22

Alexandria saß schweigend da und polierte den Schmutz von einem alten Schwert in Marius’ kleiner Waffenkammer. Sie freute sich darüber, dass er sein Stadthaus zurückbekommen hatte. Nach dem, was sie gehört hatte, war der Eigentümer nur zu begierig darauf gewesen, es dem neuen Regenten von Rom zu schenken. Das war viel besser als die Vorstellung, gemeinsam mit den rohen Soldaten in den Baracken der städtischen Kaserne zu wohnen - nun ja, das wäre wohl bestenfalls schwierig geworden. Die Götter wussten, dass sie keine Angst vor Männern hatte; sie kamen in ihren frühesten Erinnerungen vor, als sie mit ihrer Mutter im Zimmer nebenan gewesen waren. Wenn sie hereingekommen waren, hatten sie nach Bier und billigem Wein gestunken, und auch wenn sie hinausgingen, torkelten sie. Sie blieben nie besonders lange. Einmal hatte einer sie anfassen wollen, und sie erinnerte sich heute noch daran, dass sie damals ihre Mutter zum ersten Mal in ihrem jungen Leben zornig gesehen hatte. Sie hatte dem Mann mit einem Schürhaken den Schädel eingeschlagen, dann hatten sie ihn gemeinsam hinaus auf die Gasse geschleift und dort liegen gelassen. Tagelang hatte ihre Mutter damit gerechnet, dass jeden Augenblick die Tür eingeschlagen würde und man sie wegschaffte und aufhängte, aber niemand kam.

Seufzend rieb sie an den Schichten verkrusteten Öls auf der Bronzeklinge herum, den Überresten eines längst vergessenen Feldzuges. Zuerst war ihr Rom wie eine Stadt der grenzenlosen Möglichkeiten vorgekommen, doch nachdem Marius vor drei Monaten die Herrschaft übernommen hatte, arbeitete sie immer noch den ganzen Tag für nichts und wurde jeden Tag ein bisschen älter. Andere veränderten die Welt, ihr Leben jedoch blieb immer gleich. Nur am Abend, wenn sie mit dem alten Bant in seiner kleinen Metallwerkstatt saß, hatte sie das Gefühl, Fortschritte zu machen. Bant hatte ihr beigebracht, wie man mit den Werkzeugen umging und ihre Hände bei den ersten schwerfälligen Versuchen geführt. Er redete nicht viel, schien ihre Gesellschaft aber zu genießen, und ihr gefiel sein Schweigen und seine freundlichen blauen Augen. Als sie ihn zum ersten Mal sah, hatte er gerade in der Werkstatt eine Brosche geformt, und in diesem Augenblick hatte sie gewusst, dass dies etwas war, das sie auch tun konnte. Es war eine Fertigkeit, die sich zu erlernen lohnte, sogar für eine Sklavin.

Sie rieb noch heftiger. Einem Mann nicht mehr wert zu sein als ein Pferd oder auch nur ein gutes Schwert, so eins, wie sie gerade in der Hand hielt! Das war einfach nicht gerecht!

»Alexandria!« Carlas Stimme rief sie. Einen Moment war sie versucht, nicht zu antworten, aber die Frau hatte eine Zunge wie eine Peitsche, und ihr Zorn war bei den meisten Sklavinnen gefürchtet.

»Hier!«, antwortete sie, legte das Schwert zur Seite und wischte die Hände an einem Tuch ab. Carla hatte bestimmt noch eine Aufgabe für sie, noch ein paar Stunden Arbeit vor dem Schlafengehen.

»Da bist du ja, Liebes. Ich brauche jemanden, der für mich rasch zum Markt läuft. Willst du das für mich tun?«

»Ja!« Alexandria erhob sich eilig. In den vergangenen paar Monaten hatte sie gelernt, sich auf diese seltenen Botengänge zu freuen, die einzige Gelegenheit, zu der ihr erlaubt war, Marius’ Haus zu verlassen. Die letzten Male hatte sie die Besorgungen sogar allein erledigen dürfen. Wo hätte sie schließlich auch hinflüchten können?

»Ich brauche noch ein paar Sachen für den Haushalt. Und du handelst immer die besten Preise aus«, sagte Carla, als sie ihr die Wachstafel reichte.

Alexandria nickte. Sie feilschte gern mit den Händlern. Dabei kam sie sich immer vor wie eine freie Frau. Beim ersten Mal war Carla dabei gewesen und war regelrecht schockiert gewesen, wie viel Geld das Mädchen der Haushaltskasse sparte. Die Händler hatten jahrelang viel zu viel von ihr verlangt, weil sie um Marius’ tiefe Taschen wussten. Die ältere Frau erkannte sofort, dass das Mädchen ein Talent dafür besaß, und schickte sie so oft wie möglich hinaus; abgesehen davon wusste sie, dass Alexandria diese kleinen Freiheiten brauchte. Manche gewöhnten sich nie an die Sklaverei und versanken nach und nach in Trübsinn und gelegentlich in Verzweiflung. Carla freute sich, wenn Alexandrias Gesicht bei dem Gedanken an einen kleinen Ausflug aufleuchtete. Vermutlich behielt das Mädchen die eine oder andere Münze für sich zurück, doch was machte das schon? Sie half ihnen, Silber zu sparen, also machte ihr Carla keine Vorwürfe, wenn sie sich ein bisschen Bronze einsteckte.

»Dann fort mit dir. Ich erwarte dich in zwei Stunden zurück. Und keine Minute später, verstanden?«

»Aber ja, Carla. In zwei Stunden. Ich danke dir.«

Die ältere Frau lächelte sie an. Sie dachte daran, wie es war, als sie selbst noch jung und die Welt so unendlich aufregend gewesen war. Sie wusste von Alexandrias Besuchen bei Bant, dem Kunstschmied. Der alte Mann schien sie ins Herz geschlossen zu haben. Es gab kaum etwas im Haushalt, was Carla nicht früher oder später erfuhr, und sie wusste, dass Alexandria in ihrem Zimmer eine kleine Bronzescheibe aufbewahrte, die sie mit Hilfe von Bants Werkzeugen mit einem Löwenkopf verziert hatte. Ein hübsches Stück.

Während sie der schlanken Gestalt nachschaute, fragte sich Carla, ob die Scheibe wohl ein Geschenk für Gaius war. Bant hatte gesagt, das Mädchen habe Talent für diese Arbeit. Vielleicht deshalb, weil sie es aus Liebe tat.

Der Markt war ein wildes Durcheinander aus Gerüchen und drängelnden Menschen, doch Alexandria trödelte bei keinem Posten auf ihrer Liste lange herum. Sie erledigte ihre Aufgabe rasch, bekam alles für einen guten Preis, löste sich jedoch aus den Diskussionen, bevor sie allzu sehr ausuferten. Die Ladenbesitzer schienen gerne mit dem hübschen Mädchen zu feilschen, warfen die Hände in die Luft und riefen nach Zeugen, die unbedingt erfahren sollten, was Alexandria ihnen abverlangte. Dann lächelten sie das Mädchen an, und etliche von ihnen gingen bei diesem Lächeln mit den Preisen weiter hinunter, als sie es hinterher, nachdem Alexandria wieder weg war, gut hießen. Zweifellos weiter, als ihre Ehefrauen es gut hießen.

Nachdem sie die Päckchen sicher in ihren beiden Einkaufstaschen verstaut hatte, machte sich Alexandria eilig zu ihrem wahren Ziel auf, einem kleinen Juwelierladen am Ende der Marktbuden. Sie hatte ihn schon oft aufgesucht, um sich die Entwürfe des Mannes anzusehen. Die meisten Stücke waren aus Bronze oder Zinn. Silber wurde bei der Schmuckherstellung kaum verwendet, und Gold war zu teuer, es sei denn, es handelte sich um Auftragsarbeiten. Der Kunstschmied selbst war ein kleiner Mann, der stets eine schwere Lederschürze über seiner groben Tunika trug. Er blickte auf, als sie den kleinen Laden betrat, und unterbrach die Arbeit an einem kleinen Goldring, um das Mädchen im Auge zu behalten. Tabbic war ein misstrauischer Mensch, und Alexandria spürte seine Blicke, als sie seine Waren betrachtete.

»Kaufst du auch Sachen an?«, fragte sie.

»Manchmal schon«, lautete die Antwort. »Was hast du denn?«

Sie zog die Bronzescheibe aus einer Tasche ihrer Tunika. Er nahm sie ihr aus der Hand und hielt sie ins Tageslicht, um das Muster zu begutachten. Er hielt sie sehr lange ins Licht, und sie wagte nicht, etwas zu sagen, aus Angst, ihn zu verärgern. Ohne etwas zu sagen, drehte er sie immer wieder hin und her und musterte jede noch so kleine Kerbe im Metall.

»Wo hast du das her?«, wollte er schließlich wissen.

»Ich habe es selbst gemacht. Kennst du Bant?«

Der Mann nickte bedächtig.

»Er hat mir gezeigt, wie es geht.«

»Es ist ziemlich grob, aber ich denke, ich könnte es weiterverkaufen. Die Ausführung ist unbeholfen, aber das Muster ist sehr hübsch. Das Löwengesicht kommt sehr schön heraus, man merkt nur, dass du noch nicht sehr geübt mit Hammer und Ahle bist.« Er drehte die Scheibe noch einmal um.

»Sag mir jetzt die Wahrheit! Woher hast du die Bronze, um das herzustellen?«

Alexandria sah ihn erschrocken an. Er erwiderte ihren Blick ohne zu blinzeln, aber seine Augen sahen freundlich aus. Rasch erzählte sie ihm von ihren Einkäufen, und dass sie immer ein paar kleine Münzen vom Haushaltsgeld für sich behalten hatte, genug, um die unbearbeitete Metallscheibe an einer der Marktbuden zu kaufen.

Tabbic schüttelte den Kopf. »Dann darf ich es nicht nehmen. Es gehört dir nicht. Die Münzen sind das Eigentum des Marius, also auch die Bronze. Du solltest sie ihm geben.«

Alexandria spürte, dass sie jeden Augenblick in Tränen auszubrechen drohte. Sie hatte so viel Zeit auf dieses kleine Stück verwendet, und jetzt sollte alles umsonst gewesen sein. Wie benommen sah sie zu, wie er es von einer Seite zur anderen drehte. Dann drückte er es ihr wieder in die Hand.

Enttäuscht schob sie die Scheibe in die Tasche zurück.

»Tut mir Leid«, sagte er.

Dann sah er sie an und fuhr fort: »Ich heiße Tabbic. Du kennst mich nicht, aber ich habe einen Ruf zu verlieren. Ich bin für meine Ehrlichkeit bekannt, und vielleicht auch für meinen Stolz.« Er hielt eine andere Metallscheibe hoch, eine, die grausilbern schimmerte.

»Das ist Zinn. Es ist weicher als Bronze. Es lässt sich leichter bearbeiten. Man kann es hübsch polieren, und es verfärbt sich nicht so hässlich, sondern wird nur stumpf. Nimm es mit und gib es mir zurück, wenn du etwas daraus gemacht hast. Dann hefte ich eine Nadel daran und verkaufe es als Mantelspange für einen Legionär. Wenn sie genauso gut wird wie die bronzene, bekomme ich womöglich eine Silbermünze dafür. Davon ziehe ich den Preis für das Zinn und die Nadel ab, so bleiben für dich sechs, vielleicht sieben Quadranten übrig. Ein Vermittlungsgeschäft, verstehst du?«

»Wo ist dein Profit bei diesem Geschäft?«, fragte Alexandria, die bei dieser Wendung des Schicksals große Augen machte.

»Bei diesem ersten Geschäft verdiene ich nichts. Ich investiere ein wenig in das Talent, das du meiner Meinung nach besitzt. Grüße Bant von mir, wenn du ihn wieder siehst.«

Alexandria steckte die Zinnscheibe ein und musste erneut gegen die Tränen ankämpfen. So viel Freundlichkeit war sie nicht gewöhnt.

»Ich danke dir. Und die Bronze werde ich Marius geben.«

»Das solltest du auch, Alexandria.«

»Woher ... woher weißt du, wie ich heiße?«

Tabbic nahm den Ring, an dem er gearbeitet hatte, als sie hereinkam.

»Wenn ich Bant treffe, redet er kaum noch von etwas anderem.«

Alexandria musste sich sputen, wenn sie vor Ablauf der zwei Stunden zurück sein wollte, aber ihre Füße waren leicht und am liebsten hätte sie laut gesungen. Sie würde aus der Zinnscheibe etwas Schönes schaffen, und Tabbic würde sie für mehr als eine Silbermünze verkaufen und weitere bei ihr in Auftrag geben, bis ihre Arbeit ihr Goldstücke einbrachte, und eines Tages würde sie ihr gesamtes Geld nehmen und sich damit freikaufen. Frei. Was für ein Schwindel erregender Traum!

Als sie in Marius’ Haus eingelassen wurde, drangen die Düfte des Gartens in ihre Lunge, und sie blieb einen Augenblick lang stehen, um einfach nur die köstliche Abendluft einzuatmen. Carla kam ihr entgegen und nahm ihr die Taschen und die Münzen ab, wobei sie wie üblich angesichts der Summe der Ersparnisse nickte. Falls die Frau eine Veränderung an Alexandria festgestellt hatte, so ließ sie es sich nicht anmerken, nur ein kurzes Lächeln huschte über ihre Lippen, als sie die Einkäufe in die kühlen Kellerräume schaffte, wo sie nicht so rasch verderben würden.

Allein mit ihren Gedanken, bemerkte Alexandria Gaius zunächst überhaupt nicht. Sie hatte ihn auch nicht erwartet. Er verbrachte fast den ganzen Tag damit, den mörderischen Zeitplan seines Onkels einzuhalten und kam nur ins Haus, um etwas zu essen und zu schlafen. Die Torwachen ließen ihn kommentarlos ein; sie waren an sein Kommen und Gehen gewöhnt. Als er Alexandria im Garten stehen sah, hielt er kurz inne und erfreute sich einfach nur an ihrem Anblick. Der Abend brach mit spätsommerlicher Trägheit herein, die die Luft weich machte und dem Licht Stunden vor seinem endgültigen Schwinden einen zarten Graustich verlieh.

Als er auf sie zukam, drehte sie sich um und lächelte ihn an.

»Du siehst glücklich aus«, sagte er und erwiderte ihr Lächeln.

»Das bin ich auch«, antwortete sie.

Seit damals im Stall auf dem Landgut hatte er sie nicht mehr geküsst, doch er spürte, dass die Zeit dafür endlich gekommen war. Marcus war fort, und das Stadthaus schien verlassen zu sein. Er beugte sich zu ihr hinunter, und sein Herz klopfte schmerzhaft, fast so, als hätte er Angst.

Er spürte ihren warmen Atem, ehe sich ihre Lippen berührten, und dann schmeckte er sie und zog sie wie selbstverständlich in seine Arme. Ihre Körper schienen mühelos zusammenzupassen.

»Ich kann dir gar nicht sagen, wie oft ich daran gedacht habe«, murmelte er.

Sie sah ihm in die Augen und wusste, dass es etwas gab, das sie ihm schenken konnte, und sie wusste, dass sie ihm dieses Geschenk machen wollte.

»Komm mit in meine Kammer«, flüsterte sie und nahm seine Hand.

Wie im Traum folgte er ihr durch den Garten in ihre Unterkunft.

Carla sah die beiden gehen.

»Wurde aber auch verdammt noch mal Zeit«, murmelte sie.

Zuerst befürchtete Gaius, er würde sich ungeschickt anstellen, oder schlimmer noch, zu hastig, doch Alexandria lenkte seine Bewegungen, und ihre Hände fühlten sich auf seiner Haut kühl an. Sie nahm eine kleine Flasche mit parfümiertem Öl von einem Regal, und er sah zu, wie sie ein paar Spritzer auf ihre Handflächen tropfen ließ. Der schwere Duft drang in seine Lunge, als sie rittlings auf ihm saß und das Öl zärtlich auf seiner Brust verrieb. Dann rieb sie weiter unten, und er keuchte auf. Er nahm etwas davon von seiner Haut und streckte die Hand nach ihren Brüsten aus, erinnerte sich daran, wie er ihre sanfte Wölbung zum ersten Mal vor so langer Zeit im Hof des Landguts gesehen hatte. Er presste den Mund zuerst auf die eine, dann an die andere, schmeckte ihre Haut und bewegte die Lippen über die öligen Brustwarzen. Sie öffnete leicht den Mund und schloss bei seiner Berührung die Augen. Dann beugte sie sich herab und küsste ihn, und ihr offenes Haar fiel über sie beide herab.

Als der Abend dunkler wurde, vereinigten sie sich ungestüm, und dann noch einmal, verspielter und mit mehr Wonne. Ohne die Kerzen war nur wenig Licht in ihrer Kammer, aber ihre Augen leuchteten, und ihre Gliedmaßen waren wie dunkles Gold, als sie sich unter ihm bewegte.

Als er kurz vor Tagesanbruch erwachte, sah er, dass sie ihn beobachtete.

»Das war mein erstes Mal«, sagte er leise. Etwas riet ihm, ihr die Frage nicht zu stellen, doch er musste es wissen. »War es auch für dich das erste Mal?«

Sie lächelte, doch es war ein trauriges Lächeln.

»Ich wünschte, es wäre so«, sagte sie. »Ehrlich.«

»Hast du . mit Marcus?«

Ihre Augen weiteten sich ein wenig. War er wirklich so unschuldig, dass er die Beleidigung nicht bemerkte?

»Das hätte ich wohl, ganz bestimmt«, erwiderte sie schnippisch, »aber er hat nicht gefragt.« »Entschuldige«, sagte er errötend. »Ich wollte nicht .«

»Hat er das behauptet?«, wollte Alexandria wissen.

»Ja«, antwortete Gaius mit ernstem Gesicht. »Er hat ziemlich damit angegeben.«

»Bei den Göttern!«, rief Alexandria wütend und suchte ihre Kleider zusammen. »Wenn ich ihn das nächste Mal sehe, ramme ich ihm einen Dolch ins Auge!«

Gaius nickte und versuchte bei dem Gedanken, wie Marcus nichtsahnend zurückkehrte, nicht zu grinsen.

Sie zogen sich in aller Eile an. Keiner von beiden wollte, dass er von den Klatschmäulern gesehen wurde, wie er vor Sonnenaufgang aus ihrer Kammer kam. Sie verließ mit ihm die Sklavenunterkünfte, und sie setzten sich in den Garten, ließen sich von dem warmen Wind fächeln, der durch die Stille strich.

»Wann sehe ich dich wieder?«, fragte er leise.

Sie schaute weg, und er dachte schon, sie wollte ihm nicht antworten. Er bekam es mit der Angst zu tun.

»Gaius ... ich habe jede Sekunde der vergangenen Nacht genossen. Dich zu berühren, dich zu spüren, und dich zu schmecken. Aber du wirst eine Tochter Roms heiraten. Weißt du, dass ich keine Römerin bin? Meine Mutter kam aus Karthago, sie wurde als Kind von dort verschleppt und in die Sklaverei verkauft, und dann zur Hure gemacht. Ich bin spät zur Welt gekommen. Sie hätte mich niemals so spät bekommen dürfen. Danach kam sie nie wieder richtig zu Kräften.« »Ich liebe dich«, sagte Gaius, der wusste, dass es zumindest in diesem Augenblick stimmte, und dabei hoffte, es möge genügen. Er wollte ihr etwas geben, das ihr zeigte, dass sie ihm mehr bedeutete als eine Nacht der Lust.

Sie schüttelte bei seinen Worten langsam den Kopf.

»Wenn du mich liebst, lässt du mich hier im Haus des Marius. Ich kann Schmuck machen, und eines Tages habe ich genug Geld, um mich freizukaufen. Hier kann ich so glücklich werden, wie ich es niemals werden würde, wenn ich zulasse, dass ich dich liebe. Das könnte ich wohl, aber du wirst Soldat und ziehst davon, in weit entfernte Winkel der Welt, und ich würde deine Frau und deine Kinder sehen, müsste ihnen auf der Straße zunicken. Mach mich nicht zu deiner Hure, Gaius. Dieses Leben kenne ich zur Genüge, ich will es nicht. Lass mich letzte Nacht nicht bereuen. Ich möchte so etwas Wundervolles nicht bereuen.«

»Ich könnte dich freikaufen«, flüsterte er gequält. Das alles schien keinen Sinn zu ergeben.

In ihren Augen blitzte es wütend auf, doch sie beherrschte sich. »Nein, das könntest du nicht. Natürlich könntest du mir meinen Stolz nehmen und mich laut römischem Gesetz freilassen, aber das hätte ich mir in deinem Bett verdient. Dort, worauf es ankommt, bin ich frei, Gaius, das habe ich jetzt begriffen. Um vor dem Gesetz ein freier Bürger zu sein, muss ich ehrlich arbeiten, um mich selbst zurückzukaufen. Dann gehöre ich mir. Ich bin heute einem Mann begegnet, der von sich sagt, er sei ehrlich und stolz. Auch ich besitze beides, Gaius, Ehrlichkeit und Stolz, und ich möchte weder das eine noch das andere verlieren. Ich werde dich nie vergessen. Besuch mich in zwanzig Jahren, dann schenke ich dir einen Anhänger aus Gold, der aus Liebe gemacht ist.«

»Das werde ich tun«, gelobte er, beugte sich zu ihr und küsste ihre Wange. Dann erhob er sich und verließ den duftenden Garten.

Er trat hinaus auf die Straßen der Stadt und ging immer weiter und weiter, bis er sich verlaufen hatte und zu müde war, um außer seiner Betäubung noch etwas zu fühlen.

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