33

Als Julius durch seine geliebten Wälder lief, lag die erste Wärme des Frühlings in der Morgenluft. Er spürte, wie seine gleichmäßig trabenden Beine die Anspannung der vergangenen Tage aus seinem Körper lösten. Nach der Aufregung der Gerichtsverhandlung hatte er den größten Teil der Zeit mit Renius und Brutus in den Unterkünften der Primigenia verbracht und war nur zum Schlafen nach Hause gekommen. Die Männer, die er in Afrika und Griechenland rekrutiert hatte, machten sich sehr gut, und unter den Überlebenden der ursprünglichen Legion erwachte ein neuer Stolz, als sie sahen, wie Marius’ geliebte Einheit zu neuem Leben erwachte. Die Männer, die ihnen Cato gesandt hatte, waren jung und unverbraucht. Julius war versucht gewesen, sie über ihre Vergangenheit zu befragen, widerstand dem Drang jedoch. Nichts, was vor ihrem Eid geschehen war, spielte eine Rolle, ganz egal, welchen Einfluss Cato auf sie ausgeübt hatte. Das würden sie schon noch rechtzeitig lernen. Renius verbrachte jede wache Stunde mit ihnen, wobei er die erfahrenen Männer zu Hilfe nahm, um die Neulinge auszubilden.

Obwohl sie immer noch nicht einmal die halbe Truppenstärke besaßen, wurden Werber in andere Städte entsandt, und Crassus hatte versprochen, so viele zu bezahlen, wie sie zum Dienst unter der Standarte der Primigenia verpflichten konnten.

Damit stand Julius bei ihm in Schwindel erregender Schuld, doch er hatte trotzdem zugestimmt. Nicht einmal das Gold von Celsus reichte aus, um eine Legion aufzustellen, und Crassus war den Sullas ebenso feindlich gesonnen wie er selbst. Fürs Erste hatte Julius diese aberwitzigen Summen weit in seinen Hinterkopf verbannt, wo sie friedlich schlummerten. Tag für Tag kamen erschöpfte Reisende aus allen Teilen des Landes herbei, die in fernen Provinzen von den Versprechungen der Anwerber angelockt worden waren. Es war eine aufregende Zeit, und jeden Abend, wenn die Sonne sich zum Horizont neigte, verließ Julius seine Kameraden nur widerstrebend, denn zu Hause erwartete ihn ein sehr kalter Empfang.

Obwohl sie das Bett miteinander teilten, fuhr Cornelia jedes Mal zusammen, wenn er sie berührte, und dann stritt sie mit ihm, bis er die Beherrschung verlor oder das Zimmer verließ und sich woanders eine Liege suchte. Es wurde von Nacht zu Nacht schlimmer, und jedes Mal fiel er voller Sehnsucht nach ihr in den Schlaf. Er vermisste die Cornelia, die er früher gekannt hatte, und manchmal wandte er sich an sie, um mit ihr zu scherzen oder um etwas zu besprechen, nur um ihr Gesicht von einer Bitterkeit gezeichnet zu finden, die er nicht begreifen konnte. Manchmal war er versucht, sich ein Sklavenmädchen in ein anderes Zimmer bringen zu lassen, um sich Erleichterung zu verschaffen. Er wusste, dass sie ihn dann hassen würde, also durchlitt er die langen Nächte, bis eine dauernde Gereiztheit seine wachen Stunden prägte und der Schlaf den einzigen Frieden brachte. Er träumte von Alexandria.

Obwohl er sich dessen schämte, hatte er Octavian schon dreimal in die Stadt mitgenommen, um einen Vorwand zu haben, bei Tabbics Laden Halt zu machen. Beim dritten Mal war er dort Brutus begegnet, und nachdem die drei einige peinliche Minuten überstanden hatten, schwor sich Julius, nie wieder hinzugehen.

Auf dem Hügel angekommen, von dem aus man seinen ganzen Besitz überblicken konnte, blieb er keuchend stehen. Hier war er nicht mehr weit von dem neuen Grenzzaun entfernt, den Suetonius’ Vater hatte errichten lassen. Vielleicht war es an der Zeit, endlich etwas dagegen zu unternehmen. Mit der guten, frischen Luft in der Lunge und vom Dauerlauf ein wenig verschwitzt, spürte er, wie sich seine Stimmung beim Anblick des Landes, das ihm gehörte, ein wenig besserte. Rom war bereit für Veränderung. Er spürte es, so wie er den unmerklichen Wandel der Jahreszeiten spürte, der den Straßen und Feldern schon bald die Hitze des Sommers bescheren würde.

Kurz darauf wurde er von Hufgetrappel aus seinen Gedanken gerissen. Als das Geräusch lauter wurde, trat Julius zur Seite. Noch ehe er die kleine Gestalt auf dem Rücken des kraftvollsten Hengstes aus seinem Stall sah, wusste er, wer der Reiter sein musste. Als er sich eine finstere Miene abrang, die den Jungen auf den feuchten Blättern des Waldweges jäh anhalten ließ, fiel Julius auf, wie geschickt und sicher Octavian ritt.

Der Hengst schnaubte und tänzelte ein wenig; er zerrte an den Zügeln, weil er weiter wollte. Octavian glitt mit einer Hand in der Mähne vom ungesattelten Rücken des Tieres herab. Julius sagte nichts, als er auf ihn zuging.

»Es tut mir Leid«, sagte Octavian und wurde rot vor Scham. »Er musste bewegt werden, und die Stallknechte wollen nie mit ihm raus. Ich weiß, ich habe gesagt…«

»Komm mit«, schnitt ihm Julius das Wort ab.

Sie gingen schweigend den Hügel hinunter. Der unglückliche Octavian führte den Hengst hinter Julius her. Er wusste, dass ihm höchstwahrscheinlich eine Tracht Prügel bevorstand, oder er wurde, was noch viel schlimmer war, in die Stadt zurückgeschickt und würde nie wieder auf einem Pferd reiten. Seine Augen füllten sich mit Tränen, die er rasch wegwischte. Julius würde ihn verachten, wenn er sah, dass er heulte wie ein kleines Kind. Octavian nahm sich vor, seine Strafe ohne Tränen entgegenzunehmen, selbst wenn er vom Gut weggeschickt wurde.

Auf Julius’ Ruf hin wurde das Tor geöffnet, und er marschierte mit Octavian direkt zum Pferdestall. Einige Pferde waren verkauft worden, als Tubruk das Lösegeld hatte aufbringen müssen, doch die besten Zuchttiere hatte der Verwalter behalten, um den Bestand wieder aufzufüllen.

Als Julius in den angenehm warmen Atem des dunklen Stalls trat, ging gerade die Sonne auf. Er zögerte, als die Pferde die Köpfe drehten, um ihn zu begrüßen, und mit ihren weichen Nüstern die Luft einsogen. Ohne ein Wort der Erklärung ging er auf einen jungen Hengst zu, den Tubruk großgezogen und trainiert hatte, und strich ihm mit der Hand über die kräftige, braune Schulter.

Octavian sah verwundert zu, wie Julius ihm Zügel anlegte, von dem Gestell an der Stallwand einen Sattel auswählte und das leise wiehernde Pferd schweigend in die Morgensonne hinausführte.

»Warum reitest du nicht öfter mit deinem Pony aus?«, fragte er dann.

Octavian starrte ihn völlig verdutzt an.

»Es ist zu langsam«, antwortete er und tätschelte dabei dem großen Hengst gedankenverloren den Hals. Das riesige Tier ragte hoch über ihm auf, scheute aber nicht vor der Berührung zurück und legte auch nichts von den Launen an den Tag, die den Stallburschen des Gutes so viel Verdruss bereiteten.

»Du weißt doch, dass du mit mir verwandt bist, nicht wahr?«, fragte Julius.

»Ja. Meine Mutter hat es mir gesagt«, antwortete der Junge.

Julius überlegte einen Augenblick. Sein eigener Vater hätte wahrscheinlich den Stock hervorgeholt, wenn er seinen Sohn oder Brutus dabei erwischt hätte, wie sie mit seinem besten Hengst durch den Wald galoppierten, doch er wollte sich seine zuversichtliche Stimmung nicht verderben. Schließlich hatte er Alexandria ein Versprechen abgegeben.

»Dann komm, Vetter. Sehen wir doch mal, ob du so gut bist, wie du denkst.«

Octavians Miene hellte sich auf, als er sah, wie Julius beide Pferde vor das Tor führte. Auf dem Hof sah er zu, wie der Junge auf den Rücken seines Hengstes sprang, und stieg mit etwas bedächtigeren Bewegungen selbst in den Sattel, stieß dann jedoch ein lautes Kriegsgeheul aus und jagte sein Pferd im Galopp den Hügel hinauf.

Octavian sah ihm mit offenem Mund nach, dann stahl sich ein Lächeln über sein Gesicht, und er grub seinem Pferd die Fersen in die Flanken. Mit einem Antwortjauchzen sauste er mit im Wind flatternden Haaren hinterher.

Als Julius ins Haus zurückkam, sehnte sich Cornelia unbändig danach, ihn zu umarmen. Rot im Gesicht vom Reiten und das Haar voller Staub, sah er so jung und lebendig aus, dass es ihr fast das Herz brach. Sie wollte, dass er sie anlächelte, wollte seine kräftigen Arme spüren, wenn er sie festhielt, doch stattdessen merkte sie, dass sie ihn wütend anfuhr, wie die Verbitterung unkontrolliert aus ihr hervorbrach, obwohl sie eigentlich viel zärtlichere Worte hatte sagen wollen, Worte, die ihr einfach nicht einfallen wollten.

»Wie lange soll ich hier noch als Gefangene leben?«, fragte sie. »Du hast deine Freiheit, aber ich kann weder essen noch irgendwo hingehen, ohne dass mir ein Trupp von deiner elenden Primigenia im Nacken sitzt!«

»Sie sind hier, um dich zu beschützen!«, erwiderte Julius, schockiert von ihrer Heftigkeit.

Cornelia funkelte ihren Ehemann an. »Wie lange noch, Julius? Du weißt besser als jeder andere, dass es noch Jahre dauern kann, bis deine Feinde keine Gefahr mehr für uns darstellen. Willst du mich für den Rest meines Lebens gefangen halten? Was soll aus deiner Tochter werden? Willst du, dass sie ganz allein aufwächst? Diese Soldaten haben sogar Freunde meines Vaters durchsucht, wenn sie zu Besuch kamen. Die kommen ganz bestimmt nicht wieder.«

»Ich habe gearbeitet, Cornelia, das weißt du doch. Ich sorge dafür, dass ich mehr Zeit für sie habe, das verspreche ich. Vielleicht war die Primigenia übervorsichtig«, gab Julius zu, »aber ich habe sie angewiesen, euch vor allen Gefahren zu schützen, bis ich die Bedrohung durch die Attentäter aus dem Weg geräumt habe.«

Zu seiner Verwunderung entfuhr Cornelia ein Fluch.

»Und das alles nur wegen dem, was Pompeius’ Tochter passiert ist! Ist dir schon einmal der Gedanke gekommen, dass vielleicht überhaupt keine Gefahr besteht? Nach allem, was wir mit Sicherheit wissen, wurde Pompeius wegen etwas heimgesucht, das überhaupt nichts mit dem Senat zu tun hatte. Trotzdem ist es mir deshalb verboten, auch nur zu kurzen Besuchen in die Stadt zu gehen, um diese Monotonie zu unterbrechen. Das ist unerträglich, Julius. Ich halte es nicht mehr aus.«

Sie konnte ihre Worte nicht zurückhalten, obwohl sie sich vor Bestürzung wand. So hatte sie es nicht gewollt. Er musste ihre Liebe doch sehen… aber er entzog sich ihr.

Julius sah sie mit versteinernden Zügen an.

»Soll ich meine Familie einem Angriff schutzlos ausliefern? Das kann ich nicht. Nein, das werde ich auch nicht tun. Ich bin ja schon dabei, gegen meine Feinde vorzugehen. Ich habe Antonidus in Anwesenheit von Cato und seinen Anhängern gebrochen. Sie wissen jetzt, dass ich ihnen gefährlich werden kann, und das erhöht das Risiko für euch um ein Vielfaches. Selbst wenn es ihre Mörder nur auf mich abgesehen haben, könnten sie dabei auf euch stoßen.«

Cornelia atmete tief durch, um ihren hämmernden Puls zu beruhigen.

»Werden wir dann hier zu unserem Schutz als Gefangene in unserem eigenen Haus festgehalten, oder um deines Stolzes willen?« Sie sah, wie seine Augen vor Zorn schmal wurden, und es tat ihr weh.

»Was soll ich darauf sagen?«, knurrte er. »Willst du zu deinem Vater zurück? Dann geh, aber die Primigenia wird mit dir gehen und das Haus in eine Festung verwandeln. Solange meine Feinde nicht tot sind, muss ich für deine lückenlose Sicherheit sorgen.«

Er drückte die Handballen fest auf die Augen, als wollte er die hilflose Wut zurückhalten, die ihn zu überkommen drohte. Dann streckte er die Hand nach ihr aus und zog ihren steifen Körper in seine Arme.

»Mein Stolz hat nichts damit zu tun, Cornelia. In meinem Leben gibt es nichts Wichtigeres als dich und Julia. Der Gedanke, dass euch etwas zustoßen könnte, ist… unerträglich. Ich muss wissen, dass ihr in Sicherheit seid.«

»Das ist nicht die ganze Wahrheit, hab ich Recht?«, flüsterte sie. »Die Stadt interessiert dich noch mehr als deine Familie. Du sorgst dich mehr um deinen Ruf und die Liebe des Volkes als um unsere.« Tränen liefen ihr aus den Augen, und er drückte sie fest an sich, legte seinen Kopf auf den ihren. Ihre Worte erschreckten ihn, und er kämpfte gegen eine innere Stimme an, die auch ein Körnchen Wahrheit in ihnen bemerkte.

»Nein, Weib«, sagte er und zwang sich zu einem fröhlicheren Ton. »Du bedeutest mir mehr als alles andere.«

Sie löste sich von ihm und sah zu ihm auf.

»Dann komm mit uns, Julius. Wenn das die Wahrheit ist, nimm dein Gold und deine Familie und lass diesen hässlichen Streit hinter dir. Es gibt andere Länder, in denen man sich niederlassen kann, Orte, an denen Rom viel zu weit entfernt ist, um uns Sorgen zu bereiten, wo deine Tochter friedlich aufwachsen kann, ohne Angst vor Messern in der Nacht. Sie hat schon jetzt Albträume, Julius. Ich habe mehr Angst davor, was dieses Eingeschlossensein ihr antut, als was aus mir wird. Wenn wir dir so viel bedeuten, dann verlass Rom.«

Er schloss die Augen vor Kummer.

»Das kannst du… nicht von mir verlangen«, sagte er. Während er diese Worte aussprach, wich sie ein Stück weiter zurück und blieb dort stehen, und obwohl seine Arme sie erneut umschlingen wollten, brachte er es nicht mehr fertig. Ihre laute, harsche Stimme erfüllte den Raum.

»Dann erzähl mir nicht dauernd, wie sehr du dich um uns sorgst, Julius. Sag das nie wieder. Deine wunderbare Stadt bedeutet Gefahr für uns, und du verstrickst dich in Lügen aus Pflicht und Liebe.« Wieder quollen Tränen des Zorns aus ihren roten Augen, dann stieß sie die Tür auf und drängte sich grob durch die Soldaten der Primigenia, die auf der anderen Seite Wache standen. Ihre Gesichter waren blass, denn sie hatten alles mit angehört, doch beide Männer hielten den Blick starr auf den Boden gerichtet, als sie Cornelia in wenigen Metern Abstand folgten, deutlich bemüht, sie nicht noch mehr zu reizen.

Kurz darauf war Julius allein im Zimmer und ließ sich benommen auf eine Liege sinken. Schon zum dritten Mal hatten sie in den Tagen nach der Verhandlung gestritten, und diesmal war es am schlimmsten gewesen. Er war voller Begeisterung über den Triumph nach Hause gekommen, und als er ihr alles berichtet hatte, waren ihre Gefühle übergekocht, und sie hatte mit einem Zorn gesprochen, wie er ihn an ihr noch nie zuvor erlebt hatte. Er hoffte, dass Clodia in der Nähe war. Nur Cornelias altes Kindermädchen schien in der Lage zu sein, sie zu beruhigen. Alles was er sagte, machte es nur noch schlimmer.

Betrübt dachte er noch einmal über den Streit nach. Sie brachte kein Verständnis für die Arbeit auf, die er in der Stadt leistete, und in einem Anflug plötzlichen Grolls über sich selbst ballte er die Fäuste. Sie hatte Recht: Er war reich genug, um sie alle wegzubringen. Das Anwesen konnte an seine habgierigen Nachbarn verkauft werden, und die Auseinandersetzungen im Senat und den Ländereien Roms konnte er anderen überlassen. Tubruk könnte sich zur Ruhe setzen, und es wäre so, als hätte die Familie der Cäsar niemals eine Rolle in der größten aller Städte gespielt.

Eine Erinnerung blitzte auf, das Bild, wie Tubruk seine Finger tief in die schwarze Erde des Feldes grub, damals, als Julius noch ein kleiner Junge gewesen war. Er stammte von diesem Land ab und konnte es nicht im Stich lassen, auch wenn es ihm Leid tat, wenn er Cornelia dadurch verletzte. Sobald seine Feinde zerschlagen waren, würde auch sie einsehen, dass dies nur ein vorübergehendes Ungemach gewesen war, und dass sie fortan ihre Tochter unbehelligt aufwachsen sehen konnten, in den Armen Roms. Wenn sie nur noch eine Weile durchhalten würde, dann würde er alles wieder gutmachen. Schließlich schüttelte er die finstere Lethargie mit einem Schulterzucken ab und erhob sich. Es war schon fast Mittag, und da für den frühen Abend eine Senatsversammlung anberaumt war, musste er sich in der Angelegenheit mit Suetonius’ Haus beeilen, wenn er wieder rechtzeitig in der Stadt sein wollte.

Octavian war im Stall und half Tubruk beim Satteln. Der Hengst, den Julius am Morgen geritten hatte, war blitzblank gestriegelt. Julius schlug dem Jungen zum Dank auf die Schulter und schwang sich in den Sattel. Wieder musste er an den erfrischenden Ritt am Morgen denken, ein Gedanke, der seinen Zorn einen Augenblick dämpfte. Schuldbewusst gestand er sich ein, dass er froh war, das Anwesen zu verlassen, von ihr fortzukommen.

Die Ländereien von Suetonius’ Vater lagen dichter an der Stadt als die von Julius, wobei sie eine lange gemeinsame Grenze hatten. Obwohl der Senator keinen militärischen Rang bekleidete, beschäftigte er eine ganze Reihe von Soldaten, die die beiden Reisenden sofort in Empfang nahmen, sobald sie die Grenze übertraten, und sie mit professioneller Umsicht bis zum Hauptgebäude begleiteten. Als Julius und Tubruk sich dem Eingang näherten, wurden Boten vorausgesandt, und die beiden Männer wechselten angesichts dieser Tüchtigkeit einen kurzen Blick.

Das Gehöft, auf dem Suetonius aufgewachsen war, hatte sich zu einem ausgedehnten Anwesen aus mehreren, von weißen Mauern umgebenen Höfen entwickelt, beinahe doppelt so groß wie das, das Julius geerbt hatte. Derselbe kleine Fluss, der sein eigenes Land bewässerte, floss auch durch Prandus’ Ländereien, wo es überall üppig blühte und gedieh. Uralte Pinien beschatteten den Eingang, auch der Pfad bis zur Tür wurde von den überhängenden Zweigen in kühlen Schatten getaucht. Tubruk schnaubte missbilligend.

»So was lässt sich unmöglich verteidigen«, murmelte er. »Die Bäume geben zu viel Deckung, außerdem müsste man hier eine richtige Mauer mit einem festen Tor errichten. Das hier könnte ich mit zwanzig Mann einnehmen.«

Julius erwiderte nichts und dachte an sein eigenes Gut, vor dessen Mauern sämtliche Bäume und Sträucher entfernt worden waren. Es war ihm noch nicht aufgefallen, welchen Einfluss Tubruks Hand hinterlassen hatte, besonders nach den Sklavenaufständen im vergangenen Jahr. Suetonius’ Haus war sehr ansehnlich und ließ sein eigenes im Vergleich dazu wie eine abweisende Festung aussehen. Vielleicht würde Cornelia der Aufenthalt dort leichter fallen, wenn ihre Umgebung weniger wie eine Kaserne aussähe.

Sie stiegen ab, um durch den Eingang zu schreiten, einen gefliesten Bogen, der in einen offenen Garten führte, in dem sie hinter Büschen und Pflanzen das Gurgeln fließenden Wassers vernahmen. Julius lud die schweren Satteltaschen von den Pferden und schulterte ein Bündel, während Tubruk das andere nahm, dann überließen sie die Zügel den Händen der Sklaven, die sofort herbeigeeilt waren, um sie zu übernehmen. Man führte sie zu Sitzgelegenheiten in einem kühlen Außenzimmer und bat sie, dort zu warten.

Julius machte es sich bequem, denn er wusste, dass der Senator ihre Anwesenheit eine ganze Weile ignorieren konnte. Tubruk ging zu einem Fenster und betrachtete die Blüten, die, wie Julius dachte, auch Cornelia in ihrem eigenen Heim gefallen würden.

Dann kam ein Sklave aus dem Haus auf die beiden Männer zu.

»Senator Prandus heißt dich willkommen, Tribun. Bitte folgt mir.«

Tubruk hob die Augenbrauen. Mit einer so schnellen Reaktion hatte er nicht gerechnet. Julius zuckte die Achseln, und die beiden folgten dem Sklaven bis in einen weit entfernten Flügel, wo der Mann eine Tür vor ihnen öffnete und sich verneigte. Sie traten ein.

Senator Prandus stand mit seinem Sohn in einem Zimmer, das eher an einen Tempel als an einen Wohnraum erinnerte. Kostbarer, gemaserter Marmor säumte die Wände und bedeckte den Boden, und in die gegenüberliegende Wand war der Hausschrein eingelassen. Es roch ein wenig nach Weihrauch, ein würziger Duft, den Julius anerkennend einatmete. Es bestand kein Zweifel daran, dass er in seinem Anwesen für die eine oder andere Veränderung sorgen musste. Bei jedem Schritt fielen ihm neue und interessante Einzelheiten ins Auge, von der Büste eines Vorfahren im Schrein bis hin zu der Sammlung griechischer und römischer Relikte an einer Wand, die er nur zu gerne näher betrachtet hätte. Es handelte sich um eine wohl kalkulierte Zurschaustellung von Reichtum, doch Julius nahm es alles als Anregungen für die Veränderungen in sich auf, die er in seinem eigenen Haus vorzunehmen gedachte, wodurch der beabsichtigte Effekt wirkungslos verpuffte.

»Ein unerwarteter Besuch, Cäsar«, begrüßte ihn Prandus.

Julius riss sich von seiner Umgebung los und lächelte die beiden Männer offen an.

»Du hast ein wunderschönes Haus, Senator. Besonders die Gartenanlagen.«

Prandus blinzelte erstaunt, runzelte jedoch sofort wieder die Stirn, denn er war zur Höflichkeit gezwungen.

»Vielen Dank, Tribun. Es waren viele Jahre harter Arbeit nötig, um alles so zu gestalten. Aber du hast noch nicht gesagt, was dich zu mir führt.«

Julius hob die Taschen von der Schulter und ließ sie mit dem unmissverständlichen Klirren metallener Münzen auf den Marmorboden fallen.

»Du weißt genau, was mich zu dir führt, Senator. Ich bin gekommen, um das Land zurückzukaufen, das dir während meiner Gefangenschaft, die ich gemeinsam mit deinem Sohn erlitten habe, verkauft worden ist.« Julius warf Suetonius einen kurzen Blick zu und sah, dass der Sohn des Senators das Gesicht zu einem arroganten Grinsen verzogen hatte. Julius reagierte nicht darauf und behielt seinen unbeteiligten Gesichtsausdruck bei. Schließlich musste er mit dem Vater verhandeln, nicht mit dem Sohn.

»Ich hatte vor, meinem Sohn ein Haus auf diesem Land zu bauen«, wandte der Senator ein.

Julius unterbrach ihn sofort: »Ich erinnere mich daran. Ich bringe dir den Preis, den du dafür bezahlt hast sowie ein Viertel mehr, um dich für den Verlust zu entschädigen. Ich werde nicht mit dir über mein Land verhandeln. Und ich werde dir auch kein zweites Angebot machen«, sagte er mit fester Stimme und knotete den Beutel auf, um seinem Gegenüber das Gold zu zeigen.

»Das ist… ein faires Angebot«, bemerkte Prandus mit Blick auf die Beutel. »Einverstanden. Ich lasse meine Sklaven den Grenzzaun sofort entfernen.«

»Was? Vater, du kannst doch nicht einfach…«, fuhr Suetonius dazwischen.

Der Senator drehte sich zur Seite und packte seinen Sohn zornig am Arm.

»Schweig!«, fuhr er ihn an.

Der jüngere Mann schüttelte ungläubig den Kopf, als Julius auf seinen Vater zuging und ihm zur Besiegelung der Abmachung die Hand schüttelte.

Ohne ein weiteres Wort gingen Julius und Tubruk wieder hinaus und ließen Suetonius mit seinem Vater allein.

»Warum hast du das getan?«, fragte der Sohn voll wütender Verwunderung.

Der Mund seines Vaters verzog sich zu einem Abbild seines eigenen höhnischen Lächelns.

»Du bist ein Narr, mein Sohn. Ich liebe dich, aber du bist ein Narr. Du warst doch mit mir bei der Gerichtsverhandlung auf dem Forum. Diesen Mann möchte man sich nicht zum Feind machen. Ist das verständlich genug für dich?«

»Aber was ist mit dem Haus, das du bauen wolltest? Bei den Göttern, ich habe schon tagelang mit den Architekten über den Plänen gesessen.«

Senator Prandus sah seinen Sohn an. In seinen Augen spiegelte sich eine Enttäuschung, die den Jüngeren mehr verletzte, als es ein Fausthieb vermocht hätte.

»Vertrau mir, Suetonius. Du wärst in diesem Haus, so dicht an seinen Ländereien, schon bald gestorben. Ob du dir dessen bewusst bist oder nicht, ich habe dir soeben das Leben gerettet. Ich fürchte ihn nicht aus Angst um mein eigenes Leben, aber du bist mein ältester Sohn, und er ist zu gefährlich für dich. Er macht Cato Angst, und auch du solltest dich vor ihm in Acht nehmen.«

»Ich habe weder Angst vor Cäsar noch vor seinen Soldaten!«, schrie Suetonius.

Sein Vater schüttelte traurig den Kopf.

»Genau aus diesem Grunde, mein Sohn, bist du ein Narr.«

Als Julius und Tubruk ihre Pferde durch das Tor des Gutes führten, ertönte ein Ruf vom Haupthaus. Brutus kam ihnen entgegengerannt, doch ihre freudigen Begrüßungen erstarben ihnen auf den Lippen, als sie seinen Gesichtsausdruck sahen.

»Den Göttern sei Dank, dass ihr zurück seid!«, rief er. »Der Senat hat alle zusammengerufen. Die Primigenia muss sich zum Ausrücken bereit machen.« Noch während er sprach, brachte ihm ein Sklave sein Pferd, und er schwang sich in den Sattel.

»Was ist passiert?«, fragte Julius, als Brutus entschlossen nach den Zügeln griff.

»Ein Sklavenaufstand im Norden. Tausende und Hunderte Gladiatoren, die ihre Aufseher umgebracht haben. Mutina ist überrannt worden«, erwiderte Brutus. Sein Gesicht war blass unter dem Staub der Straße.

»Das ist unmöglich! Dort stehen zwei Legionen!«, meldete sich Tubruk entsetzt zu Wort.

»So wurde es jedenfalls berichtet. Überall sind Boten unterwegs, aber ich dachte, du würdest es gern so schnell wie möglich erfahren.«

Julius wendete sein Pferd und packte die Zügel fester.

»Ich kann die Männer, die meine Frau schützen, nicht abziehen, sonst riskiere ich hier eine zweite Rebellion«, sagte er brüsk.

Brutus zuckte die Achseln. »Der Befehl lautete, jeden verfügbaren Soldaten marschbereit zu machen, Julius. Aber wenn du willst, vergesse ich diese hier einfach«, gab er zurück und streckte den Arm aus, um dem Freund aufmunternd auf die Schulter zu klopfen. Julius zog die Zügel an und schickte sich an, seinem Pferd die Fersen in die Flanken zu drücken.

»Sichere das Haus, Tubruk«, befahl Julius. »Falls sich der Aufstand ausbreitet, sind wir bestimmt noch einmal dankbar dafür, dass du die Verteidigungsanlagen ausgebaut hast. Sieh zu, dass meine Familie in Sicherheit ist, so wie du es zuvor auch getan hast.«

Sie blickten einander einen Augenblick lang in die Augen. Dann beugte sich Julius über den Hals seines Pferdes und flüsterte Tubruk ins Ohr, damit Brutus ihn nicht hören konnte.

»Ich weiß, was ich dir schuldig bin«, sagte er. Sullas Tod hatte sie alle gerettet.

»Keine Sorge. Geh jetzt«, erwiderte Tubruk schroff und gab dem Pferd einen Klaps aufs Hinterteil.

Die beiden jungen Männer duckten sich im Sattel, preschten davon und zogen auf der Straße nach Rom eine lange Staubfahne hinter sich her.

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