11

Brutus stand an der Kreuzung am Fuße des Quirinalhügels und ließ die geschäftige Menge an sich vorbeiziehen. Er war früh aufgestanden, hatte seine Rüstung überprüft und Tubruk insgeheim für die frische Untertunika gedankt, die er ihm herausgelegt hatte. Obwohl er wusste, dass es in gewisser Hinsicht lächerlich war, sich deswegen Gedanken zu machen, hatte er jedes Teil der Rüstung eingeölt und poliert, bis es glänzte. Er hatte das Gefühl, aus den dunkleren Farben der Menge herauszustechen, andererseits beruhigte ihn allein schon das Gewicht, als könnte es ihn vor mehr schützen als vor Waffen.

Die Bronzefaust hatte ihren eigenen Waffenschmied, und wie alle anderen in der Zenturie war er der Beste gewesen. Die Beinschiene, die Brutus am rechten Bein trug, war kunstvoll gestaltet und folgte dem Verlauf der Muskeln. Sie war mit einem mit Säure eingeätzten, kreisförmigen Muster verziert und hatte ihn einen ganzen Monatssold gekostet. Schweiß rann hinter der Hülle aus Metall hinab. Er bückte sich und versuchte erfolglos, die Haut dahinter zu kratzen. Den Federbusch des Helmes hatte er aus praktischen Erwägungen auf dem Gut gelassen. Es ging nicht, dass er damit an den Türstürzen im Haus seiner Mutter hängen blieb.

Er war vor dem Gebäude stehen geblieben und betrachtete es jetzt nachdenklich. Eigentlich hatte er ein Wohnhaus mit vier oder fünf Stockwerken erwartet, sauber, aber klein. Stattdessen war die Straßenfront mit dunklem Marmor verkleidet, fast wie ein Tempel. Die Hauptgebäude waren wegen des Staubs und des Gestanks etwas von der Straße zurückgesetzt und nur durch das Gitter eines hohen Tores zu sehen. Brutus überlegte, ob das Haus des Marius größer gewesen war… wahrscheinlich schon, aber das war schwer zu sagen.

Tubruk hatte ihm nicht mehr als die Adresse verraten, doch als Brutus sich umschaute, sah er, dass er sich hier in einer wohlhabenden Gegend befand. Ein großer Teil der Menschen auf den Straßen waren Diener und Sklaven, die Besorgungen für ihre Herren machten und mit Gütern aller Art beladen waren. Er hatte erwartet, seine Mutter würde von ihrem Sohn, der es bis zum Zenturio gebracht hatte, beeindruckt sein, jetzt jedoch, wo er das Haus sah, wurde ihm klar, dass sie ihn vielleicht nur für einen gewöhnlichen Soldaten halten würde, und er zögerte.

Er überlegte, ob er zum Gut zurückkehren sollte. Renius und Tubruk würden ihn willkommen heißen, ohne über sein Versagen zu urteilen. Aber hatte er dieses Treffen nicht auf dem ganzen langen Heimweg aus Griechenland geplant? Es wäre lächerlich, beim Anblick des prächtigen Hauses kehrtzumachen.

Er holte tief Luft und überprüfte ein letztes Mal den perfekten Sitz seiner Rüstung. Die Lederriemen waren verschnürt, er konnte keinen Makel feststellen. So war es in Ordnung.

Als er weiterging, machte ihm die Menge Platz, ohne zu drängeln. Aus der Nähe weckte das Tor Erinnerungen an Marius’ Haus am anderen Ende der Stadt. Kaum hatte er das Gitter erreicht, schwangen die Flügel auch schon auf; ein Sklave verbeugte sich und winkte ihn herein.

»Hier entlang, Herr«, sagte der Sklave, verriegelte das Tor und ging ihm durch einen schmalen Korridor voran. Brutus folgte ihm mit klopfendem Herzen. Wurde er etwa erwartet?

Der Bedienstete führte ihn in einen Raum, der zu den luxuriösesten Gemächern gehörte, die er jemals gesehen hatte. Von unten und oben vergoldete Marmorsäulen trugen die Decke. Weiße Statuen säumten die Wände, Liegen waren um ein zentrales Wasserbecken gruppiert, in dem große Fische fast bewegungslos durch die kühlen Tiefen glitten. Seine Rüstung erschien ihm in der Stille schwerfällig und laut, und Brutus wünschte sich, er hätte vor dem Eintreten die Beinschiene abgeschnürt und sich ordentlich gekratzt.

Der Sklave verschwand durch eine andere Tür, und Brutus blieb alleine mit dem Plätschern des Wassers zurück. Es war sehr friedlich, und nach kurzer Überlegung nahm er seinen Helm ab und fuhr sich mit den Händen durch das feuchte Haar.

Er spürte einen Luftzug, als sich eine andere Tür hinter ihm öffnete, und sprang vor Überraschung auf, als eine wunderschöne Frau auf ihn zukam. Sie war bemalt wie eine Puppe und ungefähr in seinem Alter, schätzte er. Ihr Kleid bestand aus einem Stoff, den er noch nie gesehen hatte und durch den er die Konturen ihres Busens und der Brustwarzen erkennen konnte. Ihre Haut war von vollkommener Blässe, und als einzigen Schmuck trug sie eine schwere Goldkette um den Hals.

»Setz dich doch«, sagte sie. »Mach es dir bequem.« Während sie sprach, setzte sie sich auf die Liege, von der er aufgesprungen war, und schlug aufreizend die Beine übereinander, wobei das Kleid verrutschte und genug den Blicken freigab, um ihm die Röte in die Wangen zu treiben. Er setzte sich neben sie und versuchte einen Funken der Entschlossenheit wiederzuerlangen, die ihn eben noch erfüllt hatte.

»Gefalle ich dir?«, fragte sie sanft.

»Du bist wunderschön, aber ich suche… eine Frau, die ich früher einmal gekannt habe.«

Sie zog einen Schmollmund, und er verspürte das fast unwiderstehliche Verlangen, sie zu küssen, sie in die Arme zu nehmen und ihr den Atem zu rauben. Die Vorstellung ließ seine Sinne taumeln, und er bemerkte, dass ein Parfüm die Luft erfüllte und ihn schwindlig machte. Sie streckte die Hand aus und berührte ihn oberhalb der Beinschiene, wo einige wenige Zentimeter braune Haut zu sehen waren. Ein leiser Schauer lief ihm über den Rücken, doch dann kam er mit einem Ruck wieder zu sich und stand abrupt auf.

»Erwartest du etwa eine Bezahlung von mir?«

Das Mädchen sah verwirrt aus, jünger, als er zuerst angenommen hatte.

»Ich mache es nicht aus Liebe«, sagte sie, und viel von der Sanftheit war plötzlich aus ihrer Stimme verschwunden.

»Ist Servilia hier? Ich glaube, sie wird mich empfangen wollen.«

Das Mädchen sank auf der Liege zusammen, und sein kokettes Verhalten verschwand von einem Augenblick zum anderen.

»Sie empfängt keine Zenturios. Wenn du es mit ihr machen willst, musst du schon ein Konsul sein.«

Brutus starrte sie entsetzt an.

»Servilia!«, schrie er und ging mit großen Schritten am Becken vorbei auf die andere Seite des Raums. »Wo bist du?«

Er vernahm das Geräusch sich eilig nähernder Schritte hinter einer Tür, woraufhin er schnell eine andere öffnete und hindurchschlüpfte. Als er sie schloss, hörte er hinter sich das Gelächter des Mädchens auf der Liege. Er fand sich in einem langen Korridor wieder, wo ihn ein Sklave, der ein Tablett voller Getränke trug, mit offenem Mund anstarrte.

»Du darfst hier nicht durch!«, rief der Sklave, aber Brutus stieß ihn beiseite. Die Weinkelche flogen durch die Luft. Der Sklave machte sich aus dem Staub, und plötzlich war Brutus der Weg am Ende des Korridors von zwei Männern versperrt. Die beiden hatten Keulen in den Händen und füllten die ganze Breite des Durchgangs aus. Ihre Schultern berührten die Wände, als sie auf ihn zukamen.

»Du hast wohl ein bisschen zu viel getrunken, was?«, krächzte einer von ihnen, als sie näher kamen.

Brutus zog mit einer eleganten Bewegung seinen Gladius. Die Klinge, die mit dem gleichen wirbelnden Muster verziert war wie die Beinschiene, schimmerte im Licht. Die beiden Männer blieben, plötzlich unsicher geworden, stehen.

»Servilia!«, schrie Brutus so laut er konnte und hielt sein Schwert auf die Männer gerichtet. Sie zogen Dolche aus ihren Gürteln und kamen langsam näher.

»Du unverschämter kleiner Bursche!«, sagte einer und fuchtelte mit seiner Klinge herum. »Du glaubst wohl, du kannst hier reinmarschiert kommen und machen, was du willst? Ich hatte bisher noch nie die Gelegenheit, einen Offizier zu töten, aber es wird mir ein Vergnügen sein.«

Brutus erstarrte.

»Nehmt gefälligst Haltung an, ihr hirnlosen Schweine!«, fuhr er sie an. »Wenn ich auch nur sehe, dass ihr ein Messer auf mich richtet, lasse ich euch aufhängen!«

Die beiden Männer zögerten angesichts seines zornig funkelnden Blicks, und reagierten fast reflexartig auf seinen Tonfall. Brutus machte wütend einen Schritt auf sie zu.

»Jetzt erklärt mir mal, warum Männer in eurem Alter ihre Legion verlassen, um ein Bordell zu bewachen. Seid ihr Deserteure?«

»Nein… Herr. Wir haben in der Primigenia gedient.«

Brutus ließ sich seine Überraschung und seine Freude nicht anmerken.

»Unter Marius?«, verlangte er zu wissen.

Der Ältere der beiden nickte. Inzwischen standen sie vor ihm stramm, und Brutus musterte sie von oben bis unten wie beim Appell.

»Wenn ich mehr Zeit hätte, würde ich euch den Brief zeigen, den er mir zu meiner Legion nach Griechenland mitgegeben hat. Ich bin damals mit ihm zu den Stufen des Senatsgebäudes marschiert, als er seinen Triumphzug gefordert hat. Wagt es nicht, sein Andenken zu beschmutzen!«

Die beiden Männer blinzelten verlegen. Brutus dehnte das Schweigen, das auf seine Worte folgte, absichtlich aus.

»Und jetzt habe ich geschäftlich mit einer Frau namens Servilia zu tun. Ihr könnt sie zu mir oder mich zu ihr bringen, aber solange ich hier bin, benehmt ihr euch wie Soldaten, verstanden?«

Noch während die beiden nickten, wurde am anderen Ende des Korridors eine Tür aufgerissen, und eine Frauenstimme erklang.

»Weg von ihm, und lasst mir freie Schussbahn.«

Die beiden Wachen rührten sich nicht von der Stelle und ließen den jungen Zenturio nicht aus den Augen. Ihre Schultern verrieten ihre Anspannung, doch sie bewegten sich nicht.

»Ist sie das?«, fragte Brutus laut und deutlich.

Der ältere Mann schwitzte vor Anstrengung. »Sie ist die Herrin des Hauses«, bestätigte er.

»Dann tut, wie euch befohlen wurde, meine Herren.«

Ohne ein weiteres Wort zogen sich die beiden Wachen so gut es ging zurück und gaben den Blick auf eine Frau frei, die Brutus mit gespanntem Bogen und eingelegtem Pfeil anvisierte.

»Bist du Servilia?«, fragte er und bemerkte das leichte Zittern ihrer Arme, die langsam müde wurden.

»Der Name, den du wie ein kleiner, dreckiger Fischverkäufer herumgebrüllt hast? Mir gehört dieses Haus.«

»Ich will dir nicht schaden«, erwiderte Brutus. »Und ich würde die Sehne lockern, ehe du noch aus Versehen auf jemanden schießt.«

Servilia warf einen raschen Blick auf die Wachen. Ihre Anwesenheit schien sie zu beruhigen. Sie atmete aus und nahm den Bogen herunter. Es war vermutlich nicht das erste Mal, dass sie von Soldaten bedroht worden war.

Die Frau, die Brutus jetzt hier sah, hatte keinerlei Ähnlichkeit mit dem Mädchen aus dem Zimmer mit den Statuen. Sie war groß und schlank wie er, mit langem, dunklem Haar, das ihr offen auf die Schultern herabfiel. Ihre Haut strahlte vor Sonne und Gesundheit, und ihr Gesicht war nicht hübsch, ja, genau genommen war es fast hässlich, doch von dem breiten Mund und den dunklen Augen gingen eine wissende Sinnlichkeit aus, die wahrscheinlich viele Männer in ihren Bann schlug, dachte er. Bei jeder Bewegung ihrer breiten, kräftigen Hände, die den Bogen hielten, klimperten Goldreifen an den Handgelenken.

Er nahm jede Einzelheit in sich auf und verspürte einen Stich, als er in der Form ihres Halses etwas von sich selbst erkannte.

»Du kennst mich nicht«, sagte er leise.

»Was hast du gesagt?«, sagte sie und kam näher. »Du stürzt mein Haus in Aufruhr und bringst eine Waffe in meine Privatgemächer. Ich sollte dich auspeitschen lassen, und glaube bloß nicht, dein hübscher Rang könnte dich davor bewahren.«

Sie bewegte sich ausgezeichnet, dachte er. Eine ähnliche erotische Sicherheit hatte er erst einmal bei einer Frau erlebt, damals im Tempel der Vesta, wo die Bewegungen der Jungfrauen eine Frechheit an sich hatten, die aus dem Wissen um den sofortigen Tod jedes Mannes entstand, der sie berührte. Sie hatte etwas davon, und er spürte, dass es ihn erregte. Es widerte ihn an, aber er wusste nicht, wie sich ein Sohn fühlen sollte. Das Blut schoss ihm in den Kopf, und sie lächelte sinnlich, wobei sie scharfe, weiße Zähne entblößte.

»Ich hätte gedacht, du würdest älter aussehen«, murmelte er, und in ihren Augen blitzte Verärgerung auf.

»Ich sehe aus, wie ich aussehe. Aber ich weiß immer noch nicht, wer du bist.«

Brutus steckte das Schwert weg und fragte sich, ob er nicht einfach gehen sollte. Das hieß, falls sie ihn gehen ließ. Die beiden Wachen waren vielleicht nicht die einzigen Soldaten in ihren Diensten. Er wollte sagen, wer er war, ihre Selbstsicherheit erschüttern, wollte sehen, wie sich ihre Augen vor Staunen weiteten, wenn ihr klar wurde, was für ein eindrucksvoller junger Mann er geworden war.

Dann kam ihm das alles sinnlos vor. Nachdem er die Erinnerung daran lange unterdrückt hatte, fiel ihm wieder ein, wie er Julius’ Vater über sie hatte reden hören, und er seufzte, da er dessen Worte nun bestätigt fand. Er war in einem Bordell, egal, wie vornehm es auch erscheinen mochte. Es spielte eigentlich keine Rolle, was sie von ihm hielt.

»Mein Name ist Marcus. Ich bin dein Sohn«, sagte er mit einem Achselzucken.

Sie erstarrte wie eine der Statuen. Lange hielt sie seinem Blick stand, dann füllten sich ihre Augen mit Tränen. Scheppernd ließ sie den Bogen fallen, lief den Korridor hinunter und schlug die Tür mit einem Krachen hinter sich zu, das die Wände erzittern ließ.

Die Wachen starrten Brutus mit offenem Mund an.

»Stimmt das, Herr?«, fragte einer der beiden brummig. Marcus nickte, und der Mann wurde rot vor Verlegenheit. »Das wussten wir nicht.«

»Ich habe es euch auch nicht gesagt. Hört zu, ich gehe jetzt wieder. Wartet da draußen irgendjemand, der mir einen Bolzen durch den Leib jagen will, wenn ich durch die Tür komme?«

Der Mann entspannte sich sichtlich. »Nein«, antwortete er. »Ich und der Junge sind die einzigen Posten hier. Normalerweise braucht sie keine.«

Brutus wandte sich zum Gehen, als der Mann noch etwas sagte.

»Sulla hat die Primigenia im Senat von der Liste streichen lassen. Wir mussten jede Arbeit annehmen, die wir finden konnten.«

Brutus drehte sich wieder zu ihm um und wünschte, er könnte ihnen mehr anbieten.

»Ich weiß jetzt, wo ihr seid. Ich weiß, wo ich euch finde, wenn ich euch brauche«, sagte er. Der Wächter streckte die Hand aus, und Brutus ergriff sie nach Art der Legionäre.

Beim Hinausgehen gelangte Brutus wieder in den Raum mit dem Wasserbecken, der nun glücklicherweise verlassen war. Er blieb kurz stehen, um seinen Helm mitzunehmen und sich Gesicht und Hals mit Wasser zu benetzen. Seine Verwirrung konnte es nicht kühlen. Er fühlte sich von den Ereignissen wie betäubt und wünschte, er wäre an einem ruhigen Ort, wo er über alles, was geschehen war, nachdenken konnte. Der Gedanke, sich durch die wimmelnden Menschenmengen drängen zu müssen, behagte ihm nicht, aber er musste auf das Gut zurückkehren. Er hatte kein anderes Zuhause.

Am Tor kam eine Sklavin auf ihn zugerannt. Beim Klang der Schritte hätte er beinahe wieder das Schwert gezogen, doch es war nur ein junges, unbewaffnetes Mädchen. Sie schnappte nach Luft, als sie ihn einholte, und beinahe abwesend betrachtete er, wie sich ihre Brust hob und senkte. Noch eine ungewöhnliche Schönheit. Das Haus war voll davon.

»Die Herrin hat gesagt, du sollst morgen früh wiederkommen. Sie wird dich dann empfangen.«

Verwundert stellte Brutus fest, dass sich seine Laune bei diesen Worten besserte.

»Ich werde hier sein«, erwiderte er.

Der Küstenverlauf deutete darauf hin, dass es bis zur nächsten Siedlung weiter war, als die Soldaten an einem Tag marschieren konnten. Bisher waren sie besser vorangekommen, wenn sie den Trampelpfaden großer Tiere folgten, bis diese sich wieder von der Küste wegschlängelten. Julius wollte sich nicht zu weit vom Geräusch der Brandung entfernen, weil er fürchtete, sich zu verirren. Sobald sie einen Pfad verließen, mussten sie sich ihren Weg unter schweißtreibender Arbeit durch Gestrüpp und mannshohe Hecken bahnen, deren rote Dornen aussahen, als wären sie bereits in Blut getaucht worden. Nur ein Stück weit vom Meer entfernt war die Luft stickig und feucht, und die Soldaten wurden von stechenden Insekten gepeinigt, die unsichtbar von den schweren Blättern aufstiegen, sobald die Römer sie berührten.

Als sie am Abend ihr Lager aufschlugen, fragte sich Julius, ob die isolierte Lage der römischen Siedlungen einem weitsichtigen Plan des Senats zu verdanken war, der verhindern sollte, dass diese weit verstreuten Dörfer sich zusammenschlossen, doch er vermutete, dass ihnen so einfach Raum zum Wachsen bleiben sollte. Er überlegte, ob er die Männer auch durch die Dunkelheit weitermarschieren lassen konnte, aber die Offiziere von der Accipiter fühlten sich in der heißen afrikanischen Nacht weitaus weniger wohl als die Neulinge, die hier aufgewachsen waren. Die Rufe und Schreie unbekannter Tiere weckten sie und ließen sie nach ihren Schwertern greifen, wohingegen die Rekruten ungerührt weiterschliefen.

Julius hatte Pelitas die Aufgabe zugeteilt, Wachposten auszuwählen und dabei immer neue Männer mit anderen seines Vertrauens zu Paaren zusammenzustellen. Er war sich darüber im Klaren, dass sich den jungen Dorfbewohnern auf jeder Meile entlang der schmalen Trampelpfade die Gelegenheit zum Desertieren bot. Da sie nur über wenige Waffen verfügten, blieben sie tagsüber unbewaffnet, den Lagerwachen jedoch musste man Schwerter aushändigen, und der eine oder andere musterte die alten, eisernen Klingen mit einer gewissen Habgier. Julius hoffte, dass es nur die Gier nach den Dingen ihrer Väter war und nicht das Verlangen, etwas zu stehlen und sich damit aus dem Staub zu machen.

Die Nahrungssuche stellte ihn vor ähnliche Probleme. Es war von entscheidender Bedeutung für die Männer der Accipiter, dass sie sich hinsichtlich der Verpflegung nicht von ihren Schützlingen abhängig machten. Das nämlich hätte eine kleine, aber nicht unwichtige Änderung der Autoritätsstruktur bedeutet, die Julius vorgegeben hatte, denn diejenigen, die das Essen verteilten, waren die Herren, völlig unabhängig von ihrem Rang. Diese Wahrheit war älter als Rom selbst.

Er dankte den Göttern für Pelitas, der in diesem fremden Land kleine Tiere ebenso leicht aufspürte und fing, wie früher beim Wildern in den Wäldern Italiens. Sogar die Rekruten waren beeindruckt, wenn sie sahen, wie er nach wenigen Stunden mit den leblosen Körpern von vier Hasen wieder zur Gruppe stieß. Bei fünfzehn Mann, die ernährt werden wollten, war die abendliche Jagd zu einer überlebenswichtigen Fähigkeit geworden. Pelitas verhinderte so, dass sich der Trupp in zwei Gruppen aufteilte: diejenigen, die selbst jagen konnten, und die, die darauf warten mussten, von den anderen etwas zu essen zu bekommen.

Julius sah zu seinem Freund hinüber, der gerade damit beschäftigt war, Scheiben von einem Ferkel abzuschneiden, das er am Tage gefangen hatte, indem er ihm mit einem flink geschleuderten Stein ein Bein gebrochen hatte, als es kurz vor ihnen aus dem Gebüsch hervorgebrochen war. Die Mutter ließ sich nicht blicken, obwohl aus dem entfernten Dickicht Quieken zu hören war. Julius wünschte, sie wäre näher gekommen, damit sie sich auf ein Festmahl und nicht nur auf ein paar heiße Bissen freuen könnten. An den Männern der Accipiter war kein Gramm überflüssiges Fett, und es würde noch eine Weile dauern, bis sie nicht mehr so ausgemergelt aussahen. Sein Mund zuckte, als ihm klar wurde, dass er selbst nicht anders aussah. Es war lange her, seit er das letzte Mal in einen Spiegel geblickt hatte, und er fragte sich, ob sich sein Aussehen eher zum Guten oder zum Schlechten verändert hatte. Würde Cornelia erfreut sein, wenn sie ihn wiedersah, oder eher erschrocken und bestürzt über den verbitterten Blick, den er in seinen Augen wähnte, ein stummes Zeugnis der Schrecken seiner Gefangenschaft?

Dann musste er über seine eigenen Gedanken lachen. Er war derselbe, egal, wie sehr sich sein Gesicht auch verändert haben mochte.

Suetonius sah bei dem Lachen sofort auf, weil er schnell alles als Beleidigung auffasste. Es fiel Julius schwer, den jungen Mann nicht ständig zu reizen, aber in diesem Punkt hatte er sich selbst strengste Zurückhaltung auferlegt. Er spürte, wie sehr die Bosheit der Furcht entsprang, Julius könnte seine neu gewonnene Autorität dazu benutzen, alte Rechnungen zu begleichen. Doch er durfte sich nicht einen Augenblick dieser Verlockung hingeben, wenn er die Einigkeit, die er zu schaffen hoffte, nicht gefährden wollte. Er wusste, dass er ein Anführer werden musste, der über derlei kleine Streitigkeiten erhaben war, der auf die anderen wirkte, wie Marius einst auf ihn gewirkt hatte – als wäre er aus besserem Holz geschnitzt. Er nickte Suetonius kurz zu und blickte dann zu den anderen hinüber.

Gaditicus und Prax beaufsichtigten das Lager und markierten seine Grenzen in Ermangelung von etwas Besserem mit heruntergefallenen Ästen. Julius hörte sie die Vorschriften für Wachposten mit den Männern wiederholen, und lächelte bei den Erinnerungen, die dies weckte.

»Wie oft wird angerufen?«, fragte Prax Ciro, so wie vorher alle anderen Männer.

»Einmal, Herr. Sie rufen, dass sie sich dem Lager nähern wollen, und ich sage: ›Tretet vor und gebt euch zu erkennen.‹«

»Und falls sie nicht rufen, wenn sie sich dem Lager nähern?«, fragte Prax gut gelaunt.

»Dann wecke ich jemanden, warte, bis sie näher gekommen sind, und schlage ihnen die Köpfe ab.«

»Guter Junge. Hals und Unterleib, denk immer dran. An allen anderen Stellen könnte ihnen immer noch genug Kraft bleiben, um dich mitzunehmen. Hals und Unterleib geht am schnellsten.«

Ciro grinste und nahm eifrig jede noch so winzige Information auf, die Prax ihm zuwarf. Julius gefiel der Mut des großen Mannes. Er wollte ein Legionär sein, das erfahren, was sein Vater einst geliebt hatte. Auch Prax hatte seine Freude daran entdeckt, anderen all die Dinge beizubringen, die er in den Jahrzehnten, während derer er für Rom marschiert und gesegelt war, gelernt hatte. Mit der Zeit würden die neuen Männer jeden täuschen. Sie würden wie Legionäre aussehen und in dem gleichen lockeren Tonfall reden, die gleichen Ausdrücke benutzen.

Julius legte die Stirn in Falten, während er eine gemütliche Position zum Liegen suchte. Ob sie standhalten würden, wenn alle um sie herum gefallen waren und der Feind ihnen unter Triumphgeheul den sicheren Tod brachte… das würden sie erst erfahren, wenn es so weit war. Es war nicht gerade hilfreich, dass auch die Männer der Accipiter nicht sicher waren, woher dieser verwegene Mut stammte. Ein Mann konnte sein ganzes Leben lang jedem Konflikt aus dem Weg gehen und dann sein Leben wegwerfen, um jemanden zu beschützen, den er liebte. Julius schloss die Augen. Vielleicht war das der Schlüssel, doch nur wenige Männer liebten Rom. Die Stadt war zu groß, zu unpersönlich. Die Legionäre, die Julius gekannt hatte, dachten nie an die Republik der freien Wähler, erbaut auf sieben Hügeln an einem Fluss. Sie kämpften für ihren Feldherrn, ihre Legion, sogar für ihre Zenturie oder ihre Freunde. Ein Mann, der neben seinen Freunden steht, kann nicht weglaufen, schon der Schande wegen nicht.

Plötzlich schrie Suetonius laut, sprang auf und schlug wütend auf sich herum.

»Hilfe! Hier ist irgendwas auf dem Boden!«, rief er.

Julius sprang auf, und die anderen Männer sammelten sich mit gezogenen Schwertern um das Feuer. Mit Freude bemerkte Julius, dass Ciro auf seinem Posten geblieben war.

Im Licht des Feuers zog sich eine schwarze Reihe riesiger Ameisen wie Öl über den Boden und verlor sich in den Schatten jenseits des Lichtkreises. Suetonius fing an, sich wie rasend die Kleidung vom Leib zu reißen.

»Sie sind überall auf mir!«, jammerte er.

Pelitas trat hinzu, um ihm zu helfen, und sobald er seinen Fuß in die Nähe der Kolonne gesetzt hatte, hielt ein Teil davon auf ihn zu. Mit einem Aufschrei wich er zurück und zupfte mit den bloßen Fingern an seinen Beinen.

»Aah, bei den Göttern, macht sie ab!«, schrie er.

Im Lager brach Chaos aus. Diejenigen, die an der Küste aufgewachsen waren, blieben viel ruhiger als die Offiziere der Accipiter. Die Ameisen verbissen sich so tief wie Ratten, und wenn die Soldaten sie erwischten, brachen die Körper ab und die Köpfe blieben zurück und bohrten sich im Todeskampf in die Haut. Sie saßen zu fest, um sich mit den Fingern entfernen zu lassen, und schon bald war Suetonius über und über mit den schwarzen Köpfen bedeckt. Seine Hände waren voller Blut, weil er an ihnen zerrte.

Julius rief Ciro herbei und sah zu, wie er ruhig die beiden Römer untersuchte und die verbliebenen Insektenkörper mit seinen kräftigen Händen abbrach.

»Sie stecken immer noch in mir! Kannst du ihre Köpfe nicht rauskriegen?«, flehte ihn Suetonius an. Er zitterte vor Schrecken, während er fast vollkommen nackt vor dem großen Mann stand, der seine Haut nach den letzten Ameisen absuchte.

Ciro zuckte die Achseln. »Die Kiefer muss man mit einem Messer herausschneiden, man kann sie nicht aufbrechen. Die Stämme hier benutzen sie, um Wunden zu schließen, wie Nähte.«

»Was sind das für Biester?«, fragte Julius.

»Soldaten des Waldes. Sie bewachen die Kolonne auf dem Marsch. Mein Vater sagte immer, sie wären wie die Vorreiter, die Rom einsetzt. Wenn man sie in Ruhe lässt, greifen sie einen nicht an, aber wenn man ihnen im Weg ist, machen sie einem Beine, wie bei Suetonius.«

Pelitas blickte hasserfüllt auf die Kolonne, die immer noch durch das Lager strömte.

»Wir könnten sie verbrennen«, meinte er.

Ciro schüttelte heftig den Kopf. »Die Reihe ist endlos. Es ist besser, wenn wir uns einfach von ihr entfernen.«

»In Ordnung, ihr habt gehört, was er gesagt hat«, entschied Julius. »Packt eure Sachen und macht euch bereit. Wir ziehen eine Meile weiter die Küste entlang. Suetonius, zieh dich an und mach dich marschbereit. Du und Pelitas, ihr könnt die Köpfe aus eurer Haut holen, wenn wir unser neues Lager aufgeschlagen haben.«

»Es ist die Hölle«, wimmerte Suetonius.

Ciro blickte ihn an, und Julius verspürte Scham und Wut über den jungen Offizier, der den Rekruten ein so jämmerliches Bild bot.

»Beweg dich, oder ich binde dich höchstpersönlich über den Ameisen fest«, sagte er.

Die Drohung zeigte Wirkung, und ehe der Mond viel weiter über den Himmel gewandert war, hatten sie ein neues Lager aufgeschlagen. Ciro führte die Wache mit seinen beiden Gefährten zu Ende. Am Morgen würden alle müde sein, weil sie wegen der ganzen Aufregung zu wenig geschlafen hatten.

In Julius’ Kopf pochte es langsam, ein Schmerz, der sich den Rhythmen der brummenden Insekten um sie herum anzupassen schien. Jedes Mal, wenn er in den Schlaf sank, spürte er den Stich eines Insekts, das sich auf einer unbedeckten Stelle der Haut niedergelassen hatte. Wenn er die Plagegeister totschlug, hinterließen sie Spuren seines eigenen Blutes, aber stets schienen die nächsten nur darauf zu warten, dass er still lag. Er legte sich das Gepäck als Kissen unter den Kopf, bedeckte sein Gesicht mit einem Tuch und sehnte sich nach dem fernen römischen Himmel. Im Geiste sah er Cornelia vor sich und lächelte. Kurz darauf holte ihn die Erschöpfung ein.

Mit roten, juckenden Pusteln auf der Haut und dunklen Ringen unter den Augen erreichten sie vor der Mittagsstunde die nächste Siedlung, die weniger als eine Meile von der Küste entfernt lag. Julius führte die Männer auf den Dorfplatz und genoss den Anblick und den Geruch der Zivilisation. Wieder überraschte ihn das Fehlen jeglicher Befestigungsanlagen. Die alten Soldaten, die an dieser Küste Land zugeteilt bekommen hatten, schienen keine Angst vor Angriffen zu haben, dachte er. Die Höfe waren klein, doch es musste Handel zwischen diesen abgelegenen Orten und den Dörfern der Eingeborenen tiefer im Landesinneren geben. Er erblickte einige schwarze Gesichter unter den Römern, die sich versammelt hatten, um seine Männer zu betrachten. Im Stillen fragte er sich, wie lange es wohl dauern würde, bis sich das römische Blut völlig vermischt und verloren hatte, bis spätere Generationen in ferner Zukunft nichts mehr von den Stammvätern und ihrem Leben wussten. Wahrscheinlich fiel das Land wieder in den Zustand zurück, in dem es sich befunden hatte, ehe die Römer kamen, und auch die Geschichten am Lagerfeuer würden immer weniger werden und schließlich in Vergessenheit geraten. Ob sie sich wohl noch an das Reich der Karthager erinnerten, die mit Tausenden von Schiffen von Häfen an ebenjener Küste aus die Welt erforscht hatten? Es war ein bedrückender Gedanke, über den er später weiter nachdenken wollte, denn er wusste, dass er sich jetzt konzentrieren musste, wenn er diesen Ort mit noch mehr von dem, was er brauchte, verlassen wollte.

Seine Männer hatten mit ernsten Gesichtern in Doppelreihe Haltung angenommen, so wie er es ihnen befohlen hatte. Außer Julius waren lediglich acht weitere Männer bewaffnet, nur drei davon besaßen eine richtige Rüstung. Suetonius’ Tunika war voller Blutflecke, und seine Finger zuckten, weil sie die verschorften Stellen kratzen wollten, die die Ameisen überall hinterlassen hatten. Die meisten Offiziere der Accipiter hatten unter der Sonne und den Insekten gelitten, nur die neuen Rekruten schienen ungerührt.

Julius vermutete, dass sie eher wie ein Haufen Banditen oder Piraten aussahen als wie römische Legionäre. Er sah, wie einige Dorfbewohner heimlich zu den Waffen griffen. Alle schienen nervös zu sein. Ein Metzger, der gerade einen Vetter des Ferkels zerlegte, das sie am Vorabend verspeist hatten, hielt in seiner Arbeit inne. Er kam hinter dem Tisch hervor, das Hackbeil für den Fall eines plötzlichen Angriffs in der Armbeuge. Julius ließ seinen Blick über die Menge schweifen und suchte denjenigen, der hier den Befehl hatte. Es gab immer jemanden, auch mitten in der Wildnis.

Nach einer angespannten Zeit des Wartens näherten sich fünf Männer vom anderen Ende der Ansiedlung. Vier von ihnen waren bewaffnet, drei mit langstieligen Holzäxten, der Letzte mit einem Gladius, der in einer längst vergangenen Schlacht abgebrochen und nun kaum mehr als ein schwerer Dolch war.

Der fünfte Mann schritt selbstbewusst auf die Neuankömmlinge zu. Er hatte eisengraues Haar und war dünn wie eine Bohnenstange. Er musste bald sechzig Jahre alt sein, vermutete Julius, doch er hatte die aufrechte Haltung eines Soldaten, und als er sprach, war das flüssige Latein der Hauptstadt zu hören.

»Mein Name ist Parrakis. Dies ist ein friedliches Dorf. Was wollt ihr hier?«, fragte er.

Er richtete seine Frage an Julius und schien keine Angst zu haben. In diesem Augenblick verwarf Julius seinen Plan, den Anführer einzuschüchtern, wie er es zuerst vorgehabt hatte. Das Dorf mochte mit den Piraten verkehren, davon profitiert hatte es allem Anschein nach aber kaum. Die Häuser und Menschen waren sauber, aber ohne jede Zier.

»Wir sind Soldaten Roms und waren bis vor kurzem auf der Galeere Accipiter. Wir wurden von einem Piraten namens Celsus gefangen genommen und gegen Lösegeld freigelassen. Jetzt suchen wir eine Mannschaft zusammen, um ihn zu jagen. Das hier ist eine römische Siedlung. Ich erwarte eure Hilfe.«

Parrakis hob die Augenbrauen.

»Es tut mir Leid, aber hier gibt es nichts für dich zu holen. Ich habe Italien seit zwanzig oder noch mehr Jahren nicht mehr gesehen. Die Familien hier haben keine Schuld zu begleichen. Wenn ihr Silber habt, könnt ihr Verpflegung kaufen, aber dann müsst ihr weiterziehen.«

Julius trat einen Schritt auf ihn zu. Er bemerkte, wie Parrakis’ Begleiter nervös wurden, obwohl er sie offensichtlich und mit voller Absicht ignorierte.

»Dieses Land hier wurde den Legionären zugeteilt, nicht den Piraten. An dieser Küste wimmelt es von ihnen. Es ist eure Pflicht, uns zu helfen.«

Parrakis lachte.

»Pflicht? Die habe ich vor langer Zeit hinter mir gelassen. Ich sage es dir noch einmal: Rom hat uns hier gar nichts zu sagen. Wir leben und handeln in Frieden, und wenn Piraten kommen, verkaufen wir ihnen unsere Waren, dann ziehen sie wieder ab. Ich glaube fast, du bist auf der Suche nach einer Armee. In diesem Dorf wirst du keine finden. Hier unter uns Bauern gibt es nichts Städtisches.«

»Nicht alle Männer, die bei mir sind, stammen von unserem Schiff. Einige sind aus den Dörfern im Westen. Ich brauche Männer, die ich für den Kampf ausbilden kann. Männer, die keine Lust haben, sich ihr ganzes Leben in diesem Dorf zu verstecken, so wie du.«

Parrakis wurde rot vor Zorn.

»Verstecken? Wir bestellen das Land und kämpfen gegen Schädlinge und Krankheiten, nur um unsere Familien ernähren zu können. Die ersten Siedler kamen aus Legionen, die ehrenvoll in Ländern fern der Heimat gekämpft und schließlich vom Senat ein letztes Geschenk erhalten haben – ihren Frieden. Und du wagst es, zu behaupten, wir würden uns verstecken? Wenn ich jünger wäre, würde ich dir persönlich eine Lektion mit dem Schwert erteilen, du unverschämter Hurensohn!«

Julius wünschte sich, er hätte den Mann gleich zu Beginn einfach gepackt. Er öffnete den Mund, um schnell etwas zu sagen, weil er spürte, wie ihm die Initiative entglitt. Doch einer der Männer mit den Äxten war schneller.

»Ich möchte mit ihnen gehen.«

Der ältere Mann wirbelte herum. Weißer Schaum sammelte sich in seinen Mundwinkeln.

»Um dich umbringen zu lassen? Was denkst du dir denn dabei?«

Der Axtträger begegnete der Wut, die aus Parrakis hervorbrach, mit geschürzten Lippen.

»Du hast immer gesagt, es wären die besten Jahre deines Lebens gewesen«, murmelte er. »Wenn sich die alten Männer betrinken, erzählst du immer von diesen Tagen, als wären es goldene Zeiten gewesen. Ich habe nur die Möglichkeit, von morgens bis abends hier zu schuften. Was soll ich den Leuten erzählen, wenn ich alt und betrunken bin? Wie glorreich es war, ein Schwein für ein Fest zu schlachten? Wie ich mir mal einen Zahn an einem Stein ausgebrochen habe, der in dem Brot gesteckt hat, das wir backen?«

Ehe der verdutzte Parrakis etwas erwidern konnte, sprach Julius. »Ich verlange nicht mehr, als dass du die Leute aus dem Dorf fragst. Ich ziehe Freiwillige vor – falls es noch mehr gibt wie diesen Mann hier.«

Die Wut wich aus Parrakis. Er sah erschöpft aus.

»Junge Männer«, sagte er in resigniertem Tonfall. »Immer auf der Suche nach Aufregung. Wahrscheinlich war ich nicht anders.« Er wendete sich dem Axtträger zu. »Bist du dir sicher, Junge?«

»Du hast Deni und Cam, die auf dem Hof arbeiten, da brauchst du mich nicht auch noch. Ich will Rom sehen«, erwiderte der junge Mann.

»In Ordnung, mein Sohn, aber es stimmt, was ich gesagt habe. Es ist keine Schande, sein Leben hier zu bestreiten.«

»Das weiß ich, Vater. Ich werde zu euch zurückkehren.«

»Natürlich, mein Junge. Hier ist dein Zuhause.«

Insgesamt meldeten sich in dem Dorf acht Freiwillige. Julius nahm sechs von ihnen und schickte zwei, die kaum mehr als Kinder waren, wieder nach Hause, auch wenn sich einer von ihnen Ruß aufs Kinn gerieben hatte, um einen Bartschatten vorzutäuschen. Zwei der Neulinge brachten ihre eigenen Bogen mit. Allmählich wuchs die Armee, die er brauchte, um ein Schiff zu bemannen und Celsus über die Meere zu jagen. Julius versuchte seinen Optimismus zu bändigen, als sie unter den grünen Bäumen hervor in Richtung Küste marschierten, um dort mit der Ausbildung zu beginnen. Im Kopf überschlug er, was sie noch alles brauchten. Gold, um ein Schiff zu mieten, weitere zwanzig Männer und dreißig Schwerter, genug zu essen, damit es bis zu einem größeren Hafen reichte. Es war zu schaffen.

Einer der Bogenschützen stolperte und fiel der Länge nach hin, wodurch fast die ganze Marschkolonne stolpernd zum Halten kam. Julius seufzte. Drei Jahre, um sie richtig auszubilden, wären auch nicht verkehrt.

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