Johanna will unbedingt am Aufmarsch teilnehmen und besteht darauf, daß sie beide die Räder nehmen, aus Protest gegen den Beschluß der Verkehrsbetriebe, neuerdings auch am 1. Mai normalen Betrieb zu fahren. Sie argumentiert, wenn schon kein Schwein mehr die Fasten einhalte, müsse man wenigstens bereit sein, sich an sozialistischen Feiertagen etwas Bewegung zu verschaffen. Diese Schlußfolgerung erscheint Philipp bei näherer Überlegung logisch, und er ist auch bereit, der Logik zu folgen, natürlich, mehr noch: Er flicht rotes Kreppapier spiralförmig in die Speichen der Räder, so tadellos, daß den Passanten vom Hinsehen schwindlig werden muß. Auf ihren Fahrrädern sind Johanna und Philipp ein schönes Paar, und während des Aufmarsches präsentiert Philipp seine Nelke im Knopfloch wie ein Operettenbolschewik seine Orden. Philipp steht an der Ringstraße zwischen Pensionisten, die Gewerkschaftsnadeln im Revers tragen, unter blühenden Kastanien, deren Blätter fettig glänzen. Die Parade und Johanna ziehen vorbei. Unterdessen frischt er jene Lieder auf, die ihm sein Vater, der Angeber, beigebracht hat, damit Philipp auf Schulausflügen etwas beizusteuern habe (so sein Vater): Avanti Popolo! Vorwärts und nicht vergessen!
Taterata! Tschingderassa! Schnädderädäng!
Am Abend auf dem Weg nach Hause, als Philipp und Johanna mit ihren hypnotisierenden Fahrrädern andere, gleichfalls heimkehrende Demonstranten überholen, die mit ihren nachschleifenden Fahnen aussehen wie Teile einer geschlagenen Armee, will Johanna wissen, ob Philipp bereit sei, eine gute Neuigkeit zu empfangen. Die Art der Einleitung und die Bezeichnung gute Neuigkeit machen ihn mißtrauisch, denn er weiß um die Relativität dessen, was in den Zeitungen als Glück bezeichnet wird. Trotzdem läßt er es zu, daß Johanna nach seiner Schulter greift, um sich während der Bekanntgabe der Neuigkeit von ihm ziehen zu lassen. Halb stolz, halb spöttisch teilt sie ihm mit, daß sie sich mit einem Bekannten aus dem Baugewerbe verständigt habe, und trotz der von ihr detailliert wiedergegebenen Schilderung der Zustände, die am Dachboden der Villa herrschen, würden sich morgen in aller Früh zwei Schwarzarbeiter auf dem Anwesen einfinden. Die beiden seien angewiesen, Philipp bei der Arbeit am Haus zur Seite zu stehen, ihm zur Hand zu gehen und gegebenenfalls unter die Arme zu greifen. Auf alle Fälle — so Johannas Meinung — werde die Ankunft der Männer ihn (ja, Philipp, dich) für ein paar Tage davor bewahren, sich Lebensläufe für Kanonenkugeln auszudenken.
Statt einer entschiedenen Zurechtweisung, die auf diese Provokation, wie Philipp meint, eine angemessene Reaktion wäre, begnügt er sich mit einem Stöhnen. Während er heftig in die Pedale tritt, verstärkt Johanna den Griff an seiner Schulter. Erst nach mehreren hundert Metern, zwischen Meidling und Schönbrunn, als ihm die Luft auszugehen droht, entschließt er sich zu protestieren:
— Was bin ich für ein König, daß ich gleich zwei Helden zum Ausmisten brauche! Einen nach dem andern laß ich köpfen! Genau! Ich Saukerl von einem König!