38

Zwei Stunden vor Tagesanbruch brachen die Legionen das Lager ab und stellten sich in Schlachtformation auf. Sobald es hell genug war, ertönte das laute Gellen der Signalbläser, und die gewaltigen Quadrate aus Legionären setzten sich in Bewegung und schüttelten die letzten Verspannungen des frühen Morgens beim Marschieren ab. Nun, da das Heer des Spartacus die gesamte Ebene ausfüllte und sich scheinbar bis zum Horizont erstreckte, gab es kein müßiges Geschwätz in den Reihen mehr, sogar das Dröhnen der Sandalen wurde vom Gras gedämpft, und jeder Mann lockerte die Schultern, als sie dem Augenblick, an dem die Stille in Chaos umschlagen würde, näher und näher kamen.

Entlang der lang gezogenen Reihen der Legionen wurden die schweren Speerwurfmaschinen und Katapulte in Stellung gebracht. Über gewaltige Entfernungen konnten Steine, Eisenkugeln und Pfeile vom Gewicht dreier Männer mitten unter die Feinde geschleudert werden. Die Männer rings um die Geschütze jubelten, als die schweren Rosshaarfedern schussbereit gespannt wurden.

Julius marschierte neben Brutus und Ciro, Renius ging einen Schritt hinter ihm. Obwohl es für die Rekruten Catos reiner Selbstmord gewesen wäre, einen Anschlag zu versuchen, waren die drei Männer rings um Julius auf diese Möglichkeit gefasst. Hier war kein Platz für Cabera, der, ungeachtet seiner Proteste, beim Tross im Lager zurückgeblieben war. Julius war unerbittlich gewesen, denn obwohl der alte Mann sogar gewillt war, eine Rüstung anzulegen und einen Gladius zu tragen, hatte er doch noch nie als Legionär gekämpft und würde die Routine der Römer ringsum stören.

Tief in der achten Reihe hinter den schwer bewaffneten Hastati waren die vier von den besten Kämpfern der Primigenia umgeben, Männer, die Renius ausgebildet und für einen solchen Tag gehärtet hatte. Keiner von Catos Rekruten befand sich in unmittelbarer Nähe.

Obwohl es viele danach gelüstete, zum Angriff zu stürmen, passten sie sich dem Schritt der vordersten Linie an. Zähne wurden unbewusst aufeinander gepresst, als die Männer alles Weltliche hinter sich ließen. Jeder Anflug von Gewalttätigkeit, den sie in den Städten unterdrücken mussten, war hier in diesen Reihen willkommen, und einige der Männer unterdrückten bei dem Gedanken an die seltsame Freiheit des Kampfes ein dumpfes Lachen.

Dann kam der Befehl zum Anhalten, und Sekunden später zerriss der Donner der Kriegsmaschinen die Luft. Mächtige Arme krachten gegen ihre Auflagen und schleuderten ihre Ladungen in hohem Bogen über die eigenen Reihen hinweg. Die Sklaven konnten dem Hagel aus Steinen und Eisen nicht entfliehen, Hunderte wurden zu blutigen Klumpen zerquetscht. Langsam wurden die Katapultarme mit Winden wieder zurückgebogen. Pompeius leckte sich die trockenen Lippen und wartete darauf, das Signal zu geben.

Nach der dritten Salve kam der Befehl zum Vorrücken. Ehe die vordersten Linien aufeinander trafen, würde noch eine Salve über ihre Köpfe hinweg abgefeuert werden.

Als sich die Armeen einander näherten, streiften die Legionäre die dünne Haut der Zivilisation ab; jetzt hielt sie nur noch die Disziplin der Legion davon ab, vor Mordlust aus den eigenen Reihen auszubrechen. Durch die Lücken in den Reihen vor ihnen erhaschten sie kurze Blicke auf den Feind, der sie erwartete, eine dunkle Mauer aus Männern, die dort standen, um die Stärke der letzten Verteidiger Roms auf die Probe zu stellen. Einige trugen den Gladius, andere schwenkten Äxte und Sicheln, hier und da waren auch Langschwerter zu sehen, die sie aus den Quartieren der Legion von Mutina gestohlen hatten. Blutige Schlieren auf dem Boden markierten die breiten Schneisen, die die Wurfsteine gerissen hatten, doch sie wurden rasch von den Männern dahinter geschlossen.

Julius stellte fest, dass er vor Aufregung und Angst keuchte, sich an die Verfassung der Männer rings um ihn anpasste, die jetzt enger zusammenrückten. Ihre Herzen schlugen schneller, pumpten sie voll mit Kraft und rücksichtsloser Energie. Ganz in der Nähe stieß jemand einen wilden Schrei aus.

»Ruhig, Primigenia!«, brüllte Julius, der selbst den Drang verspürte, einfach loszurennen. Er sah, dass auch Brutus von jener eigenartigen Begeisterung erfüllt war, in der jeder Augenblick vor dem ersten Aufprall länger war, als alle, die er zuvor durchlebt hatte. Es dauerte hundert Jahre, um diese Ebene zu überqueren, dann hoben die ersten beiden Reihen mit einem angestrengten Keuchen, das in ein trotziges Brüllen umschlug, ihre Speere. Noch während die Speere den Himmel verdunkelten und die ersten Sklaven von ihnen niedergestreckt wurden, rannten sie los.

Das Geheul der Feinde war laut genug, um die ganze Welt zu erfüllen, dann stürmten auch sie den Legionären entgegen. Das erste Zusammentreffen war ein Aufprall, der alle darauf folgenden Geräusche dämpfte. Die schweren römischen Schilde wurden in die Reihe der Angreifer gerammt und rissen Hunderte von Sklaven von den Beinen. Dann wurden die Schwerter in Leiber gebohrt, Blut spritzte auf, bis die gesamte erste Reihe damit bedeckt war, ihre Arme und Gesichter waren nass davon, während die Schwerter den Männern, die ihnen gegenüberstanden, Gliedmaßen und Leben raubten.

Mit Brutus zu seiner Rechten konnte Julius um den Schild des Freundes herum zuschlagen, und Ciro stand schützend vor seinem eigenen. Die eingefleischte Disziplin hielt die hinteren Reihen von der Frontlinie fern und verschaffte ihnen die Gelegenheit, dem Schlachten zuzusehen, das sich nur wenige Fuß vor ihnen abspielte. Brennende Blutstropfen trafen sie, als sie sahen, wie die Hastati durch die Sklaven vorwärts stürmten. Ciro zerschmetterte alles mit unermüdlicher Kraft, was sich ihm entgegenstellte. Julius und Brutus schritten im Rhythmus des Angriffs voran, versenkten ihre Schwerter im Vorübergehen in menschliche Körper und vergewisserten sich, dass die Gegner auch wirklich tot waren. Bis die hintersten Reihen über die Leichen marschierten, waren sie kaum mehr als weiße Knochen und zerfetztes Fleisch, denn jeder Soldat tauchte sein Schwert hinein.

Die Hastati waren das Rückgrat der Armee, Männer mit zehn Jahren solider Erfahrung. Sie kannten keine Furcht, doch nach einer Weile spürte Julius eine leichte Veränderung in der Geschwindigkeit des Voranschreitens. Der Angriff kam langsam zum Stillstand. Sogar die Hastati wurden gegen einen so übermächtigen Gegner irgendwann müde, und viele rückten aus den hinteren Reihen nach vorne, um die Lücken zu füllen, stiegen über die sich windenden Körper von Männern hinweg, die sie kannten und zu ihren Freunden zählten. Renius ging mit ihnen, seinen Schild mit breiten Riemen an den Körper geschnallt. Er tötete mit einzelnen Hieben, fing gegnerische Schläge mit dem Schild ab und holte zum Gegenschlag aus, wieder und immer wieder. Der Schild dröhnte und splitterte unter den unaufhörlichen Treffern, aber er hielt.

Die Hörner wiederholten eine Folge von drei Tönen, und entlang der ganzen ungeheuer lang gezogenen Linie entstand ein Schimmern, als die römischen Manipel sich mit einer Disziplin bewegten, die es auf der ganzen Welt nicht noch einmal gab. Die Hastati hoben ihre Schilde an, um sich zu schützen, und zogen sich geschickt quer durch die Reihen zurück, während die Triarii nach vorne kamen. Sie keuchten und waren erschöpft, aber immer noch von einer wilden Freude erfüllt, und sie feuerten die Veteranen mit zwanzig Jahren Kriegserfahrung an, die im Laufschritt die neue vorderste Linie bildeten. Die Triarii waren die besten von ihnen, Männer auf dem Höhepunkt ihrer Kraft. Ihre Familie und ihre Freunde waren die Legionen, denen sie dienten, und schon bald waren sie ebenso rot bespritzt wie die Hastati zuvor. Abgesehen von Renius verfügte die Primigenia nur über eine Hand voll von ihnen, während Catos frisch ausgehobene Truppen die Lücken füllten. Die Sklaven warfen sich den Legionen entgegen, und die Primigenia musste den größten Blutzoll zahlen; die neuen Rekruten starben schneller als die erfahrenen Männer um sie herum. Renius hielt die Reihe der Primigenia geschlossen, die sich immer weiter vorankämpfte.

Wieder wogte der Vorstoß voran, über die Körper der Erschlagenen. Der einzige Weg führte über die Toten, denn keine Seite wankte oder wich von der blutigen Schneise der vordersten Front zurück. Julius stand noch immer wartend in der fünften Reihe, und seine Primigenia machte sich für den Angriff bereit. Arme und Schwerter zitterten vor Erwartung, als sie nah genug an dem Gemetzel standen, um immer mehr Blutspritzer abzubekommen; wie Regen gingen die Tropfen auf sie nieder und rannen über die schimmernden Rüstungen.

Manche Armeen zerschellten an den Hastati, andere dann, wenn die Triarii antraten, um den Willen des Feindes zu brechen. Die Leichen, über die sie hinwegstiegen und so beiläufig aufspießten, zählten Hunderte, entlang der gesamten Frontlinie vielleicht sogar Tausende, doch sie hatten gerade erst begonnen, die äußeren Schichten der Armee des Spartacus wegzuschneiden, und bald wusste jeder Mann, dass auch er an die Reihe kommen würde.

Sobald sie erkannt hatten, dass dies unvermeidbar war, beruhigten sich die Nerven auch der Schwächsten unter ihnen, und sie warteten geduldig darauf, in die erste Reihe vorzurücken.

»Primigenia – zweiter Speer!«, befahl Julius und wiederholte den Ruf nach links und rechts. Die Reihen hinter ihm schleuderten ihre Speere ohne zu zögern über die Köpfe der eigenen Leute hinweg, und die Schäfte landeten ungesehen in der Masse des Feindes. Dies geschah entlang der gesamten Front, und nur ferne Schreie kündeten von den Leben, die die spitzen Wurfgeschosse gestohlen hatten.

Julius stellte sich auf die Zehenspitzen, um zu sehen, was an den Flanken vorging. Im Kampf gegen einen so übermächtigen Feind musste die Kavallerie eine Umzingelung vermeiden. Bei dem Anblick der leicht gebogenen Frontlinie von Spartacus’ Armee blitzte in Julius’ Kopf eine Erinnerung auf, an ein weit entferntes Schulzimmer und eine Lektion über die Kriege des Alexander. So groß die römische Armee auch war, sie konnte geschluckt und vernichtet werden, wenn die Flanken nicht stark blieben.

Noch während er hinschaute, spürte er eine Veränderung auf der linken Seite. Er sah, wie die Frontlinie auf der Höhe von Lepidus’ Legion einknickte und der Feind sofort in die Bresche strömte. Es war zu weit weg, um Einzelheiten zu erkennen, und als Julius gemeinsam mit Brutus voranschritt, geriet ihm das Bild wieder aus den Augen. Er fluchte.

»Brutus, kannst du Lepidus sehen? Sie brechen dort drüben durch. Kannst du erkennen, ob die Front hält?«

Brutus reckte sich so hoch auf wie möglich.

»Die Reihen sind gesprengt worden«, sagte er voller Entsetzen. »Bei allen Göttern… ich glaube, die machen kehrt!«

Julius wäre beinahe in den Mann vor ihm hineingestolpert, als dieser einen kürzeren Schritt machte. Er schaute auf die vier Reihen vor sich. Dort mähten die Triarii die Sklaven nieder und sahen nicht so aus, als würden sie irgendwann müde werden. Seine Gedanken rasten, und Angst befiel ihn. Wenn er die Primigenia nach links führte, um dort zu Hilfe zu eilen, wie er es Pompeius versprochen hatte, ließ er die Triarii schutzlos zurück. Wenn deren Reihe ausgedünnt oder niedergemacht wurde, fehlte die Verstärkung, mit der sie rechneten, und die Sklaven konnten in eine zweite Lücke eindringen, die Römer in Inseln aufspalten, die nach und nach immer kleiner gehauen würden.

Noch während er zögerte, sah er, wie die linke Flanke in sich zusammenfiel, als die Bresche breiter wurde und einige von Lepidus’ Männern sich vom Feind abwandten und die Flucht ergriffen. So etwas würde sich wie die Pest ausbreiten, denn die Fliehenden steckten die Reihen hinter ihnen mit ihrer Feigheit an. Julius traf seine Entscheidung.

»Primigenia! Säge nach links in die Flanke!« Wie zuvor wiederholte er den Befehl zweimal, und die vordersten Reihen hörten ihn, konnten jedoch nicht umkehren. Sie wussten, dass niemand hinter ihnen war, um sie zu decken, und sie deshalb umso entschlossener kämpfen mussten, solange sie verwundbar waren.

Die Primigenia bewegte sich rasch quer zur Angriffslinie, einige stießen Männer gegen Soldaten, die den Befehl nicht gehört hatten. Es war ein gefährliches Manöver, so mitten in der Schlacht, aber Julius wusste, dass er seine Männer einsetzen musste, um die Legion des Lepidus zu unterstützen, bevor die gesamte Flanke einbrach. Er rannte mit den anderen durch die Reihen, sprang über Leichen hinweg und rief unablässig Befehle, um seine Männer dicht bei sich und in Bewegung zu behalten. Im besten Falle blieben ihm ein paar Sekunden, um eine wilde Flucht und damit eine Niederlage zu verhindern.

Brutus kam als Erster an und rannte absichtlich einen fliehenden Legionär mit seinem Schild um. Julius und Ciro stellten sich ihm zur Seite, und gemeinsam bildeten sie den Kern, um den sich die Primigenia formierte, eine Mauer aus grimmigen Legionären, an denen die flüchtenden Römer vorbeimussten, um sich davonzumachen. Renius war im Gedränge verschwunden, war durch Hunderte wartender Soldaten von ihnen getrennt.

»Schwerter vor!«, brüllte Julius, das Gesicht zu einer animalischen Fratze verzogen. »Kein Soldat kommt an dieser Linie vorbei! Zeigt diesem Lepidus, wer wir sind!«

Der Schwarm haltlos davonhastender Männer kam zum Halten, als sich die Reihen der Primigenia vor ihnen aufbauten und ihren Rückzug blockierten. Das Leuchten der Panik verschwand aus ihren Augen, als sie die Schwerter sahen, die bereit waren, sie niederzuhauen. Es bestand kein Zweifel, dass sie eingesetzt werden würden. Die Männer der Primigenia wussten ebenso gut wie Julius, dass sie alle sterben würden, wenn die Legion des Lepidus vor der Flanke der Sklaven einknickte. Sie würden einfach überrannt werden.

Innerhalb weniger Augenblicke war so etwas wie eine Schlachtordnung in Lepidus’ kopflosen Haufen gebracht worden. Die Zenturios und Optios setzten die flachen Seiten ihrer Schwerter und ihre dicken Eichenstöcke ein, um ihre Soldaten wieder in Formation zu bringen. Sie waren gerade noch rechtzeitig gekommen.

Die Sklavenarmee hatte die Schwäche gespürt, Befehle wurden geschrieen, die Hunderte der Angreifer in die Lücke schickten, um sie zu vergrößern. Julius wusste nicht, ob er wieder durch die Reihen zurückeilen und die von der Primigenia gerissene Lücke schließen oder hier die Stellung halten sollte, falls Lepidus’ Männer noch einmal einbrachen. Er wusste, dass sie noch immer nicht gefestigt waren, die entsetzten Soldaten bekamen die Todesangst, die sie schon einmal erfasst hatte, nur schwer unter Kontrolle. Beim zweiten Mal würde es einfacher sein.

»Julius?«, fragte Brutus, der auf einen Befehl wartete.

Julius warf seinem Freund einen Blick zu und sah seine Entschlossenheit. Es gab keine Wahl. Sie mussten selbst die Front übernehmen und beten, dass Lepidus’ Männer nicht hinter ihrem Rücken das Weite suchten.

»Primigenia! Vorwärts an die Front!«, rief er, und die siebenhundert Mann unter seinem Kommando setzten sich in perfekter Formation in Bewegung.

Die letzten von Lepidus’ Männern drehten sich um, um vor den Sklaven davonzulaufen, aber die Primigenia schlug sie nieder, bevor sie die Panik nach hinten tragen konnten. Sie gingen mit unbarmherziger Gründlichkeit vor, die den Sklaven, die den errungenen Vorteil eilig ausnutzen wollten, eine Lehre sein sollte.

Die Schilder der Primigenia krachten in die Bresche, und die Schwerter hoben und senkten sich, so rasch es ging, denn jeder Mann opferte die Umsicht der Schnelligkeit. Sie trampelten über die Verwundeten, ließen sie schreiend und oft noch lebendig zurück, doch die Primigenia schritt mit einer solchen Geschwindigkeit voran, dass sie Gefahr lief, die gesamte restliche Frontreihe hinter sich zu lassen und abgeschnitten zu werden. Renius erkannte dies sofort und begradigte die Linie mit rau gebrüllten Befehlen.

Julius kämpfte wie im Rausch. Sein Arm schmerzte, und von seinem Handgelenk zog sich eine lange Wunde in einer roten Linie fast bis zur Schulter. Dort war eine Klinge entlanggeschrammt, bevor er ihren Besitzer getötet hatte. Ein kräftiger Sklave in römischer Rüstung sprang auf ihn zu, wurde jedoch von den Beinen gerissen, als Renius neben Julius auftauchte und den Sklaven mit einem Stich in einer Lücke des Panzers durchbohrte.

Julius tötete den nächsten Mann, der ihm entgegenkam. Jetzt war er für die Tausenden von Übungsstunden dankbar, die seine Bewegungen lenkten, ehe er darüber nachdenken konnte. Er trat neben den äußeren Mann und stieß ihn in die anderen, verzichtete darauf, ihn zu töten, weil er lieber Verwirrung stiften wollte. Der Mann stolperte dem zweiten in den Weg, und Julius riss ihm mit einem raschen Stoß von der Seite die Kehle heraus, setzte dann über den fallenden Körper hinweg, um seinen Gladius in die keuchende Brust des Mittleren zu bohren. Die Klinge verkeilte sich zwischen den Rippen, und beinahe hätte er wütend aufgeschrieen, als seine Hand von dem blutigen Griff abrutschte und er einen Augenblick lang unbewaffnet dastand.

Der dritte Mann, der sich ihm entgegenwarf, schlug mit einem Legionärsgladius in einem Kreisschlag auf halber Höhe nach ihm, und Julius musste sich flach auf den Boden werfen, um der Klinge auszuweichen. Panik stieg in ihm auf, da er erwartete, dass das Metall in ihn eindrang und sein Blut sich mit dem glitschigen Matsch unter ihm vermengte. Der Mann starb mit Ciros Schwert im Mund, und Julius griff nach seinem eigenen Schwert, zog eine Leiche davon herunter und riss es unter lautem Knacken brechender Knochen los.

Brutus war einen Schritt voraus, und Julius sah ihn zwei weitere Feinde mit einer Geschwindigkeit und Eleganz niedermachen, wie er es noch nie gesehen hatte, auch nicht in dem Jungen, den er schon sein ganzes Leben kannte. Rings um Brutus schien ein Bannkreis der Ruhe zu sein, seine Miene wirkte friedlich, fast feierlich. Aber alles Lebendige, das in die Reichweite seines Schwertes kam, starb nach einem oder zwei Schlägen, und die Sklaven gaben ihm Raum, als spürten sie die Grenze, und bedrängten den jungen Soldaten nicht so sehr wie alle anderen.

»Brutus!«, rief Julius. »Gladiatoren von vorne!«

Tatsächlich kamen Männer in Gladiatorenrüstungen auf die Primigenia zugestürmt. Sie trugen geschlossene Helme, die ihre Gesichter bedeckten und nur Löcher für die Augen freiließen, was ihnen ein Aussehen von unmenschlicher Wildheit verlieh. Ihr Eintreffen schien den Mut der Sklaven rings um sie herum zu heben, so dass die Primigenia wankend zum Stehen kam und ihre Schilde in den weichen Boden pflanzte.

Julius fragte sich, ob unter den Angreifern auch die Männer waren, denen er in der vorangegangenen Nacht begegnet war. In diesem Zusammenprall von Metall und Leibern ließ sich das unmöglich sagen. Sie waren schnell und gut ausgebildet, und Julius sah, wie Renius einen von ihnen mit der Schulter niederwarf, als die Reihen aufeinander prallten, und ein anderer holte nach ihm aus. Mit einem Ruck riss Julius seinen Schild in die Höhe und spürte die doppelte Erschütterung, als sein Gegenschlag auf eine Rüstung traf. Sein Schild fing den Schwertarm des Mannes ab, während er mit dem eigenen Schwert wieder und wieder auf den eisernen Helm eindrosch, bis er ihn schließlich spaltete und er keuchend weiterdrängen konnte. Seine Muskeln schmerzten, und sein Atem schien ihm die Kehle zu versengen.

Brutus wartete in einem Teich der Ruhe, der von dem Gerangel der Körper rings um ihn herum nicht berührt wurde. Der Gladiator, dem er gegenüberstand, setzte zu einer Finte an, doch Brutus erkannte sie sofort und wich dem eigentlichen Schlag mühelos aus. Als Antwort zuckte sein eigenes Schwert vor und ritzte den Hals des Mannes. Blut rann heraus, und aus einem Schritt Entfernung hörte Julius einen leisen Seufzer des Erstaunens, so wie ihn der Ringer in der Nacht zuvor von sich gegeben hatte. Verdutzt hob der Mann die Hand. Es war nicht mehr als ein Schnitt, aber eine Hauptader war durchtrennt worden, und seine Beine gaben unter ihm nach. Er wollte sich wieder aufrichten, keuchte und stöhnte wie ein verwundeter Stier, dann rann das Leben aus ihm heraus.

Julius hieb sein Schwert in einen entblößten Nacken und wurde dann nach hinten umgerissen, als ein anderer Gegner gegen seinen Schild fiel und die Riemen an seinem Arm zerrissen. Er ließ den Schild fallen und packte seinen Angreifer blindlings mit der Linken, bis er mit der Rechten den Gladius tief in ihn hineinbohren konnte, fühlte jedoch einen Stich im Rücken, als der Mann versuchte, noch einen Hieb anzubringen. Als der Mann starb, konnte er den Knoblauch seiner letzten Mahlzeit riechen.

Rings um ihn fielen die Legionäre der Primigenia, und er sah, wie noch mehr Gladiatoren herbeieilten, um den Vorteil der Bresche zu nutzen, die noch immer nicht geschlossen war. Er schaute sich kurz um und sah mit einem Seufzer der Erleichterung, dass sich Lepidus’ Legion neu formiert hatte und zum Angriff bereitstand.

»Primigenia! Manipelordnung! Neuformieren in der Fünften!«, schrie er und tötete zwei weitere wütende Sklaven, die sich die Veränderung zunutze machen wollten, wild gegen die Linie der Primigenia anstürmten und ebenso rasch starben. Es waren so viele, und wenn nicht rasch frischere Männer nach vorne gebracht wurden, würde die Primigenia nicht mehr lange standhalten.

Brutus ließ sich zu ihm zurückfallen, und Julius empfand eine eigenartige Genugtuung, als er den Freund schwer atmen sah. Eine Zeit lang hatte Brutus schier unbesiegbar gewirkt, und es war beruhigend, zu wissen, dass auch er müde wurde, so wie alle anderen. Julius sah anerkennend, wie Lepidus’ Männer den Angriff übernahmen und den Vormarsch weitertrieben. Es war höchste Zeit, sich auf ihre ursprüngliche Position zurückzuziehen. Die linke Flanke war gesichert.

»Herr?«, sagte eine Stimme neben Julius. Er drehte den Kopf jäh zur Seite, zu angespannt, um etwas anderes als Gefahren zu sehen. Dort stand ein Zenturio ohne Helm. Ein rasch wachsender Bluterguss an der Wange und seine blutigen Unterarme zeugten davon, dass er mitten im Kampfgetümmel gewesen war.

»Was gibt es?«, fragte Julius.

»Lepidus ist tot, Herr. Es ist niemand da, der die linke Flanke kommandiert.«

Julius schloss einen Augenblick die Augen, wollte die Müdigkeit einfach vergessen, die sich mit jedem Schritt, den er sich vom Gemetzel entfernte, auf seine schmerzenden Muskeln senkte. Er sah Brutus an, der ihn anlächelte.

»Immer noch das Glückskind, Julius«, sagte er mit einer Spur von Verbitterung.

Julius packte die Hand des Freundes mit festem Griff, eine stumme Anerkennung dessen, was er aufgegeben hatte, dann wandte er sich an den wartenden Soldaten.

»Gut, Zenturio. Ich übernehme das Kommando. Bring mir den Adler, damit die Männer wissen, nach wessen Befehlen sie sich richten sollen. Und lass sie wissen, dass ich jeden Einzelnen von ihnen kreuzigen lasse, sobald das hier vorüber ist, wenn sie unter meinem Kommando noch einmal nachgeben.«

Der Zenturio sah blinzelnd in die Augen des jungen Feldherrn. Dann salutierte er und rannte los, um den Standartenträger zu holen. Vier Reihen vor ihnen tobte die Schlacht ununterbrochen weiter.

Pompeius und Crassus beobachteten den Verlauf der Schlacht vom erhöhten Aussichtspunkt der Pferderücken. Die Sonne stieg immer höher, und immer noch wimmelte es auf den Hügeln ringsum von der Armee der Sklaven. Pompeius hatte den Speerschleudern und Katapulten befohlen, weiter über die Frontlinie hinweg zu feuern, bis sie ihre gesamte Munition verschossen hatten. Nach den ersten drei Stunden waren sie verstummt, und seither hatte die Wildheit der Schlacht noch zugenommen.

Die Senatoren konnten das Geschehen in relativer Sicherheit verfolgen, mehr als hundert Fuß hinter den ersten Reihen der rechten Flanke. Eine Zenturie schützte die Stellung und ließ nur den Boten der Extraordinarii zu den beiden Feldherren. Nach einer Weile trafen die Pferde mit weißem Schweiß und Schaum bedeckt ein. Ein Reiter eilte im Laufschritt auf die Senatoren zu und salutierte makellos, trotz seiner Müdigkeit.

»Die Bresche ist geschlossen, Herr. Cäsar kommandiert die Linke. General Lepidus ist tot«, sagte er schwer atmend.

»Gut«, beschied ihn Pompeius barsch. »Das entbindet mich von der Aufgabe, den Narren nach der Schlacht zu töten. Geh hinüber zu Martius und richte ihm aus, er soll tausend Mann zu Cäsars Unterstützung hinunterbringen. Er soll ihm aber das Kommando überlassen. Ich würde sagen, er hat es sich verdient.«

Der Reiter salutierte und galoppierte durch die Wachen. Seine Erschöpfung zeigte sich nur in der Nachlässigkeit, mit der er im Sattel saß. Pompeius gab einem anderen Extraordinarius das Zeichen, näher zu kommen, und schickte sich an, den nächsten Befehl zu geben. Er warf einen Blick auf die Schlacht und versuchte, ihre Entwicklung zu beurteilen.

Er wusste, dass die Römer die Sklaven eigentlich hätten in die Flucht schlagen müssen. Tausende waren gefallen, aber sie schienen wie besessen, und die Legionen wurden allmählich müde. So sehr sie sich auch abwechselten und durch Manipelbefehle die vordersten Linien austauschten, es mangelte nirgends an ausgeruhten Feinden, die ihre Kraft und ihren Willen untergruben. Er hatte seinen Bogenschützen den Dauerbefehl gegeben, auf jeden zu schießen, der Gladiatorenrüstung trug, doch es war so gut wie unmöglich, einzelne Ziele zu treffen.

Crassus ließ den Blick über die rechte Flanke wandern, wo die Reiterei zweier Legionen sich abmühte, den beim ersten Angriff gewonnenen Boden nicht wieder preiszugeben. Pferde stießen schrille Schmerzensschreie aus, und schon strömten die ersten Männer um sie herum.

»Pompeius! Die Rechte!«, fuhr er seinen Kollegen an.

Pompeius ging das Risiko ein und entsandte einen Boten, der Verstärkung bringen sollte. Es war gefährlich, zu viele Männer aus dem Zentrum abzuziehen. Wenn es dort zum Durchbruch kam, würde die Armee in zwei Hälften geteilt werden, und das wäre das Ende. Pompeius merkte, wie so etwas wie Verzweiflung in ihm aufstieg. Diese Sklaven waren einfach unerschöpflich. Trotz allem römischen Geschicks und Disziplin sah er keine Möglichkeit, den Sieg herbeizuführen. Seine Männer töteten, bis sie erschöpft waren, und wurden dann ihrerseits niedergemacht, wieder und wieder.

Pompeius gab den Signalbläsern das Zeichen zu einem weiteren Manipelbefehl. Er zählte schon nicht mehr mit, wie oft er den Ruf hatte erschallen lassen, und er konnte sich vorstellen, wie sich seine Männer fühlten, wenn sie abermals in die vorderste Reihe gerufen wurden, noch ehe sie sich vollständig vom letzten Mal erholt hatten. Er musste die Intervalle verkürzen, um sie zu schonen, aber das bedeutete wiederum weniger Zeit zum Ausruhen.

Als ein Warnruf von rechts ertönte, wandten sich Pompeius und Crassus um. Die Sklaven hatten sich durch die Reiterei gekämpft und schwärmten jetzt vorwärts, verursachten Panik in den Reihen der Legionäre, denn jetzt drohten sie, die Flanke zu umfassen und den Soldaten sogar in den Rücken zu fallen. Pompeius stieß einen Fluch aus und rief den nächsten Reiter zu sich.

»Die Rechte soll sich in Schlachtordnung zurückziehen. Die Linke weiter nach vorne. Wir müssen das gesamte Feld drehen, ehe sie uns einschließen. Die Bläser sollen ›Rechte Kehre‹ blasen! Sofort!«

Der Mann galoppierte davon, und die beiden Feldherren ließen alle Würde fahren und knieten sich auf ihre Sättel, um einen besseren Blick auf die einsetzende Aktion zu gewinnen. Pompeius’ Hände umklammerten verkrampft und weiß die Zügel, denn er wusste, dass der Ausgang der Schlacht von dieser Entscheidung abhing. Wenn der Rückzug in Panik umschlug, würde das Sklavenheer durchbrechen und die Römer einschließen. Sein Mund war von der kalten Luft ausgetrocknet, und er atmete rasselnd.

Es dauerte lange, bis der Befehl alle Einheiten erreicht hatte. Rufe wurden in der Nähe laut, und die Rechte fing an, geordnet nach hinten auszuweichen, und verlagerte die Linie so zu einer roten Diagonale quer über die Ebene. Pompeius ballte die Fäuste, als er sah, wie die Linke vorrückte und die Sklaven zusammendrängte.

Die gesamte Schlacht begann sich zu drehen, und Pompeius war fast außer sich vor Sorge. Es war die einzige Möglichkeit, um die überrannte rechte Flanke zu retten, doch während Tausende von Männern die Drehbewegung vollführten, konnten die Sklaven sich einfach von ihnen lösen und nach Ariminum durchbrechen, falls ihre Anführer die Chance erkannten.

Spartacus stand auf dem Sattel seines Pferdes und fluchte leise, als er sah, dass die Legionen standhielten. Zuerst hatte er geglaubt, dass Antonidus Recht behalten würde und der Flügel niedergerungen werden konnte, doch irgendwie hatten sie sich in einer gemeinschaftlichen Bewegung gedreht; acht Legionen hatten sich wie ein einziges Lebewesen bewegt und die Schlacht gen Osten gedreht. Er pfiff leise vor Bewunderung, obwohl er sah, wie ihre Träume dort auf dem Feld zu Staub zerfielen. Die Legionen waren all das, was er für möglich gehalten hatte, und einen Augenblick lang dachte er an die Zeit, als er selbst als Soldat in einer von ihnen gedient hatte. Es war eine großartige Bruderschaft gewesen, bevor alles zunichte gemacht worden war. Eine Rauferei unter Betrunkenen, ein toter Offizier, und seither war nichts mehr so gewesen, wie es sein sollte. Er war geflohen, weil er wusste, dass sie ihn den Freunden des Mannes übergeben und diese ihn zum Tode verurteilt hätten. Für einen Mann wie ihn gab es keine Gerechtigkeit. Er war fast noch ein Kind gewesen, als sie ihn in Thrakien rekrutiert hatten. Für sie war er kein richtiger Römer, kaum besser als ein Tier. Das waren ganz andere, sehr bittere Erinnerungen: Gefangenschaft und Sklaverei, dann die Gladiatorenschule, wo sie die Männer wie Kampfhunde behandelt hatten, die in Ketten gelegt und mit Schlägen zu Wildheit und Grausamkeit getrieben wurden.

»Morituri te salutant. Wir, die wir dem Tod geweiht sind, grüßen dich«, flüsterte er vor sich hin, während er seine Leute dort unten sterben sah. Er hob den Blick zur Sonne und sah, dass sie ihren höchsten Punkt bereits überschritten hatte und kalt und blass hinter den Wolken stand. Die Tage wurden nur allmählich länger, und es würde nur noch ein paar Stunden dauern, bis es wieder dunkel wurde.

Lange schaute er der Schlacht zu, in der Hoffnung, die Legionen nachgeben zu sehen, aber sie hielten der Übermacht stand, und er verzweifelte. Schließlich nickte er vor sich hin. Wenn sich die Römer zur Nacht in ihre Lager zurückzogen, würde er nach Ariminum aufbrechen. Seine Männer hatten seit vier Tagen nichts mehr gegessen, und die römische Stadt war voller Lebensmittel, die sie wieder stark machen würden.

»Sieht aus, als müssten wir Fersengeld geben, Krix«, murmelte er.

Sein Freund stand neben Antonidus, die Zügel in der Hand.

»Sie können immer noch zusammenbrechen, bevor es dunkel wird«, erwiderte Krixos verbissen.

Antonidus knurrte und spuckte zornig einen Schleimbatzen auf den Boden. Er hatte ihnen einen Sieg versprochen, und nun spürte er, wie ihm mit dem stetig wachsenden Blutzoll sein Einfluss entglitt.

Spartacus schüttelte den Kopf.

»Nein. Wenn wir sie bis jetzt nicht schlagen konnten, laufen sie nicht mehr davon. Sie werden sich in ihre befestigten Lager zurückziehen und dort kräftig essen, bevor sie morgen herauskommen, um es zu Ende zu bringen. Aber dann werden wir nicht mehr hier sein.«

»Aber warum brechen sie denn nirgends ein?«, stieß Krixos verzweifelt aus.

»Weil dann Rom in unsere Hände fällt«, fuhr ihn Antonidus an. »Sie wissen, was auf dem Spiel steht, aber wir können immer noch gewinnen. Zieht die vordersten Reihen zurück und schickt ausgeruhte Männer in den Kampf. Umgeht den linken Flügel. Ob sie nun die Flucht ergreifen oder nicht, wir können sie so oder so aufreiben.«

Spartacus betrachtete den römischen Heerführer, den seine Männer gefunden hatten, mit Verachtung. Der Mann hatte nichts als Galle in sich; er schien nicht zu begreifen, dass die Leben, die er ihn wegzuwerfen drängte, die seiner Freunde und Brüder waren. Der Gladiator schloss einen Augenblick lang die Augen. Sie alle hatten Antonidus zugejubelt, als Krixos ihn anfangs vorgestellt hatte, gekleidet in die Rüstung eines gefallenen Römers. Er war vor den Männern vorgeführt worden wie ein Schoßtier, aber seine Versprechungen waren wertlos gewesen, seine schlauen Taktiken hatten lediglich Verwirrung unter den Sklaven gestiftet, die vor diesem Aufstand noch nie ein Schwert in Händen gehalten hatten.

»Unsere Männer sind schwach vor Hunger«, sagte Spartacus. »Ich habe einige mit grünen Mündern gesehen, weil sie gekochtes Gras gegessen haben. Wir überstehen keinen zweiten Tag wie diesen.«

»Wir könnten versuchen, die Pässe nach Gallien zu erreichen«, meinte Krixos.

»Was glaubst du, wie viele die Pässe lebend erreichen würden?«, wollte Spartacus wissen. »Ehe wir die Ebene verlassen können, haben uns die Legionen eingeholt. Nein, diese Chance ist vertan. Es muss Ariminum sein. Dort holen wir uns die Verpflegung, die wir brauchen, und sammeln neue Kraft. Irgendwie werden wir ihnen schon entwischen.«

»Wenn wir Schiffe finden, lassen sie uns vielleicht gehen«, sagte Krixos und sah seinen Freund an.

»Dazu bräuchten wir eine ganze Flotte«, meinte Spartacus nachdenklich. Er sehnte sich danach, der Macht Roms zu entfliehen, und die Gewissheit, dass er seine Leute über die Berge hätte führen sollen, machte ihm schwer zu schaffen. Sollten sie doch ihr kleines Land behalten. Er würde sich mit seiner Freiheit zufrieden geben.

Antonidus konnte sich nur mühsam beherrschen. Sie hatten ihn aus der Sklaverei geholt, nur damit er jetzt von seinen eigenen Leuten umgebracht wurde. Keiner von ihnen begriff, dass Rom niemals einem Heerführer vergeben würde, der die Sklaven entkommen ließ. Es wäre eine Schande, die Jahrhunderte währen würde, und jeder Sklave im Land würde immer wieder daran denken, sich gegen seinen Herrn zu erheben. Er hörte ihren Plänen mit wachsendem Unmut zu. Die einzige Freiheit, die sie je erlangen würden, konnte aus einem Sieg gegen die Legionen dort unten auf der Ebene entstehen, egal, wie groß die Verluste waren.

Insgeheim nahm Antonidus sich vor, dass er sich vor dem Ende aus dem Staub machen würde. Er würde sich nicht in Rom als Trophäe vorführen lassen. Der Gedanke an einen triumphierenden Cato, der ihn mit einer Geste seiner feisten Hand verurteilte, war ihm unerträglich.

»Die Männer sind erschöpft«, knurrte Crassus. »Du musst zum geordneten Rückzug blasen lassen, bevor sie überwältigt werden.«

»Nein. Sie werden standhalten«, erwiderte Pompeius und blinzelte gegen die untergehende Sonne. »Schick die Extraordinarii aus, sie sollen die Lager für die Nacht bereitmachen. Sobald das Licht schwindet, ziehen wir uns zurück, aber wenn ich den Befehl jetzt schon gebe, glauben sie, sie hätten die einzigen Legionen zwischen hier und Rom zerschlagen. Sie müssen standhalten!«

Crassus rang in gequälter Unentschlossenheit die Hände. Die Legionen standen unter seinem Kommando, und wenn Pompeius zu lange mit dem Rückzug wartete, könnte alles, wofür sie gearbeitet hatten, zunichte gemacht werden. Wenn die Legionen fielen, fiel auch Rom.

Julius sog Luft in seine bleierne Lunge und wartete darauf, dass die Hörner zum nächsten Angriff bliesen. Das Blut, das an ihm haftete, war längst getrocknet und platzte bei jeder Bewegung in dunklen Krusten ab. Altes Blut. Er betrachtete müde seine Arme und hielt eine Hand in die Höhe; mit zusammengekniffenen Augen sah er das erschöpfte Zittern.

Neben ihm keuchte ein anderer Mann, und Julius warf ihm einen kurzen Blick zu. Er hatte beim letzten Angriff gut gekämpft und seine Kraft mit dem Selbstvertrauen der unsterblichen Jugend verschwendet. Jetzt blickte er auf und sah, dass Julius ihn betrachtete, und ein Schatten zog über seine grauen Augen. Es gab nichts zwischen ihnen zu sagen. Julius fragte sich, ob Catos Sohn die Schlacht wohl überleben würde. Wenn er am Leben blieb, würde Cato niemals verstehen, welche Verwandlungen in ihm vorgegangen waren.

Hinter ihnen räusperte sich Ciro das Blut aus der Kehle. Seine Lippen waren aufgesprungen und geschwollen, und er grinste seinen Anführer mit einem schmerzhaften, roten Lächeln an.

Sie alle waren zerschunden und zerschlagen. Julius zuckte bei jeder Bewegung zusammen. Etwas war in seinem unteren Rücken gerissen, als er einen Toten von sich heruntergewuchtet hatte. Schmerzfunken schossen bis in seine Schultern hinauf, und mittlerweile wollte er nur noch schlafen. Er sah zu Brutus hinüber, der von einem rasenden Sklaven bewusstlos geschlagen worden war. Nur mit einem entschlossenen Gegenangriff hatten sie den verlorenen Boden und seinen reglosen Körper zurückgewinnen können. Ciro hatte ihn durch die Reihen nach hinten geschleift, damit er dort wieder zu sich kommen konnte, und als der Himmel allmählich dunkler wurde, hatte sich Brutus ihnen wieder angeschlossen, doch er bewegte sich jetzt langsamer, fast so, als hätten ihn sein Geschick und seine Gewandtheit verlassen. Julius fragte sich, ob sein Schädel von der Wucht des Schlages gebrochen war, aber er konnte ihn nicht ins Lager zurückschicken. Sie brauchten jeden Mann, der sich noch auf den Beinen halten konnte.

Alle waren jenseits von Erschöpfung und Schmerz; sie gerieten in einen Zustand der Betäubung, der es den Gedanken erlaubte, abzuschweifen. Sämtliche Farben blichen aus, und sie verloren jegliches Zeitgefühl, nahmen nur wahr, dass die Zeit sich einmal verlangsamte und dann wieder mit erschreckender Geschwindigkeit losraste.

Mit einem Ruck vernahm Julius den Ruf der Hörner nicht weit von ihm. Er stolperte vorwärts, um abermals zur vordersten Linie zu wechseln, und schüttelte Ciros Hand ab, als sie seinen Arm berührte.

»Für heute ist’s genug, Feldherr«, sagte Ciro und legte einen Arm um Julius, um ihn zu stützen. »Die Sonne ist untergegangen. Sie rufen uns zurück ins Lager.«

Julius starrte einen Augenblick stumpf vor sich auf den Boden, dann nickte er müde.

»Sag Brutus und Renius, sie sollen die Reihen neu formieren und sich geordnet zurückziehen. Die Männer sollen sich vor einem unerwarteten Angriff in Acht nehmen.« Vor Müdigkeit kamen ihm die Worte nur undeutlich über die Lippen, doch er hob den Kopf und lächelte den Mann an, den er auf einem anderen Kontinent gefunden hatte, in einer anderen Welt.

»Gefällt es dir hier besser als auf dem Bauernhof, Ciro?«

Der große Mann ließ den Blick über die Leichen wandern. Es war der schwerste Tag seines Lebens gewesen, doch er verstand die Männer rings um ihn herum besser, als er es erklären konnte. Auf dem Hof war er allein gewesen.

»Ja, Herr«, sagte er, und Julius schien ihn zu verstehen.

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