31

Die Sonne stand erst zwei Spannen über dem Horizont, als Tubruk Julius an die Außenmauer des Gutes gelehnt fand, eine Decke gegen die Kälte um den nackten Oberkörper geschlungen.

»Du siehst krank aus«, brummte der alte Gladiator. Zu seiner Verwunderung gab ihm Julius keine Antwort, ja er schien überhaupt nicht wahrzunehmen, dass er vor ihm stand. Die Augen des jungen Mannes waren gerötet von nur wenigen Stunden Schlaf, und der kühle Morgenwind ließ seine Haut frösteln, was er jedoch zu ignorieren schien. Tubruk sah die weißen Narben auf der dunkleren Bräune, ein lebhaftes Zeugnis alten Schmerzes und vieler Kämpfe.

»Julius?« Wieder erhielt er keine Antwort, doch Julius ließ die Decke fallen und stand jetzt nur noch in Sandalen und den kurzen Bracae da, die ihm bis zur Mitte der Oberschenkel reichten.

»Ich muss ein bisschen laufen gehen«, sagte Julius und blickte hinauf zum Wald auf dem Hügel über ihnen. Seine Stimme war so kalt wie der Wind, und Tubruk kniff besorgt die Augen zusammen.

»Ich begleite dich, mein Junge, wenn es dir nichts ausmacht, einen Augenblick auf mich zu warten«, erwiderte er, und als Julius die Achseln zuckte, eilte Tubruk ins Haus, um sich der schweren Tunika und der Beinkleider zu entledigen.

Als er zurückkam, war Julius bereits dabei, langsam seine Beinmuskeln zu dehnen, und der Verwalter tat es ihm gleich, nachdem er die Lederriemen seiner Sandalen bis zu den Waden hinaufgebunden hatte.

Sobald sie damit fertig waren, trabten sie los, den Hügel hinauf, wobei Julius die Geschwindigkeit vorgab.

Die erste Meile durch den Wald legte Tubruk mit Leichtigkeit zurück, froh darüber, dass er seine körperliche Verfassung nicht vernachlässigt hatte. Dann, als seine Brust zu brennen anfing, schielte er zu Julius hinüber, der unbeschwert über den unebenen Weg trabte und seine Lunge mit gleichmäßigen, langen Atemzügen blähte. Tubruk gab nicht nach und blieb dicht an seiner Schulter, ob sie nun kleine Sprints einlegten oder zwischendurch wieder in einen gemächlicheren Trab verfielen. Julius sagte kein einziges Wort, rannte nur immer weiter, bis ihm der Schweiß in dicken Tropfen über die Stirn lief und in den Augen brannte.

Nach einer weiteren Meile kamen sie aus der kühlen, grünen Dunkelheit des Waldes heraus und rannten nun an der neuen Gutsgrenze entlang. Tubruk atmete in kurzen, schmerzhaften Stößen, seine Beine protestierten schon seit geraumer Zeit. So durchtrainiert er auch war, ein Mann in seinem Alter konnte dieses erbarmungslose Tempo nicht länger durchhalten, und Julius zeigte immer noch kein Anzeichen von Ermüdung, als hätte er die Strapazen, denen er seinen Körper aussetzte, einfach vergessen. Seine Augen fixierten einen Punkt irgendwo in der Ferne, seine Konzentration war nach innen gerichtet, und er merkte nicht einmal, dass Tubruk kaum mehr mithalten konnte. Der alte Gladiator begriff irgendwie, dass es wichtig war, bei ihm zu sein, doch die Anstrengung ließ bereits grelle Blitze vor seinen Augen tanzen, und sein Herz hämmerte vor Anstrengung in allen Pulsen, ließ Wogen von Hitze durch ihn wallen, was das wachsende Schwindelgefühl noch verstärkte.

Ohne Vorwarnung blieb Julius stehen und stützte schwer atmend die Hände auf die Knie. Dankbar für die Pause hielt Tubruk sofort an. Mit kleinen Schritten trat er vor Julius und verstellte ihm so den Weg, in der Hoffnung, der junge Mann würde nicht gleich wieder losrennen.

»Wusstest du, was mit Cornelia passiert ist?«, fragte ihn Julius.

Tubruk wurde es mit einem Male kalt, seine Erschöpfung spielte keine Rolle mehr.

»Ich wusste es«, sagte er grimmig. »Clodia hat es mir erzählt.«

Julius fluchte jäh in rasendem Zorn, ballte die Fäuste und sein Gesicht lief unter seinen unbeherrschten Gefühlen noch dunkler an, als es das ohnehin schon war. Beinahe wäre Tubruk einen Schritt zurückgewichen. Verwundert sah er zu, wie der junge Mann auf und ab ging und zornig mit den Händen in der Luft herumfuchtelte, als würde er etwas packen und töten. Schließlich richteten sich seine Augen auf den Verwalter, und Tubruk musste seine ganze Willenskraft aufbringen, um dem Blick standzuhalten.

»Du hast gesagt, du würdest sie beschützen!«, fauchte Julius ihn an und machte einen Schritt auf Tubruk zu, so dass sein Gesicht nur wenige Zentimeter vor dem des Älteren entfernt war. »Ich habe darauf vertraut, dass sie bei dir in Sicherheit ist!«

Wie in einem plötzlichen Krampf hob Julius die Faust, und Tubruk hielt in Erwartung des Schlages still. Doch stattdessen schnaubte Julius nur und drehte sich abrupt zur Seite.

Da Tubruk die aufwallenden Gefühle kannte, die Julius so aus der Fassung brachten, sagte er leise: »Als Clodia es mir sagte, habe ich gehandelt.«

Zuerst hörte ihn Julius überhaupt nicht.

»Dieses Schwein Sulla hat ihr Todesangst eingejagt. Er hat sie mit seinen dreckigen Fingern berührt«, stieß Julius hervor und fing an zu schluchzen. Dann sank er langsam auf dem struppigen Gras in die Knie und bedeckte mit einer Hand die Augen. Tubruk hockte sich neben ihn, legte die Arme um den jungen Mann und zog ihn mit einiger Mühe an seine Brust. Julius leistete keinen Widerstand mehr, seine Stimme war nur noch ein ersticktes Krächzen.

»Sie dachte, ich würde sie deswegen hassen, Tubruk, kannst du dir das vorstellen?«

Tubruk hielt ihn fest, ließ die Trauer ihr Werk verrichten. Als Julius sich schließlich beruhigt hatte, ließ er ihn los und sah in sein vor Kummer blasses Gesicht.

»Ich habe ihn getötet, Julius. Nachdem ich davon gehört habe, habe ich Sulla umgebracht«, sagte er.

Julius riss schockiert die Augen auf, doch Tubruk redete weiter, erleichtert, dass er es endlich aussprechen konnte. »Ich habe mir einen Platz als Sklave in seiner Küche verschafft und sein Essen mit Eisenhut gewürzt.«

Julius kam sofort wieder zu sich, als er begriff, welcher Gefahr sie ausgesetzt waren, und packte Tubruks Arme mit festem Griff. »Wer weiß sonst noch davon?«

»Nur Clodia. Cornelia habe ich nichts davon gesagt, um sie zu schützen«, antwortete Tubruk und widerstand dem Verlangen, sich loszumachen.

»Sonst niemand? Bist du sicher? Könnte dich jemand erkennen?«

Jetzt wurde Tubruk wütend, hob die Hände und löste knurrend Julius’ klamme Finger.

»Jeder, der mich belasten könnte, ist tot. Mein Freund, den ich schon seit dreißig Jahren kenne, und der mich in Sullas Gesinde eingeschleust hat, ist unter der Folter gestorben, ohne meinen Namen preiszugeben. Außer Clodia und uns beiden gibt es niemanden, der eine Verbindung herstellen könnte, das schwöre ich.« Er blickte in Julius’ unerbittliche Augen und sprach langsam und gepresst durch die Zähne, als er dessen Gedanken erriet: »Du rührst Clodia nicht an, Julius. Denk nicht einmal daran.«

»Solange sie lebt, sind meine Frau und meine Tochter in Gefahr«, erwiderte Julius unerschrocken.

»Solange ich lebe, auch. Willst du mich auch töten? Das musst du nämlich tun, wenn du Clodia etwas antust, darauf gebe ich dir mein Wort, andernfalls bekommst du es mit mir zu tun.«

Die beiden Männer standen dicht voreinander, beide starr vor innerlicher Anspannung. Das Schweigen zwischen ihnen breitete sich aus, doch keiner von beiden blickte zur Seite. Dann überlief Julius ein Schauer, und der irre Ausdruck wich aus seinen Augen. Tubruk starrte ihn weiter an, denn er wollte, dass Julius ihm in diesem Punkt nachgab. Schließlich ergriff der junge Mann wieder das Wort.

»Na schön, Tubruk. Aber wenn Sullas Familie ihr oder dir jemals auf die Schliche kommt, darf es keine Verbindung zu meiner Familie geben!«

»Verlang das nicht von mir!«, fuhr Tubruk zornig auf. »Ich diene deiner Familie seit Jahrzehnten. Ich gebe dir nicht auch noch mein und ihr Blut! Ich liebe sie, Julius, und sie liebt mich. Meine Pflicht, meine Liebe dir gegenüber geht nicht so weit, dass ich ihr etwas antun würde. Das wird nicht geschehen. Aber wie auch immer, ich weiß, dass es von Sulla zu mir keine Verbindung gibt, und zu dir auch nicht. Ich habe Blut an meinen Händen, um das zu beweisen.«

Als Julius wieder sprach, war seine Stimme schwer vor Müdigkeit.

»Dann musst du fortgehen. Ich habe genug Geld, um dir irgendwo zu einem neuen Anfang zu verhelfen, fern von Rom. Ich kann Clodia freilassen, und du nimmst sie mit.«

Tubruks Wangenmuskeln traten hervor. »Und deine Mutter? Wer kümmert sich um deine Mutter?«

Alle Leidenschaft wich von dem jungen Mann und ließ ihn erschöpft und leer zurück.

»Cornelia ist auch noch da, außerdem kann ich eine andere Pflegerin einstellen. Was bleibt mir denn sonst übrig, Tubruk? Glaubst du, ich will es so? Du bist mein Leben lang bei mir gewesen. Ich kann mir kaum vorstellen, wie das Gut ohne dich weiter bestehen soll, aber du weißt genauso gut wie ich, dass die Sullas immer noch nach den Attentätern suchen. Bei allen Göttern… Pompeius’ Tochter!«

Er erstarrte vor Schreck, als ihm die Bedeutung dieses Todesfalles bewusst wurde. Seine Stimme war nur noch ein heiseres Flüstern.

»Sie haben blindlings zugeschlagen! Cornelia schwebt schon jetzt in Gefahr!«, sagte er. Ohne ein weiteres Wort setzte er sich wieder in Bewegung, rannte in Richtung des Anwesens zurück, wobei er die Abkürzung über die schmale Brücke nahm. Tubruk rannte ihm fluchend hinterher, doch mit seinen müden Beinen gelang es ihm nicht, zu Julius aufzuschließen. Sobald Julius die Worte ausgesprochen hatte, war dem alten Gladiator klar gewesen, wie Recht er damit hatte, und auch ihn hatte die Panik ergriffen. Cornelia jetzt zu verlieren, nach allem, was er zu ihrem Schutz getan hatte… Beinahe hätte er vor Wut geheult, als er sich zwang, die Schmerzen zu ignorieren und schneller zu rennen.

Cornelia hatte ebenso leicht geschlafen wie ihr Gatte, und als die beiden Männer keuchend im Hof ankamen, saß sie gerade mit Clodia und Julia zusammen. Die Frauen überlegten, ob sie einen Ausflug in die Stadt machen sollten. Sie hörte Julius nach seinen Soldaten rufen und erhob sich von der Liege, ganz offensichtlich nervös. Trotz der zärtlichen Augenblicke, die er ihr geschenkt hatte, war er nicht mehr der Mann, der vor Jahren das brennende Rom verlassen hatte. Seine Unschuld war von ihm gewichen, vielleicht mit den Narben, über die er nicht sprechen wollte. Manchmal glaubte sie, dass sie keine Tränen mehr für das hatte, was Sulla ihnen beiden genommen hatte.

Als er ins Zimmer gestürzt kam, wurden ihre Augen groß vor Angst.

»Was ist los?«, fragte sie.

Julius warf Clodia einen finsteren Blick zu; er wusste genauso gut wie Tubruk, dass es das Risiko nur noch vergrößern würde, Cornelia in das Geheimnis einzuweihen. Tubruk kam kurz nach ihm herein, wechselte einen Blick mit der alten Pflegerin und nickte kaum wahrnehmbar, um zu bestätigen, was sie vermutete. Julius sprach eindringlich, erleichtert, Cornelia wohlbehalten vorzufinden. Der Lauf nach Hause war eine Qual für ihn gewesen; er hatte sich mit Bildern von Attentätern gemartert, die durch das Haus schlichen, um ihr etwas anzutun.

»Es könnte sein, dass dir Gefahr von Sullas Freunden droht. Pompeius hat seine Tochter verloren. Er stand Marius sehr nahe. Ich hätte früher daran denken sollen! Es wäre möglich, dass diejenigen, die den Diktator rächen wollen, es noch immer auf seine Feinde abgesehen haben, in der Hoffnung, dass ihnen dabei auch der tatsächliche Mörder ins Netz geht. Ich lasse Soldaten von der Primigenia kommen, damit sie dich hier beschützen, und ich schicke Boten zu Crassus. Er könnte ebenfalls eines ihrer Ziele sein. Bei den Göttern, sogar Brutus! Aber wenigstens er ist gut geschützt.«

Er marschierte im Zimmer auf und ab, und seine nackte Brust hob und senkte sich noch immer von dem Lauf.

»Ich muss mit List vorgehen, aber ich darf diese Männer nicht am Leben lassen. Auf die eine oder andere Weise muss ich ihrer Allianz in Sullas Namen das Rückgrat brechen. Wir können nicht in ständiger Furcht vor dem Messer eines Meuchelmörders leben.« Jäh drehte er sich um und zeigte auf den Verwalter, der schweißüberströmt an der Tür stand.

»Tubruk, ich möchte, dass du auf meine Familie aufpasst, bis das alles hier vorbei ist. Wenn ich in Rom sein muss, brauche ich hier jemanden, dem ich vertraue, um meine Familie zu beschützen.«

Der ältere Mann reckte sich würdevoll. Die wüsten Drohungen, die Julius unterwegs ausgesprochen hatte, würde er nicht wieder erwähnen, doch er konnte unmöglich erraten, welche Haken Julius’ ständig arbeitender Verstand als Nächstes schlagen würde.

»Ich soll hier bleiben?«, fragte er. In seinen Worten lag etwas, das Julius in seinem Auf- und Abschreiten innehalten ließ.

»Ja. Ich habe mich geirrt. Meine Mutter braucht dich. Ich brauche dich mehr als je zuvor. Wem kann ich denn sonst vertrauen?«

Tubruk nickte. Er wusste, dass ihr Gespräch auf dem Hügel damit erledigt war. Der junge Mann, der wie ein Leopard auf und ab wanderte, gehörte nicht zu denen, die sich lange mit den Verfehlungen der Vergangenheit aufhielten.

»Wer bedroht uns denn?«, wollte Cornelia wissen und hielt den Kopf hoch erhoben, um der Angst zu wehren, die in ihr aufgewallt war.

»Cato ist ihr Anführer, mit seinen Gefolgsleuten. Vielleicht gehört auch Antonidus dazu. Sogar Suetonius’ Vater könnte zu ihnen gehören. Bestimmt stecken sie dahinter, oder sie wissen davon«, erwiderte Julius. Bei dem Namen des Generals, an den sie sich gut erinnerte, erschauerte Cornelia. Ihrem Gemahl kam ein neuer Gedanke, und er fluchte laut.

»Ich hätte Sullas Hund gleich erledigen sollen, als ich die Möglichkeit dazu hatte. Er stand nur ein paar Fuß vor dem Tor zu Marius’ Haus. Wenn er etwas mit dem Mord an Pompeius’ Tochter zu tun hat, dann ist er gefährlicher, als ich dachte. Bei allen Göttern, wie blind bin ich gewesen!«

»Dann musst du sofort zu Pompeius. Er ist dein Verbündeter, ob er sich nun dessen bewusst ist oder nicht«, sagte Tubruk rasch.

»Und Crassus, und auch dein Vater Cinna«, fügte Julius hinzu und nickte zu Cornelia. »Ich muss mich mit allen dreien treffen.«

Cornelia ließ sich wieder auf die Liege sinken. Julius kniete vor ihr nieder und nahm ihre Hand.

»Ich lasse nicht zu, dass dir etwas geschieht, das verspreche ich. Mit fünfzig Mann mache ich aus diesem Gut eine Festung.«

Sie sah den Wunsch, sie zu schützen, in seinen Augen. Nicht Liebe, sondern die Verpflichtung eines Ehemannes. Sie hatte geglaubt, für Verlust unempfindlich geworden zu sein, doch sein Gesicht so kalt und ernst zu sehen, war schlimmer als alles andere.

Cornelia zwang sich zu einem Lächeln und presste seine vom Laufen noch erhitzte Hand an die Wange. Eine Festung… oder ein Gefängnis, dachte sie.

Als zwei Tage später Reiter auf der Straße gesichtet wurden, die von der Stadt herführte, hatten Julius und Brutus das Landgut innerhalb weniger Minuten in Alarmbereitschaft versetzt. Renius hatte fünfzig Mann von der Primigenia hierher verlegt, und als die Reiter das Hoftor erreicht hatten, hätte es einer ganzen Armee bedurft, die Verteidigung zu durchbrechen. Auf jeder Mauer standen Bogenschützen, Cornelia war mit den anderen in einer neuen Unterkunft versteckt, die Julius zu genau diesem Zweck bestimmt hatte. Clodia hatte Julia ohne Gegenrede dort hinuntergeführt, doch durch Aurelia, die nichts von dem begriff, was um sie herum vorging, war wertvolle Zeit verloren gegangen.

Julius stand allein im Hof und sah zu, wie Tubruk und Renius ihre Positionen einnahmen. Octavian war ungeachtet seines wütenden Protests mit den Frauen nach unten geschickt worden. Jetzt war alles ruhig, und Julius nickte zufrieden. Das Anwesen war gesichert.

Das Schwert noch in der Scheide, stieg er die Stufen zu der Brustwehr über dem Tor hinauf und sah die Reiter in einiger Entfernung anhalten. Die unerwartete Machtdemonstration auf den Mauern hatte sie misstrauisch gemacht. Eine von zwei Pferden gezogene Kutsche rollte zwischen ihnen. Die Pferde spürten die Anspannung sofort und tänzelten bei den letzten, widerwilligen Schritten. Julius sah wortlos zu, wie einer der Reiter aus dem Sattel stieg und eine Seidendecke im Staub ausbreitete.

Cato entstieg schwerfällig der Kutsche, trat auf die Decke und nestelte mit übertriebener Sorgfalt am Faltenwurf seiner Toga, die vom Staub der Straße unberührt geblieben war. Dann blickte er ausdruckslos zu Julius hinauf, bevor er seine Männer mit einer Handbewegung anwies, abzusteigen und sich dem Tor zu Fuß zu nähern.

Julius spreizte die Finger hinter seinem Rücken, um die Anzahl der Fremden zu signalisieren. Es waren zu wenige für einen offenen Angriff, trotzdem fühlte sich Julius unbehaglich dabei, einen solchen Mann auch nur in der Nähe seiner Lieben zu wissen. Als die Soldaten den Schatten des Tores erreichten, spannte sich sein Kiefer. Brutus hatte ihm von der Sache mit Catos Sohn erzählt. Daran war jetzt nichts mehr zu ändern. Genau wie Brutus musste er die Angelegenheit einfach durchstehen.

Eine Faust dröhnte gegen die schweren Balken des Tores.

»Wer verlangt Zutritt zu meinem Haus?«, rief Julius und sah Cato von oben ins Gesicht. Der Mann erwiderte seinen Blick unbeeindruckt. Er würde warten, bis sie die Formalitäten erledigt hatten, denn er wusste wohl besser als jeder andere, was für ein Aufruhr in Julius’ Kopf herrschte. Einen Senator durfte man nicht abweisen.

Ein Soldat an Catos Seite sprach laut genug, um im Haus verstanden zu werden: »Senator Cato erbittet Zutritt in einer privaten Angelegenheit. Lass deine Männer wegtreten und öffne das Tor!«

Julius erwiderte nichts, sondern stieg stattdessen in den Hof hinunter und beriet sich rasch mit Brutus und Tubruk. Die Verteidiger wurden von den Mauern abgezogen und in die Gutsgebäude geschickt, wo sie auf Befehle warten sollten. Den anderen wurden Aufgaben zugewiesen, die es ihnen erlaubten, in der Nähe zu bleiben. Es war die reinste Posse, bewaffnete Männer Pferde aus den Ställen holen und im Freien striegeln zu lassen, doch Julius wollte kein Risiko eingehen. Als er eigenhändig das Tor öffnete, überlegte er, ob wohl innerhalb der nächsten Stunde Blut fließen würde.

Cato kam durch das Tor geschritten und lächelte leise, als er die vielen bewaffneten Männer ringsum sah.

»Erwartest du einen Krieg, Cäsar?«, fragte er.

»Eine Legion muss in Übung bleiben, Senator. Ich würde mich nicht gern überraschen«, erwiderte Julius und runzelte die Stirn, als Catos Männer hinter ihrem Herrn in den Hof kamen. Er musste es ihnen erlauben, aber er dankte seinen Hausgöttern für seinen Weitblick, dafür, dass er so viele Soldaten seiner Primigenia aus der Stadtkaserne hierher gebracht hatte. Catos Männer wären innerhalb weniger Sekunden tot, wenn er den Befehl dazu gab. Als ihre Pferde weggeführt wurden, war in ihren Gesichtern zu lesen, dass ihnen dies durchaus klar war. Nun standen sie ungeschützt mitten auf dem Hof.

Cato sah ihn an. »Bist du jetzt der Heerführer der Primigenia? Ich kann mich nicht erinnern, dass im Senat ein diesbezüglicher Antrag gestellt worden wäre.« Seine Stimme klang unbekümmert, ohne jede Drohung, aber Julius spannte sich; er wusste, dass er auf jedes Wort achten musste.

»Es ist noch nicht offiziell bekannt gemacht worden, aber ich spreche für die Legion«, antwortete er. Die Höflichkeit verlangte, dass er dem Senator nach der Fahrt einen Sitzplatz und Erfrischungen anbot, doch er brachte es nicht über sich, sich auch nur den Anschein von Höflichkeit zu geben, obwohl er wusste, dass Cato das als kleinen Triumph werten würde.

Renius und Brutus traten an Julius’ Seite, und Catos Blick wanderte von einem zum anderen, allem Anschein nach unbeeindruckt von den beiden Männern.

»Na schön, Julius. Ich möchte mit dir über meinen Sohn reden«, sagte Cato. »Ich habe Gold für ihn geboten, aber mein Angebot wurde abgelehnt. Ich bin heute Abend hierher gekommen, um dich zu fragen, was du für ihn willst.«

Er hob den Kopf, und Julius sah, dass seine tief liegenden Augen hell leuchteten. Er fragte sich, ob dieser Mann die Ermordung von Pompeius’ Tochter befohlen hatte. Würde sich sein eigenes Risiko verringern, wenn er Germinius seinem Vater zurückgab? Oder könnte es ihm als Schwäche ausgelegt werden, die Cato dazu benutzen würde, sein Haus in Schutt und Asche zu legen?

»Er hat den Eid geleistet, Senator. Es gibt…«

»Du hast doch noch nicht die volle Truppenstärke, oder doch?«, unterbrach ihn Cato. »Wenn ich will, stehen morgen früh tausend Mann hier zu deiner Verfügung. Gesunde Sklaven aus meinem eigenen Landgut, um das Rückgrat der Primigenia zu bilden.«

Renius grollte plötzlich: »In den Legionen gibt es keine Sklaven, Senator. Die Primigenia besteht aus freien Männern.«

Cato winkte flüchtig ab, als sei das für ihn kein Problem.

»Dann lasst ihr sie eben frei, nachdem sie euren kostbaren Eid geleistet haben. Ich zweifle nicht daran, dass ein Mann wie du Mittel und Wege dazu findet, Renius. Du bist so… einfallsreich.« Beim Sprechen schimmerte ein Hauch seiner Gehässigkeit durch, und Julius wusste, dass es seinen Untergang bedeuten würde, ihm nachzugeben.

»Meine Antwort lautet nein, Senator. Der Eid kann nicht zurückgekauft werden.«

Cato musterte die drei einige Augenblicke, ohne etwas zu sagen.

»Dann lässt du mir keine andere Wahl. Wenn mein Sohn zwei Jahre unter dir dienen muss, so will ich ihn nach diesen zwei Jahren lebendig zurückbekommen. Ich schicke dir die Männer…« Er legte eine kleine Pause ein. »Die befreiten Sklaven, Renius. Ich schicke sie dir, damit sie meinen Sohn beschützen.«

»Es kann sein, dass sie nicht mehr tun, was du von ihnen verlangst, nachdem du sie freigelassen hast«, erwiderte Renius und hielt dem Blick des Senators eisern stand.

»Sie werden kommen«, blaffte Cato. »Nur wenige Männer bereiten mir so viele Unannehmlichkeiten, wie ihr es getan habt.«

»Wenn sie zur Primigenia kommen, dann nicht als Beschützer deines Sohnes, Cato«, sagte Julius. »Glaub mir, wenn ich dir sage, dass ich das nicht zulasse.«

»Willst du mir denn überhaupt nichts zugestehen?«, fragte Cato mit vor Zorn lauter werdender Stimme. Die Stimmung im Hof schlug um; Hände tasteten nach den Schwertgriffen.

»Wenn es die Götter zulassen, gebe ich dir deinen Sohn heute in zwei Jahren wieder zurück. Das ist alles«, entgegnete Julius unerbittlich.

»Dann sieh zu, dass es sich so fügt, Cäsar. Sollte er nicht überleben…« Cato presste die Worte durch die zusammengebissenen Zähne. Seine falsche Gelassenheit war verschwunden. »Sorge dafür.«

Dann machte er kehrt und gab seinen Männern ein Zeichen, das Tor zu öffnen. Die Soldaten der Primigenia erreichten es zuerst, und Cato stieg in seine Kutsche, ohne sich noch einmal umzublicken.

Sobald das Tor wieder geschlossen war und den Blick auf Catos Männer versperrte, trat Brutus an Julius heran.

»Was fällt dir ein? Was meinst du wohl, wie viele dieser ›frei gelassenen Sklaven‹ Spione sein werden? Wie viele werden gedungene Attentäter sein? Hast du daran gedacht? Bei den Göttern, du musst dir etwas einfallen lassen, um ihn davon abzubringen.«

»Willst du keine zusätzlichen tausend Mann für die Primigenia?«, fragte Julius.

»Um diesen Preis? Nein, ich glaube, lieber hätte ich Germinius seinem Vater zurückgegeben oder das Gold genommen. Ein kleineres Kontingent könnten wir überwachen lassen, aber keine tausend! Damit können wir der vollen Hälfte der Primigenia nicht trauen. Das ist doch verrückt.«

»Du weißt, dass er Recht hat«, fügte Renius hinzu. »Schon hundert wären mir ein paar zu viel, aber tausend sind unmöglich.«

Julius sah die beiden an. Sie waren nicht dabei gewesen, als er die Küsten nach Söhnen Roms abgesucht hatte, und sie waren auch nicht dabei gewesen, als er seine Veteranen in Griechenland gefunden hatte.

»Wir machen sie zu den unseren«, sagte er, ohne auf seine eigenen Zweifel zu achten.

Nachdem er so lange geschlafen hatte, bis die Sonne ihren höchsten Stand über der winterlichen Stadt erreicht hatte, erwachte Cato mit Kopfschmerzen, die sich nicht einmal mit heißem Wein vertreiben ließen. Sein Schädel pochte immer noch leicht, als er Antonidus zuhörte und sich dabei kaum aufrecht halten konnte.

»Zehntausend Sesterzen sind viel, sogar für einen Tod, Antonidus«, sagte er. Mit einigem Vergnügen beobachtete er, wie sich auf der Stirn des Feldherrn eine Schweißperle bildete, denn er wusste ebenso gut wie sein Gegenüber, dass der Attentäter aus purer Gehässigkeit einen anderen Mord verüben würde, sollte das Geld nicht gezahlt werden. Ihn warten zu lassen, war, wie Cato wusste, eine schlechte Antwort, trotzdem ließ er die Zeit zäh verrinnen und trommelte mit den Fingern gelangweilt auf der Armlehne seiner Liege. Mit Pompeius’ offener Feindschaft hatten sie natürlich rechnen müssen, selbst wenn der Attentäter keine Tonmünze in der Hand des kleinen Mädchens zurückgelassen hätte, so wie es ihm berichtet worden war. Cato hätte nicht vermuten können, dass der Senator seine Gefälligkeiten einfach wegwerfen würde, nur um seinen Standpunkt deutlich zu machen, auch wenn er der Gerissenheit dieses Schachzuges durchaus Beifall zollte. Er hatte gehofft, Pompeius würde in seinem Kummer und seinem Wahn überstürzt handeln und Cato dadurch die Möglichkeit geben, ihn festnehmen und aus den Machtspielen des Senats entfernen zu lassen. Stattdessen hatte Pompeius eine Beherrschtheit an den Tag gelegt, die ihn als weitaus gefährlicheren Feind auswies, als ihm bewusst gewesen war. Cato seufzte und kratzte sich im Mundwinkel. Seine Feinde würden ihn sicherlich als einen der Mächtigen in Rom einschätzen.

»Ich wäre versucht, deiner Rache mein Geld und meine Unterstützung zu entziehen, Antonidus, wenn wir nicht diesen gemeinsamen Prozess vor uns hätten. Ich habe Rufus Sulpicius als unseren Rechtsvertreter bestellt.«

»Gegen Cäsar kann ich mich selbst zur Wehr setzen, Senator. Der Fall ist doch ganz einfach«, gab Antonidus erstaunt zurück.

»Nein. Ich will diesen jungen Gockel demütigen. Nach allem, was ich gesehen habe, ist er jung und unbesonnen genug, um leicht zu Fall gebracht zu werden. Eine öffentliche Demütigung vor dem Magistrat und den Plebejern dürfte dafür sorgen, dass sein frisch erworbener Tribunenrang nicht mehr ganz so makellos glänzt. Für die Unverschämtheiten, die du erlitten hast, könnten wir sogar seinen Tod verlangen.« Cato rieb sich mit geschlossenen Augen und gespitztem Mund die Stirn. »Es gibt sehr wohl einen Preis für meinen Sohn, und er muss ihn bezahlen. Lass dich von Sulpicius vertreten. Es gibt kaum einen schlaueren Kopf in Rom als ihn. Er bestellt die Anwälte für dich und sucht Präzedenzfälle heraus. Ich zweifle nicht daran, dass dieser Cäsar sich sehr gut vorbereitet. Hast du die Boten losgeschickt?«

»Nein, ich warte noch darauf, dass ein Termin vereinbart wird. Ich habe mich an den Prätor gewandt, aber bislang noch keine Antwort erhalten.«

»Genau deshalb, Antonidus, brauchst du einen Mann wie Sulpicius. Triff dich mit ihm und übergib ihm deinen Fall. Er arrangiert dir in weniger als einem Monat einen Termin. Das ist sein Geschäft, verstehst du? Du bekommst das Haus im Handumdrehen zurück, wofür ich deine angemessene Dankbarkeit erwarte und du dich hoffentlich in meiner Schuld siehst.«

»Allerdings, Senator. Und das Geld?«

»Ja, ja«, sagte Cato gereizt, »du bekommst dein Geld, sowohl für die Verhandlung als auch… diese andere Sache. Und jetzt lass mich ruhen. Es war ein langer und ermüdender Tag.«

Selbst in seinen eigenen vier Wänden sprach er nicht unüberlegt, und es machte ihm Spaß, Verschwörungen von der Sorte zu planen, die ihn zwangen, Männer wie Antonidus in seine Dienste zu nehmen. Er wusste, dass viele der Senatoren ihn lediglich als Mann der Worte ansahen, der einem scharfen Wortgefecht ihren kriegerischen Posen den Vorzug gab. Die Attentäter waren eine köstliche Abwechslung von seinen üblichen Intrigen, und er fand die Macht, die sie ihm verliehen, geradezu berauschend. Die Möglichkeit, auf jeden beliebigen Menschen zu zeigen und seinen Tod zu bestimmen, war sogar für seinen verwöhnten Gaumen ein ungewöhnlicher Kitzel. Nachdem der Feldherr gegangen war, rief er nach einem kühlen Tuch und legte es sich übers Gesicht.

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