14

Marius strahlte förmlich vor Freude und Energie, als er zwischen seinen Männern hindurchschritt, ihnen auf die Schultern klopfte und lachte. Sie grinsten wie Schuljungen, die von ihrem Lehrer gelobt werden.

»Wir haben es geschafft, Jungs!«, rief Marius. »Heute in einem Monat werden wir der Stadt einen Tag bieten, an den sie sich noch lange erinnern wird.« Sie jubelten ihm zu, und er rief nach Wein und Erfrischungen und wies alle Sklaven seines Haushaltes an, die Männer wie Könige zu behandeln.

»Alles, was sie wollen!«, brüllte er. Weinbecher aus Gold und Silber wurden in die groben Hände aller Männer gedrückt, die es durch das Tor zurück geschafft hatten, einschließlich Gaius und Marcus. Dunkelroter Wein schwappte und gluckerte, als er aus Tonkrügen eingeschenkt wurde. Alexandria war unter den anderen Sklaven und lächelte sowohl Marcus als auch Gaius an. Gaius nickte ihr zu, aber Marcus zwinkerte, als sie vorüberging.

Tubruk roch an seinem Wein und lachte. »Der Beste.«

Marius hielt seinen Becher mit ernstem Gesicht in die Höhe. Nach ein paar Sekunden wurde es still.

»Auf die, die es heute nicht geschafft haben, die für uns gestorben sind. Tagoe, Luca und Vegus. Gute Männer, einer wie der andere.«

»Alles gute Männer!« Die Stimmen antworteten der seinen in einem heiseren Chor, dann wurden die Becher geleert und den Sklaven zum Nachschenken hingestreckt.

»Er kannte ihre Namen«, flüsterte Gaius Tubruk zu, der den Kopf dicht zu ihm hinüberbeugte, um zu antworten.

»Er kennt alle ihre Namen«, murmelte er. »Deshalb ist er ein guter Legat. Deshalb lieben sie ihn. Er könnte dir etwas über jeden Mann hier erzählen, und auch über einen guten Teil der Legion außerhalb Roms. Nenn es einen Trick, wenn du willst, eine billige Masche, um die Männer, die ihm dienen, zu beeindrucken. Das würde er dir antworten, wenn du ihn fragen würdest.« Er hielt inne, um dem Legaten zuzusehen, der einen riesigen, stämmigen Soldaten in den Schwitzkasten genommen hatte und mit ihm durch die Menge lief. Der Mann brüllte, wehrte sich jedoch nicht. Er nahm es so, wie es gemeint war.

»Sie sind seine Kinder, glaube ich. Du kannst sehen, wie sehr er sie liebt. Dieser große Kerl könnte Marius wahrscheinlich die Arme ausreißen, wenn er wollte. An einem anderen Tag würde er einen Mann niederstechen, weil er ihn in der Mittagssonne schief angesehen hat. Aber Marius kann ihn am Kopf herumzerren, und er lacht. Ich weiß nicht, ob man einem Mann diese Fähigkeit beibringen kann. Ich denke, so etwas ist angeboren, oder eben nicht. Man braucht es nicht einmal zu können, um ein guter Legat zu sein.

Diese Männer würden für Sulla kämpfen, wenn sie in seiner Legion wären. Sie würden für ihn kämpfen, die Formation halten und für ihn sterben. Aber sie lieben Marius, deshalb kann man sie nicht bestechen oder kaufen, und sie laufen im Kampf nicht davon, niemals, bis zum letzten Mann. Zumindest nicht, wenn er es sieht. Früher musste man Land besitzen, um in die Legion zu kommen. Marius hat das abgeschafft. Jetzt kann jeder Karriere machen, indem er für Rom kämpft, zumindest für ihn. Die Hälfte der Männer hätte es niemals in die Armee geschafft, ehe Marius sein Gesetz durch den Senat brachte. Sie schulden ihm viel.«

Langsam verließen die Männer den Platz vor dem Eingang, um sich von den hübschesten Sklavinnen des Hauses baden und massieren zu lassen. Mehrere Schönheiten hatten bereits Arme ergriffen und staunten lautstark über die Geschichten von großer Tapferkeit und Mut im Kampf.

Als Marius den Kopf des großen Legionärs losließ, rief er sogleich ein Mädchen herbei, eine schlanke Brünette mit dunklen, mit Kohlestift umrandeten Augen. Der große Mann blickte sie kurz an, grinste wie ein Wolf und nahm sie auf seine Arme. Ihr Lachen hallte von den Ziegelwänden wider, als er mit ihr in Richtung der Hauptgebäude loszog.

Ein junger Soldat ließ Alexandria seinen muskulösen Arm auf die Schulter fallen und sagte etwas zu ihr. Marcus trat schnell von hinten an den Mann heran.

»Dieses Mädchen nicht, mein Freund. Sie ist nicht aus diesem Haus.«

Der Soldat sah ihn an und bemerkte an der Haltung und dem Gesichtsausdruck des Jungen sofort, dass es ihm Ernst war. Er zuckte die Achseln und rief einem anderen Sklavenmädchen etwas zu, das gerade vorbeilief. Gaius hatte den Wortwechsel beobachtet, und als Alexandria ihm in die Augen sah, malte sich Zorn auf ihrem Gesicht. Sie kehrte Marcus den Rücken zu und ging in das kühle Innere der Gartenräume davon.

Marcus wandte sich an seinen Freund. Ihm war ihr Gesicht aufgefallen, und sein eigenes war sehr nachdenklich geworden.

»Wieso war sie denn so böse?«, fragte Gaius aufgebracht. »Ich glaube nicht, dass sie gerne mit diesem großen Ochsen mitgegangen wäre. Du hast sie gerettet.«

Marcus nickte. »Das könnte ja gerade das Problem sein. Vielleicht wollte sie sich ja nicht von mir retten lassen. Vielleicht wollte sie, dass du es tust.«

»Oh.« Gaius’ Miene hellte sich auf. »Meinst du?«

Marius kam zu Gaius und seinen Freunden herübergewankt. Er lachte immer noch, und seine Haare klebten ihm von dem Wein, mit dem man ihn übergossen hatte, an der Stirn. Seine Augen strahlten vor Freude. Er packte Gaius an beiden Schultern.

»Nun, mein Junge? Wie hat dir Rom beim ersten Mal geschmeckt?«

Gaius grinste zurück. Man konnte gar nicht anders. Die Stimmungen des Manns waren ansteckend. Wenn er die Stirn runzelte, dann schwebten dunkle Wolken von Furcht und Angst über ihm und berührten alle, denen er begegnete. Lächelte er, so wollte man mitlächeln. Man wollte einer von seinen Männern sein. Gaius spürte die Macht dieses Mannes, und zum ersten Mal fragte er sich, ob er wohl selbst jemals die gleiche Art von Loyalität verdienen würde.

»Es war erschreckend, aber zugleich auch aufregend«, erwiderte er, und seine Lippen konnten nicht aufhören zu lächeln.

»Gut! Manche spüren es nämlich nicht, weißt du. Die rechnen nur Nachschubtabellen zusammen und kalkulieren, wie viele Männer man braucht, um eine Bergschlucht zu halten. Sie spüren die Erregung einfach nicht.«

Er blickte Marcus, Tubruk und Cabera an.

»Betrinkt euch, wenn ihr wollt, nehmt euch eine Frau, wenn ihr jetzt noch eine findet. Heute wird nicht gearbeitet, und nach dem Ärger, den wir heute Morgen hatten, kann hier niemand weg, ehe es dunkel ist. Morgen fangen wir gleich mit der Planung an und überlegen, wie wir fünftausend Mann fünfzig Meilen weit heranführen und durch Rom marschieren lassen können. Versteht ihr etwas von Nachschub?«

Sowohl Marcus als auch Gaius schüttelten den Kopf.

»Dann werdet ihr es lernen. Die beste Armee der Welt ist ohne Verpflegung und Wasser verloren, Jungs. Das muss man wissen. Alles andere ergibt sich dann schon. Mein Haus ist euer Haus, denkt daran. Ich persönlich setze mich jetzt in den Brunnen und betrinke mich.« Er nahm drei ungeöffnete Krüge Wein von den zurückgebliebenen Sklaven und spazierte davon - ein Mann, der wusste, was er wollte.

Tubruk sah ihm mit einem sarkastischen Lächeln nach, als er den Hof verließ.

»Man erzählt sich, Marius sei in Nordafrika einmal am Vorabend einer Schlacht gegen einen wilden Stamm mit einem Krug Wein in jeder Hand alleine in das feindliche Lager gegangen. Ihr müsst bedenken, das war das Lager von siebentausend der grausamsten Krieger, die der Legion je begegnet sind. Er hat die ganze Nacht lang mit dem Führer des Stamms gezecht, obwohl beide kein einziges Wort der Sprache des anderen verstanden. Sie haben auf das Leben und die Zukunft und die Tapferkeit getrunken. Dann, am nächsten Morgen, kam er zu seinen eigenen Linien zurückgestolpert.«

»Und was geschah dann?«, sagte Marcus.

»Sie haben den Stamm bis auf den letzten Mann abgeschlachtet. Was dachtest du denn?«, lachte Tubruk.

»Warum hat ihn der Anführer nicht getötet?«, fuhr Marcus fort.

»Vermutlich mochte er ihn. Das tun die meisten Menschen.«

Metella kam in den Hof hinaus und streckte Marcus und Gaius lächelnd die Hände entgegen.

»Ich bin froh, dass ihr wohlbehalten wieder zu uns zurückgekehrt seid. Ihr sollt dieses Haus als einen Ort des Friedens und der Zuflucht für euch betrachten.«

Dann sah sie Marcus in die Augen, die ihren Blick ruhig erwiderten. »Bist du wirklich ohne Mutter aufgewachsen?«

Marcus errötete leicht und fragte sich, was ihr Marius alles erzählt haben mochte. Er nickte, und Metella stieß einen leisen Seufzer aus.

»Du armer Junge. Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich dich schon früher zu mir geholt.«

Marcus überlegte, ob sie wohl wusste, was die Legionäre gerade mit den Sklavinnen machten.

Sie schien nicht in die raue Welt von Marius und seiner Legion zu passen. Er fragte sich, wie seine eigene Mutter wohl sein mochte, und zum ersten Mal dachte er daran, nach ihr zu suchen. Marius wusste es wahrscheinlich, doch genau danach wollte er ihn nicht fragen. Vielleicht sagte Tubruk es ihm, ehe er auf das Gut zurückkehrte.

Metella ließ seine Hand los und strich ihm über die Wange.

»Du hast viel Schweres durchmachen müssen, aber das ist jetzt vorbei.«

Langsam berührte er ihre Hand mit der seinen, und es war, als hätten sie eine private Übereinkunft getroffen. Metellas Augen glänzten vor Tränen. Sie drehte sich um und ging durch den Säulengang davon.

Marcus sah Gaius an und zuckte die Achseln.

»Da hast du eine Freundin gefunden«, meinte Tubruk, während er ihr nachblickte. »Sie mag dich.«

»Ich bin ein bisschen zu alt, um noch eine Mutter zu brauchen«, murmelte Marcus.

»Das kann sein, aber sie ist nicht zu alt, um einen Sohn zu brauchen.«

Gegen Mittag entstand plötzlich laute Aufregung am Tor des Hauses. Einige Legionäre kamen mit gezogenen Schwertern heraus, für den Fall, dass es sich um Vergeltungsmaßnahmen für die morgendliche Aktion handeln sollte. Gaius und Marcus liefen schnell mit den anderen auf den Hof hinaus und blieben dort mit offenen Mündern stehen.

Renius hing, die Arme durch das Gitter gestreckt, am Tor und sang ein trunkenes Klagelied. Er hielt sich zwar an der Querstange des Tores fest, aber seine Tunika war mit Wein und Erbrochenem besudelt. Ein Wachtposten trat auf die Stangen zu und sprach mit ihm, als Gaius und Marcus, gefolgt von Tubruk, den Hof erreichten.

Plötzlich ergriff Renius die Haare des Mannes und riss seinen Kopf mit einem Krachen gegen das Metall. Der Soldat fiel bewusstlos um, und die anderen begannen wütend zu brüllen.

»Lasst ihn rein und bringt ihn um!«, schrie ein Mann, aber ein anderer meinte, es könne eine Falle von Sulla sein, um sie dazu zu bringen, das Tor zu öffnen. Das brachte sie einen Augenblick zum Schweigen, und als Nächste traten Gaius und Marcus ans Tor.

»Können wir dir helfen?«, erkundigte sich Marcus und hob freundlich fragend die Augenbrauen. Renius nuschelte wütend: »Ich jage dir gleich mein Schwert in die Brust, Hurenbalg.«

Marcus fing an zu lachen.

»Macht das Tor auf«, rief Gaius der anderen Wache zu. »Das ist Renius. Er gehört zu mir.«

Der Wachtposten ignorierte ihn, als hätte er gar nichts gesagt, und machte damit deutlich, dass Gaius in diesem Haus keine Befehle geben konnte. Als er auf das Tor zuging, trat ein Legionär einen Schritt vor, stellte sich ihm in den Weg und schüttelte langsam den Kopf.

Marcus schlenderte hinüber zum Tor und wechselte mit dem dort stehenden Posten ein paar Worte.

Der Mann war gerade mitten in der Antwort, als ihm Marcus einen harten Kopfstoß versetzte und ihn in den Staub schickte. Er ignorierte den Wächter, der zappelnd versuchte, wieder aufzustehen, rannte zu den großen Riegeln, mit denen die Torflügel gesichert waren, und öffnete sie.

Renius kippte in den Hof und blieb liegen; sein guter Arm zuckte.

Marcus lachte in sich hinein und begann das Tor wieder zu schließen, als er hinter sich das leise metallische Geräusch eines aus der Scheide gleitenden Messers vernahm. Er wirbelte herum und konnte gerade noch rechtzeitig einen Stoß der wütenden Wache mit dem Unterarm abfangen. Mit seiner Linken verpasste er dem Mann eine Rückhand auf den Mund und schickte ihn erneut zu Boden. Marcus schloss das Tor.

Zwei weitere Männer rannten herbei, um ihn zu ergreifen, aber eine Stimme rief »Halt!«, und alle erstarrten einen Augenblick lang. Marius trat in den Hof hinaus. Man sah ihm nicht das Geringste von dem vielen Wein an, den er die letzten zwei Stunden stetig getrunken hatte. Während er näher kam, behielten die beiden Männer Marcus im Auge, der ihren Blicken ruhig standhielt.

»Bei allen Göttern! Was geht hier in meinem Haus vor?« Marius legte einem der Männer, die Marcus gegenüberstanden, eine schwere Hand auf die Schulter.

»Renius ist hier«, sagte Gaius. »Er ist zusammen mit uns vom Gut gekommen.«

Marius blickte auf die ausgestreckt daliegende Gestalt, die friedlich auf den Pflastersteinen schlief.

»Als er noch Gladiator war, hat er sich nie betrunken. Ich verstehe warum, wenn es bei ihm solche Wirkung hat. Was ist denn mit dir passiert?« Die letzte Frage war an den Wächter gerichtet, der seinen Posten wieder eingenommen hatte. Sein Mund und seine Nase bluteten und seine Augen funkelten vor Wut, doch er hütete sich davor, sich bei Marius zu beschweren.

»Ich habe das Tor abgekriegt, als ich es aufgemacht habe«, sagte er langsam.

»Verdammt unvorsichtig von dir, Fulvio. Du hättest dir von meinem Neffen helfen lassen sollen.«

Die Botschaft war deutlich. Der Mann nickte und wischte ein wenig Blut mit der Hand weg.

»Ich bin froh, dass wir das geklärt hätten. Und jetzt kommt ihr beiden mit in mein Arbeitszimmer.« Er zeigte mit dem Finger auf Gaius und Marcus. »Wir haben ein paar Dinge zu bereden.«

Er wartete, bis Gaius und Marcus vorausgegangen waren und folgte ihnen. Über die Schulter rief er: »Bringt den alten Mann irgendwohin, wo er seinen Rausch ausschlafen kann, und lasst das verdammte Tor zu.«

Marcus blickte die in der Nähe stehenden Legionäre an und sah, dass sie alle grinsten, doch er konnte nicht sagen, ob der Grund dafür verhaltene Bosheit oder echte Freude war.

Marius öffnete die Tür zu seinem Arbeitszimmer und ließ die beiden in den Raum eintreten, in dem an allen Wänden Landkarten von Afrika, dem Imperium und Rom selbst hingen. Leise schloss er die Tür, drehte sich dann um und blickte sie an. Als er die kalten Augen des Onkels sah, verspürte Gaius eine plötzlich aufschießende Furcht.

»Was habt ihr euch eigentlich dabei gedacht?«, zischte er sie durch zusammengebissene Zähne Gaius machte den Mund auf und wollte sagen, dass er Renius hatte hereinlassen wollen, dann jedoch besann er sich eines Besseren.

»Es tut mir Leid. Ich hätte auf dich warten sollen.«

Marius ließ seine Faust schwer auf den Schreibtisch krachen.

»Dir ist doch wohl klar, dass wir jetzt alle höchstwahrscheinlich tot wären, wenn Sulla zwanzig ausgesuchte Männer draußen auf der Straße postiert gehabt hätte, um auf eine solche Gelegenheit zu warten?«

Gaius errötete vor Scham.

Marius wandte sich an Marcus. »Und du. Warum hast du Fulvio angegriffen?«

»Gaius hat den Befehl gegeben, das Tor zu öffnen. Er hat ihn nicht befolgt. Ich habe dafür gesorgt.«

Marcus gab nicht klein bei. Er begegnete dem Blick des älteren Mannes unerschrocken.

Der Legat hob verblüfft die Augenbrauen.

»Hast du denn erwartet, dass er, ein Veteran aus dreißig Schlachten, die Befehle eines bartlosen, vierzehnjährigen Knaben ausführt?«

»Ich ... ich habe nicht darüber nachgedacht.« Zum ersten Mal sah Marcus unsicher aus, und der Legat wandte sich wieder Gaius zu.

»Wenn ich mich bei dieser Geschichte hinter euch stelle, verliere ich einiges an Respekt bei den Männern. Sie wissen alle, dass du einen Fehler begangen hast und lauern darauf, was ich deswegen unternehme.«

Gaius verließ der Mut.

»Es gibt einen Ausweg, aber der wird euch beide teuer zu stehen kommen. Fulvio ist der Faustkampfmeister seiner Zenturie. Er hat heute viel an Gesicht verloren, als du ihn niedergeschlagen hast, Marcus. Ich nehme an, er wäre bereit, an einem Freundschaftskampf teilzunehmen, um die Sache aus der Welt zu schaffen. Sonst könnte er dir gut und gerne mal ein Messer zwischen die Rippen jagen, wenn ich nicht da bin, um es zu verhindern.«

»Er wird mich umbringen«, sagte Marcus leise.

»Nicht bei einem Freundschaftskampf. Deines zarten Alters wegen werden wir auf Eisenhandschuhe verzichten und nur welche aus Ziegenleder nehmen, die die Hände schützen. Seid ihr im Faustkampf ausgebildet worden?«

Die Jungen murmelten zustimmend und dachten an Renius.

Marius wandte sich wieder an Gaius.

»Die Männer werden deinen Freund selbstverständlich lieben, wenn er Mut beweist, ganz egal, ob er gewinnt oder verliert, und ich kann nicht zulassen, dass er meinen Neffen in den Schatten stellt, verstehst du?«

Gaius nickte und konnte sich schon denken, was jetzt kommen würde.

»Ich lasse dich gegen einen der anderen kämpfen. Sie sind alle Meister in irgendetwas, deshalb habe ich sie ja als Eskorte zum Senat ausgewählt. Ihr werdet beide eine Tracht Prügel beziehen, aber wenn ihr euch gut verkauft, ist der Vorfall bald vergessen, und vielleicht gewinnt ihr sogar etwas Ansehen bei meinen Männern. Die meisten von ihnen sind Abschaum aus der Gosse; sie fürchten sich vor nichts und respektieren nur Stärke. Gewiss, ich könnte ihnen einfach befehlen, wieder auf ihre Posten zu gehen und nichts weiter zu unternehmen, damit ihr euch hinter meiner Befehlsgewalt verstecken könnt, aber das wäre nicht in Ordnung, versteht ihr?«

Er blickte in ihre düsteren Gesichter und lachte plötzlich auf.

»Ihr könnt genauso gut lächeln, Jungs. Es gibt keinen anderen Ausweg, also warum spuckt ihr dann dem alten Jupiter nicht ins Gesicht, wenn es ohnehin nicht anders geht?«

Die beiden schauten sich an und grinsten.

Marius lachte erneut.

»Ihr schafft das schon. In zwei Stunden. Ich sage meinen Männern Bescheid und gebe die Gegner bekannt. Dann hat Renius noch etwas Zeit zum Ausnüchtern. Ich denke, das wird er sich nicht entgehen lassen wollen. Bei allen Göttern, ich will es mir jedenfalls nicht entgehen lassen! Wegtreten!«

Betreten gingen Gaius und Marcus auf ihre Zimmer. Ihre anfängliche Ausgelassenheit war verschwunden und hatte bei dem Gedanken an das Bevorstehende einem Gefühl der Übelkeit Platz gemacht.

»He! Ist dir eigentlich klar, dass ich einen Meister der Zenturie zu Boden geschickt habe? Ich werde verdammt noch mal versuchen, diesen Kampf zu gewinnen. Wenn ich ihn einmal treffen kann, dann kann ich ihn auch niederschlagen. Ich brauche nur einen guten Treffer.«

»Aber dieses Mal ist er darauf eingestellt«, erwiderte Gaius verdrießlich. »Ich kriege es bestimmt mit diesem großen Affen zu tun, den Marius vorhin am Kopf durch den Hof gezogen hat. Diese Art von Humor würde genau zu ihm passen.«

»Große Männer sind langsam. Du hast einen schnellen Konterschlag, aber du musst außerhalb seiner Reichweite bleiben. Diese Soldaten sind alle schwer, und das bedeutet, dass sie härter zuschlagen können als wir. Beweg dich, tänzele um sie herum und mach sie müde.«

»Die bringen uns um«, erwiderte Gaius.

»Ja. Wahrscheinlich.«

Tubruk nahm die Neuigkeit gleichmütig auf, als sie ihm in ihren Gemächern davon erzählten.

»Ich habe mit etwas in der Art gerechnet. Marius liebt Wettkämpfe und veranstaltet ständig welche zwischen seinen eigenen Männern und denen anderer Legionen. Das ist einfach sein Stil -ein bisschen Anfeuern und eine Menge Blut, und schon ist alles vergeben und vergessen. Glücklicherweise habt ihr nicht mehr als ein oder zwei Becher Wein getrunken. Kommt jetzt, zwei Stunden sind nicht viel, um euch vorzubereiten. Ihr macht euch besser in einem der Übungsräume ein bisschen warm. Lasst euch von einem der Sklaven hinbringen. Ich stoße zu euch, sobald ich ein paar Handschuhe gefunden habe. Und noch etwas: Ihr dürft Marius nicht enttäuschen. Vor allem du nicht, Gaius. Du bist sein Verwandter, du musst einen guten Kampf liefern.«

»Ich verstehe«, sagte Gaius grimmig.

»Dann fangt an. Ich lasse Renius mit Eiswasser aufwecken, aus sicherer Entfernung, falls er Amok läuft.«

»Was war denn los mit ihm? Warum war er denn schon so früh am Tag betrunken?«, fragte Gaius neugierig.

»Ich weiß es nicht. Konzentriert euch immer nur auf eine Sache auf einmal. Ihr könnt euch heute Abend immer noch mit ihm darüber unterhalten. Und jetzt geht!«

Während das übrige Rom die Nachmittagshitze verschlief, versammelten sich die Männer der Legion der Erstgeborenen im größten Übungsraum, wo sie sich an den Wänden aufreihten, schwatzten und kaltes Bier oder Fruchtsäfte tranken. Nach den Kämpfen hatte ihnen Marius ein zehngängiges Festmahl mit gutem Essen und Wein versprochen, die Stimmung war entsprechend ausgelassen. Tubruk stand bei Marcus und Gaius und lockerte ihnen nacheinander die Schultern. Cabera saß mit undurchdringlichem Gesicht auf einem Hocker.

»Sie sind beide Rechtshänder«, sagte Tubruk leise. »Fulvio kennt ihr; der andere, Decidus, ist ein Meister im Speerwurf. Er hat starke Schultern, auch wenn er nicht sehr schnell aussieht. Haltet euch fern von ihnen und lasst sie auf euch zukommen.«

Marcus und Gaius nickten. Beide waren ein bisschen blass unter ihrer sonnengebräunten Haut.

»Denkt dran, es geht nur darum, lange genug auf den Beinen zu bleiben, um zu zeigen, dass ihr Mut habt. Wenn ihr zu früh niedergeht, dann steht wieder auf. Ich beende den Kampf, wenn ihr in zu große Schwierigkeiten geratet, aber das wird Marius nicht gefallen, deshalb muss ich vorsichtig sein.« Er legte jedem eine Hand auf die Schulter.

»Ihr verfügt beide über das nötige Können, den Mut und die Ausdauer. Renius sieht zu. Enttäuscht uns nicht.«

Beide Jungen blickten zu der Stelle hinüber, wo Renius saß, seinen nutzlosen Arm am Gürtel festgebunden. Seine Haare waren immer noch feucht, und in seinen Augen schimmerte Mordlust. Jubel brandete auf, als Marius eintrat. Er hob die Hände zum Zeichen der Ruhe, und sie trat schnell ein.

»Ich erwarte, dass jeder Mann sein Bestes gibt, aber ihr sollt wissen, dass ich mein Geld auf meinen Neffen und seinen Freund setze. Zwei Wetten, zu jeweils fünfundzwanzig Aurei. Nimmt jemand die Wette an?«

Einen Augenblick lang herrschte Schweigen. Fünfzig Goldstücke waren ein hoher Einsatz für einen privaten Kampf, doch wer konnte schon widerstehen? Die versammelten Männer leerten ihre Geldbeutel, und manche liefen in ihre Zimmer, um mehr Münzen zu holen. Nach einer Weile war das Geld zusammen, und Marius fügte seinen eigenen Anteil hinzu, sodass er nun hundert Goldstücke in seiner großen Hand hielt, genug, um ein kleines Stück Land zu kaufen, oder ein Schlachtross, komplett mit Rüstung und Waffen.

»Kannst du den Beutel für uns halten, Renius?«, fragte Marius.

»Sehr gerne«, erwiderte dieser mit ernster und formeller Stimme. Er schien die schlimmsten Nachwirkungen des Rausches überstanden zu haben, aber Gaius fiel auf, dass er nicht aufzustehen versuchte, sondern wartete, bis man ihm das Geld brachte.

Unter dem erneuten Jubel der Männer betraten Fulvio und Decidus den Übungsraum. Es war keine Frage, auf wessen Seite die Legionäre standen.

Beide Männer trugen nun ein eng anliegendes Tuch, das lediglich ihre Lenden und den oberen Teil der Oberschenkel bedeckte und von einem breiten Gürtel gehalten wurde. Decidus besaß die Schultern und den Körperbau, den man normalerweise bei den Statuen auf dem Forum sehen konnte. Gaius beobachtete ihn genau, konnte jedoch keine sichtbaren Schwächen erkennen.

Fulvio winkte der Menge nicht zu. Seine Nase war mit einem Stück Stoff verbunden, das hinter dem Kopf verknotet worden war, und seine geschwollenen Lippen verliehen ihm einen trotzigen Ausdruck.

Gaius stieß Marcus an. »Anscheinend hast du ihm vorhin mit dem Kopfstoß die Nase gebrochen. Er wird damit rechnen, dass du ihm erneut draufschlägst, das ist dir doch klar. Warte auf eine gute Gelegenheit.«

Marcus nickte, ebenso wie Gaius in das Studium des Mannes und seiner Bewegungen vertieft. Wieder hob Marius die Hände, um sich bei den aufgeregten Soldaten Gehör zu verschaffen. »Marcus und Fulvio bestreiten den ersten Kampf. Keine Zeitbegrenzung, aber eine Runde endet, wenn ein Mann ein Knie oder mehr auf dem Boden hat. Wenn einer nicht mehr aufstehen kann, ist der Kampf zu Ende, und der nächste beginnt. Nehmt eure Positionen ein.«

Fulvio und Marcus stellten sich zur Linken und zur Rechten des Legaten auf.

»Wenn das Horn ertönt, fangt ihr an. Viel Glück.«

Marius ging langsam mit seinen Männern an den Rand und gab einem von ihnen das Zeichen, das Horn erschallen zu lassen, das normalerweise in der Schlacht verwendet wurde. Es wurde schlagartig still, nur der reine, schmetternde Ton brach sich an den Wänden.

Marcus lockerte seine Schultern, dehnte den Hals, indem er den Kopf nach links und rechts drehte, und trat vor. Er hielt die Hände hoch, so wie es ihm Renius beigebracht hatte, doch Fulvio ließ seine Fäuste entspannt an nur leicht gebeugten Armen herunterhängen. Als Marcus es mit einer linken kurzen Geraden versuchte, wich er seitlich aus, und die Schläge gingen harmlos ins Leere. Eine Faust schoss vor und traf Marcus auf der Brust über dem Herzen. Er schnappte vor Schmerz nach Luft und wich zurück, biss dann aber die Zähne zusammen und griff erneut an. Er setzte einen schnellen Schlag mit links an, dem er sofort eine rechte Gerade folgen ließ, aber wieder wich Fulvio mit einem einzigen Schritt aus und hämmerte seinen rechten Handschuh noch einmal auf die gleiche Stelle. Marcus spürte, wie die Luft vor Schmerz explosionsartig aus ihm entwich.

Die Männer hatten zu jubeln angefangen, nur Gaius, Tubruk, und Cabera feuerten den jüngeren Kämpfer an. Fulvio lächelte, und Marcus fing an nachzudenken. Der Mann war schnell und schwer zu treffen. Im Augenblick machte Marcus die ganze Arbeit, ohne damit irgendetwas zu erreichen. Mit einem wütenden Knurren stürzte er vor, den rechten Arm schlagbereit. Er sah, wie Fulvio sich bereit machte, blieb dann plötzlich stehen und ließ den Schlag, der ihn bewusstlos schlagen sollte, an seinem Kinn vorbeischießen. Marcus versetzte Fulvio einen schnellen und harten Schlag auf die Nase und spürte mit Genugtuung das Knirschen der Knochen. In dieser Sekunde traf ihn ein Konterschlag seitlich am Kopf, und er krachte benommen und außer Atem auf den Holzboden.

Keuchend kam er auf die Knie und sah zu Fulvio auf, der ein paar Schritte entfernt dastand. Das Blut strömte ihm wieder aus der Nase, und die Augen darüber starrten ihn mordlüstern an.

Marcus erhob sich in einen Hagel von Schlägen. Er versuchte ihnen auszuweichen und das Schlimmste abzuwehren, aber Fulvio war überall und schlug ihm aus allen Winkeln die Fäuste in den Magen und die Nieren. Er verarbeitete ihn zu Hackfleisch, und als sich Marcus vor Schmerzen zusammenkauerte, traf ihn eine Serie rascher Aufwärtshaken am Kopf und warf ihn nach hinten. Wieder fiel er hin und lag da, während sich seine Brust schmerzhaft hob und senkte. Er schmeckte Blut auf der Zunge, sein linkes Auge schwoll nach den Attacken von Fulvios rechter Geraden zu.

Dieses Mal machte er nach dem Aufstehen drei schnelle Schritte rückwärts, um Zeit zu gewinnen und sich sammeln zu können. Fulvio stürmte ohne Gnade auf ihn los, bewegte Kopf und Körper hin und her, auf der Suche nach der besten Stelle, um einen Treffer zu landen. Der Mann ähnelte einer Schlange, die gleich zubeißen würde, und Marcus wusste, dass er das nächste Mal, wenn er zu Boden ging, wohl kaum wieder aufstehen würde. Wut packte ihn, und er duckte sich aus reinem Reflex unter dem ersten Schlag weg und schlug den folgenden mit dem Arm beiseite. Er spürte, wie Fulvios Unterarm unter seinen Fingern entlang glitt und hielt plötzlich das Handgelenk fest. Seine rechte Faust landete mit der ganzen Kraft seiner Schultern dahinter im Magen des Mannes, und er wurde mit einem schmerzerfüllten Zischen belohnt.

Er hielt den Arm weiter fest und versuchte, den Schlag zu wiederholen, aber Fulvio holte mit der Linken aus und traf ihn hart am Kinn. Die Welt wurde schwarz und er fiel hin, wobei er die harten Holzbretter unter sich kaum noch spürte. Seine Beine schienen ihre gesamte Kraft verloren zu haben, und es gelang ihm nur noch, sich wie ein Tier japsend auf alle viere aufzurappeln. Fulvio, der immer noch nicht zufrieden war, bedeutete ihm mit einem Handschuh aufzustehen. Marcus blickte auf den Boden und überlegte, ob er es tun sollte. Blut rann zwischen seinen Lippen hervor und er sah zu, wie es in eine kleine Lache tropfte.

Was soll’s, dachte er. Noch einen Versuch.

Dieses Mal stürzte sich Fulvio nicht sogleich auf ihn. Er grinste wieder und winkte Marcus mit den Händen heran. Marcus biss die Zähne zusammen. Er würde den Mann noch einmal zu Boden schicken, und wenn er dabei umkam. Er stellte sich vor, Fulvio hätte Dolche in seinen beiden Fäusten, und jeder Kontakt mit ihnen würde den Tod bedeuten. Langsam fühlte er seinen Mut wiederkehren. Er wusste, wie man mit Schwert und Messer kämpfte, warum sollte das hier so anders sein? Er schwankte ein wenig, um Fulvio zum Angriff zu bewegen. Der größte Teil seiner Messerausbildung hatte aus Konterattacken bestanden, und er wollte, dass der Boxer zu einem weiteren Schlag ansetzte. Fulvio verlor schnell die Geduld und griff mit fliegenden Fäusten an. Marcus behielt die Fäuste im Auge, und als eine auf ihn zugerast kam, blockte er sie ab, hob sie mit dem Unterarm hoch und landete einen Konterschlag in Fulvios Unterleib. Fulvio stöhnte auf, und wieder kam reflexartig seine hohe Linke, aber dieses Mal zog Marcus den Kopf ein und der Schlag ging über ihm ins Leere, wodurch Fulvio für den Bruchteil einer Sekunde ohne Deckung dastand. Marcus legte seine ganze Kraft in einen Stoppstoß mit der Linken und wünschte sich, es wäre seine Rechte. Fulvios Kopf flog nach hinten, und als er wieder in die Waagerechte kam, war die Rechte bereit. Marcus ließ sie ein weiteres Mal auf die gebrochene Nase des Boxers krachen. Fulvio landete abrupt auf dem Hinterteil; frisches Blut strömte aus seiner zermalmten Nase.

Ehe Marcus sich darüber freuen konnte, war der Mann schon wieder aufgesprungen und ließ einen Hagel von Schlägen auf ihn niederprasseln, wobei er sich doppelt so schnell zu bewegen schien wie vorher. Marcus ging nach den ersten beiden Hieben zu Boden und steckte im Fallen noch zwei weitere ein. Dieses Mal stand er nicht wieder auf, und er hörte weder den Jubel noch das Horn, als Marius mit einem Nicken den Kampf beendete.

Fulvio hob triumphierend die Hände, und Marius gab wehmütig ein Zeichen, den Männern die ersten fünfzig der hundert Goldmünzen wiederzugeben. Sie steckten kurz die Köpfe zusammen und dann, als Ruhe eingetreten war, bot einer von ihnen Marius den Beutel wieder an.

»Wir möchten den Gewinn als Einsatz für den nächsten Kampf stehen lassen, Herr, wenn es Euch recht ist«, sagte er.

Marius verzog in gespieltem Entsetzen das Gesicht, doch dann nickte er und sagte, er würde dagegenhalten. Die Männer jubelten erneut.

Marcus erwachte, als ihm Tubruk einen Becher Wein ins Gesicht schüttete.

»Habe ich gewonnen?«, fragte er mit zerschlagenen Lippen.

Tubruk lachte und wischte ihm etwas von dem Blut und Wein aus dem Gesicht.

»Du hattest nicht die geringste Chance, aber du warst trotzdem erstaunlich gut. Eigentlich hättest du nicht einmal in der Lage sein dürfen, ihn zu berühren.«

»Ich habe ihn aber ganz schön berührt«, murmelte Marcus. Er lächelte und zuckte zusammen, als seine Lippen aufplatzten. »Ich habe ihn umgehauen.«

Marcus blickte sich nach einer Möglichkeit zum Ausspucken um, aber da er nichts fand, schluckte er die klebrige Mischung aus Schleim und Blut hinunter.

Ihm tat alles weh, sogar noch schlimmer als damals, als Suetonius ihn gefesselt hatte. Er fragte sich, ob er noch so gut aussehen würde, wenn alles verheilt war, doch seine Gedanken wurden von Fulvio gestört, der zu ihm herüberkam und sich im Gehen die Handschuhe auszog.

»Guter Kampf. Ich hatte drei Goldstücke auf mich selber gesetzt. Du bist sehr schnell. In ein paar Jahren könntest du wirklich gefährlich werden.«

Marcus nickte und streckte die Hand aus. Fulvio blickte sie an und schüttelte sie dann kurz, ehe er zu den Männern zurückging, die ihn erneut bejubelten.

»Nimm den Lappen und tupf dir das Blut ab, solange es tropft«, fuhr Tubruk gut gelaunt fort. »Über dem Auge musst du genäht werden. Wir müssen es bestimmt auch aufschneiden, damit die Schwellung zurückgeht.«

»Noch nicht. Erst will ich Gaius zusehen.«

»Natürlich.« Immer noch lachend ging Tubruk davon, und Marcus blinzelte durch sein gutes Auge.

Gaius ballte die Fäuste und wartete auf Tubruk. Sein Gegner hatte den Kampfplatz bereits betreten, machte sich warm und dehnte Schultern und Beine.

»Er ist ein Tier«, murmelte er, als Tubruk neben ihn trat.

»Das stimmt, aber er ist kein Faustkämpfer. Du hast eine relativ gute Chance gegen ihn, solange du keinen von seinen mächtigen Schlägen abkriegst. Wenn er dich erwischt, pustet er dich aus wie eine Kerze. Halt dich zurück und benutze deine Füße, um dich um ihn herum zu bewegen.« Gaius blickte ihn spöttisch an. »Sonst noch etwas?«

»Wenn du kannst, schlag ihn in die Hoden. Damit rechnet er zwar, aber es ist im strengen Sinne nicht gegen die Regeln.«

»Tubruk, du hast nicht das Herz eines ehrenwerten Mannes.«

»Nein, ich habe das Herz eines Sklaven und Gladiators. Ich habe bei diesem Kampf zwei Goldstücke auf dich gesetzt, und ich will gewinnen.«

»Hast du auf Marcus gewettet?«, fragte Gaius.

»Natürlich nicht. Im Gegensatz zu Marius werfe ich kein Geld zum Fenster raus.«

Marius trat in die Mitte und gab wieder ein Zeichen, damit Ruhe einkehrte.

»Nach dieser enttäuschenden Niederlage bleibt das Geld für den nächsten Kampf stehen. Decidus und Gaius, nehmt eure Positionen ein. Die gleichen Regeln. Fangt an, wenn das Horn erklingt.« Er wartete, bis beide dastanden und sich anblickten, ging dann zur Wand und verschränkte die kräftigen Arme vor der Brust.

Als das Horn erklang, trat Gaius vor und hieb Decidus die Faust in die Kehle. Der größere Mann stieß ein krächzendes Stöhnen aus und riss vor Schmerz beide Hände an den Hals. Gaius ließ einen kräftigen Aufwärtshaken folgen, der Decidus am Kinn traf. Er sank auf die Knie und fiel dann mit leeren und glasigen Augen nach vorne. Gaius ging langsam zu seinem Hocker zurück und setzte sich hin. Er lächelte und Renius, der ihn beobachtete, erinnerte sich an dasselbe Lächeln im Gesicht eines kleineren Jungen, als er ihn aus dem eiskalten Wasser des Beckens am Fluss gehoben hatte. Er nickte zustimmend, und seine Augen leuchteten, doch Gaius sah es nicht. Einen Augenblick lang toste die Stille, dann stießen die Männer die angehaltene Luft aus, und ringsum brach lautes Stimmengewirr aus, in erster Linie Fragen, gewürzt mit ein paar kräftigen Flüchen, als ihnen klar wurde, dass sie die Wette verloren hatten.

Marius ging zu der ausgestreckt am Boden liegenden Gestalt und legte ihr die Finger an den Hals. Wieder wurde es still. Endlich nickte er.

»Sein Herz schlägt noch. Er wird es überleben. Er hätte sein Kinn besser decken sollen.«

Die Männer ließen den Sieger halbherzig hochleben, obwohl sie nicht ganz bei der Sache waren. Marius sprach grinsend zu der Menge.

»Für alle, die Hunger haben, wartet im Speisesaal ein Festbankett. Wir feiern die Nacht durch, denn morgen geht es wieder zurück an die Arbeit und ans Plänemachen.«

Decidus wurde wiederbelebt und, den Kopf benommen schüttelnd, hinausgeführt. Der Rest marschierte hinter ihm her und ließ Marcus und Gaius allein mit dem Legaten zurück. Renius war die ganze Zeit über nicht aufgestanden, auch Cabera blieb mit interessiertem Gesicht zurück.

»Tja, Jungs, mit eurer Hilfe habe ich heute eine Menge Geld verdient!«, dröhnte Marius und brach in Gelächter aus. Er musste sich an einer Wand abstützen, weil sein ganzer Körper vor Lachen bebte.

»Ihre Gesichter! Zwei bartlose Jungs, und einer von ihnen setzt Fulvio auf den Hintern .« Das Lachen übermannte ihn und er wischte sich die Tränen ab, die über sein gerötetes Gesicht strömten.

Renius erhob sich leicht schwankend, kam auf Gaius und Marcus zu und versetzte jedem von ihnen einen Klaps auf die Schulter.

»Ihr habt angefangen euch einen Namen zu machen«, sagte er leise.

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