufschrift »Redakteur« in großen weißen Kleinbuchstaben; weiter unten stand ein Zusatz in der gleichen Schrift, nur kleiner, der Besucher anwies, zu läuten und zu warten.
Ich läutete und wartete, und kurz darauf schwang die Tür summend ein paar Zentimeter nach innen. Sam Leggatt mochte nicht wirklich eine kugelsichere Weste tragen, doch seine Schutzmaßnahmen gegen ungebetene Gäste waren eindrucksvoll.
Ich stieß die Tür weiter auf und betrat die nächste Bastion des miserablen Geschmacks: schwarzer Plastikschreibtisch, rote, in geometrischem Design getüpfelte Tapete und ein grüngefleckter Spannteppich. An diesem Arbeitsplatz hätte ich schreiend zur Flasche gegriffen.
Zwei Männer standen drinnen, beide in Hemdsärmeln, beide anscheinend gleichgültig gegen ihre Umgebung. Der eine war klein, untersetzt, mit sandfarbenem Haar, der andere größer, gebeugt, bebrillt und angehend kahl. Beide um die Fünfzig, dachte ich. Ein dritter, jüngerer Mann im Anzug saß aufmerksam und still in einer Ecke.
»Mr. Leggatt?« sagte ich.
Der untersetzte Blonde sagte: »Ich bin Leggatt. Ich gebe Ihnen fünf Minuten.« Er hob den Kopf zu dem größeren Mann neben ihm. »Das ist Tug Tunny, der die Intimen Details leitet. Da drüben ist Mr. Evans von unserer Rechtsabteilung. Wer sind Sie also, und was wollen Sie?«
Tug Tunny schnippte in die Finger. »Ich weiß, wer das ist«, sagte er. »Jockey. Dieser Jockey.« Er suchte in seinem Gedächtnis nach dem Namen und fand ihn. »Fielding. Champion Jockey.«
Ich nickte, und mir schien, daß sie sich alle entspannten. Trotzdem lag ein Anflug von Arroganz in der Art, wie Leggatt dastand, und eine Spur von Kampflust, wenn auch wohl nicht mehr, als seine hohe Stellung und die Umstände rechtfertigten, und er redete und benahm sich ganz und gar nicht großspurig.
»Was wollen Sie?« wiederholte Leggatt, aber mit weniger Nervosität als bei meinem Eintritt; und während er sprach, kam mir der Gedanke, daß sie bei seinem Faible für Sicherheitsmaßnahmen die Unterhaltung aufzeichnen würden und daß ich in ein offenes Mikrofon redete, das nicht zu sehen war.
Ich sagte vorsichtig: »Ich bin gekommen, um die Rückgabe des Eigentums von zwei Ihrer Journalisten zu regeln, Owen Watts und Jay Erskine.«
»Dann geben Sie’s doch zurück«, sagte Leggatt schroff.
»Mich würde sehr interessieren«, sagte ich, »wozu die um ein Uhr morgens mit einer Leiter am Haus von Bobby Allardeck hochklettern mußten.«
»Was geht Sie das an?«
»Wir haben sie, um genau zu sein, in der Nähe einer Vorrichtung zum Abhören entdeckt. Auf einer Leiter, mit
Werkzeugen, an der Stelle, wo die Telefonleitung in das Haus der Allardecks geht. Was wollten sie da?«
Schweigen trat ein, dann schnippte Tunny wieder mit den Fingern.
»Er ist Allardecks Schwager. Der Bruder von Mrs. Allardeck.«
»Ganz recht«, sagte ich. »Ich war gestern über Nacht bei ihnen, als Ihre Männer kamen, um einzubrechen.«
»Sie haben nicht eingebrochen«, sagte Leggatt. »Im Gegenteil, man ist, wie ich höre, ganz brutal über sie hergefallen. Allardeck sollte wegen tätlichen Angriffs verhaftet werden.«
»Wir dachten, es seien Einbrecher. Was würden Sie denn denken, wenn jemand mitten in der Nacht auf einer Leiter an Ihrem Haus hochklettert? Erst nachdem wir sie verscheucht hatten, stellten wir fest, daß sie nicht hinter dem Silber her waren.«
»Stellten Sie fest? Wie denn?«
»Sie ließen ihre Jacken zurück, voller Kreditkarten und anderer Dinge mit ihrem Namen drauf.«
»Die Sie zurückzugeben gedenken.«
»Natürlich. Aber ich möchte eine angemessene Erklärung, warum sie überhaupt dort waren. Das Anzapfen von Leitungen ist illegal, und wir haben sie ertappt, als sie dabei waren, ein Abhörgerät zu entfernen, das sich seit mindestens zwei Wochen dort befand - so der Fernmeldetechniker, der heute morgen kam, um es ganz abzumontieren.«
Sie sagten nichts, warteten nur mit berechnenden Augen.
Ich redete weiter. »Ihre Zeitung hat einen grundlosen und geschäftsschädigenden Angriff gegen Bobby Allardeck gestartet, unter Verwendung von Informationen, die mit illegalen Mitteln erlangt wurden. Sagen Sie mir, warum.«
Sie schwiegen.
Ich sagte: »Man hat Ihnen, Mr. Leggatt, per Einschreiben einen Brief zugestellt, der Beweise dafür enthält, daß alle Gläubiger von Bobby Allardeck bezahlt worden sind und daß er nicht bankrott geht. Warum versuchen Sie jetzt nicht, ein bißchen von den Unannehmlichkeiten wiedergutzumachen, die Sie ihm und meiner Schwester bereitet haben? Warum drucken Sie nicht deutlich sichtbar in den Intimen Details eine Entschuldigung für Ihre falsche Darstellung von Bobbys Lage? Warum rahmen Sie den Beitrag nicht rot ein und lassen, wie gehabt, Ihre beiden nachtaktiven Journalisten mit der frischgedruckten Nummer nach Newmarket sausen, damit sie, während die Stadt noch schläft, allen persönlich ein Exemplar bringen können, die auf Ihrer alten Empfangsliste stehen? Und warum schicken Sie nicht, wie gehabt, jedem von Bobbys Besitzern ein rot gekennzeichnetes Exemplar? Das wäre doch überaus erfreulich, finden Sie nicht?«
Sie sahen nicht im mindesten erfreut aus.
»Leider ist es ja so«, sagte ich milde, »daß man als Bürger die Pflicht hat, gesetzwidrige Handlungen bei den zuständigen Behörden anzuzeigen.«
Ohne irgendeine Gefühlsäußerung drehte Sam Leggatt seinen Kopf zu dem stummen Mr. Evans. Nach einer Pause nickte Evans kurz.
»Mach es«, sagte Sam Leggatt zu Tunny.
Tunny war wie vom Donner gerührt. »Nein.«
»Druck die Entschuldigung und laß die Blätter verteilen.«
»Aber .«
»Merkst du nicht, wann’s heiß wird?« Er blickte wieder zu mir. »Und als Gegenleistung?« »Watts’ Kreditkarten und Erskines Presseclubausweis.«
»Und Sie haben immer noch ...?«:
»Ihre Jacketts, ein Scheckheft, Fotos, Briefe, Notizbücher, einen Terminkalender und eine hübsche kleine Ab-höranlage.«
Er nickte. »Und dafür?«
»Tja«, sagte ich langsam, »wie wär’s, wenn Sie Ihre Anwälte fragen würden, was Sie Bobby bezahlen müßten, wenn die Lauschaktion vor Gericht käme? Sollten Sie bereit sein, ihn jetzt in dieser Preislage zu entschädigen, würden wir keine Klage anstrengen und Ihnen die schlechte Publicity sowie die Kosten eines Verfahrens und die fälligen Strafen ersparen.«
»Dazu habe ich keine Befugnis.«
»Aber die könnten Sie bekommen.«
Er blickte nur starr, ohne zuzustimmen oder zu verneinen.
»Außerdem«, sagte ich, »die Antwort darauf, warum der Angriff unternommen wurde. Wer hat das in Gang gebracht? Haben Sie Ihre Journalisten veranlaßt, das Gesetz zu übertreten? Handelten sie auf eigene Faust? Wurden sie dafür bezahlt, und wenn ja, von wem?«
»Diese Fragen können nicht beantwortet werden.«
»Kennen Sie denn die Antworten?«
Er sagte rundheraus: »Ihre Verhandlungsposition ist nur stark genug für die Entschuldigung und das Verteilen der Entschuldigung. Beides sollen Sie haben, und über die Frage der Entschädigung werde ich mich beraten. Weiter geht nichts.«
Ich erkannte eine Mauer, wenn ich davorstand. Das »Gib niemals deine Quellen preis«-Syndrom, zäh wie eh und je. Leggatt gab mir unzweideutig zu verstehen, daß die Flag in größere Schwierigkeiten käme, wenn er meine Fragen beantwortete, als wenn ich sie wegen Abhörens anzeigte, und unter diesen Umständen würde ich tatsächlich nichts weiter bekommen.
»Wir werden uns mit der Entschädigung zufriedengeben«, sagte ich. »Die Lauschaktion müßten wir ziemlich bald anzeigen. Innerhalb von wenigen Tagen.« Ich hielt inne. »Wenn am Freitag morgen eine hinreichende Entschuldigung in der Zeitung erscheint und ich mich überzeugt habe, daß sie in Newmarket verteilt worden ist, sorge ich dafür, daß die Kreditkarten und der Presseausweis hier an Ihren Empfangsschalter kommen.«
»Akzeptiert«, sagte Leggatt, indem er einen Protest von Tunny unterdrückte. »Damit bin ich einverstanden.«
Ich nickte ihnen zu, drehte mich um und ging zur Tür hinaus, und als ich drei Schritte getan hatte, spürte ich eine Hand auf meinem Arm und stellte fest, daß Leggatt mir gefolgt war.
»Unter uns«, sagte er, »was würden Sie tun, wenn Sie herausbekämen, wer die Allardeck-Attacken veranlaßt hat?«
Ich blickte in seine Augen, sandbraun wie das Haar. Betrachtete die geschäftsmäßige äußere Erscheinung des Mannes, der täglich Hohn, Sticheleien, Argwohn und Gehässigkeiten druckte und der sprach, ohne eine Spur davon zu zeigen.
»Unter uns«, sagte ich, »ihm die Fresse einschlagen.«