Kapitel 13

Das wollte ich bestimmt nicht.

»Sie sehen den grauen Ford da drüben, direkt an der Straße«, sagte der Mann links von mir. »Da steigen wir jetzt hübsch brav ein. Dann sagen Sie uns, wo wir gewisse Jacken und die Sachen aus den Taschen finden. Wir werden Sie auf dem Rücksitz zwischen uns nehmen und Ihnen die Hände fesseln, und wenn Sie irgendwelche flotten Bewegungen machen, schneiden wir Ihnen die Sehnen durch, daß Sie nie wieder aufstehen, geschweige denn reiten. Kapiert?«

Mit trockenem Mund nickte ich.

»Sie müssen lernen, daß es Leute gibt, die Sie nicht herumschubsen können. Wir sind hier, um Ihnen das beizubringen. Also gehen Sie los.«

Sie waren nicht Owen Watts und Jay Erskine. Andere Staturen, andere Stimmen, älter und viel kräftiger. Sie unterstrichen ihre Aufforderung mit Stößen in meine unteren Rippen, und ich ging. Ging steifbeinig auf den grauen Ford zu. Ich würde ihnen geben, was sie wollten: das war einfach. Owen Watts’ Kreditkarte und Jay Erskines Presseclubausweis waren es nicht wert, daß ich mich verstümmeln ließ. Aber was nach dem Goldenen Löwen geschehen würde, das war es, was meine Phantasie beschäftigte und meinen Magen durcheinanderbrachte. Sie würden mich nicht lächelnd mit Handschlag freilassen. Das hatten sie eigentlich klargestellt.

Ein dritter Mann, der Fahrer, saß in dem Ford. Als wir herankamen, stieg er aus und öffnete beide Fondtüren. Der Wagen selbst stand in Richtung des Weges auf die Hauptstraße.

Niemand schien in Rufweite zu sein. Niemand nah genug, um zu helfen. Ich beschloß jäh und unvermittelt, daß ich trotz alledem nicht in das Auto steigen würde. Ich würde rennen. Mein Glück im Freien suchen. Besser unterm Himmel als in irgendeiner kleinen dunklen Ecke, im Fond eines Autos, mit gefesselten Händen. Ich hätte ihnen die Jacken gegeben, aber ihnen ging es mehr darum, Schaden anzurichten, und ihr Vorsatz drang zu mir durch wie Druckwellen.

Es kam der Moment, wo es jetzt oder nie hieß, und ich spannte bereits die Muskeln für das Jetzt, da rollte ein großer, leiser, schwarzer Wagen die Straße entlang auf die Rennbahnausfahrt zu und hielt ganze sechs Fuß von der Stelle, wo ich von den beiden Männern flankiert stand. Das linke hintere Fenster glitt herunter, und eine vertraute Stimme sagte: »Sind Sie in Schwierigkeiten, Kit?«

Ich hatte mich noch nie im Leben so gefreut, die Prinzessin zu sehen.

»Sagen Sie nein«, diktierte der Mann zur Linken mir ins Ohr und drehte sein Messer einen Tick herum. »Die sollen abschwirren.«

»Kit?«

»Ja«, sagte ich.

Das Gesicht der Prinzessin änderte sich nicht. Die Fondtür ihres Rolls flog weit auf, und sie sagte kurz und bündig: »Steigen Sie ein.«

Ich machte einen Satz. Einen Sprung. Ich hechtete mit dem Kopf voran in ihr Auto, fing mich so leicht wie möglich über ihren und Danielles Fußgelenken mit den Händen ab und warf mich zu Boden.

Das Auto bewegte sich ziemlich schnell vorwärts, noch ehe die Prinzessin zu ihrem Chauffeur sagte: »Fahren Sie, Thomas«, und ich sah die wütenden Gesichter meiner drei Möchtegernentführer durch die Fenster hereinstarren, hörte ihre Fäuste auf die blanke Karosserie einschlagen, als sie die schon zentral verschlossenen Türen nicht aufkriegten.

»Die haben Messer«, sagte Danielle entsetzt. »Ich meine ... Messer.«

Thomas erhöhte die Geschwindigkeit, so daß die schwergewichtigen Männer nebenherlaufen mußten und schließlich zurückfielen, und ich rappelte mich ungeschickt auf einen der hinteren Klappsitze und bat um Entschuldigung.

»Entschuldigung!« rief Danielle aus.

»Dafür, daß ich Sie in diesen Schlamassel hineingezogen habe«, sagte ich zur Prinzessin. »Es tut mir sehr leid.«

Thomas sagte ohne erkennbare Bestürzung: »Madam, die drei Männer wollen uns mit einem grauen Ford nachkommen.«

Ich blickte durch die getönte Heckscheibe und sah, daß er recht hatte. Der letzte von ihnen stieg gerade mit hastig deutenden Fingern ein.

»Dann sollten wir besser einen Polizisten suchen«, sagte die Prinzessin ruhig; aber wie an jedem anderen Renntag hatte die Polizei das Bahngelände verlassen, sobald die Menschenmassen abgezogen waren. Am Tor der Rennbahn dirigierte niemand den Verkehr, denn dazu bestand keine Notwendigkeit mehr. Thomas verlangsamte, bog ab in Richtung London und setzte den Fuß sacht auf das Gaspedal.

»Dürfte ich etwas vorschlagen, Madam?« sagte er.

»Ja. Bitte.« »Es wäre sicherer für Sie alle, wenn wir durchführen. Ich weiß nicht, wo die Polizeistation in Stony Stratford ist, der nächsten Stadt, zu der wir kommen. Ich müßte anhalten und nach dem Weg fragen.«

»Wenn wir zu einer Polizeistation fahren«, sagte Danielle besorgt, »behalten die uns eine Ewigkeit dort, nehmen Aussagen zu Protokoll, und ich werde mich fürchterlich verspäten.«

»Kit?« fragte die Prinzessin.

»Weiterfahren«, sagte ich. »Wenn das in Ordnung geht.«

»Also fahren Sie durch, Thomas«, wies die Prinzessin an, und Thomas nickte. »Und jetzt, Kit«, sagte sie, »erzählen Sie uns, warum Sie auf so melodramatische Weise gerettet werden mußten.«

»Die haben ihn mit Messern bedroht«, sagte Danielle.

»Das ist mir nicht entgangen. Aber warum?«

»Sie wollten etwas, das ich habe.« Ich holte tief Luft, versuchte die unglaubliche Erleichterung zu dämpfen, die ich darüber empfand, daß ich nicht in dem Wagen hinter uns gefangen saß; versuchte mein Zittern abzustellen. »Es fing an mit ein paar Zeitungsartikeln über meinen Schwager Bobby Allardeck.«

Sie nickte. »Davon hat gestern Lord Vaughnley gesprochen, als Sie fort waren.«

»Ich habe Blut am Bein«, sagte Danielle unvermittelt. »Wie ist das ...« Sie schaute auf ihre Fußgelenke herunter, hob dann plötzlich den Kopf und sagte zur mir: »Haben Sie geblutet, als Sie wie ein Artist hier reingeflogen kamen? Sind Sie verletzt?«

»Wahrscheinlich.«

»Was heißt, wahrscheinlich? Können Sie das nicht spüren?« »Nein.« Ich schaute unter meine Jacke, rechts und links.

»Also?« fragte Danielle.

»Ein bißchen«, sagte ich.

Vielleicht hatten die Schwergewichtler nicht damit gerechnet, daß ich noch springen würde, nachdem ihre Messer schon steckten. Jedenfalls hatten sie zu langsam reagiert, um mich zu stoppen; zwar entschlossen zugestochen, aber zu spät. Der Schmerz war kurz gewesen, die Nachwirkung unerheblich. Ein bißchen Blut machte jedoch viel her.

Die Prinzessin sagte resigniert: »Haben wir keinen Verbandskasten, Thomas?«

Thomas sagte: »Doch, Madam«, und holte einen schwarzen Kasten aus einem Fach hervor. Er reichte ihn über seine Schulter nach hinten, und als ich ihn öffnete, stellte ich fest, daß er handliche, wattierte, saugfähige antiseptische Binden und alle Arten von Salben und Heftpflastern enthielt. Ich nahm einen der dicken Verbände heraus und sah mich von zwei Augenpaaren beobachtet.

»Verzeihen Sie«, sagte ich verlegen.

»Es ist Ihnen ja peinlich!« sagte Danielle.

»Mm.«

Die ganze Situation war mir peinlich. Die Prinzessin wandte ihren Kopf ab und betrachtete die vorbeiziehenden Felder, während ich unter meinem Hemd herumtastete, um den Verband an Ort und Stelle zu bringen. Wo immer die Wunden sein mochten, es war zu weit hinten, als daß ich sie hätte sehen können.

»Herr im Himmel«, sagte Danielle, die immer noch zuschaute, »lassen Sie mich das machen.«

Sie wechselte von dem Rücksitz mir gegenüber auf den Klappsitz an meiner Seite, nahm mir den Verband aus der

Hand und forderte mich auf, Hemd und Jacke hochzuhalten, damit sie sehen könne, was Sache war. Als ich es tat, hob sie langsam den Kopf und schaute mich an.

»Ich nehme Ihnen einfach nicht ab, daß Sie das nicht spüren können.«

Ich lächelte ihr in die Augen. Was immer ich spürte, war ein Nadelstich gegenüber dem, was mir gedroht hatte. »Legen Sie den Verband auf«, sagte ich.

»Na gut.«

Sie legte ihn auf, und wir tauschten die Plätze, damit sie auch die linke Seite versorgen konnte. »Schöne Bescherung«, meinte sie dann, wischte sich die Hände ab und nahm wieder Platz auf dem Rücksitz, während ich mir provisorisch das Hemd in die Hose stopfte. »Der erste Schnitt da ist lang und gräßlich tief und muß genäht werden.«

Die Prinzessin hörte auf, zum Fenster hinauszustarren, und sah mich abschätzend an.

»Ich kann morgen starten«, sagte ich.

Ihre Mundwinkel zuckten. »Ich glaube, das würden Sie mir auch sagen, wenn Sie beide Beine gebrochen hätten.«

»Wahrscheinlich ja.«

»Madam«, sagte Thomas, »wir nähern uns der Schnellstraße, und der graue Ford ist uns immer noch auf den Fersen.«

Die Prinzessin machte eine unentschlossene Geste mit den Händen. »Wir fahren wohl besser weiter«, sagte sie. »Was meint ihr?«

»Weiter«, sagte Danielle entschieden, und Thomas und ich nickten.

»Also gut. Weiter nach London. Und jetzt, Kit, erzählen Sie uns mal, was los ist.«

Ich erzählte ihnen, wie Bobby und ich die Journalisten beim Abmontieren ihrer Lauschanlage überrascht und ihnen die Jacketts ausgezogen hatten, bevor wir sie laufenließen.

Die Prinzessin sah verständnislos drein.

Ich sagte, daß ich angeboten hätte, die Jacketts herauszugeben, wenn die Flag eine Entschuldigung drucken und außerdem eine Entschädigung an Bobby zahlen würde. Ich erklärte, wie ich meinen aufgebrochenen Wagen entdeckt hatte und wie dann plötzlich meine Angreifer erschienen waren.

»Sie wollten diese Jacken«, sagte ich. »Und wenn ich auch an Einbruch gedacht hatte, mit Gewalt hatte ich nicht gerechnet.« Ich wußte selbst nicht, warum - nach dem tätlichen Angriff von Bobby auf Owen Watts. Ich hielt inne. »Ich kann Ihnen gar nicht genug danken.«

»Danken Sie Thomas«, sagte die Prinzessin. »Thomas meinte, Sie seien in Schwierigkeiten. Ich hätte es nicht gemerkt.«

»Schönen Dank, Thomas.«

»Man konnte es auf eine Meile Entfernung sehen«, sagte er.

»Sie haben ziemlich schnell die Kurve gekriegt.«

»Ich hörte mal einen Vortrag, wie man die Entführung seines Arbeitgebers verhindert.«

»Thomas!« staunte die Prinzessin. »Ist das wirklich wahr?«

Er sagte ernst: »Ich würde Sie nicht verlieren wollen, Madam.«

Die Prinzessin war gerührt und fand ausnahmsweise keine glatte Antwort. Thomas, der sie hingebungsvoll seit Jahren fuhr, war ein großer, stiller Londoner mittleren Alters, mit dem ich mich meistens kurz auf den Rennbahnparkplätzen unterhielt, wo er im Rolls saß und Bücher las. Vor langer Zeit hatte ich ihn mal gefragt, ob es ihn nicht langweile, jeden Tag zu den Rennen zu fahren, da er sich nicht sonderlich für Pferde interessierte und auch nicht wettete, und er hatte nein gesagt; er mochte die langen Fahrten, er mochte seine Einsamkeit, und vor allem mochte er die Prinzessin. Er und ich, in vieler Hinsicht Gegensätze, hätten wohl beide für die Dame unser Leben gegeben.

Trotz alledem konnte ich mir denken, daß sie auf die im Augenblick bestehende Unruhe keinen großen Wert legte. Ich blickte zurück auf den grauen Wagen, der uns unverändert folgte, und begann zu überlegen, wie man sich ihm entziehen könnte. Ich dachte eben daran, daß wir vielleicht in dichtes Unterholz abtauchen sollten, sobald wir von der Schnellstraße herunter waren, da scherte der Wagen hinter uns plötzlich gefährlich aus, querte unter einem wilden Hupkonzert die Kriechspur und verschwand in einer Nebenstraße.

Thomas stieß eine Art von Knurren hervor und meinte erleichtert: »Sie sind zu einer Tankstelle.«

»Heißt das, wir sind sie los?« sagte Danielle und sah nach hinten.

»Sie haben sich abgesetzt.« Um, wie ich annahm, eine Mißerfolgsstory durchzugeben.

Die Prinzessin sagte: »Gut«, als wäre die Angelegenheit damit gänzlich erledigt, und begann frischweg von ihren Pferden zu reden, von den Glanzlichtern des Tages, von erfreulicheren Aufregungen. Entschlossen und geschickt lenkte sie von dem fremden, gewalttätigen Schrecken verletzenden Stahls zurück zu der heilen, vertrauten Gefahr, sich das Genick zu brechen.

Bis wir London Mitte erreichten, hatte sie der Atmosphäre den Anschein völliger Normalität wiedergegeben, als wäre meine Anwesenheit in ihrem Wagen etwas ganz Alltägliches, ohne Rücksicht auf das stürmische Entree. Sie hätte noch mit guten Manieren das Schafott bestiegen, dachte ich und war dankbar für die Ruhe, die sie über uns gebracht hatte.

Auf der letzten Meile des Heimwegs, während die Dämmerung in Dunkelheit überging, fragte die Prinzessin Thomas, ob er ihre Nichte wie gewohnt nach Chiswick fahren und sie dort wieder abholen würde, wenn sie mit der Arbeit fertig sei.

»Sehr wohl, Madam.«

»Vielleicht«, sagte ich, »könnte ich ja Danielle holen? Thomas die Fahrt ersparen.«

»Um zwei Uhr früh?« sagte Danielle.

»Warum nicht?«

»Okay.«

Die Prinzessin äußerte sich nicht dazu, zeigte keine Empfindung. »Es scheint, Sie haben die Nacht frei, Thomas«, war alles, was sie sagte, und zu mir: »Wenn Sie zur Polizei möchten, fährt Thomas Sie hin.«

Ich schüttelte den Kopf. »Ich gehe nicht zur Polizei.«

»Aber«, meinte sie zweifelnd, »diese gräßlichen Männer .«

»Wenn ich zur Polizei gehe, kommen Sie in die Zeitung.«

Sie sagte ausdruckslos: »Oh.« Daß sie durch die Gegend kurvte und ihren Jockey vor einer Bande messerschwingender Gorillas rettete, war nicht die Art von Publicity, nach der es sie verlangte. »Tun Sie, was Ihnen am besten erscheint«, sagte sie leise.

»Ja.«

Thomas hielt vor ihrem Haus am Eaton Square und öffnete uns zum Aussteigen den Wagenschlag. Auf dem Trottoir dankte ich der Prinzessin für die Fahrt. Höflichkeit war Trumpf. Mit einem kaum merklichen Anflug von Belustigung sagte sie, sie würde mich ja bestimmt in Ascot sehen, bot mir wie an jedem anderen Tag die Hand und nahm meine angedeutete Verbeugung entgegen.

»Das gibt’s doch nicht«, sagte Danielle.

»Wenn man die Form wahrt«, meinte die Prinzessin liebenswürdig zu ihr, »läßt sich jede Gefahr bändigen.«

Ich kaufte mir ein Hemd und einen Anorak und stieg für die Nacht in einem Hotel ab. Noch in der Halle mietete ich am Schalter einer Agentur ein Auto.

»Ich möchte ein gutes«, sagte ich. »Einen Mercedes, wenn Sie haben.«

Sie würden sich bemühen, versicherten sie mir.

Oben stieg ich aus dem aufgeschlitzten, blutbesudelten Hemd und Sakko in die neuen Kleider und begann mit einer weiteren Telefonorgie.

Der Goldene Löwe, über die Auskunft erreicht, sagte, es bestünde kein Problem, sie würden mein Zimmer noch einen Tag reservieren, sie hätten ja meine Kreditkartennummer; zu schade, daß ich überraschend aufgehalten worden sei, meine Sachen seien vollkommen sicher.

Die A.A.-Verkehrswacht sagte, keine Sorge, sie würden mein Auto innerhalb einer Stunde von der Rennbahn in Towcester abholen. Wenn ich am Morgen anriefe, würden sie mir mitteilen, wo sie es zur Reparatur gegeben hatten.

Mein Anrufbeantworter im Cottage war gespickt mit Bit-te-rufen-Sie-zurück-Nachrichten von der Polizei, meiner

Nachbarin, meinem Banker, Rose Quince, drei Trainern und Sam Leggatt.

Meine Nachbarin, eine ältere Witwe, klang ungewöhnlich erregt, daher rief ich sie zuerst an.

»Kit, mein Lieber, ich hoffe, ich habe richtig gehandelt«, sagte sie. »Ich sah einen fremden Mann in Ihrem Häuschen herumlaufen und holte die Polizei.«

»Sie haben richtig gehandelt«, stimmte ich zu.

»Es war Mittag, und ich wußte, daß Sie in Towcester waren, ich verfolge doch immer Ihre Taten. Vier Siege! Es kam gerade im Radio. Bravo.«

»Danke ... Was ist im Cottage passiert?«

»Nichts eigentlich. Als die Polizei kam, bin ich rüber, um sie mit meinem Schlüssel reinzulassen. Sie konnten höchstens fünf Minuten gebraucht haben, aber im Cottage war keiner. Ich kam mir so blöd vor. Dann sagte einer der Polizisten, ein Fenster wäre eingeschlagen, und als sie sich noch ein bißchen umschauten, sagten sie, jemand hätte die Wohnung durchsucht. Es sah mir nicht so aus, als ob was fehlte, Ihre Pokale waren nicht angerührt. Nur das Fenster im Ankleideraum war in Scherben.«

Ich seufzte. »Danke«, sagte ich. »Sie sind ein Schatz.«

»Ich hab das Fenster von Pedro unten in der Straße reparieren lassen. Ich wollte nicht, daß es so bleibt. Da konnte doch jeder rein.«

»Wenn ich zurück bin, gehen wir mal einen trinken.«

Sie kicherte. »Danke, mein Lieber. Freu mich drauf.«

Die Polizei selbst hatte nichts hinzuzufügen. Ich solle wiederkommen, sagten sie, um meine Verluste zu überprüfen.

Ich rief den Filialleiter meiner Bank zu Hause an und lauschte ihm, während er mit vollem Mund redete. »Entschuldigen Sie. Scheibe Toast«, sagte er. »Gegen Mittag kam ein Mann in die Bank und wollte dreitausend Pfund auf Ihr Konto einzahlen.«

»Was für ein Mann?«

»Ich hab ihn leider nicht gesehen. Ich war außer Haus. Es war ein Bankwechsel, kein Privatscheck.«

»Verdammt«, sagte ich erbittert.

»Keine Angst. Er wird nicht auf Ihrem Konto erscheinen. Ich habe es wie vereinbart für alle Eingänge gesperrt. Der Wechsel liegt in meinem Büro im Safe. Was soll ich damit anfangen?«

»Zerreißen Sie ihn vor Zeugen«, sagte ich.

»Das kann ich nicht«, protestierte er. »Irgend jemand hat dafür dreitausend Pfund bezahlt.«

»Wo wurde er ausgestellt?«

»Bei einer Bank in der City.«

»Können Sie mal nachhören, ob die sich erinnern, wer ihn gekauft hat?«

»Ja, ich werd’s morgen versuchen. Und seien Sie so gut, geben Sie mir die Einzahlungsstopp-Erklärung schleunigst schriftlich.«

»Ja«, sagte ich.

»Glückwunsch auch zu den Siegen. Es kam im Radio.«

Ich dankte ihm, hängte ein, und nach einiger Überlegung verließ ich das Hotel, ging die Straße hinunter zu einem U-Bahnhof und rief von einem Münzfernsprecher aus Sam Leggatt in der Flag an. Seine Stimme kam sofort in die Leitung, energisch und kompromißlos.

»Unsere Anwälte meinen, was Sie hier gestern gesagt haben, lief auf Erpressung hinaus.«

»Was Ihre Reporter am Haus meines Schwagers getan haben, lief auf Gefängnis hinaus.« »Unsere Anwälte sagen, wenn Ihr Schwager meint, er hat Gründe für einen außergerichtlichen Vergleich, dann sollten seine Anwälte sich mit unseren Anwälten in Verbindung setzen.«

»Jaja«, sagte ich. »Und wie lange würde das dauern?«

»Unsere Anwälte sind der Auffassung, daß keine Entschädigung gezahlt werden sollte. Die in der Kolumne verwendeten Angaben waren im wesentlichen zutreffend.«

»Drucken Sie die Entschuldigung?«

»Noch nicht. Wir sind noch nicht in Druck gegangen.«

»Werden Sie sie drucken?«

Er zögerte zu lange.

»Wußten Sie«, sagte ich, »daß heute jemand mein Cottage durchsucht hat, jemand mein Auto aufgebrochen hat, zwei Männer mich mit Messern angegriffen haben und jemand versucht hat, mich mit einer Gutschrift von dreitausend Pfund zu bestechen?«

Noch mehr Schweigen.

»Ich werde jedem, der mir nur einfällt, von der Lauschaktion erzählen«, sagte ich. »Ab sofort.«

»Wo sind Sie?« fragte er.

»Am anderen Ende der Telefonleitung.«

»Warten Sie«, sagte er. »Rufen Sie gleich noch mal an, ja?«

»Wann?«

»In fünfzehn Minuten.«

»Na schön.«

Ich legte den Hörer auf, stand da und schaute ihn an, trommelte mit den Fingern und fragte mich, ob die Flag wirklich über Geräte verfügte, mit denen sie zurückverfolgen konnte, woher mein Anruf kam, oder ob ich mir etwas zusammenphantasierte.

Noch mehr Prügel, dachte ich, konnte ich mir nicht leisten. Ich verließ den U-Bahnhof, wanderte zehn Minuten die Straße entlang, ging in ein Pub, klingelte die Flag an. Wieder wurde mein Anruf erwartet: Die Zentrale stellte mich direkt durch.

Als Sam Leggatt »Ja« sagte, tönten laute Stimmen im Hintergrund.

»Fielding«, sagte ich.

»Sie sind zu früh.« Die Hintergrundstimmen brachen jäh ab.

»Ihre Entscheidung«, sagte ich.

»Wir möchten mit Ihnen reden.«

»Sie reden doch.«

»Nein. Hier, in meinem Büro.«

Ich antwortete nicht sofort, und er sagte scharf: »Sind Sie noch da?«

»Ja«, sagte ich. »Um welche Zeit gehen Sie in Druck?«

»Die erste Ausgabe um halb sieben, für die Westlandzüge. Bis sieben können wir warten. Das ist das Äußerste.«

Ich sah auf meine Uhr. Vierzehn Minuten nach sechs. Meines Erachtens zu spät zum Reden.

»Hören Sie«, sagte ich. »Warum drucken und verteilen Sie nicht einfach die Entschuldigung? Das ist doch wirklich keine große Sache. Es kostet Sie nichts als das Benzin nach Newmarket. Ich werde in Ihr Büro kommen, wenn Sie mir zusichern, daß Sie das tun.«

»Sie würden meinem Wort vertrauen?«

»Vertrauen Sie meinem?«

Er sagte widerwillig: »Ja, ich denke schon, daß Sie uns geben, was Sie versprochen haben.«

»Werd ich tun. Ich werde in gutem Glauben handeln. Das müssen Sie aber auch. Sie haben Bobby Allardeck tatsächlich schwer geschadet, und Sie müssen wenigstens versuchen, das auszubügeln.«

»Unsere Anwälte sagen, eine Entschuldigung wäre das Eingeständnis einer Schuld. Sie sagen, das können wir nicht bringen.«

»Das wär’s dann«, sagte ich. »Wiedersehen.«

»Nein, Fielding, warten Sie.«

»Ihre Anwälte sind Narren«, sagte ich und legte den Hörer auf.

Ich ging hinaus auf die Straße, fuhr mit der Hand über meinen Kopf, meine Haare, fühlte mich niedergedrückt und als Verlierer.

Vier Siege, dachte ich. Es kam so selten vor. Ich sollte knietief in Champagner waten, nicht gegen eine Backsteinmauer anrennen, die so bösartig zurückschlug.

Die Wunden über meinen Rippen schmerzten. Ich konnte sie nicht länger ignorieren.

Entmutigt ging ich weiter, wieder zu einem anderen Telefon, und rief einen alten medizinischen Verbündeten an.

»Ach hallo«, sagte er fröhlich. »Was haben wir diesmal? Ein paar Knochen heimlich einzurichten?«

»Nähen.«

»Aha. Und wann reiten Sie?«

»Morgen.«

»Dann schieben Sie an.«

»Danke.«

Ich nahm ein Taxi und ließ mich nähen.

»Das ist keine Hufwunde«, stellte er fest, als er ein Betäubungsmittel in meine rechte Seite tupfte. »Das war ein Messer.«

»Ja.«

»Wußten Sie, daß der Knochen durchkommt?«

»Ich kann nichts sehen.«

»Reißen Sie sich das morgen nicht noch mal auf.«

»Dann flicken Sie es gut.«

Er arbeitete eine Zeitlang, bevor er mir auf die Schulter klopfte. »Sie haben da jetzt absorbierbaren Faden drin, außerdem Klammern und Klettband, aber ob das noch vier Siege überstehen würde, ist eine reine Vermutung.«

Ich hob den Kopf. Ich hatte nichts von den Siegen erwähnt.

»Ich hörte es in den Nachrichten«, sagte er.

Er arbeitete weniger lange an der anderen Schnittwunde und sagte leichthin: »Ich wußte nicht, daß Messerstiche in Ihr Fach fallen.«

»Ich auch nicht.«

»Möchten Sie mir erzählen, wie es passiert ist?«

Er verlangte offenbar nach einer beruhigenden Erklärung. Er würde mir unter der Hand helfen, aber es war wichtig für ihn, daß ich ehrlich war.

»Meinen Sie«, sagte ich, »ob ich mir Ärger mit Wettern und Wettbetrügern und dergleichen eingehandelt habe?«

»Wahrscheinlich.«

»Aber nein, das versichere ich Ihnen.« Ich berichtete ihm kurz von Bobbys Schwierigkeiten und spürte, wie seine Vorbehalte schwanden.

»Und die Prellungen?« sagte er.

»Ich bin vorgestern unter ein paar Hürdenpferde geraten.«

Er nickte trocken. Ich zahlte sein Honorar in bar, und er brachte mich an die Tür.

»Alles Gute«, sagte er. »Kommen Sie wieder, wenn Sie’s nötig haben.«

Ich dankte ihm, schnappte mir ein Taxi zurück zum Hotel und dachte daran, daß die Flag in diesem Augenblick ohne die Entschuldigung durch die Druckmaschine ratterte. Dachte an Leggatt und die Leute hinter ihm; Rechtsanwälte, Nestor Pollgate, Tug Tunny, Owen Watts und Jay Erskine. Dachte an die Kräfte und Dämonen, die ich auf irgendeine Weise entfesselt hatte. Sie müssen lernen, daß es Leute gibt, die Sie nicht herumschubsen können, hatte einer der Messerträger gesagt.

Nun, ich lernte es.

Am Mietwagenschalter im Hotel hieß es, ich hätte Glück, sie hätten mir einen Mercedes besorgt; hier seien die Schlüssel, er stünde in der Tiefgarage; der Dienstmann würde ihn mir zeigen, wenn ich ausgehen wolle. Ich dankte ihnen. Man tut, was man kann, sagten sie.

Von meinem Zimmer bestellte ich beim Zimmerservice etwas zu essen und rief Wykeham an, um ihm zu berichten, wie seine Sieger gesiegt hatten, was zumindest noch ein Echo von der gehobenen Stimmung des Nachmittags wachrief.

»Sind sie alle gut heimgekommen?« fragte ich.

»Ja, alle haben ihre Ration gefressen. Dhaulagiri sieht aus, als hätte er ein schweres Rennen gehabt, aber Dusty sagt, er hat mühelos gesiegt.«

»Dhaulagiri lief großartig«, sagte ich. »Sie alle miteinander. Kinley ist so gut wie nur irgendeiner, den Sie haben.«

Wir sprachen über Kinleys Zukunft und die Renner in Ascot am nächsten Tag und am Samstag. Für Wykeham waren die Monate Oktober, November, Dezember der Höhepunkt; seine Pferde kamen dann alljährlich in Bestform, die gegenwärtige Erfolgssträhne war erwartet und eingeplant.

Zwischen dem 30. September und dem Neujahrstag ließ er jedes von ihm betreute Pferd so oft laufen, wie er konnte. »Den Augenblick beim Schopf ergreifen«, sagte er dazu. Nach Weihnachten, wenn die Meetings von Frost und Schnee auseinandergerissen wurden, überließ er seinen Stall mehr oder weniger dem Winterschlaf, rastete, gruppierte um, plante auf eine zweite Hochblüte im März hin. Mein Leben folgte weitgehend seinem Rhythmus, der mir so selbstverständlich war wie seinen Pferden.

»Ruhen Sie sich jetzt mal aus«, sagte er jovial. »Sie haben morgen sechs Ritte, am Samstag wieder fünf. Schlafen Sie ordentlich.«

»Ja«, sagte ich. »Gute Nacht, Wykeham.«

»Gute Nacht, Paul.«

Mein Essen kam, und ich nahm ein paar Happen davon und trank etwas Wein, während ich mit den anderen Trainern telefonierte, die Nachrichten hinterlassen hatten, und danach rief ich Rose Quince an.

»Vier Siege«, sagte sie. »Tragen Sie’s nicht ein bißchen dick auf?«

»Es kommt eben vor.«

»Aber ja. Kosten Sie Ihren Glanz ruhig noch aus, Sportsfreund, denn ich habe eine schlechte Neuigkeit für Sie.«

»Inwiefern schlecht?«

»Eine glatte, unumstößliche Abfuhr von dem Regisseur von Handel heute. Um nichts auf der Welt will er sagen, wer ihn auf Maynard Allardeck gehetzt hat.«

»Aber aufgehetzt hat ihn jemand?« »Na, klar. Er will nur nicht sagen, wer. Ich könnte mir denken, daß er sowohl dafür bezahlt worden ist, daß er’s tut, wie dafür, daß er’s nicht tut, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

»Wer immer ihn dafür bezahlt hat, daß er’s tut, muß sich betrogen fühlen.«

»Zu dumm«, meinte sie. »Wir sehen uns.«

»Hören Sie«, sagte ich hastig, »wofür kam Jay Erskine ins Gefängnis?«

»Sagte ich Ihnen doch. Behinderung der Justiz.«

»Aber was hat er eigentlich getan?«

»Soweit ich mich erinnere, ein paar Angstmacher auf einen Hauptbelastungszeugen angesetzt, der dann außer Landes geflohen ist und nie ausgesagt hat, so daß der Gauner davonkam. Warum?«

»Interessierte mich nur. Wie lange hat er gekriegt?«

»Fünf Jahre, aber er war sehr viel schneller wieder draußen.«

»Danke.«

»Gern geschehen. Übrigens, eine von den Gefälligkeiten, die Sie mir schuldig waren, hat sich erledigt. Ich habe Ihren Rat beherzigt. Das Gift hat hervorragend gewirkt, und ich bin erlöst; ich unterstehe nicht mehr dem Chauvinisten. Schönen Dank also und gute Nacht.«

»Gute Nacht.«

Wenn die Flag Angstmacher brauchte, konnte Jay Erskine sie beschaffen.

Ich seufzte und rieb mir die Augen und dachte über Holly nach, die mir seit einer Ewigkeit im Kopf herumging, mir sagte, ich solle sie anrufen. Sie würde das Geld haben wollen, das ich immer noch um meine Taille trug, und ich mußte sie und Bobby wohl überreden, am Morgen nach London oder Ascot zu kommen, um es abzuholen.

Ich würde ihr auch sagen müssen, daß ich den Abdruck der Entschuldigung doch nicht durchgesetzt hatte. Daß ihre und Bobbys Anwälte sich ewig plagen könnten und nichts erreichen würden. Daß es der Flag zwar vielleicht lästig fiele, wenn wir aller Welt von der Lauschaktion erzählten, daß es aber nichts dazu beitragen würde, ihren Banker umzustimmen. Nur zögernd wählte ich Hollys Nummer.

»Natürlich kommen wir das Geld abholen«, sagte sie. »Bist du bitte jetzt mal still davon und hörst zu.«

»Okay.«

»Sam Leggatt hat angerufen. Der Chefredakteur der Flag. «

»Tatsächlich? Wann?«

»Vor etwa einer Stunde. Anderthalb. So um sieben. Er sagte, du wärst in London, irgendwo in der Gegend von Knightsbridge, und ob ich wüßte, wo du dich aufhältst.«

»Was hast du gesagt?« fragte ich erschrocken.

»Ich sagte ihm, wo du letzte Nacht gewohnt hast. Ich riet ihm, es dort zu versuchen. Er sagte, das sei nicht in Knightsbridge, und ich meinte, klar, aber ob er noch nie was von Taxis gehört hätte. Jedenfalls wollte er dir dringend eine Nachricht zukommen lassen, sagte er. Er wollte, daß ich sie aufschrieb. Ich sollte dir ausrichten, daß die Entschuldigung in diesem Moment gedruckt wurde und daß sie ausgetragen werden wird.«

»Was! Warum sagst du denn das nicht gleich?«

»Aber du hast mir gestern abend doch erzählt, das würde laufen. Also, ich dachte, du wüßtest es.«

»Allmächtiger«, sagte ich.

»Außerdem«, sagte Holly, »sollst du heute abend zur Flag kommen. Er sagte, wenn du vor zehn hinkämst, wäre da jemand, den du kennenlernen möchtest.«

Загрузка...