Kapitel 14

Als ich auf den Summer drückte und unangemeldet durch die aufklinkende Tür trat, saß er allein in seinem Büro, in Hemdsärmeln hinter dem blanken schwarzen Schreibtisch, und las die Flag.

Er erhob sich langsam, die Finger auf der Zeitung gespreizt, wie um sie als Hebel zu benutzen, ein kleiner, stämmiger Mann, der Autorität ausstrahlte, als wäre sie ihm angeboren.

Ich war nicht der, den er erwartet hatte. Eine Stimme sagte hinter mir: »Hier ist sie, Sam«, und ein Mann, der eine Mappe schwenkte, kam hinzu.

»Ja, Dan, läßt du sie mir mal hier?« sagte Leggatt, indem er die Hand ausstreckte und sie an sich nahm. »Ich komme auf dich zurück.«

»Aha? Okay.« Der Mann namens Dan ging wieder, sah mich neugierig an, schloß klickend die Tür.

»Ich habe Ihre Nachricht erhalten«, sagte ich.

Er schaute auf seine Ausgabe der Flag herunter, blätterte eine Seite vor, drehte die Zeitung herum und schob sie mir über den Schreibtisch zu.

Ich las die Intimen Details, die am Freitag einige Millionen Frühstücksrunden kitzeln würden, und sah, daß er zumindest fair gespielt hatte. Der Beitrag war in halbfetter Antiqua, in einem schwarz gerahmten Kasten. Er lautete:

Die Daily Flag räumt ein, daß der Rennstall von Robertson (Bobby) Allardeck (32) in Newmarket ein gesundes Unternehmen ist und nicht bei Kaufleuten des Orts in der Kreide steht. Die Daily Flag entschuldigt sich bei Mr. Allardeck für alle Unannehmlichkeiten, die ihm durch anderslautende Meldungen, wie sie früher in dieser Kolumne erschienen sind, entstanden sein mögen.

»Nun?« sagte er, als ich gelesen hatte.

»Vielen Dank.«

»Bobby Allardeck sollte Gott für seinen Schwager danken.«

Ich schaute ihn überrascht an, und ich dachte an die gespaltene, unverläßliche Einstellung Bobbys mir gegenüber und an meine Schwester, für die ich eigentlich handelte. Dieser Text müßte zumindest die Nerven der Stadt und der Besitzer beruhigen und den Stall wieder in einen funktionstüchtigen Zustand versetzen - vorausgesetzt natürlich, daß die heikle Finanzlage ebenso geklärt werden konnte.

»Was hat Sie umgestimmt?« fragte ich.

Er zuckte die Achseln. »Sie. Die Anwälte meinten, Sie würden klein beigeben. Ich sagte, das würden Sie nicht tun. Die glauben, sie können jeden mit der Androhung von langen kostspieligen Verfahren einschüchtern.« Er lächelte schief. »Ich sagte, Sie würden uns den größten Ärger bereiten, wenn wir nicht druckten, und das hätten Sie doch getan, oder?«

»Ja.«

Er nickte. »Ich machte ihnen klar, daß wir Jay Erskine und Owen Watts nicht vor Gericht haben wollten, wo Sie sie hingebracht hätten.«

»Zumal Jay Erskine schon vorbestraft ist.«

Er schwieg einen Augenblick. »Ja«, sagte er.

Dieser eine Faktor, dachte ich, war ausschlaggebend gewesen.

»Hat Erskine die Angriffe gegen Bobby verfaßt?« fragte ich.

Nach einem kurzen Zögern nickte er. »Er hat alles geschrieben außer der Entschuldigung. Die stammt von mir.«

Er drückte einen Knopf der Gegensprechanlage auf seinem Schreibtisch und sagte betonungslos »Fielding ist hier« in die Stille hinein.

»Wo sind die Kreditkarten, jetzt, da wir gedruckt haben?« fragte er.

»Die bekommen Sie, wie gesagt, morgen nach dem Austragen der Zeitungen.«

»Sie lassen nie locker, was? Owen Watts ist schon nach Newmarket unterwegs, und die anderen hat die Post.« Er sah mich nachdenklich an. »Wie haben Sie das mit der Bank herausgekriegt?«

»Ich dachte mir, daß Sie versuchen könnten, mich in Mißkredit zu bringen. Ich habe alle Einzahlungen stoppen lassen.«

Er preßte den Mund zusammen. »Die wissen nicht, womit sie es zu tun haben«, sagte er.

Der Summer an seiner Tür ertönte, und er drückte sofort auf den Öffner. Ich drehte mich um und sah einen Mann, den ich nicht kannte, interessiert und ohne Zögern eintreten. Ziemlich groß, mit zurückgehendem Haaransatz über der blassen Stirn. Er trug einen einfachen dunklen Anzug mit farbig gestreifter Krawatte und hatte die Angewohnheit, seine Finger gegeneinanderzureiben wie ein Schullehrer, der Kreide abwischt.

»David Morse, Chef unserer Rechtsabteilung«, sagte Sam Leggatt knapp.

Niemand bot die Hand zum Gruß. David Morse betrachtete mich wie ein Ausstellungsstück von oben bis unten, ließ seinen Blick über den offenen Anorak, die Krawatte und das blaue Hemd darunter wandern.

»Der Jockey«, sagte er kühl, »der den Wirbel macht.«

Ich gab keine Antwort, da keine zweckmäßig erschien, und durch die offene Tür hinter ihm kam noch ein Mann, der Macht mit hereinbrachte wie eine Aura und leise auf den Außenseiten seiner Füße ging. Dieser Mann, ebensogroß wie der Anwalt, hatte pomadisiertes dunkles Haar, olivfarbene Haut, ein rundes Kinn, einen kleinen Mund, Augen wie glänzende dunkle Perlen; außerdem breite Schultern und einen flachen Bauch in elegantem dunkelblauem Anzugsstoff. Er war jünger als Sam Leggatt oder Morse und auf undefinierbare Weise ihr Boss.

»Ich bin Nestor Pollgate«, verkündete er und unterzog mich einer Neuauflage der Morseschen Begutachtung, ebenfalls ohne zu grüßen. »Ich habe Ihre Mätzchen satt. Sie geben auf der Stelle die Sachen meiner Journalisten heraus.«

Seine Stimme war kraftvoll wie sein Körper, widerhallend tief in akzentlosem einfachem Englisch.

»Haben Sie mich nur deswegen hergebeten?« sagte ich.

Piesacken Sie sie nicht, hatte Rose Quince gesagt. Ach, na ja.

Pollgates Mund zog sich zusammen, und er ging herum auf Leggatts Seite des Schreibtisches, was dann auch der Anwalt tat, so daß sie dort wie ein Triumvirat von Richtern standen und mich vor sich hatten, sozusagen auf dem Präsentierteller.

Ich hatte ein- oder zweimal in dieser Form vor dem Disziplinarausschuß der Stewards gestanden, und ich hatte gelernt, weder Furcht noch Widerstand zu erkennen zu geben. Jede unangenehme Erfahrung, schien es, konnte unvermuteten Gewinn bringen. Ich stand ruhig da und wartete.

»Ihre Behauptung, wir hätten vorsätzlich eine Kampagne geführt, um Ihren Schwager zu vernichten, ist Blödsinn«, sagte Pollgate rundheraus. »Wenn Sie diese Meinung in der Öffentlichkeit äußern, verklagen wir Sie.«

»Sie haben eine Kampagne geführt, um Maynard Allerdecks Aussichten auf die Adelsverleihung zu zerschlagen«, sagte ich.

»Sie hatten vor, seine Glaubwürdigkeit zu zerstören, und es war Ihnen Wurst, wen Sie dabei in Mitleidenschaft zogen. Ihre Zeitung war grausam und gefühllos. Das ist sie häufig. Ich werde diese Meinung so oft äußern, wie es mir paßt.«

Pollgate straffte sich merklich. Der Mund des Anwalts öffnete sich leicht, und Leggatt schien insgeheim fast belustigt.

»Sagen Sie mir, warum Sie Maynard Allardeck kaputtmachen wollten«, verlangte ich.

»Geht Sie nichts an.« Pollgate antwortete mit der Endgültigkeit einer zuschlagenden Tresorraumtür, und mir wurde klar, daß ich es nie erfahren würde, indem ich irgend jemandem in diesem Zimmer direkte Fragen stellte.

»Sie nahmen an«, sagte ich statt dessen, »daß ein Seitenhieb gegen Maynard am wirkungsvollsten wäre, und Sie entschlossen sich, ihn auf dem Umweg über seinen Sohn anzugreifen. Sie haben keinen Gedanken an das Unheil verschwendet, das Sie über den Sohn brachten. Sie haben ihn benutzt. Für diesen Mißbrauch sollten Sie ihn entschädigen.« »Nein«, sagte Pollgate.

»Wir geben nichts zu«, sagte der Anwalt. Ein geradezu klassisches Anwaltswort. Schuldig mögen wir ja sein, aber sagen werden wir das nie. Er fuhr fort: »Wenn Sie weiterhin versuchen, durch Drohungen Geld zu erpressen, wird die Daily Flag Sie strafrechtlich belangen.«

Ich horchte nicht so sehr auf die Worte wie auf die Stimme; wußte, ich hatte sie vor kurzem irgendwo gehört, sondierte den eigentümlich hohen Klang, die Schärfe der Konsonanten und die fehlende Überzeugung, daß ich mit Intelligenz begabt sein könnte.

»Wohnen Sie in Hampstead?« sagte ich nachdenklich.

»Was hat denn das hiermit zu tun?« fuhr Pollgate kalt dazwischen.

»Dreitausend vorher, zehn hinterher.«

»Sie reden wirres Zeug«, sagte Pollgate.

Ich schüttelte den Kopf. David Morse sah aus, als hätte er auf eine Wespe gebissen.

»Sie waren ungeschickt«, sagte ich zu ihm. »Sie haben keine Ahnung, wie man’s anfängt, einen Jockey zu bestechen.«

»Wie fängt man es an?« fragte Sam Leggatt.

Ich lächelte fast. »Mit dem Namen des Pferdes.«

»Sie geben also zu, daß Sie Schmiergelder nehmen«, floh Morse nach vorn.

»Nein, tu ich nicht, aber man hat’s mir hin und wieder vorgeschlagen, und bei Ihnen hörte es sich nicht richtig an. Außerdem haben Sie Ihr Angebot auf Band aufgenommen. Ich hörte Sie das Gerät einschalten. Ein echter Bestecher würde das nicht tun.«

»Ich hatte zur Vorsicht gemahnt«, bemerkte Sam Leg-gatt mild.

»Sie können nichts von alledem beweisen«, sagte Pollgate mit Entschiedenheit.

»Mein Banker hält einen Wechsel über 3000 Pfund in den Händen, ausgestellt in London. Er hat vor, sich für mich nach seiner Herkunft zu erkundigen.«

»Verlorene Liebesmühe«, versicherte Pollgate.

»Dann tut er vielleicht das, worum ich ihn zuerst gebeten habe, und zerreißt ihn.«

Ein kurzes, völliges Schweigen trat ein. Wenn sie den Wechsel zurückverlangten, würden sie zugeben, daß er von ihnen kam, und wenn nicht, würde ihr gescheiter Plan sie um das Geld bringen.

»Oder er könnte auf Bobby Allardeck umgeschrieben werden, als erste kleine Rate auf die Entschädigung.«

»Sonst geht’s Ihnen noch gut?« sagte Pollgate schroff. »Geben Sie sofort das Eigentum unserer Journalisten heraus. Es gibt keine Entschädigung, ist das klar? Nicht einen Penny. Ich verspreche Ihnen, daß Sie sich noch wünschen werden, Sie hätten das nie zu erzwingen versucht.«

Unter dem zivilisierten Anzug spannte er die Schultern, ließ sie kreisen als körperliches Zeichen eines bevorstehenden Angriffs, buchstäbliches Muskelspiel vor einem Ausbruch geistiger Aggression. Ich erblickte in seinem Gesicht die ganze Brutalität seiner Zeitung und auch die Überheblichkeit uneingeschränkter Macht. Allzu lange, dachte ich, durfte ihm niemand trotzen, und mich hatte er nicht als Ausnahme vorgesehen.

»Wenn Sie uns Ärger vor Gericht machen«, sagte er grimmig, »erledige ich Sie. Das ist mein voller Ernst. Ich werde dafür sorgen, daß man Sie selbst eines Verbrechens anklagt, das Ihnen zuwider ist, und ich werde Sie verurteilen und hinter Gitter bringen lassen, und ich verspreche

Ihnen, Sie werden verachtet und verspottet, mit Pauken und Trompeten untergehen.«

Die letzten Worte waren stechend scharf, die erklärte Absicht vibrierend real.

Leggatt und Morse wirkten beide ungerührt, und ich hätte gern gewußt, was sie ihrerseits von meinem Gesicht ablesen konnten. Keine Furcht zeigen ... heiliger Strohsack.

Er würde es bestimmt nicht tun, dachte ich wirr. Die Drohung sollte sicher nur abschrecken. Ein Mann in seiner Position würde doch nicht den eigenen Status aufs Spiel setzen, um einen Gegner mit falschen Anschuldigungen ins Gefängnis zu bringen, der keine Existenzgefahr für seine Zeitung oder für ihn selbst darstellte, der keinen geschäftlichen Einfluß besaß.

Dennoch sah es übel aus. Jockeys waren immer anfällig für den Vorwurf der Unehrlichkeit, und es gehörte wenig dazu, eine zynische Öffentlichkeit in ihrem Zynismus zu bestätigen. Im Zweifelsfall lag Schuld vor. Er konnte sich mehr Mühe geben und auf raffiniertere Weise versuchen, mir Bestechungsgelder anzuhängen und bestimmt auch Schlimmeres. Was seine Zeitung an anderen ausprobiert hatte, konnte sie gründlicher noch einmal tun. Ein Verbrechen, das mir zuwider wäre.

Ich fand zunächst keine Worte, um ihm zu antworten, und während ich dastand, dehnte sich die Stille, bis der Summer an der Tür wütend losschnarrte und Morse zusammenschrak.

Sam Leggatt knipste einen Schalter an. »Wer ist da?« sagte er.

»Erskine.«

Leggatt blickte zu Pollgate, der nickte. Leggatt drückte auf den Türöffner, und leise kam der Mann, den ich von der Leiter geschüttelt hatte, herein.

Er hatte etwa meine Größe, war angehend kahl, mit rötlichen Haaren, herabhängendem Schnurrbart und frostig ernsten Augen. Er nickte dem Triumvirat zu, als hätte er vorher schon mit ihnen gesprochen, und wandte sich dann direkt an mich, das Kinn eingezogen, den Bauch vorgestreckt, ein Mann, der ein zerstörtes Leben hinter sich hatte und im Augenblick voller Rachegefühl war.

»Sie geben mir mein Zeug«, sagte er. Keine Frage, keine Feststellung; mehr eine Drohung.

»Eventuell«, sagte ich.

Auf der anderen Seite von Leggatts Schreibtisch trat eine gewisse Starre, eine Versteifung ein. Ich schaute in Pollgates Gewittermiene und erkannte, daß ich ihm praktisch, ohne es zu wollen, mit diesem einen Wort gesagt hatte, daß seine Drohung, sein Versprechen nicht unmittelbar gewirkt hatten.

»Er gehört dir, Jay«, sagte er heiser.

Mir blieb keine Zeit, zu überlegen, was er meinte. Jay Erskine ergriff mein rechtes Handgelenk und drehte mir mit einer Kraft und Schnelligkeit, die Übung verrieten, den Arm auf den Rücken. Ich hatte mit ihm in Bobbys Garten so ziemlich dasselbe gemacht, sein Gesicht in den Matsch gedrückt, und mit der Befriedigung dessen, der eine Rechnung begleicht, fauchte er mir ins Ohr: »Wo sind meine Sachen? Heraus damit, oder ich breche Ihnen die Schulter derart, daß Sie bis zum Jüngsten Tag kein Rennen mehr reiten.«

Seine Entschlossenheit schmerzte. Ich warf einen Blick auf die Gesichter der drei Zuschauenden. Keine Überraschung, nicht einmal bei dem Anwalt. War das hier, überlegte ich flüchtig, ein normaler Ablauf in der Redaktion der Daily Flag?

»Heraus damit«, sagte Erskine, mich schubsend.

Ich machte einen jähen halben Schritt nach hinten, rannte in ihn hinein. Ging in die Hocke, den Kopf fast am Boden, streckte dann die Beine mit einem heftigen Ruck und warf Jay Erskine über die Schulter nach vorn, so daß er mein Handgelenk fahren ließ und der Länge nach durch die Luft segelte. Er landete krachend in einer Topfpalme an der gegenüberliegenden Wand, während ich meinen Purzelbaum vollendete und aufrecht auf die Füße kam. Das Manöver war in kaum einer Sekunde durchgeführt; das verblüffte Schweigen hinterher dauerte mindestens doppelt so lange.

Jay Erskine riß sich wütend ein Blatt aus dem Mund, versuchte ebenso mühsam wie kampflustig, sich aufzurappeln, scharrte förmlich den Teppich wie ein Stier vorm nächsten Angriff.

»Das reicht«, sagte ich. »Das reicht jetzt aber wirklich.«

Ich sah Nestor Pollgate ins Gesicht. »Entschädigung«, sagte ich. »Noch einer von Ihren Bankwechseln. Einhunderttausend Pfund. Morgen. Bobby Allardeck kommt zum Pferderennen nach Ascot. Da können Sie sie ihm geben. Es dürfte Sie etwa genausoviel kosten, ein Verbrechen zu fabrizieren, das ich nicht begangen habe, und mich dafür verurteilen zu lassen. Sparen Sie sich halt die Mühe.«

Jay Erskine stand aufrecht und blickte ausgesprochen bösartig.

Ich sagte zu ihm: »Beten Sie, daß die Entschädigung gezahlt wird ... Möchten Sie gern noch mal ins Loch?«

Ich ging zur Tür und schaute kurz zurück. Pollgate, Leg-gatt und Morse hatten ausdruckslose Gesichter; das von Erskine war glitzernd kalt.

Einen Moment fragte ich mich ängstlich, ob der Öffnungsmechanismus an der Tür sie auch verschloß und mich festhalten würde, aber es schien nicht so. Die Klinke drehte sich ohne weiteres, kam mir sacht entgegen, öffnete den Fluchtweg.

Außerhalb des Büros, im Gang zu den Aufzügen, empfand ich meine Füße erschreckend losgelöst von den Beinen. Waren Pollgates Drohungen ernst gemeint, ging ich der düstersten Zukunft entgegen; spielte Erskine seine Bosheit aus, würde ich das bald und mit Gewalt zu spüren bekommen. Warum in Gottes Namen, dachte ich verzweifelt, hatte ich nicht nachgegeben, ihnen die Jacketts gegeben, Bobby hopsgehen lassen.

Laufschritte kamen hinter mir über den imitierten Marmorflur vor den Aufzügen, und ich drehte mich rasch um, gefaßt auf Erskine und auf Gefahr, erblickte aber, wie schon einmal, Sam Leggatt.

Das Tempo, mit dem ich zu ihm herumgeschnellt war, verblüffte ihn.

»Sie haben wieder eine Tätlichkeit erwartet«, sagte er.

»Mm.«

»Ich komme mit Ihnen runter.« Er drückte auf den Knopf nach unten und starrte mich eine Weile an, während wir warteten.

»Hunderttausend«, sagte er schließlich, »ist zuviel. Ich dachte, Sie wollten weniger.«

»Wollte ich gestern auch.«

»Und heute?«

»Heute habe ich Pollgate kennengelernt. Über eine kleine Forderung würde er lachen. Er denkt nicht in Kleckerbeträgen.«

Sam Leggatt starrte mich weiter an, blinzelte mit den blonden Wimpern, ließ seine unausgesprochenen Gedanken nicht erkennen.

»Diese Drohung«, sagte ich langsam, »daß er mich hinter Gitter bringen würde. Hat er die schon mal benutzt?«

»Was meinen Sie damit?«

»Bei jemand anderem.«

»Wie kommen Sie darauf?«

»Sie und Ihr Anwalt«, sagte ich, »waren nicht überrascht.«

Der Aufzug kam surrend in dem Schacht zu stehen, und die Tür ging auf. Leggatt und ich stiegen ein.

»Außerdem«, sagte ich, als die Tür sich schloß, »klangen die Worte, die er gebrauchte, fast einstudiert. >Ich verspreche Ihnen, Sie werden verachtet und verspottet, mit Pauken und Trompeten untergehen. < Wie ein Theaterstück, finden Sie nicht?«

Er sagte neugierig: »Sie erinnern sich an den genauen Wortlaut?«

»Den vergißt man doch nicht so leicht.« Ich zögerte. »War es ihm ernst damit?«

»Wahrscheinlich.«

»Was geschah in anderen Fällen?«

»Er wurde nicht auf die Probe gestellt.«

»Heißt das, die Drohung hat gewirkt?« fragte ich.

»Zweimal.«

»Himmel«, sagte ich.

Ich rieb geistesabwesend meine rechte Schulter, langte mit Daumen und Fingern der linken Hand unter den Anorak, um sie zu massieren. »Setzt er sich immer mit Drohungen durch?«

Leggatt sagte ruhig: »Die Drohungen richten sich nach den jeweiligen Umständen. Tut sie weh?«

»Was?« »Ihre Schulter.«

»Ach so. Ja, schon. Nicht besonders. Nicht schlimmer als ein Sturz.«

»Wie haben Sie das geschafft? Ihn so abzuwerfen?«

Ich grinste ein wenig. »Das hab ich nicht mehr gemacht, seit ich fünfzehn war, genau wie der andere Bursche. Ich war mir nicht sicher, ob es bei einem erwachsenen Mann klappen würde, aber es ging fabelhaft.«

Wir erreichten das Erdgeschoß und traten aus dem Aufzug.

»Wo wohnen Sie?« fragte er beiläufig.

»Bei einem Freund«, sagte ich.

Er kam halbwegs mit mir durch die überladene Eingangshalle, blieb an dem kleinen Springbrunnen stehen.

»Warum wollte Nestor Pollgate Maynard Allardeck in die Pfanne hauen?« sagte ich.

»Ich weiß nicht.«

»Es war also nicht Ihre oder Erskines Idee? Sie kam von höchster Stelle?«

»Von höchster Stelle.«

»Und darüber hinaus«, sagte ich.

»Was meinen Sie damit?«

Ich zog die Stirn kraus. »Ich weiß nicht. Wissen Sie’s?«

»Soweit mir bekannt ist, hat Nestor Pollgate es in Gang gebracht.«

Ich sagte kläglich: »Dann habe ich ihm ja nicht gerade die Fresse eingeschlagen.«

»Nahe dran.«

In seiner Stimme lag nichts von mangelnder Ergebenheit, aber ich hatte den Eindruck, daß er sich irgendwie entschuldigte - der Stellvertreter des Chefs bot dem Außenstehenden Trost an. Der Mann des Chefs, dachte ich. Vergiß das nicht.

»Was haben Sie als nächstes vor?«

»In Ascot reiten.«

Er sah mir fest in die Augen, und ich erwiderte den Blick.

Ich hätte ihn vielleicht gemocht, dachte ich, wenn er unter einer anderen Flagge gesegelt wäre.

»Auf Wiedersehen«, sagte ich.

Er schien ein wenig zu zögern, sagte schließlich aber nur: »Auf Wiedersehen«, und ging zurück zu den Fahrstühlen; und ich trat in die Fleet Street hinaus und atmete in großen Zügen frische Luft unter den Sternen.

Ich ging zu Fuß die zwei Meilen zum Hotel, wo ich eine Zeitlang auf meinem Zimmer saß und die Wände betrachtete. Dann ging ich nach unten, um den gemieteten Mercedes aus der Tiefgarage zu holen, und fuhr mit ihm nach Chiswick.

»Sie sind unheimlich früh«, meinte Danielle etwas bestürzt bei meiner Ankunft. »Ich sagte zwei Uhr heute nacht, nicht halb zwölf.«

»Ich dachte, ich könnte einfach hier sitzen und Ihnen zusehen. Es schien ja keinen zu stören, als ich letztes Mal hier war.«

»Sie werden sich entsetzlich langweilen.«

»Nein.«

»Okay.«

Sie deutete auf einen Schreibtisch mit Drehsessel nicht weit von dem ihren entfernt. »Der ist heute abend nicht besetzt. Da können Sie bleiben. Haben Sie die Wunde in Ordnung bringen lassen?« »Ja, alles klar.«

Ich setzte mich in den Sessel und lauschte den Geheimnissen des Nachrichtensammelns auf amerikanische Art, für die Leute daheim. Die große Abendschau um halb sieben östlicher US-Zeit wurde offenbar soeben gesendet. Die größte Hektik des Tages war vorbei. Von jetzt bis zwei, sagte Danielle, würde sie an allem Neuen und Dringenden arbeiten, das drüben in die 11-Uhr-Nachrichten kommen könnte, sonst aber zum Frühstück auf dem Bildschirm erscheine.

»Passiert viel Neues hier um diese Tageszeit?« fragte ich.

»Jetzt haben wir gerade einen verheerenden Brand in einem Öllager in Schottland, und um Mitternacht tritt Devil-Boy bei einer königlichen Wohltätigkeitsgala auf, um einen neuen Hit zu präsentieren.«

»Wer?« sagte ich. »Lassen Sie. Eine Milliarde Teenager können nicht irren. Und was dann?« sagte ich.

»Wenn wir die Bilder haben? Die übertragen wir von einem Ü-Wagen aus nach hier, schneiden sie und übertragen die fertige Ware in die New Yorker Studios. Mittags machen wir hier manchmal Live-Interviews, meistens für die 7-bis-9-Uhr-Frühsendungen, aber nachts bringen wir nichts live.«

»Sie schneiden die Filme hier?«

»Sicher. Normalerweise. Wollen Sie’s mal sehen?«

»Ja, sehr gern.«

»Wenn ich mit meinen Anrufen durch bin.« Sie deutete auf das Telefon, und ich nickte und hörte anschließend zu, wie sie mit jemand am Schauplatz des Brandes sprach.

»Der Macher ist per Hubschrauber auf dem Rückweg von den Rassenkrawallen und dürfte in zehn Minuten bei Ihnen sein. Er soll mich anrufen, wenn’s geht. Wie dicht sind Sie an den Flammen? Okay, wenn Cervano bei Ihnen ist, versuchen Sie näher ranzugehen, auf die Entfernung sieht doch ein Vulkan noch aus wie eine Wunderkerze. Okay, sagen Sie ihm, daß er mich anruft, wenn er Sie erreicht hat. Jaja, okay, er soll mich anrufen.«

Sie legte mit einer Grimasse den Hörer auf. »Die sind gut eine Meile weg. Da könnten sie genausogut in Brooklyn sein.«

»Wer ist der Macher?« sagte ich.

»Ed Cervano. Ach so ... der Macher ist jede Person, die über Mikrofon in die Kamera spricht. Berichterstatter, Moderator, jeder.«

Sie blickte an den Überschriften auf der Wandtafel hinter ihrem Sessel entlang. »Slug. Das ist die Story, an der wir arbeiten. Ölbrand. Devil-Boy. Botschaft. Und so weiter.«

»Ja«, sagte ich.

»Ort, klar. Zeit, klar. Crew. Das ist die Kamera-Crew, die der Story zugeteilt ist, und der Macher. Format besagt, wie ausführlich wir eine Story behandeln. Programm bedeutet das Ganze, Kamera-Crew, Macher, Interviews, alles zusammen. Bildfang ist nur ein Kameramann, wobei der Kommentar später angehängt wird. Und so weiter.«

»Und Sie entscheiden, wer weswegen wohin geht?«

Sie nickte halb. »Der Büroleiter, die anderen Koordinatoren, die tagsüber arbeiten, und ich, ja.«

»Ein ziemlicher Job«, sagte ich.

Sie lächelte mit den Augen. »Wenn wir gut sind, steigen die Einschaltquoten der Gesellschaft. Wenn wir schlecht sind, werden wir gefeuert.«

»Nachrichten sind doch wohl Nachrichten«, sagte ich.

»Ach ja? Was wäre Ihnen denn lieber, ein Ölbrand aus einer Meile Entfernung, oder so, daß Sie meinen, die Flammen zu spüren?«

»Hm.«

Ihr Telefon klingelte. »Nachrichten«, sagte sie und lauschte.

»Hören Sie mal«, fuhr sie gereizt fort, »wenn er sich verspätet, sind das Nachrichten. Wenn ihm schlecht ist, sind das Nachrichten. Wenn er bei einer Galavorstellung nicht auf der Bühne erscheint, sind das Nachrichten. Bleibt bloß da, was auch immer passiert, das sind Nachrichten, okay? Filmt die abwandernde Prominenz, wenn alle Strik-ke reißen.« Sie legte den Hörer auf.

»Devil-Boy ist noch nicht im Theater eingetroffen, und er braucht gut eine Stunde zum Anziehen.«

»Die Freuden des ausbleibenden Ereignisses.«

»Ich möchte doch nicht, daß mich ein anderer Sender aussticht, oder?«

»Wo bekommen Sie Ihre Nachrichten denn überhaupt her?«

»Ach ... von den Presseagenturen, von Zeitungen, aus Polizeimeldungen, amtlichen Verlautbarungen und dergleichen.«

»Ich glaube, ich habe mir noch nie überlegt, wie die Nachrichten in den Kasten gelangen.«

»Zehn Sekunden davon können ein ganzer Tag Arbeit sein.«

Ihr Telefon klingelte wieder, und jetzt war der hubschrauberfliegende Ed Cervano am anderen Ende gelandet. Danielle bat ihn mit sanften Worten, sich eine Verbrennung ersten Grades zu holen, und nach ihrem Lächeln hatte es den Anschein, als sei er gewillt, ihr zuliebe ganz in Flammen aufzugehen.

»Ein goldiger Typ«, sagte sie, als sie den Hörer auflegte. »Und er schreibt wie ein Dichter.« Ihre Augen leuchteten von den Talenten des Machers, ihr Mund war süß vom Honig seiner Komplimente.

»Schreibt?« sagte ich.

»Schreibt, was er in den Nachrichten sagt. Alle unsere Berichterstatter schreiben ihre Sachen.«

Eine weitere Nachricht von der Galavorstellung kam durch: Devil-Boy war angeblich samt Hörnern und allem in einer glockenläutenden Ambulanz unterwegs zum Theater.

»Ist er krank?« fragte Danielle. »Wenn es Schau ist, seht zu, daß ihr’s einfangt.« Sie legte auf, zuckte resigniert die Achseln.

»Der hüftschlängelnde Satansbraten wird doppelt soviel Sendezeit bekommen wie der Ölbrand. Die wahre Hölle hat gegen die nachgemachte keine Chance. Möchten Sie die Schneideräume sehen?«

»Ja«, sagte ich und folgte ihr durch das große Büro und einen Korridor hinunter, während ich ihren hübschen Gang bewunderte und meine Hände gern tief in die Wolken ihres dunklen Haares gelegt hätte, sie gern geküßt hätte, am liebsten mit ihr ins Bett gegangen wäre.

Sie sagte: »Ich zeige Ihnen erst das Studio, das ist interessanter« und schwenkte in einen Seitengang, zu einer Tür mit der warnenden Aufschrift: »Bei Rotlicht nicht eintreten.« Kein rotes Licht brannte. Wir gingen hinein. Der Raum war mittelgroß, karg ausgestattet mit ein paar Armsesseln, einem Couchtisch, einer Fernsehkamera, einem Monitor, einem Teleprompter und einer Kaffeemaschine mit Pappbechern. Die einzige Überraschung, die es hier gab, war das Fenster, durch das man einen Abschnitt der Themse mit der lichterglänzenden, belebten Hammersmith Bridge sehen konnte.

»Hier drin vor dem Fenster machen wir LiveInterviews«, sagte Danielle. »Hauptsächlich Politiker, aber auch Schauspieler, Autoren, Sportler, wer immer in den Nachrichten ist. Rote Busse fahren im Hintergrund über die Brücke. Es ist eindrucksvoll.«

»Bestimmt«, sagte ich.

Sie warf mir einen raschen Blick zu. »Langweile ich Sie?«

»Überhaupt nicht.«

Sie trug rosaroten Lippenstift und hatte Augenbrauen wie Flügel. Dunkle, lächelnde Augen, cremefarbene Haut, ein langer Hals über verhüllten Brüsten wie Äpfel an einem schlanken Stamm ... Um Himmels willen, Kit, dachte ich, reiß dich los davon und stell ein paar vernünftige Fragen.

»Wie kommt Ihr Material von hier nach Amerika?« sagte ich.

»Von dort aus.« Sie ging zu einer geschlossenen Tür auf der Seite und öffnete sie. Dahinter lag ein zweiter, viel kleinerer Raum, schwach beleuchtet und warm, in dem Maschinenbänke leise summten.

»Das ist der Übertragungsraum«, sagte sie. »Alles geht von hier aus über Satellit, aber fragen Sie mich bitte nicht, wie. Wir haben einen Mann mit gehetztem Gesichtsausdruck, der die Knöpfe bedient, und wir überlassen das ihm.«

Sie schloß die Tür des Übertragungsraums, und wir gingen durch das Studio hinaus auf den Gang und zu den Schneideräumen, von denen es insgesamt drei gab.

»Okay«, sie knipste eine Lampe an, und vor uns lag ein kleiner Bereich mit einer Wand aus drei Bildschirmen, mehreren Videorecordern und Kassettenständern. »Wir benutzen das hier immer noch, obwohl ich höre, daß ein ganzer Haufen neue Technik um die Ecke wartet. Unsere Jungs mögen diese Apparate, also denke ich, daß sie uns noch eine Weile erhalten bleiben.«

»Wie funktioniert das Ganze?« frage ich.

»Sie lassen das ungeschnittene Band über den linken Schirm laufen und picken die besten Stücke heraus, dann zeichnen Sie die auf dem zweiten Band auf, das auf dem zweiten Schirm erscheint. Sie können das Ganze hin und her wandern lassen, bis es gut aussieht und Sie ein gutes Gefühl haben. So übertragen wir’s dann, aber New York kürzt häufig, je nachdem, wieviel sie sonst noch unterbringen müssen.«

»Können Sie die Geräte selbst bedienen?« fragte ich.

»Bei mir geht’s langsam. Wenn Sie da wirklich Bescheid wissen wollen, können Sie nachher Joe zusehen, wenn wir die Bänder von dem Ölbrand und von Devil-Boy kriegen -er ist einer der besten.«

»Großartig«, sagte ich.

»Es erstaunt mich, daß Sie so interessiert sind.«

»Tja, ich habe einige Bänder, die ich selbst bearbeiten möchte. Da wär’s ganz gut, das zu lernen.«

»Sind Sie deswegen so früh hierhergekommen?« Sie klang, als könnte ich ja sagen, ohne sie im mindesten zu kränken.

Ich sagte: »Teilweise. Hauptsächlich, um Sie zu sehen ... und was Sie tun.«

Sie war nahe genug, um sie in die Arme zu nehmen, und ich hatte überhaupt keinen Einblick in das, was sie dachte. Eine Ziegelwand zwischen zwei Seelen. Beunruhigend.

Sie sah mir mit einem nichts als freundlichen Ausdruck ins Gesicht, und sicher war ich mir nur darin, daß sie über ein wenig ungehemmte Liebe an Ort und Stelle nicht so dachte wie ich.

Sie fragte, ob ich gern die Bibliothek sehen würde, und ich sagte ja, bitte. Es stellte sich heraus, daß die Bibliothek nicht aus Büchern, sondern aus unzähligen Reihen bespielter Bänder bestand: alte Jahrgänge von Nachrichtenmeldungen, vergessen, aber im Dunkel schlummernd wie Bomben, unleugbare Aufzeichnungen von Gesagtem.

»Vorwiegend für Nachrufe verwendet«, sagte Danielle. »Wiederaufbereitete Skandale. Dergleichen mehr.«

Wir kehrten zurück an ihren Nachrichtentisch, wo ich die nächste Stunde über saß und der fortschreitenden Entwicklung der Ereignisse lauschte (Devil-Boy war heil, gesund und komplett zurechtgemacht am Bühneneingang angekommen, umflammt von Technicolorlicht, hysterisch bejubelt von einer Straße voll Fans). Außerdem lernte ich Danielles Arbeitskollegen kennen, den Büroleiter, den Redakteur Joe, den hageren Übertragungsexperten, zwei Ersatzkameramänner und eine gelangweilte, unbeauftragte Macherin. Rund sechzig Leute arbeiteten insgesamt für das Büro, sagte Danielle, aber natürlich nie alle zur gleichen Zeit. Die Tagschicht von zehn bis halb sieben war viel größer; tagsüber wurde ihr Job von zweien ausgeführt.

Um eins rief Ed Cervano an und teilte mit, sie hätten zwar eine ganze Wagenladung spektakulärer Aufnahmen von dem Ölbrand zusammenbekommen, aber das Feuer sei jetzt unter Kontrolle und die Story so kalt wie Asche von gestern.

»Bringen Sie die Bänder trotzdem her«, sagte Danielle. »Wir haben keine Ölbrand-Archivbilder in der Bibliothek.«

Sie legte resigniert den Hörer auf. »So kann’s gehen.«

Die Crew vom königlichen Galaabend kehrte lärmend mit Devil-Boys Kapriolen im Gepäck zurück, und zur gleichen Zeit legte ein Geschäftsbote einen Stapel Morgenzeitungen auf Danielles Tisch, die sie nach möglichen Stories durchforsten sollte. Es traf sich, daß die Daily Flag zuoberst lag, und ich schlug die Intimen Details auf, um Leggatts Worte noch einmal zu lesen.

»Was schauen Sie?« fragte Danielle.

Ich zeigte es ihr. Sie las die Entschuldigung und staunte.

»Ich dachte, Sie hätten keine Chance«, sagte sie offen. »Haben sie der Entschädigung auch zugestimmt?«

»Bis jetzt nicht.«

»Sie werden’s müssen«, sagte sie. »Die haben ihre Schuld doch praktisch eingestanden.«

Ich schüttelte den Kopf. »Von britischen Gerichten bekommt man bei Verleumdung nicht viel Schadenersatz zugesprochen. Es ist fraglich, ob Bobby einen Prozeß tatsächlich gewinnen würde, und ebensowenig sicher, ob die Flag seine Kosten übernehmen müßte. Sonst kann er sich einfach die Anwaltshonorare nicht leisten.«

Sie starrte mich an. »Bei uns zu Hause werden die Anwälte nur bezahlt, wenn man gewinnt. Dann streichen sie ihren Anteil vom Schadenersatz ein. Vierzig Prozent manchmal.«

»So ist das hier nicht.«

Hier, dachte ich dumpf, wurde mit Drohungen gehandelt. Auf der einen Seite: Ich sorge dafür, daß ihnen der Presserat auf die Pfoten klopft, ich sorge dafür, daß man Fragen im Parlament stellt, ich sehe zu, daß Ihr vorbestrafter Schreiber wieder vor den Kadi kommt. Auf der anderen, ich trenne Ihnen die Sehnen durch, ich bringe Sie wegen Bestechlichkeit um Ihre Lizenz als Jockey, ich bringe

Sie hinter Gitter. Mit Schimpf und Schande, und mit Trompetenschall.

Kriegt mich erst mal, dachte ich.

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